Du bist nicht, was du denkst - Georg Lolos - E-Book + Hörbuch

Du bist nicht, was du denkst Hörbuch

Georg Lolos

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Beschreibung

»Das ERSTE Buch in Sachen Achtsamkeit, das bei mir nachhaltig etwas verändert hat.« Christine Westermann

Warum fallen uns manchmal Entscheidungen so schwer, schrecken wir vor Neuem zurück oder fühlen uns wertlos? Der Bewusstseinstrainer Georg Lolos ist sich sicher, dass unser Ego schuld daran ist. Um emotionale Ego-Tiefs zu meistern, hat er einen hochwirksamen Ansatz entwickelt. Seine Grundidee dabei: Das Ego entspricht einem Haus mit zehn Räumen. Unten befindet sich zum Beispiel der Minderwert-Keller, in ihm sehnen wir uns nach Liebe und Zuspruch. Im Kontroll-Raum dagegen begegnen wir uns selbst und anderen voller Misstrauen und Perfektionismus. Lolos geht unser inneres Ego-Zuhause Stockwerk für Stockwerk durch und zeigt präzise, welche negativen Gefühle oder falschen Glaubenssätze uns lähmen. Zugleich weist er mit leicht erlernbaren Achtsamkeitsritualen zu Vergebung, Selbstliebe und dem inneren Kind den Weg heraus aus dem Ego-Gefängnis. So können wir das Leben endlich willkommen heißen: liebevoll, gelassen und voller Vertrauen.

Mit Achtsamkeitsritualen, Übungen zum inneren Kind und für mehr Selbstliebe.

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Zeit:6 Std. 43 min

Sprecher:Georg Lolos

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Georg Lolos

DU BIST NICHT, WAS DU DENKST

Wie wir aus der negativen Gedankenspirale aussteigen und den Kopf frei bekommen

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Originalausgabe © 2019 Arkana, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Lektorat: Diane Zilliges Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Daniela Hofner Covermotiv: © Tatjana Zlatkovic/Stocksy United Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering ISBN 978-3-641-23304-4 V003 www.arkana-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Aufmerksamkeit und Glaube

Die Räume des Ego

Zwei große Kräfte bestimmen über dein Leben

Raum eins: Der Kontroll-Raum

Wie du in den Kontroll-Raum hineingerätst

Wie du aus dem Kontroll-Raum herausfindest

Der Kontroll-Raum im Überblick

Raum zwei: Der Minderwert-Raum

Wie du in den Minderwert-Raum hineingerätst

Wie du aus dem Minderwert-Raum herausfindest

Der Minderwert-Raum im Überblick

Raum drei: Der Raum der Bedürftigkeit

Wie du in den Raum der Bedürftigkeit hineingerätst

Wie du aus dem Raum der Bedürftigkeit herausfindest

Der Raum der Bedürftigkeit im Überblick

Raum vier: Der Hybris-Raum

Wie du in den Hybris-Raum hineingerätst

Wie du aus dem Hybris-Raum herausfindest

Der Hybris-Raum im Überblick

Raum fünf: Der Schuld-Raum

Wie du in den Schuld-Raum hineingerätst

Wie du aus dem Schuld-Raum herausfindest

Der Schuld-Raum im Überblick

Raum sechs: Der Raum der Verleugnung

Wie du in den Raum der Verleugnung hineingerätst

Wie du aus dem Raum der Verleugnung herausfindest

Der Raum der Verleugnung im Überblick

Raum sieben: Der Widerstand-Raum

Wie du in den Widerstand-Raum hineingerätst

Wie du aus dem Widerstand-Raum herausfindest

Der Widerstand-Raum im Überblick

Raum acht: Der Raum der Gier

Wie du in den Raum der Gier hineingerätst

Wie du aus dem Raum der Gier herausfindest

Der Raum der Gier im Überblick

Raum neun: Der Raum der Verwirrung

Wie du in den Raum der Verwirrung hineingerätst

Wie du aus dem Raum der Verwirrung herausfindest

Der Raum der Verwirrung im Überblick

Raum zehn: Der Raum der Ohnmacht

Wie du in den Raum der Ohnmacht hineingerätst

Wie du aus dem Raum der Ohnmacht herausfindest

Der Raum der Ohnmacht im Überblick

Du bist nicht, was du denkst

»Wer bin ich?«

Dein wahres Selbst

Danksagung

Literaturhinweise

Anmerkungen

Einleitung

Weder zu Hause noch in der Schule hatte mir jemand beigebracht, mit schwierigen emotionalen Zuständen umzugehen. Der Umzug ins Kloster erschien mir deswegen der einzige Ausweg zu sein. Ich war Anfang 30, befand mich in einer depressiven Grundstimmung, und das buddhistische Zentrum des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh war für mich die Hoffnung auf Heilung. Negative Emotionen hatten sich über Jahre in meinen Alltag hineingefressen. Ich war meinen Ängsten und dem Gedanken, minderwertig zu sein, hilflos ausgeliefert. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das gefangen in einer endlosen, furchteinflößenden Geisterbahn saß. In meinem Kopf kreisten die immer gleichen Sorgen, und ich hatte keine Ahnung, wie ich diesen inneren Ort des Schreckens jemals würde verlassen können.

