Gemeinsam - Jennie Allen - E-Book

Gemeinsam E-Book

Jennie Allen

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Beschreibung

Praktischer Ratgeber für Menschen, die sich nach tiefen Freundschaften und einem Netzwerk von Beziehungen sehnen von Bestseller-Autorin Jennie Allen. Du bist nicht allein damit, dich allein zu fühlen. Du bist dafür geschaffen, tiefe und echte Verbundenheit mit Menschen zu erleben: Menschen, die unangekündigt mit Pizza vorbeikommen, weil sie dich vermissen; Menschen, die vor Freude ausflippen, wenn du großartige Neuigkeiten mit ihnen teilst, und denen Tränen in die Augen treten, wenn du von deinen Schwierigkeiten erzählst; Menschen, die früher kommen, um dir beim Kochen zu helfen, und länger bleiben, um mit aufzuräumen; Menschen, die dich verletzen und von dir verletzt werden, die sich jedoch dafür entscheiden, mit dir darüber hinwegzukommen, anstatt Lebewohl zu sagen. Klingt das zu schön, um wahr zu sein? Das ist es nicht! Dieses Leben ist tatsächlich möglich. Wie du deine Herzensmenschen finden und ein Netzwerk an tiefen Beziehungen knüpfen kannst, davon erzählt Bestsellerautorin und Visionärin Jennie Allen persönlich, praktisch und wegweisend. Ein Buch für alle, die Inspiration suchen und bereit für ein Abenteuer sind! Julia Garschagen, Leiterin des Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube, Köln

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Was andere an diesem Buch begeistert

Immer wieder begegnet sie mir in Gesprächen mit Menschen jedes Alters: die große Sehnsucht nach Verbundenheit und Nähe. Jennie Allen berichtet auf ehrliche und authentische Art von ihrer eigenen Geschichte mit diesem Wunsch. Und davon, wie sie nicht beim Sehnen stehen geblieben ist, sondern mutig ganz praktische Schritte gegangen ist. Sie hat gemerkt: Beziehungen kosten – aber es lohnt sich so sehr! Ein Buch für alle, die Inspiration suchen und bereit für ein Abenteuer sind!

Julia Garschagen, Leiterin des Pontes Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube, Köln

Freundschaften zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, ist etwas, das wir während der Corona-Pandemie fast vergessen oder verlernt haben. Jennie Allen hat mir wieder vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Freundinnen und einen echten, tiefen und wertschätzenden Austausch zu haben. Sie gibt inspirierende Tipps, wie und wo wir unsere Herzensmenschen finden können, und erzählt dabei von vielen persönlichen Erfahrungen. So wertvoll!

Susanne Degenhardt, Autorin von »Mit Herz und Verstand« und gelernte Buchhändlerin

Ich bin gerade umgezogen und kenne niemanden hier. Dieses Buch kommt also wie gerufen! Es hat mich sehr ermutigt und ich bin überzeugt: Ich werde wieder Herzensmenschen finden und mich trauen, anderen zu sagen, dass ich sie brauche! Danke, Jennie, dass ich jetzt weiß, wie das gelingen kann.

Annemieke Müller, Theologiestudentin und Content-Creator bei STAYONFIRE

Wir sind nicht dafür geschaffen, allein durchs Leben zu gehen. Um aufblühen zu können, brauchen wir es, gesehen zu werden, gekannt zu werden und dazuzugehören. In »Gemeinsam« zeigt uns Jennie Allen, wie wir tiefere, stärkere Beziehungen aufbauen können, die uns auf Jesus hinweisen und uns helfen, unsere von Gott gegebene Bestimmung zu leben.

Christine Caine, Bestsellerautorin

Ich kann mir kein besseres Buch und keine bessere Botschaft für unsere aktuelle Zeit vorstellen als »Gemeinsam«. Wir hungern nach Gemeinschaft, Sinn und tieferen, lebensspendenden Beziehungen – und Jennie gibt uns den Fahrplan, wie wir dorthin gelangen können. Dieses Buch ist eine unverzichtbar Lektüre für unsere müden und einsamen Seelen.

Jefferson Bethke, Bestsellerautor

Jennie Allen

Gemeinsam

Finde deine Herzensmenschen und entdecke das echte Leben

Deutsch von Esther Middeler

Originally published under the title: Find Your People

Copyright © 2022 by Jennie Allen

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with WaterBrook, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Titel der Originalausgabe: Find Your People

© 2022 Jennie Allen

In einigen Anekdoten und Geschichten wurden Details geändert, um die Identität der beteiligten Personen zu schützen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden zumeist das generische Maskulinum verwendet, also z. B. von »dem Freund« gesprochen. An anderen Stellen wechseln sich männliche und weibliche Bezeichnungen und Pronomen teilweise ab. Wo nur männliche Begriffe und Pronomen stehen, gelten diese im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Menschen und beinhalten keine Wertung.

Bibelzitate folgen dem Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen. Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft.

Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Ferner wurde verwendet und wie folgt gekennzeichnet:

NLB: Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM

R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen.

© der deutschen Ausgabe: 2023 Brunnen Verlag GmbH, Gießen

Lektorat: Konstanze von der Pahlen

Umschlagillustration: Adobe Stock

Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger

ISBN Buch 978-3-7655-2144-7

ISBN E-Book 978-3-7655-7671-3

www.brunnen-verlag.de

Für mein »Dorf« von Freundinnen und Freunden

DANKE, DASS IHR MICH ZU EINEM

BESSEREN MENSCHEN MACHT.

DANKE, DASS IHR FÜR MICH KÄMPFT.

DANKE, DASS IHR AN MEINER SEITE BLEIBT.

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Gott, nachdem er den ersten Menschen

der Erde gemacht hatte

So kompliziert Beziehungen auch manchmal sein können,

wir können unser Leben nicht alleine leben.

