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Edwin Arlington Robinson (1869 – 1935) war der erste amerikanische Dichter, der die herkömmlichen poetischen Formen mit moderner Sprache und modernen Inhalten füllte. Er gewann dreimal den Pulitzer-Preis und gilt als einer der großen nordamerikanischen Poeten. Seine Gedichte sind kunstvolle Konstruktionen, welche die Leserinnen und Leser fordern und zum genauen Lesen zwingen. Der stille und scheue Dichter war ein hervorragender Beobachter seiner Umwelt, der ein besonderes Gespür für die kleinen und großen Tragödien des Alltags hatte, für die Existenzen am Rande der Gesellschaft, für die Vorurteile und das Halbwissen, auf denen wir häufig unsere Urteile aufbauen. Frank Freimuth hat einunddreißig der schönsten Gedichte Robinsons ausgewählt und werkgetreu ins Deutsche übersetzt. Im Buch ist die Übersetzung jeweils dem Original gegenübergestellt, so dass ein direkter Vergleich möglich ist. Eine ausführliche Einführung gibt Einblick in das Leben des Dichters und bereitet auf die Lektüre vor. Ausführliche Anmerkungen für alle übersetzten Gedichte erleichtern die Deutung der manchmal nicht leicht zugänglichen Werke.
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Seitenzahl: 111
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Gedichteenglisch – deutschvon
Edwin Arlington Robinson
ausgewählt, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von
Frank Freimuth
tredition
© 2019 Frank Freimuth (für Übersetzung und Anmerkungen)
Verlag & Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40 – 44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback
978-3-7482-1915-6
Hardcover
978-3-7482-1916-3
e-Book
978-3-7482-1917-0
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Einführung
Aus The Children of the Night (1897)
Dear Friends
Liebe Freunde
Richard Cory
Richard Cory
An Old Story
Eine alte Geschichte
Luke Havergal
Franz Haberkorn
The House on the Hill
Das Haus auf dem Hügel
Reuben Bright
Hermann Brecht
Credo
Kredo
The Clerks
Die Verkäufer
Aaron Stark
Aaron Stark
Aus Captain Craig and Other Poems (1902)
The Growth of “Lorraine”
Das Wachsen von “Lorraine”
Aus The Town Down the River (1910)
The Whip
Die Peitsche
How Annandale Went Out
Wie Franz Jung hinausging
For A Dead Lady
Für eine Tote
Miniver Cheevy
Karl-Heinrich Ritter
Aus The Man Against the Sky (1916)
The Gift of God
Das Geschenk Gottes
Cassandra
Kassandra
Hillcrest
Hillcrest
Eros Turannos
Eros Turannos
Veteran Sirens
Altgediente Sirenen
Another Dark Lady
Noch eine dunkle Dame
Aus The Three Taverns (1920)
The Mill
Die Mühle
The Dark Hills
Die dunklen Hügel
Firelight
Feuerschein
Aus Avon’s Harvest (1921)
Lost Anchors
Verlorene Anker
The Long Race
Das lange Rennen
Many Are Called
Viele sind gerufen
Aus Dionysus in Doubt (1925)
The Sheaves
Die Garben
Karma
Karma
En Passant
En Passant
New England
Neuengland
Aus Sonnets (1928)
A Christmas Sonnet
Ein Weihnachtssonett
Anmerkungen
Vorbemerkung
Dear Friends | Liebe Freunde
Richard Cory | Richard Cory
An Old Story | Eine alte Geschichte
Luke Havergal | Franz Haberkorn
The House on the Hill | Das Haus auf dem Hügel
Reuben Bright | Hermann Brecht
Credo | Kredo
The Clerks | Die Verkäufer
Aaron Stark | Aaron Stark
The Growth of “Lorraine” |Das Wachsen von “Lorraine”
The Whip | Die Peitsche
How Annandale Went Out |Wie Franz Jung hinausging
For a Dead Lady | Für eine Tote
Miniver Cheevy | Karl-Heinz Ritter
The Gift of God | Das Geschenk Gottes
Cassandra | Kassandra
Hillcrest | Hillcrest
Eros Turannos | Eros Turannos
Veteran Sirens | Altgediente Sirenen
Another Dark Lady | Noch eine dunkle Dame
The Mill | Die Mühle
The Dark Hills | Die dunklen Hügel
Firelight | Feuerschein
Lost Anchors | Verlorene Anker
The Long Race | Das lange Rennen
Many Are Called | Viele sind gerufen
The Sheaves | Die Garben
Karma | Karma
En Passant | En Passant
New England | Neuengland
A Christmas Sonnet | Ein Weihnachtssonett
Ausgewählte Literatur
Einführung
Edwin Arlington Robinson (EAR) wurde am 22. Dezember 1869 in dem kleinen Ort Head-of-the-Tide im Bundesstaat Maine als dritter und letzter Sohn von Edward und Mary Robinson geboren. Kurz nach seiner Geburt zog die Familie in das nicht weit entfernte Gardiner um, weil Edward, der sich bis dahin erfolgreich als Holzhändler betätigt hatte, dort den Posten eines Bankdirektors angenommen hatte. Mit Ausnahme kleinerer Abschnitte verbrachte EAR die ersten dreißig Jahre seines Lebens in Gardiner.
