Du bleibst mein Sieger, Tiger - Maxim Leo - E-Book

Du bleibst mein Sieger, Tiger E-Book

Maxim Leo

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Beschreibung

Das neue Buch vom Bestseller-Duo Leo & Gutsch Alterspubertät, eine schwierige verwirrende Zeit, schon klar. Aber wie wir wissen, ist es nur eine Phase. Und diese Phase ist bald vorbei! Tja, leider nicht. Die Wahrheit ist, es wird erstmal noch ein bisschen schlimmer. Denn jetzt beginnt Phase zwei: die fortgeschrittene Alterspubertät. Weibliche Alterspubertierende wollen plötzlich, dass man sich als Paar nochmal »neu entdeckt«.Beim Tango. Oder beim Tantra. Sie werden Vegetarier oder Veganer oder besuchen einen Wildkräuter-Workshop. Männliche Alterspubertierende sind vor Neid zerfressen auf die kraftstrotzenden Teenagerfreunde ihrer Teenagertöchter, versinken knietief in Nostalgie, sitzen in der Burnout-Klinik oder fahren zur Haartransplantation nach Osteuropa. Klingt scheußlich? Unbedingt! Aber das Tröstliche ist ja: Umso heftiger sich fortgeschrittene Alterpubertierende gegen das Alter wehren - desto lustiger wird es.

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Über das Buch

Die Alterspubertät ist eine schwierige, verwirrende Zeit. Aber doch nur eine Phase. Und, wie wir wissen, zum Glück bald vorbei! Tja, leider nicht. Die Wahrheit ist, alles wird erst mal noch ein bisschen schlimmer. Denn jetzt beginnt Phase zwei: die fortgeschrittene Alterspubertät.

Weibliche Alterspubertiere wollen plötzlich, dass man sich als Paar noch mal »neu entdeckt«. Beim Tango. Oder beim Tantra. Sie werden Vegetarier oder Veganer oder besuchen einen Wildkräuter-Workshop. Männliche Alterspubertiere sind vor Neid zerfressen auf die kraftstrotzenden Teenagerfreunde ihrer Teenagertödschter, versinken knietief in Nostalgie, fahren zur Haartransplantation nach Osteuropa oder neigen plötzlich zur Alters-Hypochondrie. Klingt scheußlich? Unbedingt! Aber das Tröstliche ist ja: Umso heftiger sich fortgeschrittene Alterspubertiere gegen das Alter wehren – desto lustiger wird es.

Über die Autoren

Maxim Leo ist Kolumnist der Berliner Zeitung. Er erhielt den Theodor-Wolff-Preis. Für seine Familiengeschichte Haltet euer Herz bereit wurde er mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichnet. 2019 erschien Wo wir zu Hause sind. Die Geschichte meiner verschwundenen Familie. Er schreibt Tatort-Drehbücher und eine Krimireihe.

Jochen Gutsch ist Reporter beim Spiegel und Kolumnist der Berliner Zeitung. Er erhielt den Theodor-Wolff-Preis und den Henri-Nannen-Preis. Zusammen mit Maxim Leo verfasste er die Bestseller Sprechende Männer (2011)und Es ist nur eine Phase, Hase (2018).

Maxim Leo & Jochen Gutsch

Du bleibst mein Sieger, Tiger

Noch mehr Trost für Alterspubertierende

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-2037-3

© 2019 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Umschlagabbildung: Michael Sowa

Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin

Mit Illustrationen von Wolf Leo

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Noch Salzstangen, Schatz?

An manchen Tagen komme ich nach Hause und sehe diese Schuhe vor dem Zimmer meiner Tochter stehen, das offiziell noch immer »Kinderzimmer« heißt. Es sind ausgelatschte, wenig gepflegte Turnschuhe, was nicht für die Reinlichkeit ihres Besitzers spricht. Wirklich erschrocken bin ich aber jedes Mal über die Größe der Schuhe – als würden zwei Mischbrote im Flur liegen. Oder zwei kleine Paddelboote. Welches Wesen hat solche Füße?