Lass uns einen guten Weg finden,

Freundschaft und Gemeinschaft zu leben!

Inhalt

Es ist nicht gut, dass wir so allein sind

Teil 1: Wir brauchen einander

Kapitel 1: Es gibt einen besseren Weg

Kapitel 2: Die Verbundenheit, nach der wir uns sehnen

Kapitel 3: Eine Vision für etwas Größeres

Kapitel 4: Wie du ein enges Netz an Beziehungen aufbaust

Teil 2: Der Weg zu engen Beziehungen und echter Verbundenheit

Kapitel 5: Nähe

Kapitel 6: Sicherheit

Kapitel 7: Schutz

Kapitel 8: Tiefe

Kapitel 9: Verbindlichkeit

Teil 3: Entdecke dein Dorf!

Kapitel 10: Entdecke, wer deine Familie ist

Kapitel 11: Wie du an engen Freunden festhältst

Kapitel 12: Ganz nah mit einigen wenigen

Ein Gebet um wahre Gemeinschaft

Die Antwort für deine ruhelose Seele

Dank

Anmerkungen

Es ist nicht gut, dass wir so allein sind

Letzte Woche hatte ich eine Panikattacke. Eine echte Panikattacke, die mir den Hals zuschnürte und mich in unserem Badezimmer auf die Knie sinken ließ. Zum ersten Mal seit zehn Jahren.

Während ich diese Worte schreibe, ist das Manuskript für dieses Buch fast fertig. Aber es ist mir wichtig, ehrlich zu dir zu sein: So wie oben gerade beschrieben, sieht meine Realität aus – und das, nachdem ich einige Jahre meines Lebens damit verbracht habe, über etwas zu schreiben, zu forschen und nachzudenken, das ich selbst erlebt habe und das viele Menschen täglich fühlen:

Einsamkeit.

Wahrscheinlich hast du dieses Buch zur Hand genommen, weil du es auch spürst: dieses nagende Gefühl, dass du nicht gesehen wirst, dass niemand dich in der Tiefe kennt und dass du allein vor den Herausforderungen deines Lebens stehst.

Ich verstehe das. Aber ich bin überzeugt davon, dass diesem Gefühl eine dicke, fette Lüge zugrunde liegt – eine Lüge, die die Kraft hat, dich und mich an einen finsteren Ort zu zerren. Also sollten wir lernen, uns dagegen zu wehren.

Ein gutes Beispiel: meine letzte Panikattacke. Sie hatte sich über mehrere Wochen angebahnt. Ich hatte mich viel zurückgezogen, um das Manuskript für dieses Buch zu überarbeiten, und als ich wieder auftauchte …

… hatte ich prompt einen Streit mit einer meiner Schwestern. Seit Monaten hatten wir uns nicht gesehen, weil wir beide so beschäftigt sind. Und doch ist sie eigentlich eine meiner besten Freundinnen.

… war mein Mann sehr frustriert, weil ich mich so ausgeklinkt hatte. Denn selbst wenn ich in den letzten Wochen nicht am Buch gearbeitet hatte, war ich von den tausend anderen Dingen in Beschlag genommen worden, die liegen geblieben waren.

… merkte ich, dass mein engstes Umfeld ohne mich Dinge erlebt und meine liebsten Menschen gemeinsam neue Erinnerungen gesammelt hatten. Da ich so lange keine Zeit für sie gehabt hatte, hatten sie es schließlich aufgegeben, sich bei mir zu melden. Mir kam es so vor, als seien sie gemeinsam weitergezogen und ich stünde nun allein da.

All das brach auf einmal über mich herein. Ich war überzeugt: Ich hatte die wichtigsten Menschen um mich herum verloren. Und das ausgerechnet, während ich ein Buch darüber schrieb, wie man enge Beziehungen knüpft und pflegt.

Ich kam mir vor wie eine Hochstaplerin. Offenbar gab es niemanden mehr, dem ich wichtig war.

Seit Wochen schwelten diese Gefühle der Isolation und der Angst in mir. Und sie wurden immer stärker. Ständig dachte ich darüber nach. Und als mir noch eine Person sagte, dass ich sie enttäuscht hatte, fand ich mich schließlich auf dem Boden meines Badezimmers wieder. Voller Panik rang ich nach Luft. Welche Lüge schnürte mir in diesem Moment die Kehle zu?

Ich bin ganz allein.

Als ich mich schließlich erschöpft ins Bett legte, überfiel mich ein sehr real wirkender Albtraum, in dem meine schlimmsten Ängste wahr wurden. In meinem Traum wurde ich nicht nur von meinem engsten Umfeld verlassen; meine Freunde und meine Familie lästerten sogar über mich, fielen mir in den Rücken – und ich hatte gerade ein Buch darüber veröffentlicht, wie nah wir uns alle standen. Ich war verzweifelt!

Wahrscheinlich fragst du dich jetzt, wie viel Hilfe du von einer Person erwarten kannst, die es in Sachen Beziehung und Freundschaft so richtig verbockt hat.

Warum also erzähle ich dir das?

Weil wir in unserem tiefsten Innern alle Angst davor haben, allein zu sein.

Vielleicht fühlst du dich gerade einsam?

Vielleicht hattest du mal ein gutes Netzwerk von Menschen, aber einer nach dem anderen ist weggegangen?

Oder hattest du vielleicht noch nie ein enges Netz an Beziehungen?

Oder hast du gute Freundinnen, aber selbst wenn du mit ihnen zusammen bist, fühlst du dich außen vor und nicht gesehen?

Der Schmerz der Einsamkeit ist echt und er verfolgt uns.

In meinem Buch »Entmachte die Lügen in deinem Kopf« habe ich bereits erwähnt, dass mein Freund, der Neurowissenschaftler Curt Thompson, zu sagen pflegt: »Von Geburt an suchen wir nach jemandem, der nach uns sucht.« Das ist wahr, aber ich glaube: Wir suchen nach noch mehr.

