Du musst niemandem etwas beweisen - Jennie Allen - E-Book

Du musst niemandem etwas beweisen E-Book

Jennie Allen

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Beschreibung

Wann bin ich endlich gut genug? Diese Frage stellen sich unzählige Frauen. Viele versuchen, irgendwie mitzuhalten und haben täglich Angst davor, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Jennie Allen lädt dazu ein, den selbstauferlegten Druck loszulassen. Und nicht mehr darum kämpfen zu müssen, sich ständig zu beweisen. Anhand von sieben Geschichten aus der Bibel können Leserinnen die göttliche Lebenskunst entdecken, gnädiger mit sich selbst zu sein. Es geht darum, Freiheit zu entdecken und alle Sorgen und Nöte an Gott abzugeben. Denn: Gott ist mehr als genug.

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Über die Autorin

Jennie Allen ist eine mehrfach ausgezeichnete Autorin, Theologin sowie Gründerin und Leiterin der IF-Gatherings, einer Bewegung, die große Frauentreffen organisiert, um Frauen zu ermutigen, auszurüsten und das in ihnen steckende gottgegebene Potenzial freizusetzen. Sie hat am theologischen Seminar von Dallas studiert und lebt mit ihrem Mann, Zac, und den vier Kindern in Austin, Texas.

www.jennieallen.com

Für meine beiden Schwestern – und besten Freundinnen – Brooke und Katie.

Ihr liebt mich, ohne Bedingungen oder Fragen zu stellen.

Egal, was ich tue, egal, was passiert – euch brauche ich nichts zu beweisen.

Auch in diesem Jahr seid ihr wieder mit mir durch dick und dünn gegangen.

Durch euch erlebe ich, wie sehr Gott zu uns steht.

Dafür bin ich euch so dankbar!

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

TEIL 1 – UNTERWEGS IN DER WÜSTE DES STREBENS NACH GLÜCK

1. Mein Eingeständnis

2. Die Sache mit dem Rucksack

3. Abgelenkt und teilnahmslos

4. Nach Luft schnappen

TEIL 2 – GOTTES STRÖME DES LEBENDIGEN WASSERS ENTDECKEN

5. Nicht länger durstigWie Gott deinen Sehnsüchten begegnet

6. Nicht länger alleinWie Gott dich über die Einsamkeit in tiefe Beziehungen führt

7. Nicht länger sorgenvollWarum deine Gelassenheit der Anfang von Gottes Wirken ist

8. Nicht länger passivWarum du mehr wagen darfst, als du dir selbst vorstellen kannst

9. Nicht länger ängstlichWarum du deinen Blick ändern musst, um neu zu hoffen

10. Nicht länger sich schämen müssenWenn Gottes Gnade größer wird als unser eigenes Streben

11. Nicht länger sich unzureichend fühlenVon der Verbindung, nah bei Jesus zu sein

Epilog

Anmerkungen

EinleitungSchrecklicher Durst

Warum du zugeben solltest, dass du nach mehr verlangst

Jennie, was hast du denn? Was ist los mit dir?“ – Warum müssen meine engsten Freundinnen mich immer mit solchen Fragen löchern? Es war kurz vor Weihnachten und ich hockte während unserer Fahrt nach Houston eingeklemmt auf dem Autorücksitz, von wo aus ich kurz angebundene Antworten gab. Zum einen mangelte es an Sauerstoff im Wageninnern, zum anderen wusste ich, dass mein Leben im Vergleich mit anderen gar nicht so schwer ist, wie es sich manchmal anfühlt.

Damit gaben sie sich aber nicht zufrieden. Vor allem Bekah ließ nicht locker. „Ich sehe es dir doch an, Jennie. Mir kannst du nichts vormachen. Du bist total angespannt. Was stresst dich denn so?“

Ich starrte aus dem Fenster. Tränen drückten sich in meine Augen, aber ich versuchte angestrengt sie zurückzuhalten. Ich konnte nicht zulassen, dass meine Gefühle Oberhand gewannen. Aber je mehr ich darauf beharrte, es sei alles in Ordnung, umso mehr spürte ich ein inneres Unwohlsein, das seit Monaten stetig zunahm. Ich stand tatsächlich permanent wie unter Strom. Nachts lag ich oft wach, angsterfüllt, und versuchte, Gott all meine Sorgen anzuvertrauen:

• die quälende Unsicherheit, ob mein Leben überhaupt von Bedeutung ist.• die zunehmende Herausforderung, auf die besonderen Bedürfnisse eines unserer Kinder einzugehen.• den Schmerz darüber, dass meine jüngere Schwester durch einen tragischen Schicksalsschlag schrecklichem Leid ausgesetzt ist.• den auf mir lastenden Druck, seit die Organisation, die ich leite, immer weiterwächst und mich (über-)fordert.• meine Erschöpfung und Niedergeschlagenheit.• all meine Fehler und Schwächen, denn immer wieder behandele ich geliebte Menschen ungerecht, weil ich so gestresst bin.

Will ich das alles wirklich? Was sollte an solch einem Leben bitte gut sein?

Ich versuchte mich zusammenzureißen, wenigstens die paar Stunden Autofahrt nach Houston. Ich antwortete ausweichend und machte die üblichen Ausflüchte in der Hoffnung, dass sich das Gespräch bald etwas anderem zuwendete.

Mein Mund würde verschlossen bleiben.

Aber meine Freundinnen gaben einfach keine Ruhe.