Das Wesen heißt Björn und ist der erste Freund meiner Tochter. Allein diesen Satz hinzuschreiben, bereitet mir großes Unbehagen. Wozu braucht meine Tochter einen Freund? Sie ist 18, ein Kind also, das vor Kurzem noch vollgeschissene Windeln trug und kaum mehr sagen konnte als: Kakakaka.

Eine Zeit lang war es mir gelungen, die vor Aufregung stotternden, Testosteron ausdünstenden, jungen Männer, die vor unserer Wohnung standen und nach meiner Tochter verlangten, mit einschüchternder Körpersprache oder Bargeld davon zu überzeugen, hier NIE WIEDER aufzutauchen. Björn, das muss ich ihm lassen, ließ sich davon nicht abschrecken. Er ist mir gegenüber sehr höflich, was ich anbiedernd und unterwürfig finde. Der Junge hat einen Charakter wie ein Wurm. Wäre Björn nicht höflich, würde ich ihn selbstverständlich für schlecht erzogen halten. »Heißt du eigentlich Björn nach Björn Borg, dem Tennisspieler? Oder nach Björn von ABBA?«, habe ich ihn mal gefragt.

Aber er hat mich nur angeglotzt und gestottert: »Was? Wer?« Er scheint mir vollkommen ungebildet zu sein.

Meine Tochter fragte ich: Ist Björn gut in der Schule? Hat er einen Studienplatz? Politologie! Großer Gott, wollt ihr später verarmt in einer Sozialwohnung leben! Geht er wenigstens nach Harvard? Uni Bochum! Vergiss ihn, er ist ein Loser!

Leider hat sie ihn nicht vergessen. Mehrmals in der Woche stehen die Paddelboote vor der verschlossenen Kinderzimmertür. Ich gehe dann mit donnernden Schritten oder laut pfeifend daran vorbei, um zu signalisieren: Daddy is watching you, Riesenfuß-Björn! Manchmal bin ich kurz davor, an die Tür zu klopfen und zu rufen: »Kinder, wollt ihr Kakao und Kekse?«

Natürlich darf man auch nicht durchdrehen. »Wahrscheinlich ist alles völlig harmlos«, sagte ich zu meiner Frau. »Sie sitzen da drinnen und machen Hausaufgaben.«

Meine Frau nickte. »Hausaufgaben? Ja, so könnte man es nennen.«

Weil mir die Sache keine Ruhe ließ, sprach ich meine Tochter an: »Du und dieser … Björn. Habt ihr, macht ihr? Du weißt schon?«

»Hä?«

»Also, wenn ihr das macht, diese Sache, Knick-Knack, du weißt schon … nimm bitte ein Kondom.«

»Papa, wir tun es so oft, ich will nicht immer ein Kondom nehmen. Das stört den Flow. Aber ich nehme ja die Pille, okay?«

Ich hielt mir die Ohren zu und würgte.

Die Situation ist neu, deprimierend, und ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann. Nichts lässt einen das eigene Alter so sehr spüren wie die Anwesenheit junger Menschen mit frisch erwachtem Sexualtrieb. Manchmal sitzen meine Frau und ich vor dem Fernseher, schauen einen Tatort und der erotischste Satz, der an diesem Abend fällt, lautet: »Schatz, kannst du mir mal die Salzstangen reichen?« Während nur ein paar Meter entfernt, im Zimmer formerly known as Kinderzimmer, zwei Teenager in einer Hormonexplosion durch das Kamasutra reiten.

Und wir? Drehen den Fernseher lauter. »Noch Salzstangen, Schatz?«

In solchen Momenten steigt aus den dunklen Tiefen meiner Seele ein Gefühl empor, für das ich mich schäme, aber das ich nicht abstellen kann: NEID. Blanker, reiner Jugendneid. Niemand spricht gerne darüber, aber ich glaube, Jugendneid ist eine der prägendsten Erfahrungen in der Alterspubertät.