Als ich kürzlich mit Curt über Verbundenheit und Nähe sprach, wies er mich auf die folgenden drei Dinge hin, die jeder braucht, vom Säugling bis zur Hundertjährigen. Jeder Mensch sehnt sich danach …

… gesehen zu werden,

… getröstet zu werden und

… sicher zu sein.

Aber wir möchten nicht nur gesehen werden; wir wollen einem Freund oder einem nahestehenden Menschen von unseren Enttäuschungen und Hoffnungen erzählen dürfen und Trost finden. Wir wollen gesehen und getröstet werden und wir wollen sicher sein. Aber wir sind nicht immer sicher. Wir werden nicht immer getröstet und vielleicht fühlt es sich so an, als ob wir noch nicht einmal gesehen werden.

Kennst du das? Du liegst im Bett, grübelst und machst dir Sorgen um deine Zukunft. Da schleicht sich in deinem Kopf ein finsterer Gedanke an: Niemand weiß, was ich durchmache.

Manchmal liegt hinter solchen Gedanken eine tiefere Wahrheit: Seit Jahren schon ist dein Leben so trubelig und stressig, dass du es verpasst hast, in Beziehungen zu investieren, und wenn du dich jetzt umschaust, ist niemand mehr da.

Da ist ein tief empfundenes Gefühl von Isolation. Die Frage, ob dich wirklich jemand kennt, sieht, akzeptiert oder schätzt. Sie überkommt dich z. B., wenn …

… du nicht weißt, wen du bitten sollst, dich vom Flughafen abzuholen.

… du etwas zu feiern oder zu betrauern hast und niemand da ist, der mit dir feiert oder trauert.

… du eine Idee hast, über die du etwas herumspinnen willst, und dir niemand einfällt, der dir nahe genug steht, um mit dir zu träumen.

… du im Job gerade eine schwierige Situation erlebst, aber dir niemand einfällt, mit dem du offen darüber reden könntest.

… die meisten deiner Freunde verheiratet sind und die ersten Kinder kommen, während du noch nicht mal eine Beziehung hast.

… deine Kinder erwachsen sind und du als Single den meisten Teil deiner Zeit allein verbringst.

… du wieder allein am Küchentisch sitzt und isst.

… du an das Wochenende denkst und nichts vorhast. Wenn du nicht selbst die Initiative ergreifst oder allein etwas machst, hast du nichts zu tun.

… du mit jemandem redest, den du für einen guten Freund gehalten hast, aber du erkennst, dass ihr völlig unterschiedliche Meinungen zu wichtigen Themen habt.

… deine Familie kaputt ist und dir nicht guttut, während alle anderen sich so darauf freuen, ihre (normalen, glücklichen, angepassten) Familien Weihnachten zu besuchen.

… du mit jemandem reden müsstest, aber nicht weißt, wen du anrufen sollst.

… du so lange niemanden mehr hattest, der dir wirklich zugehört hat, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst, wann du dich das letzte Mal geöffnet hast.

Diese Situationen legen den Finger in die Wunde des stillen Schmerzes, über den ich hier sprechen will. Es ist eine unausweichliche Realität des Menschseins, richtig? Haben wir damit nicht alle zu kämpfen?

Oder liegt es nur an mir?

Oder liegt es nur an dir? Fragst du dich das manchmal? Ob du der einzige Mensch bist, der sich so allein fühlt?

Das stimmt übrigens nicht.

Du bist nicht allein damit, dich allein zu fühlen.

Als ich am Morgen nach meinem lebhaften Albtraum aufwachte, wurde mir plötzlich glasklar: Ich glaube der Lüge, dass es mein Schicksal ist, allein zu sein, und indem ich dieser Lüge glaube, lasse ich sie wahr werden. Ich ziehe mich von denen zurück, die ich liebe. Ich schütze mich vor ihnen, als wären sie der Feind.

Es war noch früh, aber ausgerechnet in dem Moment, als ich diesen Gedanken hatte, rief Lindsey, eine meiner engsten Freundinnen, an. Anstatt die Mailbox rangehen zu lassen und mir die Bettdecke über den Kopf zu ziehen, dachte ich: Das ist meine Chance, der Lüge den Kampf anzusagen.

Also hob ich ab. Lindsey begrüßte mich und sagte, sie würde nur anrufen, um zu hören, wie es mir so ginge. Entschlossen erwiderte ich: »Es ist so schön, dass du anrufst. Ich muss dir und den anderen dringend von einigen Dingen erzählen, die hier so los waren.«

Nun konnte ich mich nicht mehr verstecken – zumal ich die Sorte von Freundinnen habe, die nicht lockerlassen, bis man alles ausgepackt hat. Als wir uns am Abend trafen, erzählte ich ihnen von der Unsicherheit, die seit Wochen stetig in mir gewachsen war, von meinem Albtraum und der Angst, eine Heuchlerin zu sein. Ich schilderte ihnen auch meine Panikattacke und die Schwierigkeiten in meiner Familie.

Meine Freundinnen überschütteten mich mit Liebe und beteten für mich. Es tat so unendlich gut. Als Lindsey mich anschließend nach Hause fuhr, lächelte sie und sagte: »Jennie, ich habe mich dir noch nie so nah gefühlt wie heute.« Mein Herz schmolz.

In den darauffolgenden Tagen rief ich meine Schwester an und bat sie um ein Treffen. Während wir beim Essen saßen, schaute ich ihr in die Augen und beschrieb, was mich so verletzt hatte, und sie beschrieb ihren Schmerz. Am Ende lachten wir darüber, wie sehr wir uns missverstanden hatten. Den restlichen Tag verbrachten wir damit, uns gegenseitig zu erzählen, was gerade in unserem Leben los war.