Seit über zweihundert Jahren wissen wir, wie wichtig die äußere Reinheit für unsere Gesundheit, unsere Lebensdauer und Lebensqualität ist. Deswegen duschen wir, putzen uns die Zähne, reinigen unsere Wohnungen und desinfizieren alles Mögliche. Doch was ist mit unserem inneren Zustand? Was ist mit dem, was den ganzen Tag über in unseren Köpfen und Herzen passiert? Schließlich sind Sorgen und Ängste, Ärger und Schuld, Hass und Gier in unterschiedlicher Intensität bei allen Menschen in jeder Gesellschaftsschicht und Kultur präsent. Dennoch verwenden die meisten von uns sehr wenig Zeit und Energie darauf, ihren inneren Raum klar und sauber zu halten.

Die Folgen für die Psyche, den Körper und die ganze Gesellschaft sind seit Langem bekannt: Bei Burn-out, Bluthochdruck, Magengeschwüren, Tinnitus, Süchten, Depressionen und vielem anderen ist unsere innere Verfassung – mindestens – mitverantwortlich. Für die mangelnde Selbstfürsorge zahlt sowohl der Einzelne als auch die gesamte Gesellschaft einen sehr hohen Preis.

Doch wir nehmen den Wahnsinn, der sich zeitweise in unseren Gedanken und Emotionen abspielt, wie gottgegeben hin. Es kommt uns überhaupt nicht in den Sinn, dass wir einen Einfluss darauf haben könnten, und wir überlassen es dem Zufall, ob wir diese inneren Stürme überwinden oder jahrelang immer neu unter ihnen leiden. Dabei ist es bemerkenswert, um was wir uns sonst so alles kümmern in unserem Alltag: Die Sauberkeit unserer Garderobe zum Beispiel scheint uns wichtiger zu sein als die Klarheit unseres Bewusstseins. Den Fleck auf dem T-Shirt behandeln wir normalerweise sofort. Schließlich können wir morgens nicht mit einem Kaffeefleck auf die Straße gehen. Auf gar keinen Fall! Aber mit Ängsten, Sorgen oder Wut? Kein Problem! Raus in die Welt!

Wir begreifen nicht, dass wir – theoretisch – ungeduscht und dennoch glücklich vor uns hin stinken können. Aber wir werden auf Dauer nicht glücklich sein, wenn wir unser Innerstes nicht klar und rein halten. Das trifft auf jeden Menschen zu: egal, ob es die Verkäuferin im Supermarkt ist, die Politikerin, der Familienvater, der Lehrer oder die CEO. Wenn wir unsere schwierigen inneren Zustände nicht erkennen und lernen, sie zu transformieren, leiden wir zuallererst selbst und lassen dann unsere Umwelt leiden.

Viele von uns kennen nur einen einzigen Weg und hoffen, darüber Linderung zu erfahren: Sie wollen »immer mehr« bekommen. Sie konsumieren »immer mehr«, wollen »immer mehr« Geld, Macht, Sex, »immer mehr« Liebe, Erfolg und Anerkennung, »immer mehr« Abenteuer und Erlebnisse. Da du aber dieses Buch liest, wirst du vermutlich bereits wissen, dass all diese Dinge keinen nachhaltigen positiven Einfluss auf deinen inneren Zustand haben. Es sind Beruhigungspillen, die dir scheinbar Erleichterung verschaffen, aber auch diese ist nur von sehr kurzer Dauer, bevor du schon wieder auf der Suche nach dem nächsten Kick bist.

Von deinem emotionalen Zustand hängt nicht nur dein individuelles Glück ab. Aggressionen und Gewalt, Diebstahl und Gier, Konflikte und Terror haben hier ebenfalls ihren Ursprung. Alle unsere Beziehungen, das Zusammenleben gesellschaftlicher Gruppierungen und die Interaktionen von ganzen Völkern und Nationen werden von den inneren Zuständen der Menschen bestimmt. Ob wir aus Furcht Mauern hochziehen und uns abschotten; aus Gier die Umwelt, die Tiere und andere Menschen ausbeuten; ob wir Beziehungen eingehen, die uns nicht guttun; Jobs annehmen, die wir nicht mögen; unsere Kinder misshandeln oder in den Krieg ziehen: All das tun wir, weil wir nicht in der Lage sind, mit dem tagtäglichen Wahnsinn unserer Gedanken und Emotionen umzugehen. Was in allen Religionen gesucht und gepredigt wird, nämlich Frieden, Liebe, Mitgefühl und Ausgeglichenheit – das findet kaum jemand auf diesem Planeten. Doch die, die es finden, wissen: Es ist möglich, und es liegt in unserem Inneren.