Mehrmals in der Woche verlässt meine Tochter abends das Haus, und wenn ich sie frage, wohin sie geht oder wann sie zurückkommt, zuckt sie mit den Schultern und sagt: »Mal sehen.«

»Mal sehen? Was soll das heißen?«

»Na, was es eben heißt. Keine Ahnung, was heute läuft. Mal sehen.«

Dann schaue ich ihr neidisch hinterher und denke, dass »mal sehen« in meinem Wortschatz überhaupt nicht mehr vorkommt. Gehe ich heute zur Arbeit? Mal sehen. Zahle ich die Rate für den Hauskredit? Mal sehen. Oder bleibe ich einfach im Bett, schaue acht Folgen Game of Thrones, rauche Haschisch, bevor meine Frau sich zu mir legt und wir ein bisschen vögeln? Mal sehen! Diese zwei kleinen Worte drücken eine Planlosigkeit, Lässigkeit und Freiheit aus, die nur Jugendliche leben können.

Vor ein paar Tagen lud meine Tochter einige Freunde nach Hause ein. Sie waren allesamt keine zwanzig Jahre alt und von einer körperlichen Attraktivität, die mich sprachlos machte. Und wehmütig. Wobei Wehmut die nostalgische Schwester des Neides ist. Sah ich wirklich auch mal so aus? Mehr Muskeln als Fett? Mehr Haare als Kopfhaut? Bei den Mädchen traute ich mich kaum, meinen Blick unterhalb ihres milchig-zarten Halses wandern zu lassen, schließlich wollte ich nicht wirken wie ein verschwitzter Sugardaddy.

Irgendwann standen wir alle in der Küche, Musik lief. Man beachtete mich kaum, so wie man in einer Diskothek den Klo-Mann nicht beachtet. Und ich dachte: Diese verpickelten jungen Menschen haben keine Berufe, kein Geld, keine eigene Wohnung. Nichts von dem, was ich besitze und wonach alle Erwachsenen streben. Aber sie haben viel Spaß. Und sehr viel Zeit. Und jede Menge Zukunft. Und keine Hämorriden. Warum ist Gott so ungerecht? Warum gibt er der Jugend alles Schöne und Wertvolle und speist uns Ältere mit ein paar Glasmurmeln ab? Gottverdammte Scheiße!

»Papa? Hallo?«, hörte ich meine Tochter sagen.

»Ja?«

»Du führst Selbstgespräche. Brabbelst vor dich hin wie so ’n mauliger Rentner. Komm, mach dich mal nützlich.«

»Was?«

»Red Bull ist fast alle. Und Bier auch.«

Ich wurde losgeschickt zum Spätverkauf. Auf dem Weg durch die Nacht dachte ich: Du wolltest doch immer Kinder haben, damit später DIR jemand das Bier holt. Irgendwas läuft schief in deinem Leben.

Der Spätverkauf war leer, nur ein alter Mann stand draußen an einem Stehtisch, trank Bier und billigen Wodka, beides direkt aus der Flasche. Er trug einen weißen Bademantel, quasi wie Udo Jürgens, nur ohne jeden Glamour. »Na endlich«, sagte der alte Mann. »Willst du Wodka? Oder Bier?«

»’tschuldigung, kennen wir uns?«

»Leider.«

Der Mann starrte mich an. Mit einem irre intensiven, hypnotischen, urknallmäßigen Blick, der Zeit und Raum durcheinanderwirbelte. Und dann fiel es mir ein. »Gott?«

»Darauf kannst du einen lassen!«

Es muss zwei Jahre her sein, da tauchte Gott plötzlich vor meiner Wohnungstür auf, um mit mir zu reden. Über die Alters­pubertät. Und jetzt kam Gott schon wieder zu mir? Wow! Ich fühlte mich ein bisschen besonders. War ich vielleicht der Auserwählte? Der neue Moses?

