Du bleibst immer meine Frau - Patricia Vandenberg - E-Book

Du bleibst immer meine Frau E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Fee Norden stand am Fenster und preßte ihre Stirn an die kalte Scheibe, an der nun große Tränen herabrollten wie Regentropfen. Sie wollte diese Tränen ihrem kleinen Sohn Danny nicht zeigen, der sie jetzt am Rock zupfte und betrübt fragte: »Was hat Mami?« Er spürte es, wenn sie traurig war, und dann war auch er bekümmert. Aber Fee konnte ihm nicht erklären, warum sie weinte. Er konnte es noch nicht verstehen. In den Morgenstunden war Bärbel Vandamme gestorben. Vierzehn Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes, und wieder einmal stand die schreckliche Krankheit Leukämie wie eine Drohung vor ihren Augen. Bärbel war achtundzwanzig Jahre alt gewesen, glücklich verheiratet, zärtliche Mutter eines kleinen Sohnes, der ein Jahr älter war als Danny. Dr. Daniel Norden hatte schon ganz schlimme Ahnungen gehabt, als er in den letzten Monaten der Schwangerschaft immer häufiger in das Haus des Chefingenieurs Vandamme gerufen wurde und feststellen mußte, daß Bärbels Zustand sich besorgniserregend verschlimmerte. Dr. Hans-Georg Leitner, Daniels Freund und Kollege, hatte in seiner Klinik dann durch eine gründliche Untersuchung diese grausame Tatsache festgestellt. Sie hatten lange überlegt, ob sie Jörg Vandamme die Wahrheit sagen mußten. Doch es war vorauszusehen, daß die junge Frau die Geburt nicht überleben würde. Es war ihnen ohnehin unbegreiflich, daß sie die Schwangerschaft bisher überstanden hatte. Zu Fee hatte Daniel auch nichts gesagt. Sie kannte Bärbel Vandamme und mochte diese liebenswerte junge Frau sehr gern. Daniel hoffte wieder einmal auf ein Wunder, so gering diese Hoffnung auch sein konnte. Als sie sich dann doch entschlossen hatten, Jörg Vandamme die Wahrheit zu sagen, war der Mann zusammengebrochen. Um so bewundernswerter fanden die beiden Ärzte es dann, wie er sich zusammenriß und seiner Frau immer eine zuversichtliche Miene zeigte, ihr sagte, daß alles wieder gut werden würde, wenn das Kind erst da sei, obgleich er eigentlich doch damit rechnen mußte, daß er diese so sehr geliebte Frau dann nur noch begraben könnte.

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Dr. Norden Aktuell – 14 –

Du bleibst immer meine Frau

Patricia Vandenberg

Fee Norden stand am Fenster und preßte ihre Stirn an die kalte Scheibe, an der nun große Tränen herabrollten wie Regentropfen. Sie wollte diese Tränen ihrem kleinen Sohn Danny nicht zeigen, der sie jetzt am Rock zupfte und betrübt fragte: »Was hat Mami?«

Er spürte es, wenn sie traurig war, und dann war auch er bekümmert. Aber Fee konnte ihm nicht erklären, warum sie weinte. Er konnte es noch nicht verstehen.

In den Morgenstunden war Bärbel Vandamme gestorben. Vierzehn Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes, und wieder einmal stand die schreckliche Krankheit Leukämie wie eine Drohung vor ihren Augen.

Bärbel war achtundzwanzig Jahre alt gewesen, glücklich verheiratet, zärtliche Mutter eines kleinen Sohnes, der ein Jahr älter war als Danny.

Dr. Daniel Norden hatte schon ganz schlimme Ahnungen gehabt, als er in den letzten Monaten der Schwangerschaft immer häufiger in das Haus des Chefingenieurs Vandamme gerufen wurde und feststellen mußte, daß Bärbels Zustand sich besorgniserregend verschlimmerte.

Dr. Hans-Georg Leitner, Daniels Freund und Kollege, hatte in seiner Klinik dann durch eine gründliche Untersuchung diese grausame Tatsache festgestellt. Sie hatten lange überlegt, ob sie Jörg Vandamme die Wahrheit sagen mußten. Doch es war vorauszusehen, daß die junge Frau die Geburt nicht überleben würde. Es war ihnen ohnehin unbegreiflich, daß sie die Schwangerschaft bisher überstanden hatte.

