Dunkles Spiel der Leidenschaft - Christine Feehan - E-Book

Dunkles Spiel der Leidenschaft E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Als Gitarrist der Dark Troubadours ist Dayan bekannt für seine hypnotisierenden Auftritte. Er betört, verzaubert und bringt die Massen dazu, ihm zuzuhören. Doch etwas fehlt ihm - eine Gefährtin, die ihn vollkommen macht und vor seinem dunklen Schicksal bewahrt. Denn Dayan ist Karpatianer. Verzweifelt sucht er die Frau, die ihn erlösen kann. Er hat die Hoffnung schon fast aufgegeben, als er Corinne begegnet. Als großer Fan von Dayan kann sie ihr Glück kaum fassen, als der attraktive Gitarrist plötzlich vor ihr steht. Unwissend, in welche Gefahr sie sich begibt, erliegt sie Dayans dunklem Charme ...

Dunkel, gefährlich und extrem heiß - Dunkles Spiel der Leidenschaft ist der 12. Band der umfangreichen NEW YORK TIMES und SPIEGEL-Bestsellerserie Die Karpatianer.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Als Gitarrist der Dark Troubadours ist Dayan bekannt für seine hypnotisierenden Auftritte. Er betört, verzaubert und bringt die Massen dazu, ihm zuzuhören. Doch etwas fehlt ihm – eine Gefährtin, die ihn vollkommen macht und vor seinem dunklen Schicksal bewahrt. Denn Dayan ist Karpatianer. Verzweifelt sucht er die Frau, die ihn erlösen kann. Er hat die Hoffnung schon fast aufgegeben, als er Corinne begegnet. Als großer Fan von Dayan kann sie ihr Glück kaum fassen, als der attraktive Gitarrist plötzlich vor ihr steht. Unwissend, in welche Gefahr sie sich begibt, erliegt sie Dayans dunklem Charme …

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CHRISTINE FEEHAN

Dunkles Spielder Leidenschaft

Aus dem amerikanischen Englischvon Britta Evert

Kapitel 1

Verlangen schlich sich in seinen Körper und hämmerte rhythmisch in seinem Blut. Musik vibrierte und röhrte und erfüllte die große Bar mit einer unruhigen, bezwingenden Melodie, die ebenso düster und getrieben war wie er selbst. Die Klänge kamen tief aus seinem Inneren und strömten durch seine Finger in die Gitarre, die er in den Armen hielt, wie er eine Frau halten mochte. Seine Musik gehörte zu den wenigen Dingen, die ihn noch daran erinnerten, dass er am Leben war und nicht zu den Untoten zählte.

Er konnte die Blicke fühlen, obwohl er den Kopf nicht hob. Er konnte die Atemzüge der Menschen hören, die Luft, die durch ihre Lungen strömte wie das Rauschen eines Güterzugs. Er konnte hören, wie Blut durch ihre Adern floss, ihn lockte wie eine liebliche Verführerin und seine Sinne kitzelte, bis sein Verlangen so dunkel und unerbittlich wurde wie der Schatten, der auf seiner Seele lag.

Sie tuschelten. Hunderte Gespräche, Geheimnisse, Flirts, Bemerkungen, wie sie in Lokalen im Schutz der Musik geraunt wurden. Er hörte jedes Wort klar und deutlich, während er mit der jungen, enthusiastischen Band, mit der er auftrat, auf der Bühne stand. Er hörte das Wispern der Frauen, die über ihn sprachen. Dayan, Leadgitarrist der Dark Troubadours. Sie wollten aus ganz falschen Gründen mit ihm ins Bett gehen, und er begehrte sie aus Gründen, die sie geängstigt hätten.

Das Lied war zu Ende. Die Menge tobte, stampfte mit den Füßen und klatschte und jubelte ihnen begeistert zu. Dayan warf einen Blick auf den Mann, der an der Theke wartete. Cullen Tucker zog eine Augenbraue hoch und hob ein Glas Wasser. Was machen wir hier? Dayan deutete den Gesichtsausdruck des anderen mühelos, er las seine Gedanken. Was machten sie tatsächlich hier? Was hatte ihn dazu getrieben, in die Bar zu gehen, seine Gitarre in die Hand zu nehmen und für die Gäste zu spielen? Sein Auftritt würde nur unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Es war riskant. Sie wurden gejagt, und doch hatte Dayan keine Wahl. Er musste in dieser Bar sein. Er wartete auf etwas … auf jemanden.

Dayans Finger griffen bereits einen anderen Rhythmus auf, düster und brütend. Die Melodie ergriff Besitz von ihm und verlangte danach, freigesetzt zu werden. Seine Stimme brachte die Menge zum Verstummen, sie lockte, verführte. Er rief nach ihr und befahl sie zu sich. Seine Geliebte, seine Gefährtin. Seine andere Hälfte. Er brauchte sie, um vollständig zu werden, um die Gefühle wiederzufinden, die aus seiner Seele entschwunden waren, sodass aus ihm allmählich eine leere Hülle in ständig zunehmender Dunkelheit wurde, ein Geschöpf, das von dem Tier, das in ihm lauerte, bedroht wurde. Rette mich. Komm zu mir. Die Worte raubten der lauschenden Menge den Atem, ließen Tränen in die Augen der Frauen steigen.

Sie drängten sich näher an die Bühne, ohne sich dessen bewusst zu sein, ohne die Macht seiner Stimme und seiner Augen zu erkennen. Er verführte die Menschen, schlug sie in seinen Bann, ein gefährliches Raubtier auf der Jagd nach leichter Beute. Rette mich. Bitte rette mich. Seine Stimme umschmeichelte sie, ging ihnen unter die Haut und eroberte ihren Geist, sodass sie ihn wie gebannt anstarrten. Hunger regte sich, eine Reaktion auf seine geschärften Sinne. Er ließ die Augen geschlossen, um den Anblick der Menge auszuschalten, und verlor sich ganz in seinem Lied für sie, seine Gefährtin, die Frau, die ihn retten konnte. Wo war sie?

Die Tür ging auf und ließ die Nachtluft herein, die den Geruch von zu vielen, auf engem Raum zusammengedrängten Menschen vertrieb. Es war das Geräusch eines Herzschlags, das ihn aufblicken ließ. Das Herz schlug schwach und unregelmäßig und viel zu schnell. Dayan hob den Kopf, und ihm stockte der Atem. Da war sie. Einfach so. Seine Lungen schrien nach Luft, und seine Finger verloren den uralten Rhythmus. Sein Herzschlag begann, sich auf den der Frau abzustimmen.

Dayan holte mühsam Luft. Ein Atemzug, dann noch einer. Die Band starrte ihn unsicher an. Seine Finger zupften eine Melodie, die er noch nie zuvor gespielt hatte, die aber immer tief in seinem Herzen eingeschlossen gewesen war. Er nahm vage wahr, dass die anderen Musiker die Melodie aufgriffen, doch er beachtete sie nicht. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden und beobachtete, wie sie stehen blieb, als ihre hellhaarige Gefährtin mit ein paar Bekannten sprach.

Was stimmte nicht mit ihrem Herzen?

Seine schwarzen Augen verschlangen sie, waren fordernd und besitzergreifend. Sie war klein, hatte eine gute Figur, dunkles, üppiges Haar und riesige Augen. Er beobachtete, wie sie sich bewegte, wie sie beim Gehen die Hüften schwang. Dayan erschien sie unglaublich schön. Und sie war ein Mensch. Er wusste, dass es für ihn als Karpatianer nicht ausgeschlossen war, eine Menschenfrau zur Gefährtin zu bekommen, aber er hatte nie daran gedacht, dass seine andere Hälfte ein Mensch sein könnte.