Es ist fast 20 Jahre her, dass ich in das Kloster Plum Village nach Frankreich gegangen bin, in dem ich dann drei Jahre gelebt habe. Bevor ich hier eintraf, fühlte ich mich andauernd überwältigt von Emotionen wie Einsamkeit oder der Angst, nicht liebenswert zu sein. Ich war schlichtweg nicht in der Lage, mit den abwertenden Stimmen in meinem Kopf umzugehen. Während meines Aufenthalts im Kloster lernte ich, durch achtsame Selbstfürsorge meine Gedanken und Emotionen zu beobachten und mich um sie zu kümmern. Ich lernte, Abstand zu den schmerzhaften Zuständen herzustellen, und war schließlich in der Lage, mit Liebe und Akzeptanz auf mich zu blicken, was mir vorher schier unmöglich erschien.

Als ich das Kloster verließ, wusste ich, dass ich dieses Wissen um die innere Selbstfürsorge nicht wieder verlieren konnte, und wollte es auch an andere weitergeben. Seitdem arbeite ich nicht nur fürsorglich mit meinen eigenen inneren Zuständen, sondern durfte hunderte Menschen dabei begleiten, das Gleiche zu tun. Im Laufe der Jahre stellte ich fest, dass wir alle unter dem gleichen Wahnsinn leiden. Ich hörte – Jahr für Jahr – von den unterschiedlichsten Leuten die gleichen Überzeugungen. Sie stimmten sehr oft sogar wortwörtlich überein. Darum habe ich begonnen, die emotionalen Zustände zu kategorisieren, unter denen wir leiden. Auf diesem Weg habe ich gemerkt, dass es gar nicht so viele unterschiedliche Zustände sind, wie ich zuerst angenommen hatte. In diesem Buch werde ich diese zehn Bewusstseinszustände vorstellen – mehr gibt es tatsächlich nicht.

Dankenswerterweise haben sich einige Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, bereiterklärt, in diesem Buch (unter geänderten Namen) über ihre Erfahrungen zu sprechen. Ich habe mit etwa 40 Personen Interviews über die schwierigen emotionalen Zustände geführt, die sie besonders gut kennen. Dieses Material ist neben meiner jahrzehntelangen Erfahrung in dieses Buch eingeflossen.

Es werden hier keine psychiatrischen Fälle vorgestellt und keine Bewusstseinsveränderungen, wie sie beim Drogenkonsum erlebt werden. Stattdessen geht es um jene emotionalen Schmerzen, die universell sind, weil sie jeder Mensch kennt. Ich habe die Beispiele bewusst so gewählt, dass sie dir die vielen Facetten eines jeden Bewusstseinsraumes aufzeigen, sodass du dich gegebenenfalls darin wiedererkennen kannst. Die Zitate stammen von Menschen, die mit meiner Unterstützung schon eine Zeitlang an ihren Themen gearbeitet haben und deswegen recht reflektiert über ihre Zustände sprechen können. Das macht es dir, so hoffe ich, leichter, diese zehn Ego-Zustände auch bei dir selbst aufzuspüren.

Dieses Buch soll dir als praktische Anleitung dienen: Es bietet dir einerseits ein Diagnoseinstrument, um deine problematischen inneren Zustände zu erkennen, und gleichzeitig einen Wegweiser, um sie zu überwinden.

Du kannst es lesen und damit arbeiten, wenn dich eine praktische Anregung anspricht. Außerdem sind im Text einzelne Worte hervorgehoben – das ist eine Aufforderung zum Üben an dich: In dem Moment kannst du eine neue innere Ausrichtung annehmen. Steht dort zum Beispiel entspannen, Hier und Jetzt oder Beobachtung, dann nimm dir während des Lesens einen Augenblick Zeit, um zu entspannen oder ins Hier und Jetzt zu kommen oder um den inneren Zustand zu beobachten, in dem du dich gerade befindest.

Je spontaner, liebevoller und klarer du deine schmerzhaften Zustände beobachten kannst, umso leichter wird es dir fallen, sie zu durchschauen und Abstand zu ihnen zu gewinnen. Durch die innere Distanz verlieren sie ihre beängstigende Wirkung. Du erkennst dann, dass die Geisterbahn nur aus Pappfiguren mit Kostümen und Requisiten besteht. Es kann sein, dass du dich dennoch ab und zu erschreckst, aber du erlebst den Spuk nicht mehr als »die Realität«. Dadurch bekommst du eine größere innere Freiheit und mehr Frieden.

Mein Lehrer Thich Nhat Hanh sagt, dass nur dann Frieden in der Welt entstehen kann, wenn innerlich Frieden herrscht. Solange wir den Krieg in uns nicht beenden, kann sich auch da draußen kein Frieden einstellen. Die Arbeit fängt immer bei jedem Einzelnen von uns an. Dieser Planet kann auf Dauer kein gerechterer, friedlicherer Ort werden, wo wir respektvoll und mitfühlend mit uns selbst, unseren Mitmenschen, den Tieren, Pflanzen und der Erde selbst leben, wenn wir nicht beginnen, uns um unsere inneren Zustände zu kümmern. Egal ob Krieg oder Frieden, Ausbeutung oder Mitgefühl – mit dem, was in deinem Bewusstsein geschieht, beginnt alles und endet alles.