Zu Fee hatte Daniel auch nichts gesagt. Sie kannte Bärbel Vandamme und mochte diese liebenswerte junge Frau sehr gern. Daniel hoffte wieder einmal auf ein Wunder, so gering diese Hoffnung auch sein konnte.

Als sie sich dann doch entschlossen hatten, Jörg Vandamme die Wahrheit zu sagen, war der Mann zusammengebrochen. Um so bewundernswerter fanden die beiden Ärzte es dann, wie er sich zusammenriß und seiner Frau immer eine zuversichtliche Miene zeigte, ihr sagte, daß alles wieder gut werden würde, wenn das Kind erst da sei, obgleich er eigentlich doch damit rechnen mußte, daß er diese so sehr geliebte Frau dann nur noch begraben könnte.

Bärbels Schwester Sandra war zu ihnen gezogen und betreute den kleinen Sandro, dessen Patin sie auch war. Doch auch sie erfuhr nichts von der erschütternden Wahrheit. Auch ihr zeigte Jörg nicht sein wahres Gesicht. Er täuschte ihr Zuversicht vor, wo er doch schon alle Hoffnung verloren geben mußte.

Und auch Bärbels Freundin Janine Collas wurde verschwiegen, daß Bärbel nur noch kurze Zeit zu leben hatte.

Janine war eine bekannte Modeschöpferin, seit fünf Jahren verheiratet, und wünschte sich nun brennend ein Kind. Sie war diejenige, die Bärbel am meisten Mut zusprach, wenn die Erschöpfungszustände immer dichter aufeinander folgten.

Sie würde für ein Kind alles auf sich nehmen, sagte sie. Wenn sie es dann erst im Arm halten konnte, wäre vergessen, was man an Erschwernissen auf sich genommen hätte. Ob sie jetzt wohl anders dachte, da Bärbels Leben verlöscht war? Bärbel hatte ein gesundes Kind zur Welt gebracht. Sie hatte es noch im Arm halten und betrachten können. Sie hatte länger gelebt, als die Ärzte voraussehen konnten.

Auch daran dachte Fee Norden, während sie ihre Tränen trocknete und ihren kleinen Danny in die Arme nahm.

Sie kannte auch Janine Collas. Sie kaufte nur noch Kleider aus ihrer Kollektion, weil sie für sie wie geschaffen waren und wirklich genau ihrem Geschmack entsprachen.

Janines Mann, Volker Collas, hatte eine bestens florierende Fabrikation apartester Damenmoden aufgebaut. Janine machte die Entwürfe, und nach ihr waren die Schöpfungen auch benannt. Janine-Kleider und -Kostüme wurden in aller Welt getragen. Sie selbst war von dem Erfolg überwältigt worden. Ihr Mann Volker war ungemein weitsichtig gewesen und ein cleverer Geschäftsmann. Aber Janine war der Motor. Sie war eine Künstlerin, und weil sie Kontakt zu den Kundinnen brauchte, hatte sie auch eine Boutique eingerichtet.

Fee Norden gehörte zu ihren liebsten Kundinnen und gerade sie bot Janine immer wieder neue Anregungen. Deshalb schienen ihr auch alle Modelle wie auf den Leib geschneidert.

Fee war eine bezaubernde Frau. Sie hatte eine blendende Figur. Sie wäre genau das Modell gewesen, das eine Modeschöpferin sich wünschte, aber eine Frau Dr. Norden, die vor ihrer Ehe praktizierende Ärztin gewesen war, konnte man nicht als Mannequin gewinnen. Janine hatte das auch nie versucht. Dazu besaß sie zuviel Taktgefühl. Fee Norden schwebte ihr nur vor, wenn sie neue Entwürfe machte.

An all dies verschwendete jedoch auch sie an diesem Morgen keinen Gedanken. Ihr war es genauso weh ums Herz wie Fee. Für sie war es noch schlimmer. Sie hatte ihre beste Freundin verloren.

Sie weinte haltlos, und auch ihr Mann vermochte sie nicht zu trösten.

Ihr Gesicht war verquollen. Ein weites Kleid kaschierte ihre rundlichen Formen. Janine Collas hatte sich wenige Tage zuvor noch so sehr darüber gefreut, daß sich ihr heißester Wunsch nun zu erfüllen schien und sie endlich auch Mutterfreuden entgegensehen könnte.

