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Der Durchschnittsmensch denkt mehr als 30.000 Gedanken am Tag. Und davon sind so viele negativ, dass Studien zufolge die große Mehrheit der Krankheiten, die uns heute plagen, eine direkte Folge einer ungesunden Gedankenwelt ist. Wie wir denken, entscheidet darüber, wie wir leben. Diese Abwärtsspirale ist real. Wir drehen Runde um Runde um Runde - immer abwärts und anscheinend außer Kontrolle -, bis unser Leben schließlich bestimmt ist von diesem endlosen Kreislauf. Doch was wäre, wenn wir unsere Kraft nicht mehr mit dem Versuch, Symptome zu kurieren, verschwenden würden, sondern uns mit der Wurzel des Problems befassten? Der größte geistliche Kampf unserer Generation wird zwischen unseren Ohren ausgetragen. Dieser "New York Times"-Bestseller gibt dir das nötige Handwerkszeug an die Hand, mit dem du aus der Abwärtsspirale entkommen und deine Gefühle, deine Sicht auf das Leben und deine Lebensumstände verändern kannst.
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Seitenzahl: 285
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Über die Autorin
Jennie Allen ist eine mehrfach ausgezeichnete Autorin, Theologin sowie Gründerin und Leiterin der „IF-Bewegung“, die Treffen organisiert, um Frauen zu schulen und das in ihnen steckende gottgegebene Potenzial einzusetzen. Sie hat am theologischen Seminar von Dallas Theologie studiert und lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in Austin, Texas.
Teil I Immer diese Gedanken
Nachdenken über das Denken
Was wir glauben
Aus der Spirale aussteigen
Befreiungsschlag
Wo Gedanken gefangen genommen werden
Umschalten
Teil II Die Feinde unseres Denkens entmachten
Die Fronten klären
Raum für Stille schaffen
Ich entscheide mich für die Stille vor Gott
Lebensretter
Ich entscheide mich dafür, dass man mich kennt
Furchtlos
Ich entscheide mich dafür, meine Ängste an Gott abzugeben
Eine wundervolle Unterbrechung
Ich entscheide mich für die Freude an Gott
Nicht so wichtig
Ich entscheide mich dafür, Gott und anderen Menschen zu dienen
Nicht bezwungen
Ich entscheide mich dafür, dankbar zu sein
Lauf dein Rennen
Ich entscheide mich dafür, für andere das Beste zu suchen
Teil III Denken, wie Jesus denkt
Wer, glaubst du, bist du?
Gefährliche Gedanken
Anmerkungen
Für den Mann, der mich immer wieder auf den Teppich holt.Zac Allen, du rettest mich immer wieder vor mir selbst und richtest mich auf Jesus aus.Ich liebe dich und ich mag dich.
*
Lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird.
Römer 12,2
„Alles menschliche Denken nehmen wir gefangen.“
Angeblich gibt es zwei Gründe, warum jemand ein Buch schreibt: Entweder ist der Autor ein Experte für das Thema, oder das Thema beschäftigt den Autor so sehr, dass er verzweifelt nach einer Antwort sucht und dafür Jahre investiert. Ich bin definitiv eine Autorin vom Typ zwei.
Heute Morgen bin ich mit der Absicht aufgewacht, dir zu schreiben. Doch dann dachte ich, zuerst muss ich Zeit mit Gott verbringen. Was habe ich also gemacht? Ich habe zum Handy gegriffen. Dabei fiel mein Blick auf eine Mail zu einem Thema, an dem ich gerade arbeite. Weil der Absender etwas von „konstruktiver“ Kritik schrieb, beschloss ich, das Handy aus der Hand zu legen, als etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich zog … und ehe ich mich’s versah, war ich unterwegs auf Instagram und studierte die rauschenden Erfolge anderer, mit denen meine Arbeit natürlich nicht mithalten konnte.
Nach ein paar Minuten am Handy beschloss ich, dass ich als Autorin völlig unfähig bin und dass ich überhaupt nichts zu sagen habe. Ich rutschte direkt in eine gedankliche Abwärtsspirale Richtung Entmutigung.
Dann kam mein Mann Zac ins Zimmer. Im Gegensatz zu mir war er glücklich, denn er war gerade Gott begegnet, und ich blaffte ihn an. Damit beschleunigte sich meine Abwärtsspirale und meine Gedanken wurden immer chaotischer. In nur einer knappen Stunde hatte ich mich selbst abgewertet, meine ganze Arbeit kritisiert, beschlossen, meinen Dienst hinzuschmeißen, Gott ignoriert und meinen besten Fürsprecher und Freund vor den Kopf gestoßen.
„Na toll. Wirklich brillant, Jennie. Und du willst mir helfen, gegen meine chaotischen Gedanken anzukommen?“, magst du jetzt vielleicht sagen und ich höre deinen Einwand. Und ja, ich werde vermutlich mein Leben lang daran arbeiten müssen, nicht ständig in diese negativen Gedankenspiralen zu geraten. Aber ich habe in letzter Zeit einige wichtige Dinge entdeckt, die mir helfen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Und weil das so ist, gelang es dieser Abwärtsspirale nicht, einen Tag, eine Woche oder gar ein paar Jahre meines Lebens zu stehlen. Deshalb konnte ich nach einer knappen Stunde den Hebel umlegen und meinen Gedanken eine neue Richtung gegeben.
Ich blieb nicht wie gelähmt sitzen. Jetzt bin ich frei und fröhlich dabei, dir zu schreiben.