Aufmerksamkeit und Glaube

Wir brauchen mehr Verständnis über die menschliche Natur. Die einzige wirkliche Gefahr, die existiert, ist der Mensch selbst … Wir wissen nichts über den Menschen – viel zu wenig. Sein Bewusstsein muss studiert werden, denn wir sind der Ursprung von allem Bösen.

Carl Gustav Jung in einem Interview 19591

»Na, bist du wieder in deinem Zustand? Hast du wieder deine fünf Minuten?« Als Kind hörte ich diese Sätze immer mal wieder von meiner Mutter. Sie sagte sie, wenn ich wegen irgendeiner Kleinigkeit ärgerlich wurde und mich schmollend in mein Zimmer verkroch. Oder auch, wenn ich brüllend durch das Haus raste, weil ich mich in einen Superhelden verwandelt hatte: »Na, bist du schon wieder in deinem Zustand?«

Immer wenn sie mir diese Frage stellte, stoppte ich für einen kurzen Augenblick und versuchte nachzuvollziehen, was sie meinte – was sie da gerade in mir gesehen hatte. Heute würde ich sagen, dass ich für einen Moment aus »diesem Zustand« heraustrat und von außen auf mich schaute. Manchmal veränderte sich durch diesen Außenblick mein Verhalten, und ich wurde etwas ruhiger und entspannter. Aber in der Regel hielt diese beobachtende Pause nicht lange an, und kurze Zeit später rannte ich unvermindert weiter durchs Wohnzimmer – mit meinen Superkräften. Allerdings begriff ich, dass der »Zustand«, den meine Mutter in mir sah, eine spezielle Qualität besaß. Und weil ich immer nur hörte, wie wir Kinder auf unsere emotionalen »Zustände« angesprochen wurden, vermutete ich lange, dass Erwachsene keine »Zustände« und niemals »ihre fünf Minuten« hätten. Als ich älter wurde, musste ich jedoch sehr bald feststellen, dass dies keineswegs der Wahrheit entsprach.

Unsere emotionalen Zustände ereignen sich in unserem Bewusstsein. Für den Begriff »Bewusstsein« gibt es in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen keine einheitliche Definition. In der Philosophie, in den Neurowissenschaften, in der Psychologie und in den Religionswissenschaften wird er jeweils anders verwendet. Wenn in diesem Buch über Bewusstsein gesprochen wird, dann ist das intelligente Feld in dir gemeint, das alles wahrnimmt. Es ist die Essenz deiner Lebensenergie – dein »wahres Selbst«. Mit diesem Feld nimmst du wahr: Sinneseindrücke wie Geräusche und Bilder genauso wie Emotionen und Gedanken. Dein Bewusstsein empfängt alle Botschaften und wertet sie aus. Es erscheinen sekündlich so viele Informationen, dass du ständig Entscheidungen darüber triffst, welchen Reizen du Aufmerksamkeit schenkst und welchen nicht.

Wenn du zum Beispiel durch eine Stadt läufst, erreichen unzählige Sinneseindrücke dein Wahrnehmungsfeld. Die Aufmerksamkeit wird sich aber – zwangsläufig – nur auf einige davon richten können. Hörst du plötzlich ein Auto hupen, wird sie eher dort hingehen als zu dem Geräusch des Milchaufschäumers, das aus dem Café kommt.

Da, wo deine Aufmerksamkeit hingeht, entsteht deine Realität. Die Aufmerksamkeit bestimmt die Perspektive, die du im Hier und Jetzt einnimmst. Du kannst zu mir nach Hause kommen und auf die Blumen in der Vase schauen oder auf den Staub in den Ecken. Je nachdem wo du hinblickst – welche Perspektive du einnimmst –, wirst du eine andere Realität erleben und in mir einen anderen Menschen sehen. Aber in den meisten Fällen entscheidest nicht du, wo deine Aufmerksamkeit hingeht. Sie schweift in der Regel wahllos hin und her, folgt irgendwelchen Gedanken in Räume hinein und hakt sich dann dort in irgendeinem Zustand fest. Deine Aufmerksamkeit folgt meistens dem, was du bereits kennst, was du trainiert hast, wie du konditioniert wurdest. Hast du es zu einer Gewohnheit gemacht, dich zuerst auf das zu fokussieren, was nicht funktioniert, dann wird deine Aufmerksamkeit natürlich als Erstes dorthin gehen und nicht zu dem, was gut läuft. Du blickst auf den Dreck und nicht auf die Blumen.