Volker Collas war sehr besorgt um seine Frau. »Denk an das Baby, Janine«, redete er beruhigend auf sie ein.

»Ich denke ja daran«, schluchzte sie auf. »Aber wenn bei mir nun auch nicht alles in Ordnung ist? Ich bin doch eigentlich schon viel zu dick.«

Das hatte er insgeheim auch schon festgestellt. Ihr Gesicht war auch nicht nur von den vielen Tränen aufgeschwemmt, die sie um Bärbel vergoß. Schon seit zwei Wochen war es ihm aufgefallen, wie sehr sie sich veränderte. Er sagte nichts darüber. Er wußte, wie sehr sie sich ein Kind wünschte, und er war auch bereit, dafür alles in Kauf zu nehmen. Das Kinderzimmer in ihrem schönen Haus war schon lange fertig. Ihm war das nie so wichtig gewesen wie Janine. Ihn erfüllte eben die Sorge, daß ein Kind die Harmonie zwischen ihm und Janine stören könnte. Und ein bißchen dachte er auch daran, daß Janine dann nicht mehr soviel Interesse am Geschäft zeigen würde, wenn sie erst ein Kind hatte.

Aber jetzt dachte er noch weiter. Es war ein zu schrecklicher Gedanke, daß Janine ihm genommen werden könnte. Er liebte seine Frau genauso, wie Jörg Vandamme Bärbel geliebt hatte.

Es war einfach unvorstellbar, daß eine so junge, so glückliche Frau plötzlich nicht mehr unter ihnen weilen sollte.

*

Dr. Daniel Norden hatte mehr Zeit gehabt, sich mit den Tatsachen vertraut zu machen, aber auch für ihn war es ein arger Vormittag.

Er war gegen sechs Uhr morgens von seinem Freund Schorsch Leitner in die Klinik gerufen worden. Ein paar Tage nach der Geburt ihrer Tochter hatte es den Anschein, als würde Bärbel sich erholen. Nun aber war der Tod ganz schnell gekommen, und für den empfindsamen Schorsch war es ebenfalls ein harter Schlag. Aber er hatte Daniel angerufen, weil Jörg Vandamme völlig zusammengebrochen war. Zu groß war die Nervenbelastung der letzten Wochen für ihn gewesen. Bis zum letzten Atemzug hatte er Bärbels Hand gehalten und immer noch gehofft. Auf der Säuglingsstation lag ein süßes kleines Mädchen und konnte noch nicht wissen, daß es schon, gerade erst zwei Wochen jung, Halbwaise geworden war.

Es war verständlich, daß Jörg kein Interesse für dieses Kind hatte, dachte er doch oft, daß dieses Baby die Katastrophe ausgelöst hatte.

Daniel Norden hatte mit Jörg Vandamme gesprochen. Er hatte mit Engelszungen geredet. Das Kind träfe keine Schuld.

»Dann trifft mich die Schuld«, sagte Jörg. »Ich wollte noch ein zweites Kind haben.«

Er war so unsagbar verzweifelt, und Daniel hatte unwillkürlich auch daran denken müssen, daß ihm nicht anders zumute wäre, wenn Fee solches Schicksal widerfahren würde. Schnell hatte er diesen Gedanken beiseite geschoben.

»Sie trifft auch keine Schuld, Herr Vandamme«, hatte er gesagt. »Das Schicksal kann grausam sein, aber was können wir ihm entgegenwerfen? Wir sind auch nur Menschen.«

»So was kann nicht göttlicher Wille sein«, sagte der andere verzweifelt. »Bärbel hat niemanden etwas zuleide getan. Sie war so gut, so sanft, so voller Liebe. Warum dürfen andere leben, die gar nicht fähig sind zu leben?«

Was sollte Daniel darauf sagen? »Sie haben Ihren kleinen Sohn und nun die kleine Bärbel«, ja, das sagte er. Worte, die diesen bis ins Innerste Erschütterten nicht zu trösten vermochten.

Jetzt noch nicht. Draußen stand Sandra Terhoeven, Bärbels Schwester.

»Ich habe es geahnt und gefürchtet«, sagte sie leise. »Warum konnte nicht ich es sein? Die Kinder brauchen doch ihre Mutter.«

»Vielleicht können Sie ihnen die Mutter ersetzen«, hatte Daniel erwidert.