Ich versuchte das Thema zu wechseln. „Wollen wir nicht mal anhalten und etwas essen?“, fragte ich. „Hat außer mir noch jemand Hunger?“

Übereinstimmend erklärten sie mir, dass ich erst etwas essen dürfe, wenn ich ihnen ehrlich sagte, was mit mir los war. Diese verrückt lieben Freundinnen hatten mich in ihrer Gewalt. Mir blieb keine andere Wahl, als mich vor ihnen zu öffnen.

Irgendwo in einem schicken Vorort von Houston entdeckten wir eine kleine Imbissbude und jede von uns bestellte einen Burger. Der Fußboden war schmuddelig, drinnen gab es nur Stehplätze und wir waren die einzigen Gäste. Also drängten wir uns draußen um einen Heizpilz, aber ließen uns dort die besten Burger, die man sich nur vorstellen kann, schmecken.

Die Bedienung kümmerte sich rührend um mich. Sie brachte mir immer wieder frische Taschentücher, während ich vollkommen zusammenbrach und meinen Freundinnen unter Tränen alles offenbarte: mein Gefühl, einfach unzulänglich zu sein. Und die Angst davor, andere Menschen zu enttäuschen, die sich mir anvertraut haben, oder, noch schlimmer, als Mutter zu versagen. Den permanent gefühlten Druck, den ich so verbissen zu ignorieren versuchte, während es mir in Wahrheit keinen Augenblick gelang. Ich war so traurig wegen meiner Schwester, ich zweifelte an Gott, obwohl ich doch Predigten über ihn halte und Bücher über ihn schreibe. Und kurz vor unserer Abfahrt hatte ich im Büro noch eine Praktikantin regelrecht angeschnauzt. Ständig war da dieses Gefühl, dass das, was ich tue, nicht gut ist, nicht gut genug, und einfach nicht ausreichte. All das, was ich eigentlich gar nicht aussprechen, mir nicht einmal selbst eingestehen wollte, brach auf einmal aus meinem Mund hervor.

Zwei ganze Stunden ließen meine Freundinnen mich einfach nur reden. Bereitwillig und ohne irgendein Urteil zu fällen, hielten sie mich an, mir endlich Luft zu machen. Und siehe da: Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich wieder einmal laut auflachen, richtig aus dem Bauch heraus, tief und befreit lachen.

In diesen zwei Stunden hatte ich förmlich Narrenfreiheit. Es war okay, dass ich mich aufführte, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Niemand erwartete irgendetwas von mir, ich musste keine Rolle spielen und der tägliche Druck war wie von mir genommen. Zwar änderte sich dadurch an den äußeren Umständen überhaupt nichts, aber in mir passierte plötzlich etwas. Denn bis zu diesem Augenblick war mir überhaupt nicht bewusst gewesen, dass ich mein Leben nur noch als Schauspielerin versuchte zu bewältigen. Ich stand mit beiden Beinen auf dem schmuddeligen Boden der Burgerbude, vergaß meinen Text, legte alle Masken ab und brauchte mein wahres Gesicht nicht mehr zu verbergen.

Ich musste niemandem mehr etwas beweisen.

Und ein Gefühl tiefer Gnade durchströmte mich. Danach hatte ich mich die ganze Zeit gesehnt – nach dieser Gnade. Das war mir gar nicht bewusst gewesen, bis ich es mir selbst eingestand, dort auf dem verdreckten Boden beim Burgeressen. Meine Freundinnen verfügten Gott sei Dank über ein Übermaß von dieser ansteckenden Gnade, die von Jesus kommt, und sie ließen diese nun wie aus einer erfrischenden Quelle direkt in meine gequälte, durstige Seele strömen.

***

Wer kennt es nicht, diesen Durst, der uns nach Erleichterung lechzen lässt?

Ich bin überzeugt, dass wir alle unter einem gewissen Druck stehen, dass wir uns angespannt fühlen oder eine Last oder eine Schuld auf uns geladen haben – vielleicht auch mehrere Dinge gleichzeitig. Wenn aber jemand sich danach erkundigt, wie es uns geht, geben wir prompt die Standardantwort:

„Gut. Alles bestens. Ausgezeichnet.“

Mal ganz ehrlich … bei niemandem ist alles gut, bestens, ausgezeichnet.

Ist es nicht unglaublich anstrengend, sich das ständig gegenseitig vortäuschen zu müssen?

Ich bin es leid – und das geht nicht nur mir so.

Mir ist an diesem Tag in der Burgerbude in der Nähe von Houston etwas klar geworden, was uns alle betrifft: Wir müssen an unserem Leben etwas ändern.

Willst du auch aufhören, dir selbst und anderen etwas vorzumachen?

Ich glaube, dass auf einen jeden von uns Gnade wartet. Ob in einer Imbissbude oder anderswo.

Trotzdem muss ich an dieser Stelle auch eine Warnung aussprechen, denn es existiert neben Gott eine Macht, die ein Interesse daran hat, alles Gute, Freie, Frieden und Freude in uns zu stören und zu zerstören. Doch wir sind da nicht allein unterwegs. Gott ist mit uns. Nur sollte jeder, der frei und in Gottes Gnade leben will, darauf gefasst sein, auch gegen einige Widerstände kämpfen zu müssen.

In einem Song meines Lieblingsmusikers Ben Rector gibt es folgende, leider allzu wahre Liedzeile: „Manchmal redet der Teufel mit Jesus’ Stimme.“1

Wir lassen uns zuweilen täuschen durch die Lügen und falschen Versprechungen von jemandem, der genau weiß, wie er sich unseren Durst zunutze macht. Nur wenn wir das durchschauen, können wir ihm sein perverses Handwerk legen.