Nach und nach ging ich zu jedem einzelnen meiner engsten Freunde und Familienmitglieder und tat genau das, wovor ich zuvor panische Angst gehabt hatte: Ich sagte offen, dass ich sie brauchte. So kämpfte ich gegen die Lüge, die mich fast in den Abgrund gezogen hätte.

Ich bin nicht allein.

Ich bin keine Heuchlerin.

Ich habe Menschen um mich herum, denen ich wichtig bin.

Vielleicht glaubst du gerade die Lüge, dass du allein bist. Aber was wäre, wenn die Menschen, die du brauchst, ganz in deiner Nähe sind?

Meine Hoffnung ist, dass wir unser einsames und isoliertes Leben, in dem wir nur flüchtige Momente der Verbundenheit erleben, eintauschen gegen ein Leben in einer Gemeinschaft, wo wir nur kurze Phasen des Alleinseins erleben.

Denkst du, das ist unmöglich? Glaub mir, das ist es nicht.

Ich habe mich auf den Weg gemacht und kann dir sagen: Es lohnt sich! Natürlich erlebe ich manchmal Rückschläge, wenn die Lüge, dass ich allein bin, sich wieder anschleicht. Aber ich habe gelernt, wieder aufzustehen. Und indem ich mir eingestehe, dass ich mich ab und zu einsam fühle, und auch mit anderen ehrlich darüber spreche, stelle ich immer wieder fest, dass genau das Menschen anzieht.

Jetzt weißt du ganz gewiss, dass du mit diesem Gefühl, allein zu sein, nicht allein bist! Aber ich kann dir sagen: Es ist möglich, die Verbundenheit zu anderen Menschen zu erleben, nach der man sich sehnt. Als ich sie einmal erlebt hatte, gab es für mich kein Zurück mehr. Es war mir unmöglich, nicht für diese Art von verbundenem Leben zu kämpfen. Und auch für dich lohnt es sich, darum zu kämpfen. Das verspreche ich dir.

Du wirst es erleben und es wird ebenfalls kein Zurück mehr für dich geben.

Also: Lass uns gemeinsam die Menschen für dich finden, mit denen du Verbundenheit und Herzensnähe erleben kannst.

PS: In meinem (englischsprachigen) Podcast »Made For This with Jennie Allen«, den du z. B. bei Spotify hören kannst, gibt es zu jedem Kapitel mehrere Podcast-Folgen. Darin erzähle ich noch mehr über die Themen dieses Buches oder unterhalte ich mich mit spannenden Gästen über ihre Erfahrungen. Reinhören lohnt sich! Die Podcast-Folgen findest du unter »FYP #1«, »FYP #2« usw.

Teil 1

Wir brauchen einander

1

Es gibt einen besseren Weg

Glaubst du, dass du dafür geschaffen bist, auf tiefe und radikale Weise mit anderen verbunden zu sein? Tatsächlich ist es so: Selbst wenn du eher introvertiert bist, hat Gott uns alle so gemacht, dass wir auf körperlicher, emotionaler und geistlicher Ebene Beziehungen brauchen. Von der Stunde deiner Geburt bis hin zu dem Moment, in dem du deinen letzten Atemzug tust, sehnt sich deine Seele am meisten nach tiefer, authentischer Verbundenheit. Und zwar nicht nur als gelegentliche Erfahrung, sondern als etwas, das in deinem Leben jeden Tag spürbare Realität ist.

Doch um diese Realität zu erleben, wirst du einige Veränderungen in Angriff nehmen müssen – weil die Art und Weise, wie wir unser Leben führen, in einigen Punkten grundlegend verkehrt ist.

Unsere Abende und Wochenenden verbringen wir in unseren kleinen Häusern mit unserer kleinen Familie oder unseren Mitbewohnern oder allein und starren dabei auf unsere (manchmal gar nicht so) kleinen Bildschirme. Wir kochen nur für uns zu Hause und wollen unsere Nachbarn um keinen Preis stören. Wir stopfen unsere Wohnungen und Häuser mit allem voll, was wir vielleicht brauchen könnten. Wir schließen unsere Türen ab und fühlen uns dadurch sicher. Dabei haben wir uns durch diese Mauern des Selbstschutzes völlig von den Menschen da draußen abgeschnitten. Vielleicht fühlen wir uns dadurch behaglich und sicher und unabhängig und gut unterhalten.

Aber gleichzeitig sind wir auch sehr, sehr traurig.

Fast alle von uns leben so, obwohl es doch eigentlich für keinen von uns funktioniert. Forscher und Medien bezeichnen Einsamkeit inzwischen als »die große Krankheit unserer Zeit«. In Deutschland sind laut Umfragen 10 bis 20 % der Menschen von chronischer Einsamkeit betroffen. Etwa jeder Dritte der befragten Personen gab an, sich zumindest manchmal einsam zu fühlen – Tendenz steigend.

Die Statistiken weisen auf eine ernst zu nehmende und kostspielige Krise hin. Angst, Depressionen und suizidale Gedanken nehmen zu. Wissenschaftler warnen davor, dass Einsamkeit unserer Gesundheit mehr schadet als Adipositas (Fettleibigkeit), Rauchen, mangelnder Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und Bewegungsmangel.

Warum also lassen wir es zu, dass Einsamkeit unsere Tage bestimmt?

Soll das Leben sein? Ist das die Art und Weise, wie das Leben nun mal ist?

Die Antwort lautet klipp und klar: Nein. So sollte das Leben ganz und gar nicht sein! Weißt du, wofür du tatsächlich geschaffen wurdest?

Lange, tiefe Unterhaltungen mit Menschen, die dich seit Jahren kennen und dir eine Niere spenden würden, wenn du sie bräuchtest.

Leute, die unangekündigt mit Pizza vorbeikommen, weil sie dich vermisst haben und keinen Gedanken daran verschwenden, dass sie sich aufdrängen könnten.