Ich möchte dich wissen lassen, dass auch du nicht in einer Sackgasse stecken bleiben musst. Gott hat uns einen Weg geschenkt, auf dem wir diesen gedanklichen Abwärtsspiralen entkommen können. Nur dumm, dass wir ihn so selten einschlagen. Stattdessen haben wir der Lüge geglaubt, dass wir Opfer unserer eigenen Gedanken sind. Dabei sind wir doch Kämpferinnen mit einer guten Ausrüstung, die uns hilft, an der Front der größten Schlacht zu kämpfen, die unsere Generation zu schlagen hat: die Schlacht um unsere Gedanken.
Der Apostel Paulus hat verstanden, welche Schlacht in unseren Gedanken tobt. Er wusste, dass unsere Lebensumstände und unsere Vorstellungskraft zu Waffen werden können, die unseren Glauben und unsere Hoffnung untergraben. Die Bibel überliefert uns seine kühne Anweisung, wir sollten „jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi“ (2. Korinther 10,5; ELB).
Gedanken gefangen nehmen? Jeden Gedanken? Kann man das? Schon mal versucht?
Einmal hatte sich ein Vogel in unser Haus verirrt und flog nicht wieder hinaus. Es brauchte den Einsatz der kompletten Familie und eine ganze Stunde, diesen dummen Spatz zu fangen. Kurzzeitig überlegten wir sogar, ihn mit dem Luftgewehr abzuschießen, denn das wäre leichter gewesen. Aber diesen Spatz einzufangen, der voller Angst wild durch unser Haus flatterte, das war etwas anderes und fast unmöglich.
Ist es nicht sogar noch viel unmöglicher, einen wild herumwirbelnden Gedanken einzufangen? Und doch lese ich in dem Buch, auf das ich mein ganzes Leben gründe, ich solle alle meine Gedanken gefangen nehmen, jeden einzelnen davon.
Erlaubt sich Gott da einen Spaß mit uns?
Ist das denn überhaupt möglich? Denn ganz ehrlich: Meine Gedanken schwirren viel wilder herum als jener verängstigte Spatz.
Und deine wohl auch. Ich sehe dasselbe ungebändigte Chaos in deinen Augen und in den Augen fast aller Frauen, die mir begegnen. Zum Beispiel auch bei der jungen Frau, der ich diese Woche gegenübersaß – eine junge Frau, die in der Angst fast unterging, gegen die sie schon seit zwei Jahren ankämpfte. Sie sah mich an und in ihrem Blick lag die Bitte: „Hilf mir! Sag mir, was ich machen soll.“
„Ich will nicht mit dieser Angst leben“, sagte sie. „Ich gehe in die Seelsorge. Ich gehe in den Bibelkreis. Ich würde auch Medikamente nehmen. Ich möchte Gott ja vertrauen. Warum kann ich mich nicht ändern? Ich fühle mich völlig festgefahren in dieser Angst.“
O ja, ich kann sie gut verstehen. Ich habe auch gegen die Angst gekämpft.
Wenn man es sich genau überlegt, ist es unfassbar: Wie kann etwas, das man nicht sehen kann, uns so sehr beherrschen und bestimmen, was wir fühlen und tun und was wir sagen oder nicht sagen? Wie kann es uns diktieren, wie wir uns bewegen oder schlafen und beeinflussen, was wir wollen, was wir hassen und was wir lieben?
Wie kann dieses Organ, das all diese Gedanken beherbergt – das ja nicht mehr ist als ein Klumpen zusammengeballtes Gewebe –, so sehr bestimmen, was uns zu dem Menschen macht, der wir sind?
Es ist nicht egal, ob wir lernen, unsere Gedanken einzufangen. Denn wie wir denken, entscheidet darüber, wie wir leben (Römer 12,1–2).
Die Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Forschung faszinieren mich schon eine ganze Weile, seit eine meiner brillanten Töchter anfing, mich in die Geheimnisse des Gehirns einzuweihen. Als Kate im siebten Schuljahr war (inzwischen ist sie in der Oberstufe), kam sie einmal von der Schule nach Hause und verkündete dem Rest der Familie, sie werde eines Tages ein Mittel gegen Alzheimer entwickeln.
Wir haben sie damals etwas belächelt. Aber heute, Jahre später, liest sie immer noch Bücher und Artikel zu diesem Thema, hört sich jeden TED-Talk dazu an und setzt mich über die neuesten Forschungsergebnisse ins Bild. Sie macht sich Gedanken zu Fragen, wie:
Wusstest du, dass in den letzten 20 Jahren mehr Erkenntnisse über unser Gehirn gewonnen wurden als in all den Jahrhunderten zuvor?Wusstest du, dass ca. 60 bis 80 Prozent der Hausarztbesuche stattfinden, weil die Beschwerden des Patienten eine stressbedingte Komponente haben?1Wusstest du, dass Studien erwiesen haben, dass 75 bis 80 Prozent der psychischen und körperlichen Erkrankungen und Verhaltensstörungen ihre Ursache in unserer Gedankenwelt haben?2Wusstest du, dass unser Wissen über das Gehirn Folgendes nahelegt: Wenn die Bibel vom Herzen spricht, könnte sie tatsächlich über unseren Geist und die Gefühle sprechen, die wir im Gehirn erfahren?Also schön, Kate, nein, wusste ich nicht. Ist aber wirklich interessant.
Um genauer zu sein: Es ist sehr interessant für mich.