Um die Sinneseindrücke zu bewerten, die deine Wahrnehmung erreichen, ist in der Regel ein Instrument zwischengeschaltet: der Verstand. Das ist der Ort in deinem Bewusstsein, wo alle gedanklichen Prozesse passieren. Er ist dafür zuständig, alles einzuordnen und zu kategorisieren. Der Verstand wird auf Gefahren hinweisen und Lösungen für Probleme anbieten. Du entscheidest dann, ob du den Vorschlägen folgst oder nicht. Der Verstand produziert rund um die Uhr neue Gedanken und schleudert sie in dein Bewusstsein. Wenn du beginnst, diesen Prozess achtsam zu beobachten, dann wirst du feststellen, dass der Verstand autonom arbeitet. Die allermeisten Gedanken tauchen einfach von selbst auf, du hast darauf keinen Einfluss. Natürlich gibt es Gedanken, die du mit Absicht denkst, aber der große Teil deiner Denkvorgänge passiert ohne dein Zutun. Du kannst daher auch nicht wissen, was du in fünf Minuten denken wirst. Kein Mensch auf diesem Planeten weiß, was er in fünf Minuten denken wird! Du denkst nicht, sondern etwas denkt in dir.

Der Verstand ist ein hervorragendes Instrument. Unsere Zivilisation wäre ohne ihn nicht dort, wo sie heute ist. Er ist hervorragend, solange er gelenkt und geleitet wird. Aber bei den meisten von uns hat er jedes Maß verloren. Er ist vom Instrument zum Herrscher aufgestiegen und kommandiert uns den ganzen Tag herum. Das kann er deswegen, weil wir uns zu einhundert Prozent mit ihm identifizieren. Da ist kein Abstand mehr zwischen uns und unserem Verstand. Wir glauben: »Ich bin, was ich denke.« Innere Stille, also die zeitweise, bewusst wahrgenommene Freiheit von Gedanken, kennen nur die wenigsten. Wir vertrauen blind allen Vorschlägen, die der Verstand produziert, und wundern uns dann, wenn wir uns ängstlich, aggressiv oder verstört fühlen. Gehorsam springen wir jedem Gedanken hinterher, den er ausstößt: »Da muss ich noch hin. Ich darf die Rechnung nicht vergessen. Morgen kommen die Nachbarn zu Besuch. Kann der nicht anständig parken? Was kostet das noch mal? Hoffentlich werden die Schmerzen nicht schlimmer. Ich Idiot habe das Tanken vergessen! Was fällt dem bloß ein! Hoffentlich geht das gut! Jetzt regnet es schon wieder …«

Es ist unglaublich anstrengend, diesem gedanklichen Strom zu folgen, der unser Bewusstsein durchdringt. Aber das eigentliche Problem ist, dass dieser Output verantwortlich dafür ist, dass wir in schmerzhaften emotionalen Zuständen landen.

Die Räume des Ego

Stell dir vor, die Weite deines Bewusstseins ist ein stilles, friedvolles Universum. In ihm steht jedoch ein großes Haus, in dem es gewaltig lärmt. In den Räumen dieses Hauses »wohnen« deine schwierigen emotionalen Zustände. Und meist hältst du dich ebenfalls in diesem Haus auf. Du bist ab und an auch in dem ruhigen Garten drumherum, in dem du positive Emotionen hast. Und nur ganz selten bist du außerhalb des Grundstücks in der stillen Weite des Bewusstseins. Die schwierigen Emotionen können ihre Zimmer nicht verlassen, aber du gehst sie besuchen. In jedem Raum herrscht eine ganz eigene Stimmung und Atmosphäre. Betrittst du ein Zimmer, verändert sich schlagartig deine Perspektive. Du atmest die Luft des jeweiligen Zustandes ein und beginnst fast unmittelbar innerlich so zu vibrieren, als ob du ein Lautsprecher wärst, der an eine Musikanlage angeschlossen wurde. Dein ganzes Wesen nimmt die Schwingungen des Raumes auf und gibt sie weiter. Deine Emotionen verändern sich sofort, denn du bist wie hypnotisiert von dem Zustand, der in diesem Raum vorherrscht.

Überschreitest du zum Beispiel die Schwelle zu dem Raum, in dem der »Minderwert« wohnt, bist du den Dämpfen und Schwingungen dieses Zustandes ausgeliefert. Deine Emotionen und deine Perspektive passen sich seiner Atmosphäre direkt an. Die Luft, die du einatmest, ist geschwängert mit Minderwert. Du wirst dich zwangsläufig minderwertig fühlen, ungeliebt und einsam. Solange du hier drinnen bleibst, bist du mit diesem emotionalen Zustand identifiziert.

Je nachdem, welchen Raum du betrittst – welche Atmosphäre du einatmest und in welche Schwingungen du gerätst –, verändert sich deine gesamte Stimmungslage und deine Perspektive aufs Leben.

Aus meiner Erfahrung gibt es insgesamt zehn solcher Räume in dem Haus. »Minderwert« ist einer davon. Doch egal, welches dieser zehn Zimmer du betrittst: Du wirst in ihnen leiden. Denn all diese Bewusstseinszustände fühlen sich mangelhaft und unausgeglichen an.