Spontane Treffen mit Menschen, die sich für dich wie Familie anfühlen und bei denen keine Eile herrscht.

Eine Handvoll Leute, die vor Freude ausflippen, wenn du großartige Neuigkeiten mit ihnen teilst, und denen Tränen in die Augen treten, wenn du von deinen Schwierigkeiten erzählst.

Menschen, die früher kommen, um dir beim Kochen zu helfen, und länger bleiben, um mit aufzuräumen.

Menschen, die dich verletzen und von dir verletzt werden, aber sich dafür entscheiden, mit dir darüber hinwegzukommen, anstatt Lebewohl zu sagen.

Leute, die mit dir gemeinsam auf einer Mission sind, die dich herausfordern und zu einem besseren Menschen machen.

Leute, die wissen, dass sie deine engsten Freunde sind und du ihr engster Freund. Menschen, die zueinander gehören.

In diesem Buch geht es darum, unseren persönlichen Kreis von Herzensmenschen zu finden – enge Freunde, mit denen wir tagaus, tagein leben; bei denen wir es riskieren, unser wahres Gesicht zu zeigen; denen wir und die uns gerne Umstände machen dürfen. Menschen, die wir beschließen zu lieben.

Ja, ich weiß, wie kompliziert und anstrengend es sein kann, als Erwachsene Freunde zu finden. Warum hat man uns nie beigebracht, wie das funktioniert? Muss es immer so schwer sein, wie es ist? Was haben wir verpasst?

Zwei Dinge will ich dir am Anfang unseres Weges bewusst machen: Menschen sind sowohl das Beste als auch das Schmerzhafteste in unserem Leben.

Ich nehme mal an, dass dir beim Lesen dieses Buches eine dieser Wahrheiten heute deutlicher vor Augen steht als die andere. Doch egal, ob du eher Hoffnung oder Angst in dir spürst, wenn du an Menschen denkst – es ist okay. Ich persönlich rechne damit, dass einige deiner Ängste wahr werden, wenn du dich ganz auf das einlässt, was ich dir hier vermitteln will. Aber ich glaube noch viel mehr, dass du erleben wirst, wie deine Hoffnungen und Erwartungen übertroffen werden.

Es ist möglich, in tiefer Verbundenheit mit anderen Menschen zu leben. Aber diese Verbundenheit kostet etwas, und zwar mehr, als die meisten Menschen bereit sind zu zahlen.

Wenn du dich entscheidest, dich mit mir auf das Abenteuer einzulassen, ein Netz von authentischen Beziehungen zu knüpfen und Gemeinschaft zu bauen, verspreche ich dir, dass du mehr gewinnst, als du hineinstecken wirst. Doch die Voraussetzung dafür ist, dass du bereit bist, so ziemlich alles in deinem Leben auf den Prüfstand zu stellen. Das betrifft ganz besonders …

deine Tagesabläufe und Wochenpläne

deine Art einzukaufen

den Umzug, über den du nachdenkst

ob du nah oder weiter weg von deiner Familie lebst

die Gemeinde, in die du dich einbringst

was du an diesem Wochenende tust

Und noch konkreter:

wie offen du über die Schwierigkeiten in deiner Ehe sprichst

und über deinen Kampf mit der Angst und den Sorgen, der immer schlimmer wird

ob du einem geliebten Menschen, der ein Suchtproblem hat, unbequeme Fragen stellst

ob du den Menschen, die dich mehr verletzt haben, als du dir je hättest vorstellen können, vergeben kannst und um sie kämpfst.

Alles, wozu ich dich im Laufe unserer gemeinsamen Reise auffordern werde, erfordert, dass du deine Komfortzone und deine Gewohnheiten aufs Spiel setzt. Aber es lohnt sich, denn alles in deinem Leben hungert nach der Veränderung, zu der ich dich einlade.

Warten auf Verbundenheit

Ich erinnere mich noch an den Tag, als mich der schreckliche Gedanke überfiel: Ich habe keine Freunde. Eines sollte ich hier klarstellen: Ich hatte natürlich Freundinnen und Freunde, aber sie und ich hatten alle ein sehr volles Leben, was bedeutete, dass wir uns nur unregelmäßig und ziemlich selten sahen. Damals steckte ich bis zum Hals in Arbeit: Meine Kinder waren noch klein und ich war als Sprecherin viel unterwegs, u. a. für IF:Gathering, die Organisation, die ich leite. Es war toll, herumzureisen und viele inspirierende Begegnungen mit anderen Frauen zu haben. Aber wenn ich anschließend nach Hause kam, spürte ich oft einen Stich in meinem Herzen. Hatten meine »Freundinnen« überhaupt gemerkt, dass ich unterwegs gewesen war? Wussten sie, dass ich nun wieder da war?

Dass ich so empfand, lag natürlich nicht an meinen Freunden. Sie hatten alle ihre eigenen Verpflichtungen, Beziehungen und Jobs. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sie sich die gleichen Fragen stellten: »Weiß Jennie überhaupt, was bei mir gerade los ist? Kümmert es sie überhaupt?«

Kommt dir das bekannt vor? Wir sehnen uns nach tiefen Freundschaften und Verbundenheit – aber irgendwie scheinen wir alle darauf zu warten, dass uns die Verbundenheit findet. Wir warten darauf, dass jemand anderes den ersten Schritt macht. Auf den anderen, der für uns da ist. Auf den anderen, der für uns tolle Dinge plant oder die perfekt formulierte Frage stellt, die uns hilft, unser Innerstes zu offenbaren.

Statt selbst dieser Jemand zu sein, verbringen wir Stunden allein in unserer überfüllten, lauten Welt voller Displays, investieren nur gelegentlich in Zeit mit Bekannten und erwarten gleichzeitig, dass sich in unserem geschäftigen Leben von selbst enge Freundschaften ergeben. Dass Bekannte sich auf magische Weise in eine Handvoll Freunde fürs Leben verwandeln. Dann, so glauben wir, wird unser Bedürfnis nach Beziehung gestillt.