Irgendwann sprang Kates Faszination auf mich über. Weil sie mir zeigte, dass das, was sie durch die Naturwissenschaften lernte, auch in meiner Bibel zu finden ist, und dass vieles, was die Bibel über unsere Gedankenwelt sagt, auch wissenschaftlich untermauert ist. Und noch wichtiger wurde mir das alles, sobald mich die Vorstellung gepackt hatte, wir könnten tatsächlich unsere Gedankenwelt in den Griff bekommen und so auch in anderen Lebensbereichen Frieden finden.
*
Seit einigen Jahren war ich voll und ganz mit meiner eigenen Organisation IF:Gathering beschäftigt. Gott hatte mir den Anstoß gegeben, sie zu gründen, um Frauen im christlichen Glauben zu schulen und sie zu befähigen, auch anderen den Glauben zu vermitteln. Ich liebte unsere Gemeinschaft, unsere Treffen und dass wir offensichtlich auch tatsächlich etwas bewirkten. Aber mit der Zeit beobachtete ich bei den Frauen, die ich liebte und für die ich mich jeden Tag einsetzte, etwas, das mich beunruhigte.
Die Frauen machten während unserer Veranstaltungen oder beim Studium unserer Materialien Erfahrungen mit Gott und öffneten ihm ihr Leben auf noch umfassendere Art. Diese Erfahrungen beflügelten sie dann für eine ganze Weile in ihrem Glauben und ihrer Arbeit, aber irgendwann kam immer der Punkt, an dem sie in alte Gewohnheiten zurückfielen und alte Lebensmuster wieder aufnahmen. Vielleicht weißt du, was ich meine.
Vielleicht denkst du gerade an diese zerstörerische Beziehung, die du endlich beendet hattest, aber dann in einem schwachen Moment doch wieder aufgenommen hast.
Oder du hattest endlich mit einem alles andere als gelungenen Abschnitt deines Lebens Frieden geschlossen, aber nun befindest du dich wieder in einer emotionalen Abwärtsspirale und hörst dich selbst nur noch jammern.
Oder du hast dir und Gott eingestanden, dass du pornosüchtig bist, und damit aufgehört, nur um nach ein paar Wochen in die alten Muster zurückzufallen.
Oder du hast entdeckt, dass du deinem Mann gegenüber viel zu kritisch bist, das Jesus anvertraut und wirklich begonnen, dich zu verändern – bis du schließlich doch wieder da gelandet bist, wo du begonnen hattest.
Warum, habe ich mich gefragt, warum halten die Veränderungen, die so viele Frauen so verzweifelt gerne vornehmen wollen, nicht auf Dauer an?
Und warum kämpfte ich immer noch mit denselben Ängsten, negativen Verhaltensmustern und anderen Sünden, gegen die ich bereits jahrelang ankämpfte?
Zu der Zeit, in der ich erkannte, dass dieser Bumerangeffekt ein weitverbreitetes Phänomen ist, stand ich gerade im engeren Kontakt mit einigen Freundinnen – alles gestandene Frauen, die sich Jahr für Jahr mit denselben Problemen herumschlugen. Immer wenn wir uns trafen, hörte ich dasselbe Lied.
Was hinderte sie daran, mit ihren Bemühungen erfolgreich zu sein? Warum kamen sie nicht aus ihrer Sackgasse heraus? Was Kate bei ihren fortgesetzten Studien zum menschlichen Gehirn entdeckte, wies auf eine naheliegende Ursache hin: Es spielt sich alles in unserem Kopf ab.
Es gibt vieles, was wir über das Gehirn nicht wissen. Aber ebenso wahr ist, wie Kate es ausdrückt: Wir haben in den letzten 20 Jahren mehr über das Gehirn gelernt als in den 2.000 Jahren davor. Früher hielt man den Geist für etwas Unveränderbares. Das Gehirn, mit dem man geboren wurde, und wie es arbeitete – oder nicht arbeitete –, „war eben so“. Es war sinnlos, sich über etwas aufzuregen, was nicht zu ändern war. Heute wissen wir, dass das Gehirn sich ständig verändert, ob wir das nun wollen oder nicht.
Voller Hoffnung, herausfinden zu können, wie Frauen sich aus problematischen Denk- und daraus resultierenden Verhaltensmustern befreien können, begann ich, kluge Bücher über das Gehirn, über Neurowissenschaften und wie echte Veränderung vor sich geht zu lesen. Ich sah mir die TED-Talks an, auf die Kate mich hinwies, und lernte viel über die Formbarkeit unseres Gehirns.
Ich hörte mir kluge Podcasts an.
Ich sah mir kluge Dokumentationssendungen an.
Ich redete mit klugen Leuten.
Und allmählich sah ich ein Muster, das in vielen von uns am Werk ist. Unsere Gefühle bringen uns auf bestimmte Gedanken und diese Gedanken bestimmen unsere Entscheidungen und unsere Entscheidungen bestimmen unser Verhalten, und unser Verhalten hat Auswirkungen auf unsere Beziehungen, die uns wiederum zurückbringen zu gesunden oder ungesunden Denkmustern.
Wir drehen Runde um Runde um Runde, immer abwärts, anscheinend außer Kontrolle, bis unser Leben schließlich bestimmt ist von diesem endlosen Kreislauf.
Deprimierend.
Es sei denn – es sei denn, es gäbe einen Weg, den Kreislauf zu durchbrechen.