Seine Jugendzeit empfand er nicht als glücklich. Von ihm ist eine Aussage überliefert, dass seine Eltern die zufriedensten Menschen der Erde gewesen wären, wenn sie keine Kinder gehabt hätten. EAR war schüchtern und zurückhaltend und er blieb es sein Leben lang. Sein Hang zur Poesie machte sich schon bald bemerkbar, ebenso wie sein mangelndes Talent für praktische Tätigkeiten. Im Alter von zwanzig Jahren fand er einen Förderer, der ihn in den klassischen Formen der Dichtung unterwies und ihn in die örtliche Poesiegruppe einführte. Weil sein Vater ihn nicht studieren lassen wollte, ging EAR für zwei Jahre als Gaststudent an die Universität Harvard. Er wollte sich dort auf eine Laufbahn als Autor vorbereiten. Als die Familie während der Wirtschaftskrise von 1893 schwere finanzielle Verluste hinnehmen musste und auch der Gesundheitszustand seines Vaters bedrohlich wurde, beendete EAR seine Studien und kehrte nach Gardiner zurück. Er blieb dort fast weitere fünf Jahre.
1896 gab EAR seinen ersten Gedichtband The Torrent and the Night Before auf eigene Kosten heraus, da er keinen Verleger dafür gewinnen konnte. Eine überarbeitete Fassung mit dem Titel The Children of the Night konnte kurz darauf mit finanzieller Hilfe eines Freundes erscheinen. Mit der Robinson-Familie stand es zu dieser Zeit nicht zum Besten. Einige Tage bevor das erste Buch ausgeliefert war, starb Mary Robinson an Diphterie. Herman Robinson, der mittlere Bruder, der vor der Krise von 1893 große Beträge in riskante Projekte investiert hatte, vernichtete nahezu das gesamte Familienvermögen. Seine Frau Emma musste mit den Töchtern in ihrem Elternhaus Zuflucht finden. Herman selbst kehrte nach Gardiner zurück und verfiel immer mehr der Trunksucht.
1897 zog EAR von Gardiner nach New York. Nach wie vor gelang es ihm nicht, seine Werke bei den Verlagen unterzubringen. Mit Hilfe von Freunden und kleineren Jobs hielt er sich über Wasser. Die Wendung kam schließlich 1904, als der Student Kermit Roosevelt seinem Vater Theodore Roosevelt, zu jener Zeit Präsident der Vereinigten Staaten, ein Exemplar von The Children of the Night zu lesen gab. Theodore Roosevelt war von den Gedichten sehr angetan und veröffentlichte sogar eine Kritik darüber. Darüber hinaus beschaffte er Robinson einen mit 2000 Dollar jährlich dotierten Posten, der ihm erlaubte, seine Arbeit ohne materielle Not weiterzuführen. Als EAR 1910 den Gedichtband The Town Down the River veröffentlichte, widmete er ihn dem Präsidenten.
Robinson war damals noch nicht auf dem Gipfel des Erfolgs angelangt, aber er war auf dem Weg dorthin. 1922 erhielt er seinen ersten Pulitzer-Preis für die erste Ausgabe seiner gesammelten Gedichte (Collected Poems). 1925 folgte der zweite für das Langgedicht The Man Who Died Twice und schon 1927 der dritte für Tristram, ebenfalls ein Langgedicht. Dieser Band war es dann auch, der sich so gut verkaufte, dass EAR von da an finanziell auf sicheren Beinen stand und sogar noch andere unterstützen konnte.
Robinson blieb sein Leben lang Junggeselle. Seine große und lebenslange Liebe Emma Shepherd heiratete seinen Bruder Herman, einen gutaussehenden, charmanten und draufgängerischen Mann, dem die Herzen zuflogen.