Wenn ich dir schaden wollte …

Wenn ich dir schaden wollte, würde ich Folgendes tun:

• Ich würde dich glauben machen,

dass du Erlaubnis brauchst, dein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

• Ich würde dir einreden,

dass du ein hoffnungsloser Fall bist.

• Ich würde dich erinnern,

immer und immer wieder, wie unbedeutend du bist.

• Ich würde dir vorhalten,

dass Gott ein tadelloses Benehmen von dir erwartet.

Für eine lange Zeit haben solche und andere falschen Annahmen dazu geführt, dass viele Menschen in der Kirche nie den Mund aufgemacht haben. Mittlerweile aber sind viele Menschen aufgewacht. Sie hören Gottes Wort und wollen einstehen für den Glauben. Und wir spüren, wie Gott zu uns spricht, und das setzt einiges in Bewegung. Dass wir uns befreien wollen von solchen Lügen und andere Menschen ebenfalls in die Freiheit führen. Wir lassen uns nicht länger kleinreden.

Wenn ich dir schaden wollte, würde ich dich einlullen und von Gottes Wort ablenken.

Technischer Fortschritt, soziale Medien, Netflix, Reisen, gutes Essen, Alkohol, Komfort – ich würde dich gar nicht mit all den Dingen zu locken versuchen, die bereits als Laster bekannt sind, sonst würdest du ja vielleicht Verdacht schöpfen. Vielmehr würde ich dich mit ganz alltäglichen, belanglosen Dingen umgeben und dir eine richtige Wellnessoase einrichten, in der du dich so wohlfühlst, dass Gott dir immer gleichgültiger wird. Denn dann bedeutet dir diese Komfortzone irgendwann mehr als die bedingungslose Hingabe an Gott und Gehorsam, und du wirst nach und nach den Geist, der dich leitet, liebt und tröstet, ganz vergessen.

Und wenn das nicht funktionieren sollte, würde ich dir dadurch schaden wollen, dass ich deine Persönlichkeit auf die Probe stelle. Ich würde dich glauben machen, du müsstest dich ständig beweisen, denn dann …

• würdest du dich nur noch um dich selbst kreisen statt um Gott.• würden deine Freunde zu Rivalen.• würden Kollegen zu Konkurrenten.• würdest du dich selbst isolieren, weil du glaubst, nicht gut genug zu sein.• wärst du deprimiert und undankbar über deinen Lebensweg.

Oder …

• du würdest dich ständig mit anderen vergleichen und glauben, dass du besser bist als sie.• du würdest über Menschen urteilen, die Gott dringend brauchen.• du würdest andere verurteilen, statt liebevoll auf sie zuzugehen.• du würdest Dinge, die andere für Gott tun, nicht anerkennen.

Wie auch immer, du hättest keine Freude mehr am Leben, denn du wärst immer auf dich und andere fixiert, nicht auf Jesus.

Und falls du darauf nicht hereinfallen solltest, dann würde ich dich damit infizieren, dass du missionieren musst – auch wenn du dich selbst dabei von Gott entfernst.

• Dann würdest du dieses Ziel anbeten, nicht Jesus.• Du würdest dich mit anderen streiten, wer die wichtigste Rolle spielt.• Du würdest emotional ausbrennen vor lauter Erschöpfung.• Du würdest glauben, dass Erfolg sich nur an den Ergebnissen messen lässt.• Du würdest viel Aufmerksamkeit suchen, statt Gott in den Mittelpunkt deines Lebens zu stellen.

Deine Zeit und Energie würdest du nur darauf verwenden, eine möglichst bedeutsame Rolle zu spielen, statt mehr über Jesus zu erfahren und den Menschen seine Liebe zu zeigen. Du wärst ständig auf der Suche nach mehr Anhängern, nach immer tolleren Jobs, würdest Bücher veröffentlichen und wichtige Ämter übernehmen, anstatt dich um die Seelen der Menschen zu kümmern und Gott zu loben.

Sollte das immer noch nicht funktionieren, würde ich dich leiden lassen.

• Dann würdest du vielleicht glauben, Gott meinte es gar nicht gut mit dir.• Dein Glaubensfundament würde Risse bekommen.• Du würdest bitter werden, du wärst abgespannt und erschöpft, anstatt zu wachsen und immer mehr zu werden wie Christus.• Du würdest versuchen, dein Leben zu kontrollieren, anstatt die Pläne zu akzeptieren, die Gott für dich hat.

Ist es nicht so, dass du dir und der Welt ständig beweisen musst, …

• wie wichtig du bist?• dass du die Kontrolle über alles hast?• dass du beliebt bist?• dass du glücklich bist?• dass du dich genug anstrengst?

Im Grunde ist es doch so: Du bist wie in einer Wüste auf der Suche nach Wasser, das lebensnotwendig für dich ist. Aber jedes Mal, wenn du einer dieser Antworten Glauben schenkst, immer wenn du diese Brunnen erreichst, sind sie ausgetrocknet oder es gibt nur einen winzigen Schluck, damit du den falschen Versprechungen auch weiterhin nachläufst. Nie können wir unseren Durst wirklich stillen. Sind wir diesen Einflüsterungen einmal auf den Leim gegangen, hoffen wir, dass unsere Sehnsucht dadurch befriedigt wird – wenn wir uns nur genug anstrengen, wenn wir endlich gut genug sind. Doch letztlich fallen wir auf Trugbilder herein, schenken vorgeschobenen Antworten Glauben, laufen materiellen Dingen nach und wundern uns, warum dieser quälende Durst nie wirklich aufhört.