Wie viele von uns investieren ihre gesamte Kraft in Gespräche, Seelsorge und Gebet in dem Versuch, das zu ändern, was am tiefsten in uns sitzt – unsere Gefühle –, und haben doch keinen Erfolg.
Wenn du traurig bist und ich dir sage, du solltest aufhören, traurig zu sein, bist du dann auch nur einen Schritt weitergekommen?
Was wäre, wenn wir unsere Kraft nicht mehr mit dem Versuch, Symptome zu kurieren, verschwenden würden, sondern uns mit der Wurzel des Problems befassten, die noch tiefer liegt als die Gefühle, die uns anscheinend immer wieder in denselben Kreislauf stürzen? Die Wahrheit ist: Unsere Gefühle sind ein Nebenprodukt von etwas anderem.
Unsere Gefühle sind ein Nebenprodukt unserer Gedankenwelt.
Das Gute daran ist: Wir können unsere Gedankenwelt verändern. Das sagt uns die Bibel. „Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an“, schreibt Paulus, „sondern lasst euch … verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird“ (Römer 12,2).
Meine intensive Beschäftigung mit den inneren Mechanismen des Gehirns hat bestätigt, was die Bibel sagt: Wir können „jeden Gedanken gefangen nehmen“. Nicht nur unsere Gedankenwelt kann sich verändern, wir können diese Veränderung auch selbst bewirken.
Das Problem ist, dass wir unbewusst in unserer emotionalen Abwärtsspirale landen und uns meist nicht klarmachen, wohin unsere Gedanken am Ende führen. Der bekannte puritanische Theologe des 17. Jahrhunderts John Owen sagte, bei jeder Sünde sei das Ziel des Feindes der Tod. Wörtlich hat er gesagt: „Töte die Sünde, oder die Sünde wird dich töten.“3 Es ist an der Zeit, dass wir kämpfen.
Der Durchschnittsmensch denkt mehr als 30.000 Gedanken am Tag. Und davon sind so viele negativ, dass „Studien zufolge die große Mehrheit der Krankheiten, die uns heute plagen, eine direkte Folge einer ungesunden Gedankenwelt ist“.4
Die Abwärtsspirale ist real, und sie ist angefüllt mit mehr Gedanken, als wir anscheinend beherrschen können. Aber was wäre, wenn wir nicht versuchen würden, jeden Gedanken gefangen zu nehmen, sondern nur einen einzigen?
Was wäre, wenn ich dir sagte, dass ein einziger guter, kraftvoller Gedanke diesen chaotischen Kreislauf deines Lebens in eine bessere Richtung lenken könnte … und zwar jedes Mal, wenn du ihn denkst? Was wäre, wenn du eine einzige Wahrheit verinnerlichen könntest, die den Ansturm der Lügen verstummen ließe, die dir das Gefühl geben, du seist deinem Gehirn gegenüber ohnmächtig!
Nur einen einzigen Gedanken denken. Könntest du das tun?
Dieser Gedanke existiert. Dazu später mehr.
Mir ist klar: Auch wenn mein Vorschlag sehr direkt war – dass du dich ganz auf eine einzige Wahrheit konzentrierst –, so ist es doch keine Kleinigkeit, ihn zu befolgen. Warum? Weil ein regelrechter Angriff in diesem Zellkonglomerat tobt, der dich zu dem Menschen macht, der du bist. Der größte geistliche Kampf unserer Generation wird zwischen unseren Ohren ausgetragen.
Was wir glauben und worüber wir nachdenken, ist richtungsweisend, und unser Feind weiß das. Deshalb ist er auch absolut entschlossen, in deinen Kopf zu kriechen und dich davon abzuhalten, Gutes zu denken und zu tun. Er ist darauf aus, dich so weit abstürzen zu lassen, dass du dich ohnmächtig, überwältigt und kaltgestellt fühlst und nicht mehr aufstehen kannst, um dich für das Reich Gottes einzusetzen.
Selbst wenn du nicht zu denen gehörst, die sich leicht kaltstellen lassen, und wenn du Gott und die Menschen liebst, verfolgen dich bei jedem Schritt, den du machst, tausend giftige Gedanken.
Ob du schon aufgegeben hast oder ob dich nur eine nagende Unzufriedenheit quält, hier ist mein Entschluss, der für uns beide gelten kann: „Schluss damit.“
Und ich sage „für uns beide“ mit gutem Grund. Die große Ironie ist nämlich die, dass ich zu dem Zeitpunkt, als ich mir für meine Freunde Gedanken über die Möglichkeit einer heileren und gesünderen Gedankenwelt machte, noch nicht wusste, wie sehr ich selbst schon bald diese Heilung brauchen würde.
„Wenigstens bin ich nicht so dumm wie die.“
Diese Worte wurden hinter meinem Rücken gesprochen – in meinem zweiten Jahr im Oberstufenkurs Biologie und zwar von Derek.
Derek war dreimal so groß und breit wie alle anderen unbeholfenen Fünfzehnjährigen in meiner Klasse, ein Typ, vor dem alle Angst hatten. Ich war eine ruhige, schüchterne Schülerin, die kaum jemals den Mund aufbekam. Wie konnte er mich dumm finden? Es war nämlich so: Ich war überhaupt nicht dumm. Schließlich schrieb ich ohne große Anstrengung nur Bestnoten – selbst in den Kursen, die intellektuell anspruchsvoll waren.