Aber ein Leben in Gemeinschaft umfasst mehr als zwei oder drei Freunde. Gemeinschaft sollte unsere Art zu leben sein. Es wundert daher nicht, dass es zahlreiche historische wie praktische Beispiele gibt, in denen Menschen aller Länder und Generationen ihre wichtigsten Beziehungen in einer größeren »Dorfgemeinschaft« miteinander verbundener Menschen gefunden haben.

Ich habe mich intensiv in die Recherche hineingekniet und wissenschaftliche Studien entdeckt, die zeigen, mit wie vielen Menschen wir gleichzeitig Beziehungen haben können und wie wir soziale Kontakte pflegen. Die Studien besagen, dass wir maximal mit einem Netzwerk von rund 150 Leuten zurechtkommen. Denk an deine Weihnachtskartenliste. Menschen, mit denen du mindestens ein- bis zweimal im Jahr redest. Bei mehr Menschen sind wir völlig überfordert.

Diese 150 sind auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, je nach dem Grad deiner Beziehung zu ihnen. Die Freundschaft vertieft sich, je mehr Zeit du mit einer Person verbringst. Studien legen die Annahme nahe, dass wir nicht mehr als 50 Leute in unserem Leben als Bekannte händeln können. Unter diesen 50 Leuten gibt es 15, die zu unserem »Dorf« gehören. Und innerhalb unseres Dorfes haben wir die Fähigkeit, fünf Menschen zu unseren engsten Freunden zu machen. Ja, du hast richtig gelesen. Maximal fünf! (Extrovertierte Menschen mögen ein paar mehr als fünf haben, aber ich denke, das Prinzip ist klar.)

Wie viel Zeit du mit einer Person verbringst, bestimmt darüber, welche Position sie unter deinen 150 Leuten einnimmt. Wie also gelangen Menschen in den innersten Kreis unserer Freunde hinein? Durch die Menge an Zeit, die wir mit ihnen verbringen.

Zeit.

Sie ist unser wertvollstes Kapital beim Aufbau tiefer Beziehungen. Daher möchte ich dich ermutigen, dass du deinen Blick erweiterst – über die Handvoll Freunde hinaus, an die du ursprünglich gedacht hast. Mein Traum für dich, Gottes Plan für dich, besteht darin, eine Kultur der Gemeinschaft in jedem Teil deines Lebens aufzubauen.

Mein Freund Curt, der Neurowissenschaftler, weiß: »Jedes Neugeborene, das auf diese Welt kommt, sucht nach jemandem, der sich um es kümmert.« Und dieses Bedürfnis bleibt bestehen. Du und ich, wir sind bedürftig. So hat Gott uns gemacht.

Doch es ist gar nicht so leicht für uns zu akzeptieren, dass wir andere Menschen brauchen. Manchmal ist es sogar ziemlich beängstigend, nämlich dann, wenn wir das Gefühl haben, dass es niemanden gibt, den wir mitten in einer Krise anrufen könnten. Zumindest glaube ich in solchen Momenten, dass ich niemanden habe, der jetzt für mich da sein möchte.

Mitten in der Krise

Meine Freundin Lindsey, von der ich bereits erzählt habe, ist die Art von Freundin, die anruft, statt zu texten, und einfach vorbeikommt, ohne sich vorher anzukündigen. Sie bringt mich dazu, die bequemen Klamotten gegen etwas »Ordentliches« auszutauschen und mit ihr etwas zu unternehmen, auch wenn ich vorher gesagt habe, dass ich allein sein will.

Wenn es ihr selbst schlecht geht, ruft sie mich mitten in der Krise an – genau dann, wenn sie das heulende Elend ist, verletzt, wund und verwirrt darüber, warum sie eigentlich so traurig ist. Sie lässt mich an ihren unschönen Momenten teilhaben, weil sie weiß, dass allein zu leiden das Leiden nur noch schlimmer macht.

Wenn mir nur noch zum Heulen ist, ziehe ich mich zurück und lasse die Tränen im Verborgenen fließen. Erst am nächsten Tag rufe ich dann vielleicht eine Freundin an – wenn ich mir das Gesicht gewaschen und meine Situation analysiert habe und mich gut gewappnet fühle, um zu meiner Krise etwas Optimistisches zu sagen.

Ich hasse es, wie bedürftig ich bin. Meine Zerbrochenheit ist mir peinlich und tief in meinem Innern frage ich mich, ob wirklich jemand in meiner Krise, während die Tränen laufen, bei mir sein will.

Im Grunde sind solche Gedanken völlig paradox. Denn wenn Lindsey mich weinend anruft, finde ich das gar nicht unangenehm. Im Gegenteil: Es bedeutet mir unglaublich viel. Ihr Anruf gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden, und wer möchte nicht von jemandem gebraucht werden? Warum also tue ich weiterhin so, als ob ich gar nicht bedürftig sei?

Es ist jetzt also kein Geheimnis mehr: Ich schreibe dieses Buch nicht, weil ich Expertin auf diesem Gebiet bin. Ich schreibe es, weil diese Art echter, tiefer Gemeinschaft ein wesentlicher und unentbehrlicher Bestandteil des Lebens ist, wir es aber zu einem unbedeutenden Accessoire gemacht haben.

Wir haben ehrliche und eingehende Gespräche durch Small Talk ersetzt und ein Leben in tiefer Verbundenheit, bei dem wir andere Menschen in unsere Seele schauen lassen, mit Textnachrichten und einer gelegentlichen Verabredung eingetauscht. Der Grund dafür ist: Mit etwas Abstand und Oberflächlichkeit scheinen wir leichter zurechtzukommen und weniger Risiken einzugehen.