Im Buch Jeremia beschreibt Gott bereits ganz deutlich, was da passiert: „Mein Volk hat eine doppelte Sünde begangen: Erst haben sie mich verlassen, die Quelle mit Leben spendendem Wasser, und dann haben sie sich rissige Zisternen ausgehauen, die überhaupt kein Wasser halten.“2

Wasser. Wir Menschen können maximal drei Tage ohne Wasser überleben. Nichts anderes hat eine so elementare Bedeutung für uns wie Wasser.

Sieht man sich die trockenen Regionen der Erde auf der Landkarte einmal an, wird schnell klar, dass Menschen immer dort siedeln, wo es Flüsse oder Seen gibt. Denn dort, wo Wasser ist, existiert Leben. Pflanzen, Tiere, aber auch unser aller Leben hängen davon ab. Wo aber kein Wasser ist, da herrscht Tod.

Ich vermute, Sie kennen dieses Gefühl durstig zu sein, sonst hätten Sie wahrscheinlich nicht zu diesem Buch gegriffen. Der Durst ist so groß geworden, dass er kaum noch auszuhalten ist, und Ihre Gebete kreisen nur noch darum, endlich von dem lebendigen, ewigen Wasser des Lebens zu trinken. Ich möchte Ihnen dabei helfen, ein Leben ohne diesen quälenden Durst zu führen und ein erfülltes Leben zu finden. Ich kann für mich sagen, dass ich dieses Wasser gefunden habe, und es schenkt mir innere Ruhe. Und ich werde Ihnen zeigen, wo dieses Wasser zu finden ist.

Es ist für alle da. Nicht nur, um im Vorbeigehen den Durst zu stillen, sondern es handelt sich wirklich um eine ewige, nie versiegende Quelle, an der man sich so satt trinken darf, dass anschließend das Wasser aus einem selbst heraus in eine durstige Welt strömt. Doch das Wasser, das Sie dafür brauchen, gibt es nur an einem einzigen Ort.

Und ich sage das gleich hier zu Beginn, es ist kein Geheimnis, Sie kennen vermutlich die Antwort schon, denn auf unseren Durst gibt es nur eine Antwort: Jesus.

„Wer Durst hat, der soll zu mir kommen und trinken“, sagt er im Johannesevangelium. „Wer an mich glaubt, von dem wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom.“3

Er allein ist die Quelle, aus der all das strömt, er ist unsere ganze Hoffnung und unser Ziel.

Das soll mein Ausgangspunkt sein, denn ich will keine leeren Versprechungen machen. Mein einziges Ziel ist es, Ihre durstigen Seelen zur Quelle des lebendigen Wassers zu führen, zu Jesus, denn er ist immer für uns da.

Warum ist das, was einem vielleicht auch schon altbekannt ist, so wichtig zu verstehen?

Nun ja, konkret hat sich an meinem Leben gar nichts geändert, als ich an diesem Tag auf dem schmuddeligen Fußboden in Houston stand. Aber trotzdem ist seitdem nichts mehr, wie es war, denn …

• ich fühle mich nicht mehr allein.• ich bin erleichtert.• ich spüre, dass ich geliebt bin.• ich kann endlich wieder tief durchatmen.• ich spüre, dass Jesus mich sieht und hält.

Mein Glaube ist seitdem stärker geworden. Und es verschafft mir ein enormes Freiheitsgefühl zu wissen, dass ich in meinem Leben nichts. Und Niemandem. Etwas. Zu beweisen. Brauche.

Ich muss allerdings fairerweise dazu sagen, dass es nicht leicht ist, gnädig mit sich selbst zu sein und der permanenten Anstrengung und dem Druck, den wir uns selbst machen, zu entkommen. Versuchen Sie es selbst! In diesem Buch zeige ich Ihnen, wie ich meinen Weg gefunden habe.

Anfangen will ich mit den immer wieder vor uns aufblitzenden Fata Morganas des falschen Glücks und wie sich diese als Trugbilder wasserreicher Oasen erkennen lassen.

TEIL 1

UNTERWEGS IN DER WÜSTEDES STREBENS NACH GLÜCK

1. Mein Eingeständnis

Einen Großteil meines Lebens habe ich diese Stimme in meinem Kopf gehört:

Du bist nicht gut genug.

Mein Papa war ein Träumer. Er nahm mich oft auf den Schoß und meine zwölf Jahre alten schlaksigen Beine baumelten über der Lehne seines abgewetzten Polstersessels. Das war unser Lieblingsplatz. Mit seinem 1,80 Meter langen Körper konnte er den Sessel locker nach hinten kippen und dann sahen wir gemeinsam zum Popcorn-Muster der Zimmerdecke hinauf und philosophierten über die Welt.

„Und, wie läuft es mit den Jungs, Jennie?“

Ich stieß ein obligatorisches Kichern aus, denn mit zwölf verschwendete ich noch keine Gedanken an Jungs. Bald sollten sie ins Zentrum meines Interesses rücken, aber ein bisschen Schonzeit hatte ich noch. Meine Figur war nicht nur schlaksig, meine Großmutter hatte mir etwa ein knappes Jahr zuvor auch noch einen radikalen Kurzhaarschnitt verpasst. Sicher nicht aus böser Absicht, aber ich nahm es ihr ziemlich übel. Anschließend kippte sie nachdenklich ihren Kopf zur Seite und entschied, dass ich auch noch eine Dauerwelle brauche.

Also trug ich als Fünftklässlerin dieselbe Frisur wie meine silberhaarige, elegante Großmutter.