Wir können dieses Haus auch Ego nennen, und du wirst im Verlauf des Buches verstehen, warum. Frei, friedvoll und glücklich kannst du dich nur außerhalb des Ego-Hauses fühlen. Dann bist du entweder im Garten vorm Haus, in dem du angenehme Emotionen erlebst. Oder du verlässt den Einflussbereich des Ego-Hauses völlig und ruhst in der friedvollen Weite deines Bewusstseins. Dies ist dein natürlicher, ursprünglicher Zustand. Es ist der Zustand, den du als kleines Kind erlebt hast, als du noch nicht identifiziert warst mit Gedanken und deinem Ego. Beobachte ein Kleinkind, das einfach nur aus der Stille schaut, und du wirst eine Ahnung von dem bekommen, was ich meine. Dies ist der Zustand der Erleuchteten. Darum sagt Jesus: »Wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen«2. Später werde ich noch näher auf diesen natürlichen Zustand eingehen.

Vollkommen »draußen« ist der Großteil der Menschen nur sehr selten. Die meiste Zeit irren sie in den Zimmern umher oder stehen zumindest an der Schwelle zu einem der zehn Räume.

Du betrittst einen bestimmten Zustand dann, wenn sich deine Aufmerksamkeit gezielt an bestimmte Gedanken heftet. Irgendwelche Gedanken sind immer vorhanden, dein Verstand produziert kontinuierlich neue. Daher ist deine Aufmerksamkeit dauernd in Bewegung und springt mal zu dem und mal zu jenem Gedanken. Sie ist dein Kundschafter, durch den du weißt, was in deinem Bewusstsein vor sich geht. Da es aber so viele Gedanken sind, lässt die Aufmerksamkeit den Großteil einfach weiterziehen, ohne ihn zu beachten. Doch manche Gedanken wecken das Interesse deines Kundschafters: Auf sie richtet sich dann deine Aufmerksamkeit.

Nehmen wir an, es schwebt ein Gedanke vorbei, der die Info trägt: »Ich bin nicht gut genug!« Fühlt sich deine Aufmerksamkeit von diesem Gedanken aus irgendeinem Grund angezogen, dann folgt sie ihm. Sie folgt ihm in das Ego-Haus hinein und dort direkt in den Minderwert-Raum. Sobald sich die Tür hinter ihr schließt, beginnt die Vernebelung deiner Wahrnehmung. Du atmest die Dämpfe des Minderwerts ein, und dein Bewusstsein gerät in diese niedrige Schwingung. Innerhalb kürzester Zeit fühlst du dich nicht liebenswert, traurig und allein. Derart hypnotisiert glaubst du alles, was dir deine Gedanken hier erzählen. Du bist eins mit dem Raum des Minderwerts. Wie aber kommst du wieder heraus?

Zwei große Kräfte bestimmen über dein Leben

Ramana Maharashi war einer der großen erleuchteten Meister des 20. Jahrhunderts. Als er von einem Schüler gefragt wurde, ob er seine Lehre in einem Wort zusammenfassen könne, antwortete der Meister: »Aufmerksamkeit«.

Die allerwenigsten Menschen sind in der Lage, ihre Aufmerksamkeit zu steuern oder auch nur zu bemerken, worauf sie sich fortlaufend richtet. Sie flattert durch das Bewusstsein einem Gedanken nach dem anderen hinterher und zieht uns dabei immer wieder in irgendwelche unangenehmen Zustände hinein.

Der technische Fortschritt, den die Welt in den letzten Jahrhunderten durchlaufen hat, mag enorm sein, aber auf der Ebene des Bewusstseins sind wir nicht sehr weit vorangekommen. Die meisten Menschen wissen immer noch nicht – genau wie vor 2000 Jahren –, wie sie ihre Aufmerksamkeit lenken können und mit den inneren Zuständen umgehen sollen. Sind wir mit einem bestimmten Bewusstseinsraum identifiziert, sind wir – wie unsere Vorfahren – von der Realität dieses Zustandes überzeugt und verhalten uns dementsprechend. Vom depressiven Rückzug bis zum Krieg ist dann alles möglich. Wir wissen nicht, dass wir uns nur in einem bestimmten Raum unseres Ego-Hauses befinden. Wir halten diesen Raum für die Welt.

Deshalb sagt Mooji – ein anderer spiritueller Lehrer –, dass unsere Aufmerksamkeit und unser Glaube die größten Kräfte sind, die wir haben. Denn wenn deine Aufmerksamkeit einem problematischen Gedanken folgt und du diesen Gedanken glaubst, landest du zwangsläufig in einem der zehn Ego-Zustände. Wie du im Verlauf des Buches sehen wirst, erzeugen diese Räume extrem viel Leiden in dir und bei anderen. Tatsächlich sind diese inneren Zustände verantwortlich für alles Leiden auf diesem Planeten.

Gedanken kommen und gehen einfach.

Die Frage ist, ob du ihnen folgst und sie glaubst – oder nicht.

Wenn ein Gedanke in deinem Bewusstsein auftaucht, hängt von den beiden genannten Kräften ab, ob du in einem der zehn Räume landest oder ob du draußen bleibst beziehungsweise wieder herausfindest.