Doch seien wir mal ehrlich: Ob wir uns oft einsam fühlen oder in tiefer Verbundenheit mit anderen Menschen leben, das Leben ist nicht einfach und oft ein ziemliches Durcheinander. Aber ist nicht genau das das Wunderbare an engen Beziehungen, dass man sich mitten im Durcheinander weinend in den Armen liegen kann?

Eigentlich schon. Aber wie ich schon sagte: Ich bin nicht gut darin, bedürftig zu sein, und wahrscheinlich geht es vielen anderen auch so. Ich brauche andere Menschen, aber es fällt mir unheimlich schwer, das zuzugeben. Und genau das hat meinen Beziehungen immer wieder schweren Schaden zugefügt.

Dass ich dazu neige, meine Bedürftigkeit zu verstecken, ist ein wunder Punkt bei mir. So war das schon immer. Ich habe Menschen verletzt. Sie haben mich verletzt. Ich habe meine Freunde im Stich gelassen. Manche haben mir vergeben, manche haben sich verabschiedet. Ich bin mir sicher, wenn sie wüssten, dass ich dieses Buch schreibe, würden einige von ihnen mit den Augen rollen und den Kopf schütteln. Ausgerechnet Jennie schreibt ein Buch über Nähe und Freundschaft und darüber, einander langfristig beizustehen? Pff …

Und tatsächlich lägen diese Leute richtig. Auch wenn es mir schon besser gelingt als früher, bin ich in diesem Bereich noch weit davon entfernt, vorbildlich zu sein. Aber ich werde weiter daran arbeiten. Denn je mehr ich mir vor Augen führe, warum wir bedürftig sind und wie einsam wir sind, umso überzeugter bin ich, dass wir dafür gemacht sind, vollkommen gekannt und geliebt zu werden. Jeden Tag, unser ganzes Leben lang, gekannt und geliebt zu werden von Familienmitgliedern, engen Freunden, Mentoren und Kollegen.

Genau so hat Gott es sich für uns ausgedacht und uns entsprechend »verdrahtet«: Eine tiefe Verbundenheit soll unser alltägliches Leben durchdringen und nicht nur eine gelegentliche Erfahrung bei einem Therapeuten sein, den wir dafür bezahlen.

Es war nicht immer so

Seit Anbeginn der Welt haben Menschen in nahezu jeder Generation in kleinen Gemeinschaften gelebt. Sie haben gemeinsam gejagt, gemeinsam gekocht, sich gemeinsam um ihre Kinder gekümmert. Es gab keine Türen, keine Schlösser. Sie errichteten draußen Gemeinschaftsfeuer, liefen gemeinsam weite Wege, um Wasser zu holen, und gaben ihr Bestes, um Tag für Tag zu überleben.

Die Menschen waren selten allein. Sie lebten als Gemeinschaft, in Räumen, die sie gemeinsam nutzten, in einem bunten Miteinander der Generationen. Auf diese Weise setzten sie ihre jeweiligen Talente zum Vorteil aller ein, teilten miteinander die vorhandenen Mittel, wussten Bescheid über die Angelegenheiten der anderen, kümmerten sich gegenseitig um Familienmitglieder, legten Rechenschaft voreinander ab und gaben einander Rückendeckung. Das taten sie nicht nur, um am Leben zu bleiben, sondern auch in dem Versuch, ein erfüllteres Leben zu führen – und zwar gemeinsam.

Und stell dir vor: Ein großer Teil der Welt lebt immer noch so. Das Jagen mag Supermärkten, Gemeinschaftsgärten und Restaurants gewichen sein; aber die allermeisten, die je den Planeten Erde bewohnt haben, haben fast ihr ganzes Leben inmitten eines kleinen Haufens von ein paar Dutzend Leuten verbracht. Darin war in der Regel die eigene Familie eingeschlossen, aber auch andere Menschen, die innerhalb eines Radius von rund 30 Kilometern gelebt haben.

Wenn wir uns das vor Augen halten, verwundert es nicht, warum unsere Generation alle Rekorde darin bricht, sich einsam zu fühlen.

Ich will an dieser Stelle jedoch ganz klar sagen, dass zu jeder Zeit und in allen Kulturen auch Egoismus, Fehlerhaftigkeit, Unrecht und menschliche Zerbrochenheit um sich gegriffen haben. Und eben auch Einsamkeit. Bei unserer Reise setzen wir unsere Hoffnung daher nicht darauf, etwas Altes und Zerbrochenes wiederauferstehen zu lassen, sondern von Menschen zu lernen, die diesen elementaren Aspekt des Lebens auf viel gesündere Weise angegangen sind als wir. Ja, wir brauchen eine Hoffnung, die irdische Beziehungen und Verbundenheit übersteigt. Aber da wir als eine der ersten Generationen auf der Erde auf so individualistische Weise leben, gibt es vieles, was wir von jenen lernen können, die die Verbundenheit der Isolation vorgezogen haben.

In einem kleinen Dorf in Italien habe ich dazu etwas Besonderes erlebt. Weil wir dort Verwandte haben, mieteten mein Mann Zac und ich vor ein paar Jahren eine günstige Ferienwohnung und verfrachteten unsere vier Kinder, uns selbst und eine Menge Gepäck in ein riesiges Flugzeug. Wir wollten eine Woche in diesem italienischen Dorf verbringen, fernab der Touristenhochburgen, um unsere Verwandten zum ersten Mal zu treffen.

An einem Nachmittag liefen mein Mann und ich zu einem kleinen Tante-Emma-Laden, um ein paar Lebensmittel fürs Abendessen zu kaufen. Uns entgingen dabei nicht die vier Männer, die rauchend am Verkaufstresen standen und völlig ins Gespräch vertieft waren. Sie wirkten, als würden sie hier jeden Tag stehen und gemeinsam alle Probleme der Welt lösen. Wie wir später erfuhren, war einer von ihnen der Besitzer des Ladens. Unser Eintreten unterbrach ihre angeregte Unterhaltung und aus einem Reflex heraus drehte einer der Männer seinen Kopf zu uns und blickte uns etwas verärgert an.