»Kann man eine Mutter ersetzen?« fragte sie.

Den ganzen Vormittag konnte Daniel Norden diese Gedanken nicht verbannen. Mittags saß er stumm am Tisch, und auch ihn konnte Danny nicht aufmuntern.

»Was wird nun mit den Kindern werden?« fragte Fee.

»Sandra wird sich um die Kleinen kümmern, aber ich frage mich, was aus Jörg Vandamme wird, Fee. Er ist völlig gebrochen. Mir ist bange um ihn.«

*

Es war die wirklich ernste Sorge um Jörg, die Daniel veranlaßte, an der Beerdigung teilzunehmen. Und weil Fee wußte, wie ihm bei Beerdigungen zumute war, begleitete sie ihn. Es ging nicht darum, einer Toten die letzte Ehre zu erweisen, wie man so sagte. Die Toten wußten ja nichts mehr davon, und Fee fand es auch viel besser, wenn man ihnen eine gute Erinnerung bewahrte. Gar zu viele kamen doch nur aus Neugierde.

Bei Bärbel Vandamme war das allerdings nicht der Fall. Es hatte keine Todesanzeige gegeben. Nur die engsten Familienangehörigen und Freunde waren versammelt. Es war ein unendlich schmerzlicher Abschied, bei dem viele heiße Tränen flossen. Sandra Terhoeven stand geisterhaft bleich neben Jörg. Ihre Mutter saß zusammengesunken auf einem Stuhl neben Janine, die eine große dunkle Brille vor den Augen hatte und völlig apathisch wirkte.

Hielt sich Jörg auch mühsam aufrecht, so war es doch gut, daß Daniel Norden zur Seite war, denn Janine brach dann am Grab ihrer Freundin zusammen, nachdem sie die Blumen hineingeworfen hatte.

Daniel war von Fee darauf aufmerksam gemacht worden, um wen es sich handelte. Er kannte Janine nicht persönlich, nur ihren Namen.

Volker Collas geriet in Erregung, während Jörg schon gar nicht mehr wahrnahm, was um ihn vor sich ging.

Daniel stellte sich Volker Collas kurz vor, während er sich um Janine bemühte. Gemeinsam brachten sie dann die junge Frau zum Wagen, den Fee eilig herbeigeholt hatte.

»Meine Frau erwartet ein Baby«, stammelte Volker. »Würden Sie uns bitte begleiten, Herr Doktor?«

Er merkte gar nicht, daß es Daniels Wagen war, in dem Janine nun ohnmächtig lag.

»Wo wohnen Sie?« fragte Daniel.

»In Bogenhausen.«

»Ziemlich weit. Wir bringen Ihre Frau besser zu uns. Das ist näher«, erwiderte Daniel.

Volker Collas nickte etwas verstört. Er dachte jetzt nicht daran, daß sein Wagen drüben auf dem Parkplatz stand. Das war auch völlig gleichgültig. Es war nur beruhigend, daß gleich ein Arzt zur Stelle war. Und den Namen Norden kannte er auch, allerdings nur in Verbindung mit Fee.

Schnell waren sie bei den Nordens angelangt. Danny hatte schon sehnsüchtig auf seine Eltern gewartet, aber er lief erschrocken weg, als die ohnmächtige Janine von seinem Papi und Volker ins Haus getragen wurde.

»Is denn los?« fragte er seine Mami, die dann zu ihm und Lenni in die Küche kam.

»Die Dame ist krank, Danny«, erklärte Fee kurz. Dann setzte sie Wasser auf für einen Tee. Daniel untersuchte indessen Janine, die langsam zu Bewußtsein kam und Daniel verwirrt anschaute.

»Es war zuviel«, flüsterte sie. »Oh, mein Baby…«

»Ganz ruhig sein«, sagte Daniel. »Nur keine Aufregung.« Und dabei war er selbst ziemlich in Aufregung geraten. Seine Gedanken arbeiteten fieberhaft.

»Meine Frau wird Ihnen einen Tee bringen, den trinken Sie in kleinen Schlucken. Er belebt.«

Seine Gedanken waren nicht bei der Sache. Er war froh, als Fee kam.

Er mußte unbedingt mit Volker Collas sprechen, wenngleich ihm auch das nicht leicht wurde.