Edwin Arlington Robinson starb am 6. April 1935 im New York Hospital in New York City. Er liegt im Grab der Familie in Gardiner begraben. Er hinterließ ein literarisches Werk von nicht weniger als 28 Gedichtbänden.
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Es ist heute fast schon obligatorisch, Robinson als den ersten modernen Dichter der Vereinigten Staaten zu bezeichnen. Nun ist aber das Wort „modern“ durch vielfältigen und unsinnigen Gebrauch in der Welt der Poesie seinem Wortsinn in der Alltagssprache entlaufen. Es ist deshalb fruchtbarer zu fragen, was das Besondere an Robinsons Dichtung ist. Tatsächlich ist sie einzigartig, es ist wohl kaum ein anderer Dichter zu finden, der ähnlich schreibt.
Nicht ungewöhnlich und ganz und gar nicht neu ist die Formenstrenge seiner Gedichte. Robinson hatte sich für die Poesie mit Reim und Versmaß entschieden und war niemals versucht, diese Entscheidung in Frage zu stellen. Neuartig waren dagegen seine Themen. Der stille und scheue Dichter war ein hervorragender Beobachter seiner Umwelt, der ein besonderes Gespür für die kleinen und großen Tragödien des Alltags hatte, für die Existenzen am Rande der Gesellschaft, für die Vorurteile und das Halbwissen, auf denen wir häufig unsere Urteile aufbauen. Diese Themen verarbeitete er zu sorgfältig konstruierten Gedichten, die nur dem aufmerksamen und zum Hineindenken bereiten Leser in ihrer ganzen Tiefe zugänglich sind. Eine breite Palette von Techniken, von denen weiter unten noch die Rede sein wird, stand ihm zur Gestaltung seiner kunstvollen Gedichtkonstruktionen zur Verfügung.
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Nahezu alle, die sich näher mit seinem Werk befasst haben, nennen Robinson einen Dichter des Mitgefühls. Das ist sicherlich nicht falsch. Allerdings drückt er dieses Mitgefühl niemals direkt aus. Stattdessen lenkt er das Denken des aufmerksamen Lesers auf die Dinge, die sich unterhalb der Oberfläche abspielen. Er bringt seine Leser dazu, das scheinbar Offensichtliche zu hinterfragen und sich in die Protagonisten seiner Gedichte hineinzudenken. Nur die aufmerksamen Leser, wohlgemerkt. Wer nicht genau liest, bleibt im schlimmsten Fall an der Oberfläche, im besten Fall ratlos.
Durch das ganze Werk Robinsons ziehen sich zwei Leitmotive. Da ist zum einen seine Überzeugung, dass es niemals möglich sei, einen Menschen oder ein Geschehen völlig zu verstehen und dass man deshalb immer vorsichtig mit seinem Urteil sein müsse. Nur scheinbar im Gegensatz dazu steht das zweite Motiv. Es besagt, dass man sich immer um Verständnis bemühen müsse, bevor man einen Standpunkt beziehe.
Nichts liegt Robinson ferner als die sogenannte reine Poesie, die Poesie, die keinen anderen Zweck hat, als zu gefallen, die „nichts mehr sagen, sondern nur noch singen will“ (A. Berne-Joffroy, nach Hugo Friedrich, S. 136). Robinson ist ein Moralist im guten Sinne, seine Gedichte enthalten Botschaften. Meist werden sie dem Leser auf subtile indirekte Art vermittelt, zuweilen aber auch offen mit dem erhobenen Zeigefinger, wie z.B. in Hillcrest und Cassandra.
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Viele Leser empfinden Robinsons Verse als schwierig, manche sogar als unverständlich. Maron (1966), der in seiner Dissertation sechsundzwanzig von Robinsons Gedichten bespricht, weist diese Meinung zurück und belegt durch seine eigenen Interpretationen, dass genaues Lesen in den meisten Fällen der Schlüssel zum Verständnis ist. Allerdings zeigen die von ihm zitierten, teilweise haarsträubenden Interpretationen anderer, dass die Deutung vielen schwer fällt. Nun muss man wissen, dass die Rätselhaftigkeit in Robinsons Gedichten eine ganz andere ist als beispielsweise die, die man in manchen Gedichten von Gottfried Benn vorfinden kann. Die Leser von Benns Welle der Nacht können sich am Klang des Gedichts berauschen, aber sie werden, wenn sie ihre Zeit nicht vergeuden wollen, im Wortlaut keinen anderen Sinn suchen als jenen, den Wohlklang zu unterstützen. Bei Robinson hat dagegen die Rätselhaftigkeit die Funktion, den Leser stärker in das Geschehen einzubeziehen, als dies bei platter Darstellung der Fakten der Fall wäre.