Ihre Blicke kreuzten sich, und sie starrte ihn entgeistert an. Ihr perfekter Mund formte sich zu einem O, als sie ihn erkannte, und sie drehte sich zu der großen Blondine um, die sie begleitete. Die andere Frau lachte und umarmte sie, bevor sie sich durch die Menge zu einem Tisch in einer dunklen Ecke des Lokals drängte. Dayan hörte das leise Murmeln ihrer Stimme, und seine Welt veränderte sich mit einem Schlag. War der Club für ihn vorher nur in Grauschattierungen zu sehen gewesen, erstrahlte er jetzt in leuchtenden Farben.

Gefühle stürmten auf ihn ein, so schnell und so intensiv und in so großer Zahl, dass er sie nicht sondieren konnte. Er konnte nur regungslos dasitzen und seine Finger über seine Gitarre gleiten lassen. Er konnte sie tatsächlich spüren. Seine geliebte Gitarre. Das Gefühl war so überwältigend, dass Tränen unter seinen Lidern brannten. Dayan war fast wie gelähmt von den verschiedenartigen äußeren Reizen, die in ihm zum Leben erwachten. Musik, Hunger, Farben, Lust. Es war wie ein Vulkanausbruch in seinem Inneren, glühend heiß und verzehrend. Und da war auch Eifersucht, dunkle, bedrohliche Eifersucht. Ihm wurde bewusst, dass es ihm nicht gefiel, wie sich Männer um ihren Tisch drängten und sich zu ihr vorbeugten, um mit ihr zu reden.

Dieser Gedanke weckte sofort das Tier in ihm, und er musste es unterwerfen. In diesem Zustand war er sehr gefährlich. Die Musik strömte aus ihm heraus und durch ihn hindurch, war Ausdruck leidenschaftlicher Gefühle, die ihn nahezu erstickten. Er war wie geblendet von all den Farben und holte tief Luft, um sich zu beruhigen; er rang um Selbstbeherrschung und schaffte es. Was stimmte nicht mit ihrem Herzen?

Er hielt den Kopf über die Gitarre gesenkt, aber seine ausdruckslosen schwarzen Augen fixierten seine Beute, die einzige Frau, die für ihn von Bedeutung war. Er spielte für sie, öffnete ihr sein Herz und ließ die Schönheit seiner Musik zu ihr sprechen. Er wollte, dass sie den Dichter in ihm sah, nicht das Raubtier. Nicht die Dunkelheit. Und die ganze Zeit, während er spielte, lauschte er auf das Gespräch, das sie führte, lauschte dem Klang ihrer Stimme.

»Ich fasse es nicht, dass er es wirklich ist, Lisa! Das ist Dayan von den Dark Troubadours. Er ist praktisch ein Gott unter den Musikern. Ich habe noch nie jemanden so spielen gehört wie ihn. Was um alles in der Welt macht er bei dieser Band?« Das war ihre Stimme, sanft und weiblich. Sie klang beinahe ehrfürchtig. Ihre Finger trommelten den Rhythmus seines Gitarrenriffs auf der Tischplatte.

Lisa beugte sich vor, um im Lärm in der Bar verstanden zu werden. »Ich habe gehört, dass er irgendwo in der Nähe Urlaub macht. Wahrscheinlich hat er sich ganz spontan zu diesem Auftritt entschlossen, Corinne. Ich weiß, wie sehr du Musik liebst, und wollte dich überraschen.«

Das war also ihr Name. Corinne. Sogar ihr Name passte zu der Musik in seinem Inneren. Dayan lauschte schamlos, um so viel wie möglich über sie zu erfahren. Sie hörte seiner Musik zu, und ihr Körper sprach wie von selbst auf den Rhythmus an, aber im Gegensatz zu den anderen Frauen in der Bar starrte sie ihn nicht völlig verzückt an. Nicht so, wie er es gern gehabt hätte.

»Aber woher hast du das gewusst? Er ist nicht irgendjemand, Lisa. Er ist ein Genie! Woher hast du gewusst, dass er heute Abend hier spielen würde?«

»Bruce – du erinnerst dich doch an Bruce, Corinne? –, also, er arbeitet für meinen Fotografen. Bruce weiß, dass du total auf Musik stehst. Er kam auf einen Drink hier rein und rief mich an, um mir zu erzählen, dass ein Mitglied der Dark Troubadours heute Abend hier auftritt. Bruce sagte, der Mann da an der Bar ist angeblich ein Freund des Leadgitarristen und begleitet die Dark Troubadours auf ihren Tourneen.« Lisa zeigte auf Cullen. »Alle hoffen, das bedeutet, dass die Troubadours bald wieder auftreten.«

»Na schön, sie spielen lieber in kleinen, intimen Clubs, aber wer hätte gedacht, dass einer von ihnen hier auftreten würde?«, erwiderte Corinne. Ihr Blick wanderte zu Dayan, und sie schaute hastig weg, als ihre Augen einander begegneten.

Die Wirkung, die ihr Blick auf ihn hatte, war erschütternd. Seine Finger hätten beinahe den Rhythmus verloren, sein Magen krampfte sich zusammen, und sein Atem blieb ihm in der Kehle stecken.

»Ist er wirklich so berühmt?«, fragte Lisa und grinste ihre Begleiterin an.

»Er ist weltberühmt, du Ignorantin«, antwortete Corinne lachend. »Seine Band steht bei keinem Plattenlabel unter Vertrag. Manche Leute versuchen, bei ihren Konzerten Mitschnitte zu machen. Die Bänder sind ein Vermögen wert.«

»Du hast eine alte Platte und mehrere Bänder, stimmts?«, wollte Lisa wissen.

Corinnes Wangen röteten sich vor Verlegenheit. »Psst! Um Himmels willen, Lisa, diese Bänder sind Raubkopien! Was ist, wenn jemand dich hört?« Ihre Stimme klang schuldbewusst. »Die Band spielt hauptsächlich in kleinen Lokalen, wie altmodische Troubadoure. So sind sie wahrscheinlich zu ihrem Namen gekommen.«

Lisa stützte ihr Kinn auf eine Hand. »Er schaut in unsere Richtung. Ehrlich, Rina, ich glaube, wir sind ihm aufgefallen.«

»Er ist umwerfend. Ich hatte ja keine Ahnung!« Corinne war nie der Typ gewesen, der für Männer schwärmte, nur weil sie im Rampenlicht standen, ob es nun Schauspieler, Musiker oder Sportler waren. Es war nicht ihre Art, dafür war sie zu nüchtern. Aber Dayan ähnelte der Statue eines griechischen Gottes. Er war groß und schlank und vermittelte den Eindruck von Stärke und Macht, obwohl er alles andere als ein Muskelpaket war. Sein Haar war lang, aber sehr gepflegt. Es schimmerte tiefschwarz wie ein Rabenflügel und wurde im Nacken mit einem Lederband zusammengehalten. Doch es war sein Gesicht, das Corinnes Aufmerksamkeit erregte und fesselte. Es wirkte wie aus Marmor gemeißelt und zeigte die Züge eines Mannes, der großer Sinnlichkeit, aber auch großer Grausamkeit fähig zu sein schien. Wenn sie ihn ansah, empfand sie unwillkürlich einen unbestimmten Eindruck von Gefahr.