»Wer sind Sie denn?«, fragte er.

Ich musste lachen. Er war nicht direkt unhöflich, aber sichtbar überrascht, in seinem kleinen Dorf am Ende der Welt Fremde zu sehen. Jetzt fiel mir auf, dass uns inzwischen fast jeder im Laden anstarrte. Offenbar waren wir in eine unsichtbare Blase von Insidern geplatzt. Man muss wissen, dass es wirklich ein winziger Ort war. Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen dort leben, aber wie viele es auch waren, sie kannten einander. Und allen war klar, dass es sich bei uns um Fremde handelte.

Tatsächlich kam es an jenem Nachmittag noch zu guten Gesprächen mit einigen Leuten aus dem Laden und der scheinbar verärgerte Mann wies mich sogar noch sehr freundlich auf besondere italienische Kekse hin, die unsere Kinder sicher lieben würden.

Während Zac und ich abends das Essen kochten, dachte ich über die Atmosphäre nach, die ich in diesem Dorf wahrgenommen hatte. »Kannst du dir vorstellen, an einem Ort zu leben, wo sich jeder kennt? Wo man ohne Probleme zu Fuß zum Lebensmittelladen laufen kann? Und wo man fast jeden Tag dorthin muss, weil es dort – im einzigen Laden am Ort – fast nur frische Sachen zu kaufen gibt? Und wo dieser kurze Gang zum Supermarkt dich mindestens zwei Stunden kostet, weil du unausweichlich ein oder zwei oder fünfundzwanzig Leute triffst, die dir Fragen stellen, die dir ein Fremder oder Bekannter niemals stellen würde?«

Warum leben wir nicht irgendwo in einem Dorf, fragte ich mich, wo jeder unsere Namen kennt? Ich fing an, darüber nachzudenken, wo und wie wir lebten und ob mein Gefühl der Einsamkeit nur daher rührte, dass es in unserer Nähe keinen Lebensmittelladen gab. Zu jener Zeit wohnten wir in der weitläufigen, knapp eine Million Einwohner zählenden Stadt Austin in Texas, wo ich eine Dreiviertelstunde mit dem Auto fahren musste, um die meisten meiner engen Freunde zu besuchen.

Ein weiteres Beispiel ist Uganda, das ich vor ein paar Jahren mit einer Gruppe von Leuten besucht habe. Unser Anliegen war es, die Geschichten von Flüchtlingen aus dem Südsudan festzuhalten, die sich auf das Ackerland in Norduganda geflüchtet hatten. Diese Menschen lebten nicht nur zusammen, sie arbeiteten auch zusammen. Später fanden wir heraus, dass sie auch gemeinsam zur Kirche gingen und dass viele ihrer Kinder, sofern sie Unterstützung von einer Hilfsorganisation hatten, gemeinsam die Schule besuchten.

An einem Sonntagvormittag schlenderte unsere kleine Gruppe auf eine Hütte zu, in der bereits ein Gottesdienst angefangen hatte. Sofort fühlten wir uns von der Energie des Lobpreises angezogen. Die Leute sangen und klatschten und lachten. So richtig aus vollem Herzen. Ihr Lachen schien der Welt zu sagen: Uns kriegt nichts klein! Sie würden mit allem fertigwerden, was das Leben ihnen auftischte. Sie würden überwinden.

Überall sah man erhobene Hände und Menschen, die sich rhythmisch zur Musik bewegten. Babys hüpften auf dem Rücken von Frauen und Mädchen munter im Takt auf und ab. Füße tanzten und stampften. Die ganze Hütte pulsierte förmlich wie ein einziges großes Herz, als wären die fünfzig oder sechzig Menschen im Raum zu einem verschmolzen.

Während ich dort stand, nahm ich alles in mich auf – das Summen dieses Raumes, die Begeisterung, das Miteinander, die Kameradschaft, dieses Gefühl wilder Freude, die den Schmerz überdeckte. Und den musste es dort doch auch geben, oder? Natürlich gab es dort Schmerz. So viele dieser Menschen waren vertrieben worden, hatten alles verloren – sogar Familienmitglieder. Doch wenn man sie ansah, sah man noch mehr. Vielleicht war es Entschlossenheit. Oder Friede.

Wo ich herkomme, erlebe ich nicht so viel davon, schoss es mir durch den Kopf.

Wir kommen nicht so selbstverständlich zusammen, wenn wir leiden.

Wir isolieren uns oft und kapseln uns ab.

Wir spielen anderen etwas vor.

Wir rufen nach der Krise an.

Und das Ergebnis ist: Es geht uns nicht gut damit.

Wir verkriechen uns in unseren Häusern, die durch Zäune voneinander getrennt sind, oder bleiben wie angeklebt in unseren Wohnungen, die Türen fest verschlossen. Wir erzählen nicht die ganze Wahrheit über unseren Schmerz, weil es so scheint, als würde es allen anderen super gehen. Sie tragen keine Wunden. Nein, sie führen ein glückliches, perfektes Leben.

Also denken wir, es liegt wahrscheinlich an uns. Wir verstecken uns, denn wenn man uns nicht sieht, kann man uns nicht kennen. Und wenn man uns nicht kennt, kann man uns nicht ablehnen – oder, was noch schlimmer wäre, unsere Verletzlichkeit gegen uns verwenden.

Wir sind ständig auf der Hut, weil wir Angst davor haben, dass man unsere Schwäche gegen uns verwenden könnte.

Wir leben allein, wir essen allein, wir erledigen unsere Dinge allein und wir leiden allein. Und ich habe es so satt. Geht es dir genauso?

Meine Mädels