Hierzu bedient sich Robinson eines üppig gefüllten Werkzeugkastens. Häufig geizt er mit Informationen oder gibt sie verzögert frei, teilweise erst in der allerletzten Zeile des Gedichts. Darüber hinaus wird die spärliche Information meist nicht direkt vermittelt, sondern es werden Indizien gestreut und Andeutungen gemacht. Hin und wieder, wie in The Gift of God (Das Geschenk Gottes), werden die Spuren auch so gelegt, dass der Leser zunächst die falsche Richtung verfolgt. Manchmal werden Vorurteile abgerufen und dann nach und nach auf subtile Weise in Frage gestellt. Hin und wieder fühlt sich der Leser wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot und merkt erst am Ende des Gedichts, dass dieses Gefühl ihn trügte. Denn anders als bei den erwähnten Detektiven gibt es so gut wie nie eine eindeutige Auflösung. Robinson lässt die Dinge in der Schwebe, fällt nie ein Urteil, sondern fordert dem Leser eine eigene Deutung ab.
Ein Instrument in Robinsons Werkzeugkasten, das bei keinem anderen Dichter in diesem Maße entwickelt ist, ist die Variation des Sprechertyps, um den Leser zielgerecht führen zu können. Den selbst erzählenden Protagonisten findet man bei fast allen Autoren, den allwissenden, über allem stehenden Sprecher auch. Bei Robinson findet man zusätzlich ignorante und von Vorurteilen strotzende Sprecher (The Growth of Lorraine, Aaron Stark), dämonisch-subversive (Luke Havergal), neugierig-wohlwollende (Eros Turannos), sich in der Gruppe auflösende (Cassandra) und intelligent aufdeckende Sprecher (The Whip).
Häufig benutzt Robinson die Paradoxie als Werkzeug. In den meisten Fällen handelt es sich um paradox anmutende Schlusszeilen, welche konsternieren und erst einmal ratlos machen. Das Paradoxe fungiert hier als Signal für den Leser, sich nicht mit einem oberflächlichen Verständnis zufrieden zu geben, sondern noch einmal und genauer zu lesen. Wir finden solche paradoxen Abschlüsse beispielsweise in Richard Cory, Reuben Bright und How Annandale Went Out. Mitunter steuern diese Schlusszeilen auch zusätzliche Informationen bei, welche das Vorherige in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Auch am Beginn von Gedichten finden sich hin und wieder Signale in Form von Ungewöhnlichem, entweder schon in der Überschrift oder in den Anfangszeilen. In The Growth of „Lorraine“ enthält bereits der Titel zwei Signale, die dem Leser sofort auffallen, aber in ihrer Tragweite erst beim weiteren Lesen bewusst werden können.
Dass Ironie eine gute Methode ist, um der drohenden und unerwünschten Sentimentalität zu entgehen, ist den Lesern von Heinrich Heine wohlbekannt. Auch Robinson benützt die Ironie zu diesem Zweck. Anders als bei Heine, dessen Ironie leicht und spielerisch daherkommt, ist bei Robinson die Ironie etwas Handfesteres, das manchmal, wie z.B. in How Annandale Went Out, eine fast zynische Anmutung hat. Dass dies Sentimentalität wirkungsvoll verhindert, ist einleutend, jedoch gerät mancher nicht ganz so geduldige Leser in Gefahr, sich von der negativen Stimmung anstecken zu lassen.
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Als Robinson starb, war er ein bekannter Dichter, der seinem Zeitgenossen und Konkurrenten Robert Frost in der Popularität nicht nachstand. Noch zu seinen Lebzeiten und besonders in den Jahrzehnten danach wurde viel über ihn und sein dichterisches Werk geschrieben. Er gibt mehrere Biographien über ihn; die letzte und auch die ausführlichste ist die 2007 von Scott Donaldson verfasste. Donaldson war es auch, der 2007 einen kleinen Sammelband mit den schönsten Robinson-Gedichten herausgab.
Wenngleich Robinsons Popularität seit seinem Tod etwas nachgelassen hat, haben nicht wenige seiner Gedichte alle folgenden Moden der Poesie überdauert. Im Oxford Book of American Poetry von 2006 ist er immerhin mit zwölf Gedichten vertreten. Im deutschen Sprachgebiet ist er nur Kennern der englischsprachigen Literatur bekannt. Übersetzungen ins Deutsche gab es bislang nicht, sieht man von vier Gedichten ab, für die Hans Hennecke 1955 deutsche Fassungen veröffentlicht hat.