Nein, Papa, es gab da keine Jungs, die ich damit hätte beeindrucken können, außer vielleicht Henry, dessen blonder Haarschopf noch wilder war als sein Verhalten. Denn nachdem mir mein langes Haar so tragisch abhandengekommen war, erkundigte er sich freundlich, ob ich mit dem Kopf in einen Staubsauger geraten sei.

Puh! Das tut heute noch weh.

Mein Vater und ich redeten über alles Mögliche: Schulnoten, Freunde, Sport, Jungs. Er handelte diese Themen ab, als gäbe es eine unsichtbare Liste von zu erreichenden Zielen, deren Erfüllung Väter überall auf der Welt von ihren Töchtern verlangen, insbesondere, wenn sie nicht wissen, worüber sie mit ihnen reden sollen.

Vermutlich verband er mit seinen Fragen gar keine konkreten Erwartungen; er tastete sich nur vor und wollte seiner kleinen, ungeschickten Tochter helfen, zielstrebig ihren Platz im Leben zu finden. Tatsächlich zeigte er damit sein Interesse für mich, auch wenn ich das erst jetzt begreife, nachdem ich meine eigenen Kinder in diesem Alter erlebt habe. Wie sollte er auch ahnen, dass mein kleines Erstgeborenen-Hirn damals verzweifelt versuchte, seine Erwartungen zu erfüllen und ich dabei weit über das Ziel hinausschoss? Immer hängte ich selbst die Latte noch ein Stück höher, in der Hoffnung, diese unmöglichen Leistungen eines Tages doch erbringen zu können.

Und meine gesteckten Ziele trieben mich zu immer größeren Anstrengungen, sodass ich mein ganzes Leben lang dieser Theorie Glauben geschenkt habe, die ich für eine unverrückbare Wahrheit hielt: Irgendwann würde ich alle Ziele erreichen und endlich meinen Vorstellungen entsprechen. Dann würde ich allen bewiesen haben, wie gut ich war: meiner Familie, meinen Freunden, Gott, und vor allem mir selbst. Aber es war wie eine Fata Morgana: Immer, wenn ich dachte, ich hätte die in der Luft flimmernde Wüstenoase erreicht, entfernte sie sich wieder und neue Hürden tauchten auf.

Das war also schon so, bevor ich mich für Jungs interessierte oder ich für sie interessant wurde. Damals dachte ich zum ersten Mal …

Ich bin einfach nicht gut genug.

***

Als Erstsemester an der Universität von Arkansas ließ ich mich von einigen Freunden überreden, unter vielen anderen Mitbewerberinnen für das Cheerleader-Team zu kandidieren. An amerikanischen Colleges ist ein Platz bei den Cheerleadern äußerst begehrt, es bedeutet eine große Auszeichnung und natürlich war mir klar, dass ich dafür nicht infrage kam, denn ich war keine besonders gute Sportlerin. Na ja, ich hatte im ersten Schuljahr mal Fußball gespielt. Danach versuchte ich mich als Sprinterin, wobei ich nach meinem ersten 800-Meter-Lauf melodramatisch in Ohnmacht fiel. Ich ging auch zum Turnen, aber ins Cheerleader-Team schaffte ich es erst im letzten Jahr der Highschool. Keine Ahnung, ob ich vorher einfach nicht gut genug gewesen war oder ob ich vor lauter Anspannung im entscheidenden Moment immer das Lächeln vergaß. Jedenfalls war ich mir sicher, dass meine Aufnahmechancen im College denkbar schlecht standen und meine Bewerbung kam mir anmaßend vor.

Dabei bin ich in Arkansas aufgewachsen und habe mit meinem Vater alle Spiele der Razorbacks, so heißt unser berühmtes Football-Team, besucht. Was mich an diesen Sportveranstaltungen so fasziniert hat? Es waren nicht die Jungs auf dem Spielfeld. Nein, es ging mir wie den meisten anderen kleinen Mädchen im Stadion – meine Blicke klebten an den Cheerleaderinnen. Und jetzt stand ich hier in einer Reihe mit den hübschesten, sportlichsten Mädchen der Uni. Wir alle trugen die T-Shirts der National Cheerleaders Association. Und viele Lebensläufe quollen über mit bereits gewonnenen Preisen und großartigen Mannschaftsnamen, für die sie bereits geturnt hatten.

So etwas konnte ich nicht vorweisen. Ein Jahr im Highschool-Cheerleader-Team war alles, damit konnte man sich nicht brüsten.

Fast hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht, aber dann probierte ich es doch. Und der Zufall wollte es, dass ich trotz jener fehlenden Vita Cheerleaderin am College wurde! Ich will niemanden mit diesen scheinbar belanglosen Geschichten aus meiner Jugend langweilen – blonde Jungs namens Henry und Auswahlverfahren für Cheerleader-Teams –, mir geht es nur darum zu zeigen: Es ist nicht wahr, dass man einfach ein bestimmtes Alter erreicht und dann eine Persönlichkeit besitzt. Schon als Kinder definieren wir uns sehr darüber, was andere sagen.

Am ersten Trainingstag erschien ich mit einem kleinen roten Wildschwein auf der Wange (dem Wappen der legendären Arkansas Razorbacks), ich steckte in einer eng anliegenden Uniform und hatte meine Selbstzweifel sowie eine gute Portion Angst rechts und links untergehakt. Neben den anderen Mädchen, die es wirklich verdient hatten dort zu sein, fühlte ich mich wie eine Betrügerin. Hinzu kam, dass ich trotz meiner unspektakulären Größe von nur 1,60 Meter irgendwie als eine der größten College-Cheerleaderinnen herausragte.