In Gedanken blicke ich auf dieses 15-jährige Mädchen an ihrem langen Labortisch im Biologiesaal zurück und wünschte, ich könnte ihr Gesicht in beide Hände nehmen und ihr sagen, wie ganz und gar nicht dumm sie ist. Aber ich bin mir fast sicher, sie würde mir nicht zuhören. Denn es dauerte keine Stunde, nachdem Derek diese Worte gesagt hatte, bis die winzigen Falten von Zellgewebe zwischen ihren Ohren eine umfassende Anklage erstellt hatten: eine Anklage gegen ihren Wert, ihre Sicherheit, ihren Verstand und ihr Potenzial, die für die nächsten zehn Jahre in einer Endlosschleife in ihr abgespult wurde.
*
Kurz nach meinem Collegeabschluss im Bereich Fernsehjournalismus war ich zu einem Bewerbungsgespräch bei einem Nachrichtensender eingeladen. Zwei Kollegen vom Sender gingen anschließend mit mir und meiner Freundin essen. Dabei wollten sie nicht über den Job sprechen, sondern uns näher kennenlernen. Nachdem mir klar wurde, dass sie dabei waren, uns anzubaggern, saß ich da und dachte: Kein Mann wird mich jemals in meinem Job ernst nehmen. Dieser Gedanke ließ mich glauben, dass ich als Frau in der Geschäftswelt nichts anzubieten hätte. Auf diese Weise konstruierte mein Gehirn einen Angriff auf meine Erziehung, meine Ausbildung und meine Begabung, der mich viele Jahre lang beeinträchtigen sollte.
*
Mein Mann und ich hatten unseren ersten größeren Streit nach unserer Hochzeit. Er ignorierte mich und ich knallte daraufhin ein paar Türen recht heftig zu. Er kam schnell darüber hinweg, aber ich konnte nicht aufhören zu denken: Er liebt mich nicht wirklich. Und in meinem Hirn konstruierte ich einen Angriff auf unsere Ehe.
*
Ich hatte gegenüber unserem achtjährigen Sohn die Beherrschung verloren. Abends lag ich im Bett und dachte: Ich bin als Mutter eine komplette Versagerin. In den folgenden Jahren grub dieser Gedanke sich immer tiefer in mein Gehirn.
*
Die Sache ist die: Ich habe schon immer Lügen geglaubt. Und nicht nur geglaubt. Ich habe ganze Kapitel meines Lebens auf ihnen aufgebaut.
Ich bin ziemlich sicher, das gilt für dich auch.
Meine Freundin Christina ist Psychotherapeutin. Sie hat mir erzählt, was man im Grundkurs Psychiatrie lernt: Wenn du und ich uns entscheiden, einer Lüge über uns selbst zu glauben, dann ist es eine der folgenden:
Ich bin ohnmächtig.
Ich bin wertlos.
Ich bin nicht liebenswert.
Instinktiv versuchte ich, sie zu widerlegen. „Im Ernst, Christina? Nur drei?“ Ich sei dafür bekannt, sagte ich ihr, dass ich 300 Lügen am Tag über mich glaubte.
„Unsinn“, erwiderte sie. „Jede der 300 Lügen lässt sich auf eine der drei zurückführen, die ich genannt habe.“
Nehmen wir an, Christina hätte recht. Die Frage, die ich dir stellen möchte, lautet: Welche der drei Lügen ist für dich am nachvollziehbarsten?
Gibt es eine, für die du besonders anfällig bist?
Diese Lügen – ich bin ohnmächtig, ich bin wertlos, ich bin nicht liebenswert – formen unser Denken, unsere Gefühle und die Art, wie wir auf unsere Umwelt reagieren. Sie ziehen uns hinein in ihren Kreislauf von Ablenkung, Verzerrung und Schmerz, sie verhindern, dass wir die Wahrheit sehen, die wir glauben sollten. Das Schlimmste ist, dass sie unsere Sicht von Gott verändern. Jede Lüge über uns selbst, die wir glauben, wurzelt darin, was wir von Gott glauben.
Sagen wir, ich würde mich häufig wertlos und unsichtbar fühlen. Und nehmen wir an, ich lese den Epheserbrief und erfahre dort, dass Gott, weil er mich liebt, mich erwählt und als sein Kind angenommen hat (Epheser 1,4–5). Auch wenn ich die Gültigkeit dieser Aussagen nicht offen verneine, habe ich doch meine Zweifel daran, dass sie auch für mich gelten. Ja, nicke ich, das ist wahr, aber ich nehme sie nicht in mich auf, sodass sie meine Identität formen können.
Oder nehmen wir an, ich bin mit einem Mann verheiratet, der nur seine Arbeit im Kopf hat. Ich fühle mich in unserer Ehe nicht gesehen, und das verstärkt meine tief sitzende Angst, dass ich tatsächlich wertlos und unsichtbar bin. Und so bin ich selbst im belanglosesten Wortwechsel mit meinem Mann angespannt und drehe am Rad, wenn er nur mal kurz angebunden ist.
Ich kann nicht sehen, was alles auf ihm lastet; ich kann nicht mitfühlen, was ihn anstrengt, und meine Bedürfnisse sind weit größer als alles, was er je erfüllen könnte.
Es dauert nicht lange, und wir streiten nur noch und wissen meist gar nicht, warum.
In meiner Gedankenwelt ist mein Mann zu meinem Feind geworden; er kann anscheinend nie das sagen, was ich hören möchte, oder so sein, wie ich ihn brauche.
Und meine Gedankenspirale hat nun auch meine Beziehungen infiziert und raubt mir jede Freude daran und meinen inneren Frieden.