Sein Mund war schön, ebenso seine Kinnpartie mit dem leichten Bartschatten – das hatte ihr bei Männern schon immer gefallen –, aber es waren seine Augen, die sie faszinierten. Sie machte den Fehler, ihn direkt anzuschauen. Seine Augen waren schön, geschnitten wie die einer Katze, dunkel und rätselhaft, ausdruckslos und doch voller Geheimnisse. Corinne fühlte sich geradezu magisch angezogen von diesem Ausdruck in seinen Augen und war wie gebannt davon, für immer und ewig. Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden, sie war wie verzaubert. Der Ausdruck fiel ihr unwillkürlich ein. Sie war wirklich wie verzaubert von ihm. Sein Kopf beugte sich über seine Gitarre, doch seine Augen schienen unverwandt auf ihr zu ruhen. Lisa, die mit ihrer auffallenden Schönheit häufig Aufsehen erregte, war es gewöhnt, angestarrt zu werden, und machte sich nichts daraus, doch Corinne bekam kaum Luft, weil er sie anschaute.

Ihre Finger ballten sich zu einer straffen Faust, und ihre langen Fingernägel bohrten sich tief in ihre Handfläche. Ihr Herz machte einen Satz, und ihr Atem schien ihr direkt aus den Lungen gestohlen worden zu sein. »Noch nie habe ich jemanden so gut spielen hören.« Ihr Mund war so trocken, dass sie die Worte kaum über die Lippen brachte.

»Von mir aus könnte er gern an meinem Bett sitzen und mir jeden Abend Schlaflieder vorspielen«, meinte Lisa.

Röte kroch an Corinnes Hals hoch und stieg ihr ins Gesicht bei der Vorstellung, diesen Mann in ihrem Schlafzimmer zu haben. Dass er bei dieser Gelegenheit Gitarre spielte, schwebte ihr dabei nicht unbedingt vor. Das Bild, das ihr plötzlich vor Augen stand, schockierte sie. Nie hatte sie sich so etwas bei einem Mann vorgestellt, nicht einmal bei John. Es kam ihr nicht nur ausgesprochen unloyal, sondern vor allem völlig untypisch für sie vor. Auf einmal bekam sie Angst. Am liebsten wäre sie weggelaufen wie ein Kind, um sich vor seinen faszinierenden Augen und der seltsamen Wirkung, die er auf sie zu haben schien, zu verstecken. Er machte ihr tatsächlich Angst. Vielleicht lag es an seiner Musik, die ebenso eindringlich, so fordernd war wie seine Augen.

»Corinne!«, sagte Lisa scharf und brach den Zauber. »Alles in Ordnung mit dir? Brauchst du dein Medikament? Du hast es doch mitgenommen, oder?« Sie griff bereits nach Corinnes Tasche und stöberte hektisch darin herum. Furcht schwang in ihrer Stimme mit.

»Mir gehts gut, Lisa«, versicherte Corinne. »Ich glaube, mein Held hat mir einfach einen Moment lang den Atem geraubt. Er ist umwerfend. Ich wünschte, er würde wieder singen.« Sie zwang sich zu einem Lachen.

»O ja«, sagte Lisa träumerisch. »Seine Stimme ist wirklich sexy.«

»Tja, er lässt einem tatsächlich das Herz schneller schlagen«, scherzte Corinne und legte mit großer Geste eine Hand auf ihr Herz. Es brachte Lisa zum Lachen und verscheuchte die plötzliche Furcht aus ihren Augen, genau wie Corinne gehofft hatte.

Dayan konnte mit seinem geschärften Hörvermögen mühelos jedes Wort verstehen. Er sortierte alles Gehörte rasch aus, nicht aber das, was sie sagte. Corinne. Die andere Frau hatte sie Corinne genannt. Obwohl es ihn freute, dass sie ihn buchstäblich atemberaubend fand, versuchte er, die Situation einzuschätzen. Medikament. Was für ein Medikament? Was war mit ihrem Herzen los? Er musste es unbedingt so bald wie möglich herausfinden.

Dayan konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Cullen. Geh zu dem Tisch hinten in der Ecke und fang ein Gespräch mit den beiden Frauen an. Er sprach eindringlich, machte seine Worte zu einem Befehl. Er benutzte Cullen nicht gern – es entsprach nicht Dayans Wesen, jemanden zu benutzen, den er mochte –, und nun, da er wieder in der Lage war, Gefühle zu empfinden, spürte er die Freundschaft, die ihn mit diesem Menschen verband. Aber er brauchte einen Vermittler, jemanden, der schnell handeln konnte, bevor Corinne sich zurückzog. Er konnte ihre Furcht deutlich spüren, und er durfte nicht zulassen, dass sie vor ihm floh.

Cullen wandte den Kopf und entdeckte die bildhübsche Blondine. Zu seiner Überraschung erkannte er ihr Gesicht wieder. Lisa Wentworth. Sie war ein Model und häufig auf den Titelseiten von Zeitschriften zu sehen. Normalerweise hätte er nie den Nerv gehabt, sie anzusprechen, aber aus irgendeinem Grund ging er in ihre Richtung. Er war ein Mal im Leben verliebt gewesen und hatte seine Verlobte verloren. Seit damals hatte er keine andere Frau mehr richtig angeschaut. Aber Lisa Wentworth konnte er einfach nicht übersehen. Es war nicht nur ihre Schönheit, die ihn anzog, es war dieses Strahlen, das von innen heraus zu kommen schien.

»Es wäre mir eine Ehre, Ihnen beiden etwas zu trinken zu holen«, sagte er statt einer Begrüßung. »Mein Name ist Cullen Tucker.« Er wünschte, ihm würde etwas Originelles einfallen, das ihn von all den anderen Männern unterschied, die sie anstarrten, aber er hatte seit Jahren nicht mehr versucht, die Aufmerksamkeit einer Frau zu erregen.

»Lisa Wentworth.« Lisa streckte ihre Hand aus und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, während Corinne sich in den Schatten zurückzuziehen schien, das Gesicht leicht abgewandt und von ihrem Haar wie von einem seidigen Schutzschild abgeschirmt. »Das ist Corinne. Corinne Wentworth.«

Cullen runzelte nachdenklich die Stirn. Sie sahen sich überhaupt nicht ähnlich, obwohl er beide sehr schön fand. »Was möchten Sie trinken?«

»Wir trinken bloß Mineralwasser«, gab Lisa zurück. Ein leichtes Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. »Sie dürfen es uns holen, wenn Sie versprechen, sich zu uns zu setzen.«

»Bin gleich wieder da«, erwiderte Cullen, der sich insgeheim darüber freute, dass Lisa Dayan nicht mit diesem Blick anstarrte, den er von so vielen Frauen kannte. Während seiner Reisen mit der Band hatte er die Erfahrung gemacht, dass sich die wenigsten Groupies darum kümmerten, wie die Bandmitglieder persönlich waren, sondern sich nur dafür interessierten, dass sie berühmt waren und in einer Band spielten.

»Was soll denn das, Lisa?«, zischte Corinne. »Spinnst du? Du machst doch sonst keine Männer an. Was denkst du dir eigentlich? Erzähl mir nicht, dass du ihn benutzen willst, um den Gitarristen kennen zu lernen.«

»Natürlich nicht. Ich weiß nicht – irgendwie gefällt er mir. Er ist nett. Er schaut mich nicht an, als wäre ich etwas, womit er sich schmücken könnte wie mit einem Orden. Das wird auf die Dauer nämlich ziemlich ermüdend. Macht es dir wirklich etwas aus, wenn er sich ein bisschen mit uns unterhält? Dann kannst du Dayan ungestört noch etwas länger anstarren.« Lisas Stimme klang hoffnungsvoll.