Es kam mir so vor, als wäre das alles ein entsetzlicher Irrtum.

Unsere Trainerin führte uns in die zweite Etage der Turnhalle, in der wir uns bald an drei oder vier Tagen der Woche wie zu Hause fühlen sollten. Ein langer weißer Flur erstreckte sich bis zu den Türen, hinter denen sich Büros befanden. Der einzige Gegenstand, den man am Ende des Korridors erkennen konnte, war eine Körperwaage. Wir stellten uns in einer Reihe auf und stiegen nacheinander auf die klappernde Metallplatte. Die Trainerin stand mit einem Klemmbrett daneben und kritzelte neben jeden Namen das aktuelle Gewicht. Das tat sie von da an in den folgenden Jahren meines Lebens alle sechs Wochen. Wenn der Zeiger mehr als ein paar Pfund nach oben ging, hieß es, dass wir diese schleunigst wieder loswerden sollten, ansonsten müssten wir auf der Ersatzbank sitzen bleiben. Das passierte mir nur ein einziges Mal.

Damit begann für das Mädchen, das sich schon als Kind nicht besonders hübsch gefühlt hatte, eine Zeit des unaufhörlichen Messens und Wiegens. Fünf Jahre lang rang sie mit einer Essstörung, sie war besessen davon, ihren Körper unter Kontrolle zu halten.

Und das nur weil die bereits bekannte dunkle Latte über mir hing, sie war einfach zu hoch und erinnerte mich daran:

Ich war nicht gut genug.

***

„Die anderen machen sich gar nicht so viele Gedanken, das bildest du dir alles nur ein.“ Mit Worten wie diesen versuchte meine praktisch veranlagte Mutter mich zu beruhigen, als ich in der siebten Klasse alle möglichen Verschwörungstheorien aufstellte, warum ich zu so wichtigen Events wie Stephanie Angelos Übernachtungsparty nicht eingeladen wurde. Sie wollte mich trösten – und seltsamerweise funktionierte das. Mir lag nichts daran, die Aufmerksamkeit anderer auf mich zu ziehen. Im Gegenteil. Es schien mir zu riskant, von ihrer Anerkennung abhängig zu sein.

Doch dann heiratete ich einen Pfarrer. Und was geschah? Das Mantra meiner Mutter, das mir zu Mittelstufenzeiten geholfen hatte, verlor seine Wirkung. Unweigerlich rückte ich mehr ins öffentliche Interesse, als mir lieb war. Alles wurde nun kritisch beäugt: auf welche Schule wir unsere Kinder schickten, wofür wir Geld ausgaben, ob unsere Kinder sich benehmen konnten, wer unsere Freunde waren, wie mein Mann seinen Job machte und sogar welchen Ornat er dabei trug. Über all diese Dinge wurde geredet und ich musste damit umgehen lernen, ob ich wollte oder nicht.

Meistens bereitete mein Mann Zac am Wochenende seine Predigt vor, und sonntags war er schon aus dem Haus, bevor ich aufwachte. Dann stand Conner, unserer Ältester, auf und bald danach die beiden anderen Kinder. Jede Woche gab es Streit beim Haarekämmen und Zähneputzen und darüber, was jeder anzog. Schließlich verzichtete ich auf so idealistische Extras wie das Binden von Haarschleifen und konzentrierte mich darauf, wenigstens pünktlich zum Gottesdienst zu erscheinen. Nicht einmal das schafften wir immer.

Nachdem die Kinder endlich in den Kindergottesdienst abgedampft waren, begann für mich jedes Mal ein regelrechter Spießrutenlauf zwischenmenschlicher Begegnungen. Ich war noch nie gut im Small Talk gewesen und als Pfarrfrau entwickelte ich eine regelrechte Phobie.

Vielleicht wird das verständlicher, wenn ich ergänze, dass ich am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leide (ADHS). Darüber macht jeder gern Witze, aber für uns Betroffene bedeutet es, dass unser Gehirn einfach anders arbeitet als bei anderen Menschen. Mein ADHS erschwert es mir, mich in Menschenmengen zu bewegen. Normale Gehirne blenden Störgeräusche einfach aus, Gesprächsfetzen aus anderen Unterhaltungen, weinende Babys, die Tatsache, dass im Saal der Gottesdienst bereits angefangen hat, heraneilende Schritte von hinten. Mir gelingt das nicht. Ich höre alles.

ADHS-Gehirne haben zwei Modi: Sie können überfokussieren, das heißt, sie konzentrieren sich auf eine Sache so sehr, dass außer ihr nichts auf der Welt zu existieren scheint. Im andern Modus schaltet mein Gehirn dagegen so schnell von einer Sache zur nächsten, dass es beinahe unmöglich ist, sich dabei zu konzentrieren. Wenn ich die Situation unter Kontrolle habe, also beispielsweise während eines ruhigen Gesprächs bei einer Tasse Kaffee, schalte ich meinen Überfokussierungs-Modus ein und es fällt überhaupt nicht auf, dass ich ADHS habe. Die Small-Talk-Situation ist hingegen eine Tortur für mein Gehirn. Ein kurzes Gespräch wird zu einer enormen Herausforderung, insbesondere wenn man bereits einen hektischen Morgen mit drei Kindern hinter sich hat.