»Glaub bloß nicht, du bist was Besonderes. Oder der Aus­erwählte. Du nervst nur wie die Hölle. Also, was ist los?«

»Äh, nichts. Alles prima.«

»Lüg mich nicht an! Ich hab dein Gejammer gehört. Dein ewiges Lamento. Gott ist sooo ungerecht! Gott gibt der Jugend alles und mir gibt er nichts! Mimimimi!«

»Ich leide unter Jugendneid. Ganz akut.«

»Igitt«, sagte Gott und nahm einen großen Schluck Wodka, als müsste er einen besonders üblen Geschmack loswerden.

»Ich finde, das Leben ist völlig falsch organisiert«, sagte ich. »Die Jugend ist sehr kurz, das Alter dagegen sehr lang. Warum ist es nicht andersherum?«

Gott schaute mich an. »Warum? Keine Ahnung. Ich habe die Erde in sechs Tagen gebaut. Mit allem Pipapo. Kaum war der Arsch vom Zebra fertig, stand fünf Minuten später der Mensch auf dem Programm. Da denkt man nicht groß nach. Oder tüftelt ewig rum. Das ist Akkordarbeit. Dazu kommt: Gleich am ersten Tag erfand ich das Marihuana. Und ich sag mal so: Bevor ich den Menschen etwas gebe, probiere ich es natürlich selber gerne aus.«

»Du warst bekifft, als du die Erde schufst?«, fragte ich.

»Zugedröhnt wie zwölf Matrosen.« Gott schüttelte missmutig den Kopf. »Aber was habt ihr Menschen nur mit der Jugend?«, sagte Gott. »Echt, ich kapier’s nicht.«

»Die Jugend ist die beste Zeit im Leben! Ständig erlebt man Dinge zum allerersten Mal. Es gibt keine Routine, kaum Alltag …«

»Ach, halt die Klappe! Was denn für Routine? Diese jäm­merlich kurze Zeit, die ihr Menschen am Leben seid. Mein Leben – DAS ist Routine! Ich führe den verdammten Planeten seit 4,6 Milliarden Jahren. Manchmal ist mir so fad, dass ich denke: Komm, lass irgendwo einen Vulkan ausbrechen. Oder mach ’ne Mondfinsternis.«

»Warst du eigentlich auch mal jung, Gott?«

»Vielleicht. Kann mich nicht erinnern.«

»Ich erinnere mich gern an meine Jugend.«

»Ja, das habe ich befürchtet.«

»Wir waren viel aktiver als die heutige Generation. Wir haben unsere Zeit nicht im Internet vertrödelt oder so. Wir sind ins Theater gegangen, haben uns mit der griechischen Mythologie beschäftigt, Das Kapital von Karl Marx gelesen.«

»Für den Arsch, Karl Marx! Du hast mit anderen Pickel­brüdern auf der Parkbank rumgelungert, den Kassettenrekorder im Arm. Den Rest des Tages hast du onaniert. Oder geschlafen. Wobei das eine oft in das andere überging. Weißt du, wie wir dich im Himmel damals genannt haben? Fünf-Finger-Joe!«

Gott lachte. So sehr, dass der Boden vibrierte und für einen Moment die Alarmanlagen der umstehenden Autos ansprangen. »Aber am scheußlichsten war dein Schlafanzug. Hellblauer Frottee! Mit einem großem Alf-Motiv auf der Brust! Meine Fresse, den hast du auch mit 17 noch getragen. Also erzähl mir nichts von der glorreichen Jugend. Du warst ein eifriger Onanist, der mit einem pelzigen Außerirdischen ins Bett stieg.«

Ich schämte mich sehr. Hatte ich das alles vergessen? Verdrängt? Die ganzen Peinlichkeiten der Adoleszenz? War mein ­Jugendneid womöglich völlig unbegründet?

Gott griff in seine Bademanteltaschen und holte zwei Zahnputzbecher hervor. Schweigend goss er Wodka ein. Wir tranken auf ex. Dann goss er wieder nach. Ex. So ging es eine ganze Weile.

»Ich mag die Jugend nicht«, sagte Gott.