Der war blaß und überaus nervös. »Wie geht es Janine?« fragte er stockend.

»Sie erholt sich. Meine Frau ist bei ihr. Ich muß mit Ihnen sprechen, Herr Collas. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Ängstlich sah ihn der andere an. »Es wird doch dem Baby nicht schaden«, murmelte er.

»Herr Collas, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber Ihre Frau ist nicht schwanger.«

»Ist nicht schwanger?« wiederholte Volker bestürzt. »Aber Dr. Dötsch hat doch gesagt…«, er unterbrach sich und starrte Daniel an. »Sie sind doch kein Gynäkologe.«

»Nein, ich bin keiner, aber ein bißchen was verstehe ich davon auch«, sagte Daniel freundlich. »Sie können gern noch einen Gynäkologen hinzuziehen.«

»Ich will Sie nicht kritisieren«, sagte Volker leise, »aber Dr. Dötsch ist doch Gynäkologe. Er hat gesagt…«, wieder geriet er ins Stocken.

»Er sagt, daß Ihre Frau schwanger ist?« fragte Daniel erstaunt.

»Er hat gesagt, daß die Hormonbehandlung erfolgreich gewesen sei«, erwiderte Volker stockend.

»Ihre Frau hat sich also einer Hormonkur unterzogen«, stellte Daniel fest. Vermutet hatte er das sofort bei der Untersuchung.

»Ja, sie wollte unbedingt ein Kind haben. Wir sind fünf Jahre verheiratet, und sie hat Bärbel so beneidet. Mein Gott, dabei war sie doch nur zu bedauern. Das war ein zu schlimmer Schock. Sie meinen, daß Janine eine Fehlgeburt hat?« fragte er dann verstört.

»Nein, sie ist nicht schwanger. Sie war es auch nicht.«

»Aber sie ist doch soviel dicker geworden.«

»Wahrscheinlich durch die Hormonbehandlung. Ich will noch kein Urteil abgeben, aber es scheint, daß ein Medikament verabreicht wurde, das diese Aufschwemmung hervorgerufen hat. Hinzu kam der Wunsch nach einem Kind. Scheinschwangerschaften gibt es häufiger als man denkt.«

Er wollte nicht sagen, daß auch noch etwas anderes dahinterstecken könnte, denn nun war Volker völlig konsterniert.

»Ich begreife das nicht«, sagte er. »Das kann doch nicht möglich sein. Herr Dr. Norden, bitte erklären Sie es mir doch genau. Sie ahnen ja nicht, was das für meine Frau bedeuten kann, wenn Sie recht haben.«

Indessen machte sich auch Fee Gedanken über Janine, die sie ja schon länger kannte.

»Wenn es nur meinem Baby nicht schadet«, flüsterte Janine. »Volker wollte nicht, daß ich zur Beerdigung gehe, aber Bärbel war doch meine beste Freundin. Es ist so schrecklich«, schluchzte sie wieder auf.

Sie erwartet ein Baby? fragte sich Fee, denn auch in ihr stiegen daran Zweifel empor.

Das Gesicht und der Körper waren aufgeschwemmt, die aparte Anmut, die Janine ausgezeichnet hatte, konnte man nur noch ahnen. Gewiß gab es bei manchen Schwangerschaften unschöne Begleiterscheinungen, doch der behandelnde Arzt konnte etwas dagegen unternehmen. Sie wollte sich nicht vager Vermutungen hingeben, sondern erst mit Daniel darüber sprechen.

Der bemühte sich jetzt, Volker Collas genau zu erklären, welche Nebenwirkungen Hormonbehandlungen hervorrufen konnten, wenn sie falsch dosiert oder auf die psychischen Anlagen der Patientin nicht richtig abgestimmt waren.

»Es gibt verschiedene Präparate. Genauso ist es bei den Antibabypillen«, erklärte er. »Hat sich die Kur über längere Zeit erstreckt?«

»Ich denke schon. Janine hat darüber nicht gesprochen. Ich war nicht versessen auf ein Kind, das muß ich zugeben. Ich sagte ihr das auch, und manchmal gab es dadurch Differenzen zwischen uns. Herr Dr. Norden, Sie dürfen mich nicht mißverstehen. Ich liebe meine Frau. Mir fehlte nicht ein Kind zum großen Glück. Und jetzt finde ich es einfach schrecklich, daß ihre Hoffnung vergeblich war und sie dazu auch noch verunstaltet ist.«

»Das wird sich beheben lassen«, sagte Dr. Norden.