Jeden Sonntag lieferte ich die Kinder ab und lief wie gelähmt vor Angst in unsere neu gegründete Gemeinde. Das Problem waren nicht die Menschen, die meisten von ihnen mochte ich sehr. Das Problem waren vielmehr die hohen Erwartungen, die man an mich zu stellen schien. Ich wollte den Leuten so gern beweisen, dass ich Zac beim Aufbau unserer Gemeinde in nichts nachstand. Wir hatten damals noch keine fertigen Räume, keine festen Abläufe, keine Traditionen, die den Gottesdienstbesuchern normalerweise dabei helfen zu beurteilen, ob sie sich in dieser Gemeinde wohlfühlen und engagieren wollen. Oft hängt die Entscheidung dann an der Person des Pastors, an seiner Vision – und daran, wie überzeugend seine Frau auftritt.

Wollen wir uns diesem Pastor und seiner Frau anvertrauen? Sind die beiden sympathisch? Machen sie einen guten Job? Jede Woche stellten sich die Menschen genau diese Fragen.

Irgendwie muss dann Todd in dem Foyer, in dem ein Grüppchen neben dem nächsten stand und den ich so fürchtete, an mir vorbeigegangen sein. Wahrscheinlich hatte er mir zugelächelt und mich gegrüßt – doch ich hatte nicht reagiert, weil ich ihn überhaupt nicht wahrnahm. Jedenfalls erhielt ich irgendwann in der Woche danach einen Anruf von Todds Frau. „Ist irgendetwas passiert zwischen uns?“, fragte sie mich.

Die beiden zählten zu unseren besten Freunden, doch ich hatte keine Ahnung, was sie meinte. Warum fragte Rachel mich das?

„Todd sagt, dass er sonntags schon mehrfach versucht hat, dich vor dem Gottesdienst anzusprechen, aber du guckst immer in die andere Richtung.“

Das würde ich nie tun, so ein Verhalten passt gar nicht zu mir. Wenn ich ein Problem mit jemandem habe, spreche ich das ganz offen an und bin im Zweifelsfall eher zu direkt. Natürlich war ich überhaupt nicht böse auf Todd und hatte ihn auch nicht bewusst ignoriert, aber wie sollte ich erklären, unter welchem Druck ich sonntags stand und wie anstrengend die ganze Situation für mich war? Dass ich mit drei schludrig angezogenen Kindern in die Kirche kam, wo alle gerade überlegten, ob wir gut genug für sie waren? Sollte ich zugeben, dass ich ADHS habe und Todds Gruß wochenlang überhaupt nicht bemerkt hatte?

Das brachte ich nicht über mich, entschuldigte mich aber und versicherte, dass wir gute Freunde seien.

Von nun an wuchs der Druck, den ich bisher auf dem Weg zum Gemeindesaal verspürt hatte, nur noch mehr. Und meine bereits übervolle To-do-Liste erweiterte sich um einen Punkt: Ich musste alle, die an mir vorbeigingen, anlächeln und grüßen. – Doch das war nicht zu schaffen, ergo:

Ich war einfach nicht gut genug.

***

Dann wurde ich für ein Gespräch in die Schule meiner Kinder bestellt, wo mir drei Lehrer mit ihren Notizblöcken gegenübersaßen, während ich hilflos und schlecht vorbereitet zuhörte.

„Die Leistungen ihres Kindes lassen zu wünschen übrig. Wir fragen uns, ob es zu Hause ausreichend Unterstützung bekommt.“

„Sie als Eltern arbeiten ja schließlich beide und sind viel unterwegs.“

„Vielleicht haben Sie einfach zu wenig Zeit dafür.“

Obwohl die Formulierungen der Lehrer viel Verständnis ausdrückten, schossen in mir meine schlimmsten Ängste hoch:

Ich bin nicht gut genug.

Ich strenge mich nicht genug an.

Ich habe als Mutter versagt.

Mein Kind kommt in der Schule nicht mit und das ist meine Schuld.

Ich hätte mich so gern gerechtfertigt: Ich liebe mein Kind über alles. Ich helfe ihm immer bei den Hausaufgaben. Oh, und wie ich für mein Kind bete. So oft lasse ich meine eigene Arbeit liegen, weil mir mein Kind so am Herzen liegt.

Doch kein Wort kam über meine Lippen.

Stattdessen kämpfte ich mit den Tränen und unterdrückte das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Ich versuchte zuzuhören und fragte nach. Erst als ich draußen war und in meinem Auto saß, weinte ich so sehr, dass ich kaum Luft bekam. Ich fuhr heim und rannte an Zac vorbei, der wissen wollte, wer unsere vierzehnjährige Kate zum Lauftraining fuhr. Ich war nicht imstande, ihm zu antworten, ich wollte mich nur noch verkriechen.

Im Schlafzimmer legte ich mich auf den Fußboden, schnappte mir ein auf dem Boden liegendes T-Shirt und verbarg mein Gesicht darin. Dann weinte ich hemmungslos. Als ich schließlich tief Luft holte, mir die Tränen abwischte und die Augen öffnete, kam sofort der nächste schreckliche Gedanke: Du meine Güte, das Zimmer ist ein einziges Chaos!

Wieder blieb mir die Luft weg und der nächste Heulkrampf ins T-Shirt war fällig. Ein unaufgeräumtes Zimmer reichte aus, um mich in tiefste Verzweiflung zu stürzen.

Ich bin einfach nicht gut genug.

***

So viele Jahre hat diese Stimme in meinem Kopf gesagt: Ich bin nicht gut genug.

Hörst du diese Stimme auch?