Es war nie so gedacht, dass ein Mensch die Leere in unserer Seele füllen oder uns versichern sollte, dass wir wertvoll sind. Aber solange ich die Lüge nicht abweise, dass Gottes Liebe mir nicht gilt, werden meine Gefühle, Entscheidungen, Verhaltensweisen und Beziehungen sich in dem falschen Glauben, ich sei wertlos, verheddern.
Wenn wir – vielleicht zum ersten Mal – anfangen, über unsere Gedanken nachzudenken, können wir diese Abwärtsspirale stoppen. Wir können neu starten und die Richtung ändern. Das ist unsere Hoffnung. Nicht dass wir jede erdenkliche Angst bekämpfen würden, aber dass wir Gott erlauben, so viel Raum in unserem Denken einzunehmen, dass im Vergleich dazu unsere Ängste zusammenschrumpfen. Ich liebe das Zitat von A. W. Tozer, in dem er sagt: „Wenn Gott groß gemacht wird …, lösen sich tausend kleinere Probleme mit einem Schlag.“5 Das ist mein Ziel.
Und genau das können wir auch erleben. Aber du musst wissen: Der Feind unserer Seele hat nicht die Absicht, seinen Zugriff auf unser Denken kampflos aufzugeben. Und ich warne dich: Er kämpft nicht mit fairen Mitteln.
Wir sind ja gerade erst dabei, einander kennenzulernen, aber ich will dich in die schlimmste Gedankenhölle, die ich bisher erlebt habe, einen Blick werfen lassen. Ich warne dich jedoch schon einmal vor, denn die Sache ist heftig, und ich mag es nicht gern heftig. Ich mag es heiter und glücklich. Aber wenn ich dich nicht in meine Dunkelheit mitnehme, glaubst du mir vielleicht nicht, wenn ich sage, dass sich die Mühe lohnt, uns den Abgründen unseres Denkens zu stellen. Denn wir glauben, dass Gott uns Leben und Frieden schenken kann.
Ich weiß, es ist möglich, unsere Gedankenwelt – und in der Folge auch unser Leben – auf einen neuen Kurs zu bringen. Ich weiß es, denn in meinem Leben ist es passiert.
Aber bevor ich auf den Gedanken stieß, der uns aus innerem Aufruhr zum Frieden bringt, habe ich den gnadenlosen Angriff des Feindes zu spüren bekommen.
Es war seit vielen Monaten mein erster Besuch zu Hause in Little Rock. Ich saß im Wagen meiner Mutter auf dem Beifahrersitz und betrachtete die vertraute Landschaft: meine alte Highschool, das Chili’s, ein Restaurant, in dem ich mit meinen Freunden nach Football- oder Basketballspielen oft gewesen bin, der Teich, in dem ich oft geschwommen bin. Mir wurde bewusst, wie tröstlich es sein kann, nach Hause zu kommen.
Dann erreichten wir unser Ziel: die Baptistenkirche, in der ich zwei Vorträge halten und dazwischen Bücher signieren sollte.
Im ersten Vortrag gab ich für die Frauen, die vor mir saßen, mein Bestes. Kühn und klar erklärte ich ihnen die Kernaussagen des Evangeliums. „Es gibt wirklich einen Feind, dem ein Heer von Dämonen zu Diensten ist“, verkündete ich. „Er will dich überlisten. Er ist entschlossen, dir deinen Glauben zu rauben.“ Ich war durchdrungen von dem Wunsch, dass meine Zuhörerinnen die Freiheit kennenlernten, die Christus anbietet, und dass sie aufhörten, ohne Ziel durch ihr Leben zu stolpern.
Nach meinem Vortrag folgte das Büchersignieren mit dem dazugehörigen Tumult. Anschließend stand ich auf einmal völlig alleine da, etwas, das ich bei Großveranstaltungen aus Sicherheitsgründen gerne vermeide. Die Zuhörerinnen waren bereits zurück auf ihren Plätzen im Auditorium, Konferenzordner schwirrten herum und kümmerten sich um irgendwelche Details, jeder war an seinem Platz. Und ich stand ganz allein im Foyer – ich und eine andere, recht freundlich wirkende Frau, die ich nicht kannte.
Da wurde mir klar, dass es Zeit wurde, vor dem nächsten Vortrag meinen Platz einzunehmen. Also machte ich zwei Schritte in Richtung Auditorium und dann war die fremde Frau plötzlich vor mir. Ihr Gesicht verdüsterte sich, das warme Lächeln verschwand und sie kniff ihre Augen zusammen.
„Wir kriegen dich“, sagte sie rasch und flüsternd. „Du musst aufhören, über uns zu sprechen. Wir kriegen dich.“
Diese Worte waren so zusammenhanglos, dass ich nicht verstand, was sie meinte. „Ma’am“, sagte ich. „Sie verwirren mich. Wovon reden Sie?“
Mit eisiger Sicherheit sagte sie: „Sie wissen ganz genau, wovon ich rede.“
„Verzeihung?“, sagte ich, immer noch bemüht, sie zu verstehen.
Und wieder sagte sie: „Hören Sie auf, über uns zu sprechen.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen“, sagte ich.
Sie wiederholte noch einmal: „Sie wissen genau, wovon ich spreche.“ Ich wusste es nicht.
Und dann wusste ich es.