»Echt?«

»Ich habe den Menschen gut achtzig Lebensjahre geschenkt, aber ihr Trottel seid nur an den paar Jahren Jugend interessiert. Den Rest haltet ihr für optimierbar oder überflüssig. Das ist respektlos. Vielleicht schaffe ich die Jugend wieder ab.«

»Gott, bitte! Du solltest jetzt nichts überstürzen. So aus der Emotion heraus …«

»Jugendliche sind laut, rechthaberisch und riechen schlecht. Sie wollen ständig die Welt verändern. MEINE Welt, die ICH gebaut habe. Ja, geht’s noch?! Ich mag die älteren Menschen. Sie sind angenehm ermattet und werden so schön gottgläubig, sobald es Richtung Tod geht. Die Jugend, die interessiert sich nicht für mich. Außer beim Sex.«

»Beim Sex?«

»Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! – Jeden Tag höre ich das Millionen Mal.« Gott sah schrecklich deprimiert aus. »Manchmal vermisse ich das Mittelalter«, sagte er.

»Wegen der Inquisition und der Pest?«

»Auch. Aber vor allem war die Jugend im Mittelalter angenehm kurz. Nur zwei Jahre. Zwischen zehn und zwölf. Wenn man Glück hatte. Damals starben die Menschen ja schon mit dreißig. Dann habe ich leider einen Fehler gemacht.«

»Du bist fehlbar, Gott?«

»Klappe! Ich war barmherzig. Eine Schwäche von mir. Ich dachte: Komm, sei kein Geizhals, leg ein paar Jahre drauf. So wurde das Leben immer länger, nur leider: die Jugend auch. Und jetzt gibt es überall Typen wie dich, die den Hals nicht vollkriegen. Schau dich doch mal an: Du bist fast fünfzig und siehst aus wie ein verkleidetes Kind! Turnschuhe, verwuscheltes Resthaar, zu enge Jeans, und glaubst du, es macht dich irgendwie attraktiver, wenn du dir ständig den Sack rasierst?«

»Woher weißt du, dass ich …?«

»Ich bin Gott!«

»Sorry.«

»Pass auf: Ich will, dass du ein Buch schreibst. Über das Alter.«

»Noch ein Buch? Ich habe doch schon Es ist nur eine Phase, Hase …«

»Jammer nicht! Ich musste auch zwei Bücher schreiben, bis meine Botschaft halbwegs verstanden wurde. Das Alte Testament war ein ziemlicher Flop. Also schrieb ich das Neue Testament und – bingo! Bestseller.«

»Und was stellst du dir so vor, inhaltlich?«

»Ein Buch, in dem die mittleren Jahre so kraftvoll, faszinierend, beglückend, berauschend, in jeder Sekunde lebenswert beschrieben werden, dass alle jungen Menschen, die es in die Finger kriegen, rufen: Ich will auch endlich in die Alterspubertät kommen!«

»Das wir dann aber sehr fiktional, Gott.«

»Na und? Waren meine Bücher auch.«

Dann steckte Gott die halb volle Flasche Wodka in seine Bademanteltasche und ging pfeifend die Straße hinunter. Die Melodie erkannte ich sofort. Bob Dylan. »Forever Young«.

Ein gepflegter Herr

Seit ich denken kann (oder kurz danach), benutze ich das gleiche Parfum. Nie habe ich die Wahl geändert, denn das Leben ist auch ohne Parfumfragen schon kompliziert genug. Ich weiß nicht, wie mein Parfum heißt, aber es ist von Armani. Oder Boss? Jedenfalls erkenne ich den Flakon, wenn ich im Laden stehe.

Ungefähr einmal im Jahr muss ich Nachschub kaufen. Also ging ich zu Douglas, schnappte mir mein Parfum, war schon fast an der Kasse, als mich eine Verkäuferin ansprach: »Darf ich Ihnen was empfehlen?«

Sie sah gut aus, auf diese einschüchternde Douglas-Verkäuferinnen-Art. Super frisiert, super geschminkt, super parfümiert. Sofort fühlte ich mich in ihrer Nähe unattraktiv, ungepflegt, ungesund. »Ich habe hier eine Creme für Sie«, sagte die Verkäuferin und hielt mir ein Döschen hin.