Corinne holte tief Luft und ließ sie langsam wieder heraus. Sie war Lisa gegenüber nicht fair. Lisa hatte ein bisschen Spaß verdient. Sie kümmerte sich jetzt schon seit Monaten um sie, Corinne. Sie versteckte ihre zitternde Hand auf ihrem Schoß und zwang sich zu einem beiläufigen Schulterzucken. »Ja, das könnte ich. Aber ich schaue ihn lieber nicht mehr an. Ihn einfach nur spielen zu hören, reicht völlig. Er ist fast schon zu gut.«

Lisas Augen ruhten auf dem Mann an der Bar und musterten ihn interessiert. Seine Schultern waren breit, und er hielt sich sehr aufrecht. Ihr hatte gefallen, wie offen er ihr ins Gesicht sah. Aber da war noch etwas, etwas, das an ihr Herz rührte. Sie konnte es nicht benennen oder Corinne erklären, doch er sah wie ein Mann aus, auf dessen Schultern das Gewicht der ganzen Welt lastete und der niemanden hatte, der ihm diese Bürde erleichterte. Die schlichte Wahrheit war, dass sie ihn sympathisch fand.

»Ich nehme Cullen«, verkündete Lisa halb im Ernst, »und du kannst dir den Gitarristen angeln.«

Corinne grinste. »Der ist einfach zu gut, um wahr zu sein. Männer wie er brechen reihenweise Herzen. Sie wirken gefährlich, weil sie wirklich ganz schlimme Jungs sind. Die Frauen bilden sich ein, sie könnten sie ändern, aber die Wahrheit sieht so aus, dass sie einfach schlimm sind und daran nichts zu ändern ist. Wenn man Grips hat – und den habe ich! –, begnügt man sich besser damit, sie anzustarren und von ihnen zu träumen. Doch komm ihnen lieber nicht in die Nähe, sonst verbrennst du dir die Finger. Ich werde ihm einfach zuhören und damit sehr zufrieden sein.«

Cullen bahnte sich durch das Gedränge einen Weg zu den beiden Frauen in der Sitzecke. Er hatte keine Ahnung, worüber er mit ihnen reden sollte. Die blonde Lisa stellte eine akute Bedrohung für sein Herz dar. Aber er konnte sich unmöglich ernsthaft für eine Frau interessieren, nicht, solange eine Bande von Mördern hinter ihm her war. Behutsam stellte er vor jede der jungen Frauen eine Flasche Mineralwasser auf den Tisch.

Lisa lächelte ihn an und rückte ein Stück zur Seite, damit Cullen sich neben sie setzen konnte. Das Lokal war überfüllt, und es war sehr laut. Sie wollte jedes Wort verstehen, das dieser Mann sagte. Corinne rutschte ein bisschen weiter, um Lisa Gelegenheit zu geben, ihren Charme wirken zu lassen. Lisa hatte es verdient, einen netten Mann zu finden. Sie würde sehr bald einen Menschen brauchen.

Die Musik ging weiter, aber Corinne fiel es sofort auf, als Dayan aufhörte zu spielen. Schönheit und Klarheit verschwanden aus der Musik, und was blieb, war eine halbwegs anständige Band, die ihren Mangel an Genialität durch Enthusiasmus wettmachte.

Sie konnte nicht anders, sie musste unter ihren langen Wimpern hindurch in seine Richtung spähen. Er stand gerade auf, mit einer geschmeidigen, fast trägen Bewegung, die Corinne an eine große Raubkatze erinnerte, die sich genießerisch streckt. Behutsam lehnte er seine Gitarre an eine Wand am hinteren Ende der Bühne, wo sie vor dem Zugriff der Fans oder Rowdys sicher war. Einen kurzen Moment lang betrachtete er die Menschen, die ihn fast ausnahmslos verzückt anstarrten, und so etwas wie ein Ausdruck von Unmut huschte kurz über sein Gesicht.

Plötzlich wandte er den Kopf und schaute Corinne direkt an. Sie spürte sofort die Intensität seines Blicks, den Hunger, der darin lag, und ihr Herz schien stillzustehen. Er sah sie an, nicht seinen Freund oder Lisa, sondern nur sie. Ihre Augen begegneten einander, und sie konnte sofort eine beinahe hypnotische Anziehungskraft spüren, eine Art Verzauberung.

Dayan beugte sich vor, sagte etwas zu dem Gitarristen der Band und verließ die Bühne. Sein Blick hielt ihren über die Menge hinweg gefangen. Corinne konnte nicht wegschauen.

Ihr Herz spielte verrückt, und sie bekam keine Luft mehr in ihre Lungen. Sie konnte nur hilflos zuschauen, wie er quer durch den Raum auf sie zukam. Seltsamerweise sprach niemand ihn an, keine einzige Frau aus der Menge. Alle machten ihm hastig Platz, sodass er unaufhaltsam näher kam. Dann stand er vor ihrer Nische, und sein dunkler Blick ruhte nur auf ihr. Aus der Nähe wirkte er noch einschüchternder als von weitem. Eine Aura von Macht ging von ihm aus. Und er war mehr als sexy – er war geradezu erschreckend sinnlich.

Die Band stimmte einen langsamen, verträumten Song an, und Dayan beugte sich zu Corinne vor und nahm ihre kleine Hand. »Ich muss mit dir tanzen.« Er sagte es einfach so, ohne Einleitung, ohne sich Gedanken um seine Verletzlichkeit zu machen. Er musste sie berühren, sie in seinen Armen halten. Er musste wissen, dass sie wirklich existierte und nicht bloß ein Produkt seiner Fantasie war.

Corinne hätte ihm um nichts in der Welt widerstehen können. Sie ließ zu, dass er ihr sanft auf die Beine half und sie eng an sich zog. Ihre Handfläche lag auf seinem Herzen. Sofort spürte sie seinen starken, muskulösen Körper, die Hitze, die er ausstrahlte. Ihr Herz arbeitete auf Hochtouren, und sie fühlte sich seltsam entrückt, als wäre sie in einer anderen Welt, in einer Traumwelt. Er war ein ganzes Stück größer als sie, und doch passte sie so gut zu ihm, als wäre sie für ihn gemacht.

Er neigte seinen dunklen Kopf. »Atme.« Er hauchte das Wort an ihre Haut, und ihr ganzer Körper erwachte zum Leben, einfach so, mit jedem Nerv, mit jeder Zelle. Sein Atem war warm, und seine Arme waren unglaublich stark. Er hielt sie fast zärtlich umfangen. Es war wie eine Art Zauber, und sie wusste instinktiv, dass er es genauso spürte wie sie.

Einen Moment lang schloss sie die Augen und ließ sich von ihm führen. Ihre Körper bewegten sich in einem Rhythmus, als hätten sie ihr ganzes Leben lang miteinander getanzt. Als würden sie miteinander schlafen.

Corinne biss sich auf die Lippe. Es war die intimste Erfahrung, die sie je gemacht hatte, und das, obwohl sie verheiratet gewesen war. Er schien überall zu sein, sie mit seinem harten Körper und seinen sanften Händen zu umfangen. Dann passierte etwas Seltsames. Ihr Herz, das sonst so unregelmäßig schlug, strengte sich an, sich dem stetigen Schlag seines Herzens anzupassen. Es fiel ihr auf, weil jedes Detail sehr wichtig war. Sie wollte sich die Erinnerung an diesen Augenblick für den Rest ihres Lebens bewahren.