Erste Kraft: Aufmerksamkeit

Nehmen wir an, du machst dir ständig Sorgen über alles Mögliche. Das bedeutet, dass dein Verstand einen Gedanken produziert, der – im Kern – ungefähr so lautet: »Etwas Schlimmes könnte passieren!« Dieser Gedanke flattert aufgeregt durch dein Bewusstsein und schlägt kontinuierlich Alarm. Gedanken sind wie die Stimmen der Sirenen. Diese mythischen Kreaturen lockten mit ihrem Gesang Seefahrer an, bis die Schiffe an den Felsen ihrer Insel zerschellten und die Matrosen ertranken. Auch Gedanken versuchen dich mit ihrem Gesang anzuziehen. Zeigt deine Aufmerksamkeit Interesse für den Gedanken: »Etwas Schlimmes könnte passieren«, wirst du ihm in Richtung Ego-Haus folgen. Der Köder ist gelegt, und du segelst – noch unbekümmert – den Klippen entgegen.

Zweite Kraft: Glaube

Doch allein deine Aufmerksamkeit, die einem Gedanken folgt, reicht noch nicht, um das Haus zu betreten. Du musst den Gedanken glauben. Der Glaube ist deine zweite Kraft. Erst wenn du glaubst, beißt du endgültig in den Köder hinein. Tust du das, dann wirst du mit dem Gedanken »Etwas Schlimmes könnte passieren« direkt in den Kontroll-Raum weitergeleitet – in das Zimmer für diejenigen, die sich ständig Sorgen machen. Je stärker du von deinem Gedanken überzeugt bist, desto tiefer wirst du in den Raum hineingezogen. Du atmest die Atmosphäre dort ein und gleichst dich immer mehr dem Kontrollzustand an. Solange du hier drinnen bist, werden Angst und Sorgen sowie hoffnungsloser Kontrollzwang eine wesentliche Rolle spielen.

Es müssen also beide Kräfte – Aufmerksamkeit und Glaube – zusammenkommen, damit du in einem schmerzhaften emotionalen Zustand landest. Je mehr du einem Gedanken glaubst, desto stärker wirst du dich in der Atmosphäre des entsprechenden Raumes verfangen. Deine Emotionen und Körperempfindungen werden dabei immer intensiver. Egal ob du Angst, Aggression oder Bedürftigkeit fühlst: Die Emotion wird sich immer mehr Raum nehmen und noch mächtiger in dir werden.

Was daraus folgt, ist von großer Bedeutung: Je stärker du mit einem Gedanken identifiziert bist, das heißt je tiefer du dich in dem Raum befindest, umso extremer werden deine Emotionen und umso extremer werden auch deine Handlungen. Menschen, die sich selbst oder andere töten, müssen sich außergewöhnlich tief in einem solchen Raum aufhalten. Die Identifikation mit der dort vorherrschenden, engen Perspektive ist dann so stark, dass sie bereit sind, bis zum Äußersten zu gehen.

Je tiefer du dich in einem Raum befindest, umso extremer werden deine Emotionen und auch deine Handlungen.

Ein Gedanke wird stärker und bekommt mehr Macht, je mehr du ihn mit deiner Aufmerksamkeit und mit deinem Glauben fütterst. Er kann nicht überleben, wenn du ihm diese Nahrung entziehst und die Kräfte auf etwas Sinnvolleres richtest. Jeder Gedanke lebt von der Energie, die du ihm schenkst. Du nährst ihn damit wie eine Pflanze. Hörst du auf, ihm deine beiden Kräfte zukommen zu lassen, wird er zwangsläufig vertrocknen und wieder verschwinden.

Vielleicht glaubst du, dass es dir erst dann gelingt, deine Aufmerksamkeit von einem Gedanken abzuziehen, wenn sich deine äußere Situation verändert. Aber ob es dir gelingt, deine Aufmerksamkeit von einem Gedanken wegzunehmen, hängt nicht von den äußeren Umständen ab. Personen können zur gleichen Zeit am selben Ort sein und dennoch die Situation vollkommen unterschiedlich erleben, weil sie ganz unterschiedlich mit den Gedanken dazu umgehen.

Nehmen wir an, zwei Menschen sitzen in demselben Flugzeug: Passagier A und Passagier B. Irgendwann treten Turbulenzen auf, und Passagier A schießt der Gedanke durch den Kopf, dass die Maschine abstürzen könnte. Natürlich denkt A diesen Gedanken nicht absichtlich. Er passiert einfach. Nun bewegt sich die Aufmerksamkeit von A zu dem Gedanken, und sein Bewusstsein wertet ihn daraufhin aus. In dem Moment, wo das intelligente Feld das Absturzszenario glaubt, wird sich der Bewusstseinszustand von A verändern. Er ist dem Gedanken in den »Raum der Ohnmacht« gefolgt. Bei A entsteht nun zwangsläufig Panik, und er wird entsprechende körperliche Reaktionen zeigen: Der Puls beschleunigt sich, Schweißausbruch, Muskeln verkrampfen und so weiter. Je stärker sein Glaube an den Gedanken, je mehr er ihn füttert, desto größer wird die Angst. Er ist bald vollkommen identifiziert mit dem Zustand.