»Nein, danke«, sagte ich und wollte schnell weiter. Zur Kasse.

»Was für ein Hauttyp sind Sie?«, fragte die Verkäuferin.

Das brachte mich völlig aus dem Konzept. Welcher Hauttyp bin ich? Null negativ?

Die Verkäuferin trat näher heran, musterte mich. »Sieht nach Mischhaut aus«, sagte sie.

»Richtig, Mischhaut!«, sagte ich.

»Für Mischhaut ist der Force Supreme Youth Architect natürlich perfekt.«

»Wer?«

»Der Youth Architect. Eine Anti-Aging-Creme für Herren.«

Anti-Aging-Creme? Für mich? Das erschien mir doch sehr übertrieben. Geradezu absurd. Sicher, es gibt Tage, da schaue ich morgens in den Spiegel und denke: Berlin, 1945. Aber ich bin eigentlich ein Typ, der jünger wirkt. Das sagen alle.

»Was benutzen Sie im Alltag für Pflegeprodukte?«, fragte die Douglas-Verkäuferin.

Da fühlte ich mich noch schlechter. Bedürftiger. Roch ich streng? Wirkte ich ungewaschen? »Ich benutze … diverse Pflegeprodukte«, sagte ich.

Die Verkäuferin lächelte. Sie wusste ganz genau, wer hier vor ihr stand: leichte Beute. Vermutlich werden Douglas-Verkäuferinnen speziell geschult, und dann lauern sie gleich am Eingang auf unbedarfte, mittelalte Männer, die in ihrem Leben kaum mehr benutzt haben als Deo-Roller und Rasierwasser aus dem Supermarkt. Männer, die den Unterschied zwischen Eau de Parfum, Eau de Cologne und Eau de Toilette nicht kennen und einen Vaporisateur für etwas halten, das man im Garten gegen Mäuse einsetzt. Kosmetiktrottel, denen man fast alles aufschwatzen kann. Männer wie ich.

»Probieren Sie doch einfach mal«, sagte die Verkäuferin. Mit ihrem elegant manikürten Zeigefinger tupfte sie mir etwas Creme ins Gesicht. »Der Youth Architect bekämpft alle fünf Anzeichen der Hautalterung. Falten, Feuchtigkeitsverlust, Festigkeitsverlust, fahler Hautton, Verlust der Hautausstrahlung …«

Fünf Anzeichen, dachte ich. Das klang viel. Und bedrohlich. Wie die sieben Reiter der Apokalypse. Ich nahm schnell noch etwas Creme. Sie roch wirklich gut. Frisch. »Was ist da drin?«

»Plankton«, sagte die Verkäuferin. »Die Alge der Jugendlichkeit.«

Alge der Jugendlichkeit? Ich stellte mir Taucher vor, die an einem geheimen Ort hoch oben im Norden, im Eismeer, 1000 Meter tief, angeführt von ortskundigen Eskimos, die kostbare »Alge der Jugendlichkeit« ernten.

»Das ist die perfekte Tagescreme für den Mann ab fünfzig«, sagte die Verkäuferin.

Fünfzig? Ich bin 48. Wirke ich also doch älter? Verbrauchter? Haben sich die fünf Anzeichen längst eingefräst in meine fahle, welke, altersschwache Mischhaut?

Ich kaufte den Youth Architect. Ein spontaner, angstgetriebener Entschluss. Der Name klang so schön hoffnungsvoll: ein junger Architekt, jemand aus dem Baugewerbe, der tatendurstig die Ärmel hochkrempelt und auch vor Komplettsanierungen nicht zurückschreckt.

Leider war der Youth Architect nicht ganz billig. 75 Euro. Als ich den Preis hörte, zuckte ich zusammen, spürte aber den strengen Beauty-Blick der Douglas-Verkäuferin und wagte keinen Widerspruch.

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