Ich ging etliche Schritte rückwärts, ging dann in Richtung Auditorium und wandte mich an einen der Sicherheitsleute. So gefasst, wie ich konnte, sagte ich: „Diese Frau dort im Foyer hat mich soeben bedroht. Bitte behalten Sie sie im Auge, ja?“
Dann ging ich auf die Bühne und begann meinen zweiten Vortrag. Irgendwann mittendrin hörte ich ein durchdringendes Kreischen aus dem Mittelgang des großen Auditoriums. Die Härchen auf meinen Armen standen mir zu Berge und ich unterbrach mich kurz. Ich wusste genau, wer da schrie, und ich wusste auch, was da vor sich ging.
Weil ich annahm, das Sicherheitspersonal würde sich um die Störung kümmern, setzte ich meinen Vortrag fort und sagte mir, dass das nichts anderes war als eine gestörte Frau, die leere Drohungen ausstieß. Ich würde nach Hause fahren und die ganze Sache vergessen.
Dann tat der Teufel seinen nächsten Zug. Während die Frau im Foyer weiterhin wüste Drohungen ausstieß, fiel der Strom aus. Ich meine alle Lichter, die gesamte Lautsprecheranlage, die riesigen Monitore auf der Bühne – alles ging aus. Wir saßen schweigend im Dunkeln.
Hatte ich erwähnt, dass wir uns in einem riesigen Gebäude befanden, wo alle Anlagen doppelt abgesichert waren? An einem sonnigen Tag fällt bei einem solchen Event nicht einfach der Strom aus.
Das Kreischen hielt an und wir saßen wie versteinert da.
„So was ist noch nie passiert“, sagte der Pastor mir später. „Das Kreischen kam von der Frau, auf die Sie den Sicherheitsmann aufmerksam gemacht hatten, und von ihrer Tochter. Was war da los?“
Unglaublich.
Ich meine, ich rede von Jesus, und ich glaube alles, was er gelehrt hat. Er hat vom Feind gesprochen und er hat seine Macht über die dämonischen Kräfte bewiesen. Der Feind war für Jesus kein Geheimnis. Der geistliche Kampf war für ihn eine Realität. Jesus hat immer wieder Dämonen ausgetrieben – jedenfalls berichtet die Bibel uns das.
Ja, ich glaube, dass es einen Teufel gibt und dass ihm wirklich Dämonen unterstehen und dass immer und überall um unser Herz und unsere Seele und unser Denken ein Kampf tobt. Aber ich sage dir eins: Nie zuvor hatte ich eine so unbezweifelbare Machtdemonstration des Teufels erlebt.
Es hätte eine verstörende Erfahrung sein können, aber sie hatte eine gänzlich andere Wirkung: Sie verlieh mir einen beinahe wilden Glauben. Ich erinnere mich noch gut an diesen Abend. Ich habe mit jedem, der mir zuhörte, über Jesus geredet, einschließlich des Kellners in dem Restaurant, in dem ich mit meiner Familie noch essen war, und einer Freundin meiner Schwester, die gerade zu Besuch war. Ich war überwältigt davon, wie real und wahr alles war: Gott. Der Himmel. Der Feind. Dieser Kampf, in dem wir stehen.
Noch nie zuvor war ich mir so sicher gewesen wie an diesem Tag: Es war alles wahr.
Und deshalb traf mich die Spirale der Finsternis, die darauf folgte, völlig unvorbereitet.
Im Anschluss an diese Vorträge in Little Rock fuhr ich zu meinen Eltern und unterwegs telefonierte ich mit Zac. Bevor ich abgereist war, hatte ich mit ihm eine kleine Auseinandersetzung gehabt – worüber, weiß ich nicht mehr, aber ich weiß noch, was ich ihm als Erstes sagte, als er das Gespräch annahm: „Hi, Babe. Unser Streit ist vorbei, okay?“
Dann begann ich meine Fragen auf ihn abzuschießen: „Wie sieht es mit unseren Finanzen aus? Haben wir mit irgendwem Ärger? Was machen die Kinder?“
Ich gebrauchte tatsächlich in diesem Gespräch den Begriff Wagenburg, in etwa so: „Wir müssen eine Wagenburg um uns aufbauen, Zac.“
Was? War es unsere Viehherde, die hier in Gefahr war?
In Wahrheit wusste ich nicht, von welcher Seite Gefahr drohte. Und eigentlich wollte ich es auch lieber nicht wissen.
„Was macht dir Sorgen, Jennie?“, fragte er. Meine Besorgnis war offensichtlich. Ich bin sicher, er fragte sich: Was ist denn nur in dieser schnuckeligen Baptistenkirche los gewesen?
Ich erzählte ihm die ganze Geschichte. Und mein Mann, der nicht dazu neigt, zu dramatisieren, nahm mich sehr ernst. Am Abend gingen wir in einem weiteren Telefongespräch alle Bereiche unseres Lebens durch, auf die wir Einfluss hatten, und stellten sicher, dass es nicht irgendwo eine ganz offensichtliche Schwachstelle gab, an der wir angreifbar waren.
Damit beruhigten wir uns ein bisschen.
Aber seit diesem Abend – direkt nachdem ich eine so absolute Glaubensgewissheit erlebt hatte – wachte ich jede Nacht gegen drei Uhr morgens auf und geriet für einige Augenblicke in Panik. Ohh. Schon wieder drei Uhr. Nicht dass ich nicht auch sonst manchmal nachts aufgewacht wäre – jede Frau, die Kinder hat, kennt das. Aber diesmal war es ein anderes Aufwachen.
Meine Gedanken rasten und ich war zutiefst erschrocken. Und dann liefen meine Gedanken stundenlang im Kreis.