Vielleicht hast du keine Essstörung und bist nicht mit einem Pfarrer verheiratet, aber die meisten von uns stehen unter einem enormen Druck und müssen auf irgendeine Art beweisen, dass sie eigenen oder fremden Ansprüchen genügen. Jeden Morgen versuchen wir ehrgeizig diese Aufgaben zu bewältigen. Aufgaben, an denen wir manchmal schon am Vortag bereits gescheitert sind. Unbedingt wollen wir die Erwartungen unserer Familie und Kollegen erfüllen, inszenieren uns als schöne, starke und immer freundliche Idealmenschen, weil wir sicher sind, dass die Welt, die Kirche und Gott uns so haben wollen. Oft fühlt es sich an, als würde irgendwo eine verhängnisvolle Waage stehen und daneben jemand, der das Ergebnis unserer Bemühungen auf einem Klemmbrett notiert. Wir alle kennen das Gefühl, unzureichend zu sein.

Verzweifelt irren wir umher und sind deprimiert von unseren Minderwertigkeitsgefühlen. Unser Selbstbewusstsein ist wie ein stümperhaft aufgemaltes Make-up, als wären wir Siebenjährige, die Spaß am Rollenspiel haben. Dabei müssten wir doch erwachsen, liebenswert und in jeglicher Hinsicht perfekt sein – wenn das nur so einfach, ach, wenn es doch überhaupt möglich wäre.

Tief in unserem Inneren wissen wir, dass wir uns oft selbst täuschen. Wir sind alles andere als perfekt. Und oft verbringen wir unser Leben damit, diese Wahrheit zu vertuschen.

Gott aber hat einen ganz anderen Plan für uns. Er will, dass unsere Seelen Frieden finden und wir in unserem Leben große Dinge in Bewegung setzen. – Nicht etwa, weil wir selbst so großartig wären, sondern obwohl wir so sind, wie wir sind, mit all unseren Fehlern.

Der Römerbrief lässt keinen Zweifel an unserem wahren Zustand: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen.“4

Vielleicht haben wir ja da etwas Grundlegendes falsch verstanden? Was, wenn gerade diejenigen, die Fehler machen und erkennen, dass sie nie gut genug sein werden, genau diejenigen sind, die Gott auserwählt?

Was, wenn ich dir heute sage, dass du gnädiger mit dir selbst sein darfst? Dass du damit aufhören kannst, dich wie verrückt ins Zeug zu legen? Dass du dieses anstrengende, rastlose Streben nach immer mehr Perfektion einstellen kannst – und zwar sofort?

Das du deine ehrgeizigen Ziele nie erreichen wirst.

Und das ist vollkommen okay. Es ist sogar notwendig, das zu erkennen, dass du unvollkommen bist und immer bleiben wirst, damit du dein Leben ändern kannst.

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Ich hatte keine großen Pläne für mein Leben. Aber in der Nacht vor meinem 30. Geburtstag wachte ich auf und konnte nicht wieder einschlafen. Bring junge Menschen in die Kirche, kümmere dich um diese Generation – ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Nur wie sollte ich das anstellen? Ich hatte kleine Kinder und war als Pastorenfrau einer jungen Gemeinde bereits voll eingespannt. Ich hatte weder viel Einfluss noch eine Plattform geschweige denn einen Twitter-Account. Wie stellte Gott sich das vor?

Zwei Tage lang taten mir förmlich die Knochen weh, daran erinnere ich mich noch, weil ich an der Last dieser gewaltigen, absurd nebulösen Aufgabe, die Gott mir da auferlegte, so schwer zu tragen hatte. Als ich es zwei guten Freundinnen gegenüber erwähnte, antworteten diese mir weise: „Jennie, wenn das wirklich von Gott kommt, dann wird er dir auch zeigen, wie du es anstellen sollst.“

Ich konnte jedoch keine klare Handlungsanweisung erkennen, also wartete ich erst einmal ab, und ich machte weiter mit meinem ohnehin schon sehr geschäftigen Leben.

Dann, ein paar Jahre später, sprachen mein Mann und ich ein einfaches Gebet: „Wir begeben uns ganz in deine Hand, Gott.“ Das Leben von Katie Davis in Uganda hatte uns überzeugt – sie hatte viele Mädchen von der Straße weg adoptiert und setzte sich so voller Hingabe für sie ein, dass wir davon ganz angesteckt waren und unser Leben ebenso vollständig Jesus überlassen wollten, auf eine fast schon beängstigend kompromisslose Art und Weise, die neu für uns war. „Wir gehören dir ganz, Gott. Dein Wille geschehe.“ Als wir so beteten, ließ Gott plötzlich das geschehen, wovon meine Freundinnen gesprochen hatten. Er fing an, Türen zu öffnen, an die ich gar nicht angeklopft hatte!

Über Jahre hatte ich bei mir zu Hause Bibelkreise geleitet, verhielt mich dabei aber zurückhaltend und lud eigentlich nur einige ausgewählte Freundinnen dazu ein, von denen ich wusste, dass sie hinter mir standen. Dabei mochte ich diese Hauskreise und die Bibelarbeiten sehr. Als ich dann in dem Sommer von dem Camp heimkehrte, auf dem ich mich Christus so vollständig anvertraut hatte, versammelte ich, ohne groß darüber nachzudenken, eine Handvoll jüngerer Mädchen um mich und begann mit ihnen die Offenbarung zu lesen. Das Ganze wurde so intensiv, dass sich geradezu überspannte Szenen abspielten. Inzwischen weiß ich, dass dieser Text vielleicht nicht die beste Wahl war, aber die Bibel zu lesen war und ist für mich nun einmal wie Atmen.