Die Musik strömte durch Dayan hindurch, sodass er selbst zur Musik wurde. Die Frau in seinen Armen war bereits ein Teil von ihm. Er spürte es in der Tiefe seiner Seele. Sie war die Eine, die Einzige für ihn. Er konnte die Mühe, die es ihr Herz kostete, regelmäßig zu schlagen, ebenso fühlen, wie er ihre zarte, weibliche Gestalt an seinem männlichen Körper fühlte. Aber die Situation war komplizierter, als er gedacht hatte. Sie war die einzige Frau für ihn, doch er konnte einen dritten Herzschlag hören, klar und deutlich. Er spürte ein neues Leben in ihr, spürte die kleine Wölbung unter der weiten Kleidung, die sie trug.

Dayan zog ihre Handfläche unter sein Kinn und hielt sie noch enger an sich gedrückt, während er diese Entdeckung näher untersuchte. Sie erwartete ein Kind. Das Kind eines anderen. Ein menschliches Kind. Einen Moment lang herrschte Chaos in seinem Inneren, eine wilde Mischung aus Eifersucht, Zorn und Angst, alles Gefühle, die er nie zuvor erlebt hatte. Tiefe Atemzüge halfen ihm, ruhiger zu werden und sich auf das zu konzentrieren, was jetzt am wichtigsten war. Wenn er ihr sein Blut gab, könnte er damit vermutlich ihren Herzfehler beheben, aber was würde ein solcher Austausch bei einem ungeborenen Kind bewirken? Er konnte ihre Angst und ihre Trauer fühlen. Dayan bewegte sich mit ihr, sein Körper hart und schmerzend, sein Geist ein einziges Durcheinander wirrer Gedanken. Doch sein Herz und seine Seele fanden zum ersten Mal in seinem Leben Frieden, als er seinen Verstand arbeiten ließ, um eine Lösung für dieses einzigartige Problem zu finden.

Das Lied war zu Ende. Widerstrebend gab er sie frei, nahm jedoch ihre Hand, damit sie ihm nicht davonlief. »Mein Name ist Dayan.«

Corinne, die kein Wort herausbrachte, nickte bloß. Er führte sie zu der Geborgenheit ihrer Sitzecke zurück, indem er sich mühelos einen Weg durch die Menge bahnte und dabei Corinne mit seinen breiten Schultern abschirmte. Sorgfältig achtete er darauf, dass niemand mit ihr zusammenstieß, und vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit.

»Willst du mir nicht deinen Namen verraten?« Seine Stimme war leise, samtweich und verführerisch.

Allein der Klang dieser Stimme weckte in ihr das Verlangen, ihn wieder singen zu hören. »Ich heiße Corinne, Corinne Wentworth.« Sie schaute ihn nicht an. Er sah so gut aus, dass es kaum zum Aushalten war. Und sexy. Er strahlte diese dunkle, gefährliche Sinnlichkeit aus, von der sie lieber nichts wissen wollte. Sie waren nicht mehr weit von ihrer Nische entfernt, von ihrer sicheren Zuflucht, und sie bekam allmählich wieder Luft.

»Wann kommt dein Baby zur Welt, Corinne?«, fragte er sehr leise. Sie hatte noch nie eine solche Stimme gehört, faszinierend und bezwingend. Eine Schlafzimmerstimme. Sie strich über ihre Haut, bis sie zu brennen schien.

Corinne blieb wie angewurzelt stehen und warf hastig einen schuldbewussten Blick in Lisas Richtung, um sich zu vergewissern, ob sie Dayans Bemerkung auch nicht gehört hatte. Lisa saß dicht bei Cullen und lachte gerade über eine seiner Bemerkungen, aber Corinne war trotzdem völlig fassungslos.

Dayan schob sich vor sie und schirmte sie mit seiner hohen Gestalt wirkungsvoll von der Menge ab. Plötzlich fiel ihr ein, dass er eine Berühmtheit war und die Leute sich eigentlich um ihn drängen sollten, um zumindest ein Autogramm von ihm zu ergattern, doch niemand kam ihm in die Nähe, nicht einmal die Frauen.

»Corinne.« Sein fremdartiger Akzent ließ ihren Namen ungewöhnlich klingen. »Du bist sehr blass. Soll ich deine Freundin holen, damit sie ein bisschen mit dir an die frische Luft geht? Hier drinnen sind viel zu viele Leute.«

»Sie weiß es nicht«, platzte Corinne heraus und erschrak im nächsten Moment über sich selbst. Was hatte dieser Mann bloß an sich? Sie hatte mit einem Wildfremden getanzt und war dabei so sehr mit ihm verschmolzen, als wären sie beide so vertraut miteinander wie ein Liebespaar. Corinne, die normalerweise sehr zurückhaltend war, ertappte sich bei dem brennenden Verlangen, ihm die persönlichsten Dinge aus ihrem Leben anzuvertrauen.

Dayan wechselte sofort die Richtung, er ließ sich durch die Menge gleiten und zog Corinne dabei scheinbar mühelos mit sich.

Und sie wollte mit ihm gehen! Corinne konnte sich diesen unbegreiflichen Impuls nicht erklären. Die kalte Luft hätte sie zur Besinnung bringen müssen, aber Dayan schob sich dicht neben sie und raubte ihr das letzte bisschen Fassung, das ihr geblieben war. Sie konnte nicht klar denken, wenn er ihr so nahe war.

Dayan zog sie in den Schatten. Alles in ihm drängte danach, sie für sich zu beanspruchen. Er wollte sie, brauchte sie, und sein Körper stand in Flammen. Sie schaute ihn aus ihren großen grünen Augen an, und er war verloren, wusste, dass er für alle Zeiten verloren war. »Gut – du bekommst wieder ein wenig Farbe. Deine Freundin scheint sehr an dir zu hängen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich über das Baby nicht freuen würde.«

Corinne hob eine Hand und strich ihre wilde Mähne zurück. »Ich wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Lisa wird sich aus vielen Gründen über das Baby freuen. Es ist nur so, dass ich …« Sie brach ab, weil sie sich scheute, über so persönliche Dinge zu sprechen. »Es ist kompliziert.« Plötzlich verspürte sie den unwiderstehlichen Wunsch, ihm alles über sich zu erzählen. Er schaute sie an, aus Augen, die so … hungrig, so einsam schienen. Sie wusste nicht, woran es lag, aber diesen Augen konnte man einfach nicht widerstehen.

Er gab ihr das Gefühl, von einer großen Raubkatze in die Enge getrieben worden zu sein. Seine Augen blinzelten nicht, sie beobachteten sie einfach, fixierten sie unverwandt, und fast hätte sie schwören können, in ihren Tiefen gelegentlich ein rötliches Flackern zu sehen. »Du darfst mich nicht so anstarren.« Die Worte kamen aus ihrem Mund, bevor sie sie zurückhalten konnte, und sie musste unwillkürlich lachen. Sie war eine erwachsene Frau und im Allgemeinen sehr vernünftig. Er bekam bestimmt einen ganz falschen Eindruck von ihr.

Sein Lächeln war träge und sehr sexy. Ihr Herz hämmerte laut, und in ihrer Magengrube breitete sich ein ziehender Schmerz aus. »Tue ich das?« Seine Stimme strich heiß und verlockend über ihre Haut.