Es fing mit unwichtigen Gedanken und Ängsten an – ob ich mit der Wäsche rechtzeitig nachkam oder sorgenvolle Gedanken über eines der Kinder –, aber dann wurden die Ängste rasch größer. Existiert Gott wirklich? Ich hatte mein Leben auf ihn gebaut, und dieser Zweifel brachte in mir eine verstörende Möglichkeit zu Bewusstsein: dass ich mein Leben verschwenden könnte.
Allein im Dunkeln und in der Stille schob ich den Gedanken fort, aber wie ein Jojo schien er in mein Gehirn zurückzuschnellen, eine nagende Frage, die ich nicht abschütteln konnte.
Ironischerweise ist mein zweiter Vorname Faith – Glaube. Aber dieser Glaube schien sich nun zu zersetzen. Die Theologin Beth Moore, die sich selbst als „ehemalige Loch-Bewohnerin“ bezeichnet, hat drei Arten von Löchern beschrieben: solche, in die wir hineinspringen, solche, in die wir unabsichtlich hineinfallen, und solche, in die wir hineingestoßen werden.6 Dieses Loch, in dem ich mich nun befand, war so eins. Und ich war hineingestoßen worden. Die Frage, die mich in diesen schlaflosen Nächten verfolgte, war: Wie sollte ich wieder herauskommen?
Ich kenne Menschen, die in ihrem Leben an einen Punkt kommen, an dem sie ihre Berufswahl infrage stellen. Oder ob sie den richtigen Partner geheiratet haben. Oder sie zweifeln am Sinn ihres Lebens. Aber der Zweifel, der an mir nagte, betraf den Kern dessen, was mich als Person ausmachte: Ich zweifelte an der Existenz Gottes. Jede Nacht lag ich wach in meinem viel zu dunklen, stillen Schlafzimmer und zweifelte daran, dass Gott wirklich existierte.
Und wenn er es tatsächlich tat, hatte er mich wirklich im Blick? Liebte er mich? Lag ihm etwas an mir?
Was dachte ich da nur?
Natürlich lag ihm etwas an mir.
Oder?
Wann war der Glaube, den ich mit ganzem Eifer verkündet hatte, aus mir herausgesickert?
Wer hatte ihn mir genommen? Wo war er hin?
Würde ich ihn je wiederfinden?
Plötzlich war ich voller Zweifel. Nein, nicht plötzlich. Es ging langsam, schleichend, fast unmerklich vor sich. Jede Nacht, in der ich im Dunkeln wach lag, ließ den Zweifel langsam wachsen.
Ich bin von Natur aus eher fröhlich und optimistisch, aber nun beherrschte mich ein vages Unbehagen. Ich kannte viele Methoden, wie man aus einem emotionalen Loch wieder herauskommt, aber nichts davon funktionierte. Ich trieb weiter Sport, arbeitete produktiv und besuchte den Gottesdienst. Aber mein Optimismus war gefangen in einem echten, nicht zu leugnenden Kampf um meine Gedanken. Die zweifelnden Gedanken setzten ihren unerbittlichen Angriff fort und allmählich zog mich das total runter.
Irgendwann war es dann so weit, dass diese Gedanken nicht nur während der Nacht, sondern auch am Tag auftauchten, aber tagsüber gibt es ja zum Glück viele Ablenkungen. Und sich auf jede Ablenkung zu stürzen – darin ist unser Gehirn Spitzenklasse.
Wenn dann die Augenblicke kamen, in denen ich merkte, dass ich besonders meinen Glauben brauchte, dann entschied ich mich dafür. Ich stützte mich auf meine jahrzehntelange Geschichte mit Gott – bis ich bemerkte, dass auch noch meine Leidenschaft verflog. So trieben mich meine ewigen Gedankenkreise in einen Zustand der Erschöpfung
Zweifel stehlen unsere Hoffnung. Und ohne Hoffnung erscheint einem alles, was wirklich zählt, auf einmal nicht mehr so wichtig.
Bist du schon mal mit etwas so Schlimmem oder Schwerem konfrontiert worden, dass du alles infrage gestellt hast, woran du je geglaubt hast?
Mittlerweile habe ich erkannt, dass in dieser Zeit der Feind heftig am Werk war, aber als ich mitten in dieser Abwärtsspirale steckte, konnte ich das nicht sehen. Meine Gedanken schienen die Kontrolle über mich gewonnen zu haben statt umgekehrt. Im Rückblick wünschte ich, ich könnte mir selbst gut zureden, mich schütteln und so aus der giftigen Spirale befreien, in der ich gefangen war. Es gab einen Weg heraus. Und falls du gerade in einer solchen Spirale steckst – einer kleinen oder in einem ausgewachsenen Wirbelsturm – verspreche ich dir: Es gibt Hoffnung.
Ich bin ohnmächtig.
Ich bin wertlos.
Ich bin nicht liebenswert.
Nachts in meinem Bett, nach Drei-Uhr-nachts-Angriff um Drei-Uhr-nachts-Angriff, war es irgendwie so weit gekommen, dass ich alle diese Sätze glaubte. Alles, was ich vorher geglaubt hatte, bedeutete mir nichts mehr. Gott bedeutete nichts mehr. Das Leben war sinnlos. Ich war hilflos, denn ich war ein Nichts. Ich war wertlos, denn ich war ein Nichts. Ich war nicht liebenswert, denn wer liebt schon ein Nichts?