»Aber wie soll man es ihr beibringen, daß sie kein Baby bekommt?« fragte Volker verzweifelt.

»Nicht gleich heute. Es wird am besten sein, wenn Sie es ihr diplomatisch beibringen.«

»Das kann ich nicht. Nein, das bringe ich nicht fertig.«

»Dann bringen Sie das Gespräch auf Dr. Dötsch und sagen Sie ihr, daß sie sich in eine klinische Untersuchung begeben möchte. Ich kann Ihnen Dr. Leitner empfehlen. Er ist sehr gewissenhaft.«

»Wenn Janine das erfährt, wird sie zu keinem Arzt mehr Vertrauen haben«, sagte Volker. »Oh, mein Gott, es ist zu schrecklich. Da bringt Bäbel noch ein gesundes Kind zur Welt und muß selbst sterben, und Janine…«, wieder geriet er ins Stocken, »es wird doch für sie nicht auch noch schlimmere Folgen geben?« In seinen Augen stand blanke Furcht. Nervös fuhr er mit der Hand durch sein dichtes aschblondes Haar.

»Jetzt müssen Sie Ihrer Frau vor allem zeigen, daß Sie sie lieben.«

»Aber das weiß sie doch. Und es wird sich auch nie ändern. Nur gesund soll sie sein. Ich habe Angst um meine Frau, Dr. Norden. Ein Arzt kann doch nicht so verantwortungslos handeln.«

»Sie sollten einmal mit Dr. Dötsch sprechen«, schlug Daniel vor.

»Kennen Sie ihn?«

»Nein, ich hatte noch nicht mit ihm zu tun. Ich würde allerdings gern erfahren, mit welchen Mitteln Ihre Frau behandelt wurde.«

»Das werde ich schon in Erfahrung bringen, und diesen Menschen werde ich anprangern, wenn es seine Schuld ist«, sagte Volker erregt.

»Das dürfte Ihnen schwerfallen«, sagte Daniel. »Es gibt leider Kollegen, die jede Verantwortung von sich abzuwälzen verstehen. Lassen wir ein paar Tage verstreichen. Wenn Sie mir die Informationen besorgen können, wenn sich dann Ihre Frau entschließen kann, sich gründlichst untersuchen zu lassen, werde ich mich mit Dr. Dötsch in Verbindung setzen.«

Volker Collas brauchte noch ein paar Minuten, bis er sich halbwegs beruhigt hatte. Dann streckte er Daniel impulsiv die Hand entgegen. »Es ist gut, daß wir an Sie geraten sind, Herr Dr. Norden«, sagte er mit tonloser Stimme. »Wer weiß, was noch mit Janine passiert wäre. Mir geht es jetzt darum, daß sie keine bleibende Gesundheitsschädigung erleidet. Der Gedanke, daß ich sie hergeben müßte, ist einfach grauenhaft.«

Physisch wird der Schaden zu beheben sein, ging es Daniel durch den Sinn, aber psychisch? Diese junge Frau hatte viel auf sich genommen, um Mutterglück zu erleben. Er wußte von Fee, daß sie eine ungemein attraktive, faszinierende Ausstrahlung gehabt hatte. Davon war schon jetzt nichts mehr vorhanden. Sie würde in doppelter Hinsicht einen Schock erleiden, denn schließlich wollte sie auch ihrem Mann gefallen. Sie lebte jetzt wohl in dem Glauben, daß sie ihr normales Aussehen wiederbekommen würde, wenn das Kind geboren war. Nun aber würde sie erfahren, daß sie kein Kind bekommen würde. Da stand Dr. Daniel Norden mal wieder vor einem großen Problem.

Eine gute halbe Stunde später war Janine soweit, daß sie mit ihrem Mann heimfahren konnte. Daniel hatte ihn zum Parkplatz gefahren, wo er seinen Wagen abholen konnte.

»Bitte, helfen Sie mir, Herr Dr. Norden«, sagte Volker deprimiert. »Lassen Sie mich nicht im Stich. Janine mag Ihre Frau sehr und sie wird auch zu Ihnen Vertrauen haben. Es muß doch Hilfe für sie geben.«