Corinne legte den Kopf zur Seite und betrachtete forschend seine vollkommenen Züge. »Das weißt du doch ganz genau. Du hast diesen typisch männlichen und ziemlich selbstgefälligen Ausdruck auf deinem Gesicht. Ich kann nicht richtig denken, wenn du mich so anschaust.«

»Wie schaue ich dich denn an?« Er fragte es leise und sanft und mit einem Hauch Zärtlichkeit, der an ihr Herz rührte.

Wie ein hungriger Leopard, der gleich seine Beute schlagen will. Der Gedanke kam wie von selbst. Das Lächeln erreichte seine Augen, als könnte er ihre Gedanken lesen, und sie errötete. »Vergiss es. Hör einfach auf damit.« Sie streckte eine Hand aus, als müsste sie ihn abwehren.

»Du wolltest mir von dem Baby erzählen.« Und von dem Vater des Babys. Wir wollen ihn nicht ausklammern. Du willst es mir erzählen. Schamlos drängte er sie, sich ihm anzuvertrauen. Er musste es wissen. Der Mann war tot, das konnte Dayan spüren. Er erriet es an der verhaltenen Traurigkeit in ihren Augen. Sie hatte einen anderen Mann genug geliebt, um sein Kind zur Welt bringen zu wollen. Wer war dieser Mann?

Er nahm ihre ausgestreckte Hand, die linke, und entdeckte den schmalen goldenen Ring, das menschliche Symbol der Ehe, das Zeichen, dass sie einem anderen gehörte.

Der Gedanke weckte die gefährliche Aggressivität seiner Art in ihm, und Dayan kämpfte gegen das wilde Tier in seinem Inneren. Er durfte nicht das Risiko eingehen, ihr Angst zu machen. Sein Daumen strich fast abwesend über den Ring, hin und zurück, in einer zarten Liebkosung. Sanft und beharrlich. Er zog ihre Fingerspitzen an seine Lippen. Die ganze Zeit fixierte er sie aus seinen dunklen Augen.

Sein Blick wirkte hypnotisch und seltsam berauschend. Corinne stockte der Atem, als seine Lippen warm und feucht über ihren Finger strichen. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Seine Zähne scharrten leicht über ihren goldenen Ehering. Das Gefühl, das er dabei in ihr hervorrief, war so erotisch, dass sie erschauerte. Sie starrte ihn einen langen Augenblick wie gebannt an, bevor sie daran dachte, ihm ihre Hand zu entziehen.

»Erzähl mir von deinem Baby, Liebes«, befahl er mit leiser, sanfter Stimme.

Sehr behutsam und sehr vorsichtig rührte er an ihren Geist. Sie kämpfte gegen den Drang an, ihm alles zu erzählen, was er wissen wollte, aber sie war ein Mensch, und er entstammte einem uralten Volk mit ungeheurer Macht. Er war viel zu stark, als dass sie ihm hätte Widerstand leisten können.

Corinne legte eine Hand schützend auf ihren Bauch. Der Wind fegte durch die Straße und ließ Blätter und Abfall durch die Luft wirbeln. Ohne sich dessen bewusst zu sein, rückte sie näher an ihn heran. »Ich bin zusammen mit Lisa und ihrem Bruder John aufgewachsen.« Ihre Kehle schnürte sich zusammen, als sie den Namen aussprach, und sie brach abrupt ab.

John. Der Name traf ihn wie ein Messer. Die Art, wie sie ihn aussprach, und der Schmerz in ihren Augen verrieten ihm, wie viel ihr dieser Mann bedeutet hatte. John. Dayan hatte diesen Namen noch nie gemocht. Er wollte nichts mehr hören; er wollte nicht den Klang ihrer Stimme hören, wenn sie den verhassten Namen aussprach.

Corinne drehte nervös ihren Ehering hin und her. »Wir drei hatten keine leichte Kindheit, deshalb standen wir einander vielleicht näher als die meisten Menschen. John und ich waren schon immer … anders.« Corinne spähte unter ihren dichten, dunklen Wimpern verstohlen zu ihm. Sie wollte ihm nicht erklären, was sie damit meinte. Sie kannte ihn nicht und wusste selbst nicht, warum sie ihm zu vertrauen schien, obwohl er für sie ein Fremder war. Sie wusste nicht, warum ihr Körper ihn zu kennen und nach ihm zu verlangen schien. Corinne verdrängte ihre unerwünschten Gedanken, indem sie sich ganz und gar auf das konzentrierte, was sie ihm sagen wollte – und auf das, was sie besser für sich behalten sollte.

Dayan, der eine Erklärung für das Wort »anders« suchte, forschte in ihrem Geist und empfing ein hastig zensiertes Bild. Telekinese. Sie konnte mit ihrem Geist Dinge bewegen. Natürlich war sie übersinnlich veranlagt. Das musste sie sein, wenn sie seine wahre Gefährtin fürs Leben war. Dayan konnte ihr unmöglich genau erklären, was eine Gefährtin für ihn und die anderen seiner Art bedeutete. Wie sollte er ihr beibringen, dass er einer anderen Spezies angehörte? Dass er seit tausend Jahren auf der Erde weilte? Dass er Blut zum Überleben brauchte?

Dayan beobachtete, wie ihre Finger den schmalen Goldreif drehten. Mit jeder Berührung schnürte sich sein Magen enger zusammen. Er versuchte, seinen Blick wieder auf ihr Gesicht zu richten, aber diese kleine, verräterische Geste faszinierte ihn.

Corinne zuckte die Schultern. »Um es kurz zu machen, John und ich heirateten, und vor ein paar Monaten wurde er ermordet. Damals wusste ich noch nicht einmal, dass ich schwanger war. Ich habe Lisa nichts davon erzählt, weil … na ja …« Sie zögerte und suchte nach den richtigen Worten.

Sofort kehrten seine dunklen Augen zu ihrem Gesicht zurück. Sie spürte die Intensität seines Blickes bis in die Knochen. Seine Hände schlossen sich um ihre und hielten ihre Finger fest, die immer noch unruhig mit dem Ring spielten. Ihr Herz machte einen Satz, und sie erschrak.

Seine schwarzen Augen ruhten unverwandt auf ihrem Gesicht. Und er hatte immer noch nicht geblinzelt. Sie hatte beinahe das Gefühl, in diesen seltsamen, bezwingenden Augen zu versinken. Was machte es schon aus, wenn er sie für einen hoffnungslosen Fall hielt? Sie hatte weder um sein Mitleid gebeten, noch wollte sie es. Sie erzählte ihm die Geschichte nicht, um von ihm bedauert zu werden. Warum erzählte sie ihm überhaupt etwas?

Corinne reckte das Kinn und sah ihn fast trotzig an. »Ich habe ein Herzleiden.« Wenn er jetzt die Flucht ergriff, war es ihr auch egal. Er war eine Komplikation, ein Wunschtraum, die schlimmste Sorte »böser Junge«, die sich denken ließ, und sie wollte nichts mit ihm zu tun haben.

Dayan rührte sehr sanft an ihren Geist. Er empfing Bilder von Krankenhäusern, Apparaten, endlosen Untersuchungen. Er sah, wie sie darum bat, auf die Warteliste für ein Spenderherz gesetzt zu werden, sah einen Arzt nach dem anderen den Kopf schütteln. Corinne litt an schweren Allergien. Sie blutete leicht und viel zu stark. Die Spezialisten fanden es erstaunlich, dass sie überhaupt so lange überlebt hatte.