Bei Passagier B taucht während der Turbulenzen derselbe Gedanke auf. Auch seine Aufmerksamkeit nimmt den Gedanken wahr und wertet ihn aus. Aber im Gegensatz zu A glaubt Passagier B das Absturzszenario nicht und zieht die Aufmerksamkeit wieder von dem Gedanken ab. Man könnte auch sagen: Er lässt den Gedanken einfach wieder los und schenkt ihm keine weitere Beachtung. Er füttert ihn nicht mit Aufmerksamkeit und Glaube. Selbst wenn sich sein Bewusstsein ein wenig eintrübt und in Schwingung gerät, weil seine Aufmerksamkeit anfänglich zu dem Gedanken ging, bewegt er sich wieder zurück in einen natürlichen, freien Zustand. Passagier B hat an der Schwelle kehrtgemacht und das Ego-Haus wieder verlassen.

Wir haben hier also zwei Personen in derselben Situation, die dennoch zwei völlig verschiedene Realitäten erleben und deshalb auch unterschiedliche Reaktionen zeigen. Es ist nicht die äußere Situation, die einen inneren Zustand in dir auslöst, sondern das, was du darüber denkst.

Du kannst nie genau wissen, warum ein Gedanke auftaucht oder weswegen sich deine Aufmerksamkeit so brennend für ihn interessiert. In der Regel sind Konditionierungen, Erfahrungen und Lernprozesse dafür verantwortlich. Es ist aber auch möglich, dass du bestimmte Vorstellungen und Gedanken von deinen Vorfahren geerbt hast. Sie waren dann bereits mit denselben Zuständen von Minderwert, Kontrolle, Hybris oder Ohnmacht identifiziert und haben ihre Angewohnheiten an dich weitergegeben.

Der Aufenthalt in einem Raum wird zur Gewohnheit, wenn du ihn immer wieder betrittst und ständig seine Luft einatmest. Manche Menschen können sich über Wochen oder sogar Monate in demselben Ego-Raum aufhalten, zum Beispiel bei einer Depression. Kommst du immer wieder in denselben Zustand, dann wird daraus irgendwann ein Muster. Du hast dich fest eingerichtet in diesem Zimmer und erlebst dein ganzes Leben aus dieser Perspektive. Der Ego-Raum ist zu deinem Zuhause geworden und das Leid dein Alltag.

Die gute Nachricht ist nun: Du kannst lernen, deine Aufmerksamkeit zu lenken und dein Bewusstsein klar zu halten. Dann wirst du immer seltener in irgendeinem schmerzhaften Zustand landen und das Ego-Haus mit seinen zehn Räumen kaum noch aufsuchen müssen. Genau wie die äußere Hygiene erfordert auch die innere Klarheit und Selbstfürsorge gezielte Aktivitäten. Die einzuüben und zu einer gesunden Gewohnheit zu machen, lebt von der Wiederholung! Du hast als Kind sprechen und laufen gelernt, weil du es immer wieder geübt hast. Alles, was du tust, wird besser, je häufiger du es übst – ob bei einem Musikinstrument, einer Sportart, einer neuen Sprache oder deinem Beruf. Ab einem bestimmten Punkt wird zur Gewohnheit, was dir anfänglich so schwierig erschien.

Lass mich dir ein Beispiel aus meinem Leben erzählen: Ich wurde als Junge zu Hause nicht besonders in die Hausarbeit eingebunden. Ob dreckige Teller oder schmutzige Wäsche, ich ließ alles stehen und liegen, und meine Mutter räumte hinter mir her. Als ich mein Elternhaus verließ, wusste ich weder, wie man eine Toilette sauber macht, noch sonst sehr viel übers Putzen oder Kochen. So zog ich in meine erste Wohngemeinschaft mit zwei Frauen – und nach kürzester Zeit dachten meine beiden Mitbewohnerinnen, ich sei geistesgestört. Ich ließ nämlich auch hier alles herumstehen und fand es völlig normal, mich von ihnen bekochen und bedienen zu lassen. Ich war nicht mal in der Lage, die Unordnung zu sehen, die ich überall hinterließ. Ich hatte einfach keinen Sinn dafür. Ich benutzte die Dinge – und kümmerte mich nicht weiter darum. Das klappte aber nun nicht mehr, und ich durchlief in meiner WG ein ziemlich hartes Training. Es hat lange gedauert, bis ich anfing, Dreck und Unordnung wahrzunehmen, um dann – im nächsten Trainingsschritt – zu lernen, wie man sie beseitigt. Damals hatte ich starke Widerstände gegen meine Mitbewohnerinnen, die mich immer wieder auf meine Schlampereien hinwiesen. Aber heute bin ich ihnen sehr dankbar, denn ich genieße es, in einem sauberen Umfeld zu leben, und das kann ich nur, weil ich es trainiert habe, selbst für so ein Umfeld zu sorgen.