Dayan rieb sich gedankenverloren den Nasenrücken, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden. »Dann ist das Baby also gefährdet. Das würde Lisa nicht gefallen.«

Corinne ließ ihren Atem heraus. Es war direkt eine Erleichterung, mit jemand anders darüber zu sprechen. »Nein, es wird Lisa überhaupt nicht gefallen. Sie wird sich schreckliche Sorgen machen.« Corinne hatte so lange gewartet, bis es unmöglich war, dass Lisa ihr ausredete, das Kind zu bekommen. Sie wünschte sich das Kind. Ihr kleines Mädchen. Lange nach ihrem Tod, nach Johns Tod, würde ihre Tochter leben und atmen, laufen und spielen und hoffentlich ein ganz normales Leben führen. Corinne war felsenfest davon überzeugt, dass Lisa das Baby lieben und umsorgen würde. Sie entzog Dayan ihre Hände und legte sie schützend auf die kleine Wölbung ihres Bauchs.

»Du bist sehr dünn. Wie weit bist du?« Noch während die Worte über seine Lippen kamen, wunderte er sich, dass er sie aussprechen konnte. In all seinen Fantasien hätte er sich nie träumen lassen, eine derartige Frage zu stellen. Wärme breitete sich in ihm aus, ein Gefühl von Zugehörigkeit und seltsamerweise auch das Gefühl, bereits eine Familie zu haben.

»Die Ärzte sind deshalb auch ein bisschen in Sorge, aber es sieht nicht so schlecht aus. Man hat mir gesagt, dass es ein Mädchen ist und dass es gut wächst. Ich bin im sechsten Monat.«

Dayan zog scharf den Atem ein. Das Kind war winzig. »Machen sich die Ärzte nicht auch wegen deines Herzfehlers Sorgen? Halten sie diese Schwangerschaft für riskant, vielleicht sogar für sehr gefährlich?« Seine Stimme war immer noch sanft und hatte trotzdem eine Wirkung auf sie, die sie nicht abschütteln konnte. Er hörte sich fast so an, als tadelte er sie irgendwie und als überlegte er sich gleichzeitig, was er unternehmen sollte.

Corinne fühlte sich verpflichtet, ihm zu antworten, obwohl sie es gar nicht wollte. »Mein Herz hat genug Mühe, für mich allein zu schlagen, geschweige denn außerdem für ein Kind«, gab sie zögernd zu. Wieder fanden ihre Finger zu dem Goldreif und fingen an, ihn hin und her zu drehen, eine nervöse Geste, die von ihrem seelischen Aufruhr zeugte.

Dayan nickte, während alles in ihm gegen diese unbedeutende Handlung protestierte. »Und dein Ehemann …« Er zwang die Worte heraus, obwohl sie ihm fast in der Kehle stecken blieben. »Warum ist er ermordet worden?« Er konnte nicht anders, er musste einfach ihre Hand nehmen und auf seine Brust legen, um sie daran zu hindern, den Ring wieder zu berühren.

Corinnes Blick flog zu ihm. Funken sprühten zwischen ihnen hin und her, und die Luft schien elektrisch aufgeladen zu sein. Es fiel ihr schwer, klar zu denken, wenn er sie mit seinen schwarzen Augen gefangen hielt und sie mit seiner Berührung völlig aus der Fassung brachte. Mit ihm über den Mord an ihrem Ehemann zu sprechen, hätte ihr unmöglich sein sollen, und doch sprudelten die Worte förmlich aus ihr heraus. »Die Polizei konnte kein Motiv entdecken. Die Täter haben nicht einmal seine Brieftasche mitgenommen.«

»Aber du hast eine gewisse Vermutung.« Es klang wie eine Feststellung.

Wieder fühlte Corinne den seltsamen Zwang, alles laut auszusprechen. Normalerweise vertraute sie nur Lisa, sonst keinem, und nicht einmal zu ihr hatte Corinne etwas über das Baby oder ihre Mutmaßungen zu Johns Tod gesagt. Warum um alles in der Welt erzählte sie einem völlig Fremden all ihre Geheimnisse? »John hatte Fähigkeiten, die als ›nicht normal‹ angesehen wurden. Vor einem Jahr ging er zur Universität und erzählte dort jemandem davon. Von dort wurde er in das Morrison Center geschickt, ein Institut, wo man übersinnliche Fähigkeiten untersucht. John glaubte, anderen aufgrund seiner einzigartigen Befähigung vielleicht helfen zu können. Gleich nach seinem Termin in dem Institut sagte er mir, dass er das Gefühl hätte, verfolgt zu werden.« Sie zog ihre Hand zurück. »Du willst bestimmt nichts darüber wissen.«

»Im Gegenteil. Ich bin sogar sehr interessiert. Alles an dir interessiert mich.«

Kapitel 2

Corinne!« Lisa schoss aus dem Lokal, dicht gefolgt von Cullen. Sie war offensichtlich beunruhigt, und ihr schönes Gesicht verriet, wie aufgeregt sie war. »Rina, fühlst du dich nicht wohl? Tut mir leid, ich hätte besser auf dich Acht geben müssen.« Schützend drückte sie Corinnes Handtasche an sich.

»Mir geht es gut, Lisa«, antwortete Corinne sofort. Sie trat einen Schritt von Dayan weg, aber irgendwie schien auch er sich unmerklich zu bewegen und sie vor dem stärker werdenden Wind abzuschirmen. Corinne starrte auf seine ebenmäßigen Züge und stellte fest, dass ihr das Herz schon wieder im Hals schlug. Was hatte er bloß an sich? Wie konnte er ihr mit einem Blick, einer Bewegung einfach den Atem und die Besinnung rauben?

»Wir wollten nur dem Lärm da drinnen entkommen und uns ein bisschen unterhalten«, warf Dayan beiläufig ein und lächelte träge, sodass seine Zähne in der Dunkelheit weiß aufblitzten. Nachlässig fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar und schaffte es, es noch mehr zu zerwühlen. Lose Strähnen fielen ihm wirr in die Stirn, und trotzdem sah er attraktiver denn je aus.

Die beiden Frauen wechselten einen kurzen Blick und verdrehten in stummer Übereinstimmung die Augen. Corinne unterdrückte ein Stöhnen. Wie konnte ein Mann so aussehen wie er und dennoch »echt« sein? Sie formte mit den Lippen »schlimmer Junge«, und Lisa musste lachen.

Lisa beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Nur du bringst es fertig, einen Mann zu sexy zu finden, um wahr zu sein, und sein unwahrscheinlich gutes Aussehen dann auf ›schlimmer Junge‹ zu reduzieren.«

Corinne fühlte sich wie eine Schwindlerin. Lisa glaubte anscheinend, dass Corinne für Dayans dunkle Sinnlichkeit völlig unempfänglich sei. Aber sie war mehr als empfänglich dafür. Sie war wie gebannt von ihm, wie verzaubert. Einen Moment lang fragte sie sich sogar, ob seine Lieder oder seine Stimme sie irgendwie hypnotisiert hatten.

Dayan nahm Lisa unbefangen die Tasche aus der Hand und gab sie Corinne. Er hätte sich über ihre Überlegungen amüsiert, wenn ihr Herzschlag nicht wieder so unruhig geworden wäre, dass er sich Sorgen machte. Wie konnte er diesen Fehler beheben, ohne ihrem Kind zu schaden?

Seine Augen ruhten besitzergreifend auf Corinnes Gesicht, als er beobachtete, wie sie eine kleine Dose aus ihrer Tasche nahm und eine winzige Tablette schluckte. Mit derselben ungezwungenen Kraft, die er immer auszustrahlen schien, nahm er Corinnes Handgelenk und betrachtete es forschend. »Warum trägst du kein medizinisches Armband? In einem Notfall würde es Fremden zeigen, wie sie dir helfen können.«

Lisa warf ihre blonde Mähne zurück. »Endlich mal jemand, der im Gegensatz zu Rina ein bisschen Verstand hat. Sie hört nie auf andere.«

Ein leichtes, sinnliches Lächeln spielte um Dayans Mundwinkel. Er neigte sich so dicht zu Corinne, dass sein warmer Atem die feinen Haare an ihren Schläfen kitzelte. »Stimmt das?«

»Ich bin durchaus in der Lage, meine Entscheidungen selbst zu treffen«, teilte Corinne ihm ein wenig hochmütig mit, obwohl sie am liebsten seinen Mund mit ihren Fingerspitzen berührt hätte. Seine Nähe raubte ihr den Atem. Und den gesunden Menschenverstand.

»Bis jetzt«, verbesserte Dayan sie sanft. Seine Stimme war weich wie Samt und schien ihre Haut zu liebkosen. Ein Schauer überlief sie. Er zog ihre Hand an seinen perfekt geschnittenen Mund und rieb ihre Fingerkuppen über seine Lippen.

Ihr Herzschlag stockte, und Schmetterlingsflügel flatterten in ihrem Bauch. Einen Moment lang starrte sie ihn einfach nur an, wie gebannt von seinem Zauber. Schließlich wandte sie den Blick ab und zog ihre Hand zurück, schloss sie aber sofort, um seine Körperwärme noch ein wenig festzuhalten.

Cullen starrte Dayan entgeistert an. Er hatte die Band wochenlang auf ihren Tourneen begleitet und war ständig in Dayans Nähe gewesen, aber noch nie hatte er erlebt, dass sein Freund auch nur das leiseste Interesse an einer Frau zeigte. Jetzt verriet Dayans Körpersprache, dass er für Corinne nicht nur beschützende, sondern sogar besitzergreifende Gefühle hatte. Und in Dayans Augen lag ein Ausdruck, der nie zuvor da gewesen war und fast gefährlich wirkte. »Ihre Schwägerin ist bei Dayan gut aufgehoben«, hatte Cullen Lisa versichert, aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher.

»Wir sollten die Damen vielleicht nicht länger im Wind herumstehen lassen«, bemerkte Dayan träge. »Komm, Cullen, wir bringen sie zu ihrem Wagen, und dann gehe ich meine Gitarre holen.« Seine Stimme schien wie liebkosende Finger über Corinnes Haut zu streichen.

Sie erschauerte. Sofort nahm er sie in die Geborgenheit seiner Arme. »Ich hätte daran denken sollen, dass es hier draußen zu kalt für dich ist«, sagte er leise und entschuldigend, wobei sein Atem wärmend über ihren Hals strich. Sein Körper fühlte sich warm und fest an der kühlen Glätte ihrer Haut an. »Es war egoistisch von mir, dich ganz für mich allein haben zu wollen.«

Er sah Lisa an, und sie ertappte sich dabei, die Männer wie von selbst zu ihrem kleinen Sportwagen zu führen, obwohl sie sich fragte, warum es auf einmal so wichtig schien, Corinne aus dem Wind wegzubringen.

Dayan ließ Corinne erst los, als er ihr behutsam auf den Beifahrersitz half. »Wo können wir uns treffen, damit wir uns ungestört unterhalten können?«, fragte er leise und heftete seine schwarzen Augen plötzlich auf Lisas Gesicht.

Die junge Frau blinzelte und platzte mit ihrer Adresse heraus, etwas, das sie normalerweise stets vermied. Corinne starrte sie entsetzt an. Lisa legte schuldbewusst eine Hand auf ihren Mund und sah zu, wie Dayan sich nachlässig vorbeugte, um Corinnes Sicherheitsgurt zu befestigen.

Die harten, straffen Muskeln seines Körpers streiften Corinne. Er duftete nach Gewürzen und Wald. Absolut männlich. Seine hohe Gestalt schien den kleinen Wagen schrumpfen zu lassen. Sein Kinn streifte hauchzart Corinnes Haar. »Ich bin kein Serienkiller, obwohl es gut ist zu wissen, dass du über so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb verfügst.«

Mit einem durchtriebenen Grinsen schloss er die Beifahrertür.

Lisa lehnte ihre Stirn an das Lenkrad. »Sag nichts, Corinne. Ich weiß selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe, ihm einfach so unsere Adresse zu geben. Er ist so … ach, ich weiß nicht, irgendwie überwältigend. Ich konnte nicht klar denken, als er mich anstarrte; es war, als könnte er einfach durch mich hindurchschauen. Tut mir leid. Du glaubst doch nicht, dass er verrückt ist, oder?«

»Ich glaube, wir beide sind die Verrückten.« Es war eine Erleichterung, nicht mehr in Dayans Nähe zu sein. Er gab Corinne das Gefühl, völlig die Kontrolle zu verlieren, wild und sexy zu sein. Nur noch an ihn zu denken. »Und er hat darauf hingewiesen, dass er kein Serienkiller ist. Das war eine tröstliche Neuigkeit, es sei denn, Serienkiller haben die Gewohnheit, so etwas zu fremden Frauen zu sagen.«

Beide brachen in Gelächter aus, und die angespannte Stimmung lockerte sich. Corinne stellte fest, dass sie wieder ruhig atmen und klar denken konnte, als Lisa den ersten Gang einlegte, kräftig auf die Hupe drückte und sich dann tapfer ins Verkehrsgetümmel stürzte. »Cullen gefällt dir, stimmts? Du gefällst ihm jedenfalls, das sieht man.« Corinne fuhr mit den Handflächen an ihren Armen hinauf und hinunter, genau über die Stellen, wo Dayan sie gehalten hatte. Seltsamerweise konnte sie seine Nähe immer noch spüren und seinen Duft auf ihrer Haut riechen. Es war irgendwie ein tröstliches Gefühl.

»Ich finde Cullen wirklich toll«, gab Lisa zu. »Du weißt ja, wie sehr ich es hasse, so etwas wie ein Schmuckstück am Arm eines Mannes zu sein. Aber er hat mir nicht dieses Gefühl gegeben, kein bisschen. Er ist nett, Rina, wirklich nett. Und als ich merkte, dass du weg warst, war er ganz lieb und hat mir versichert, dass Dayan bestimmt kein Playboy ist, der Jagd auf Frauen macht. Ehrlich gesagt, ich war ganz schön in Panik. Mir ist gar nicht wohl, wenn du nicht in meiner Sichtweite bist.« Sie warf Corinne ein schnelles, verschmitztes Lächeln zu, während sie drei Stoppschilder hintereinander ignorierte und nur knapp einem Kantstein auswich. »Ich höre mich an, als wäre ich zwei Jahre alt und hätte Angst, meine Mommy zu verlieren. Cullen ist süß, wenn auch nicht auf die kindische Art.« Sie zupfte an Corinnes Ärmel. »Und was war das vorhin?«

»Was meinst du?« Corinne versuchte, unschuldig zu klingen, aber leichte Röte stieg ihr ins Gesicht.

»Du weißt genau, was ich meine«, warf Lisa ihr vor, doch ihre Augen lachten. »Dieser Tanz.«

»Ach, das …« Corinne vergrub beide Hände in der schweren Masse ihrer schimmernden Haare und hob sie vom Nacken. Die Geste wirkte seltsam sinnlich. »Das war brandheiß.«

Lisa stieß einen Pfiff aus. »Brandheiß? Nicht nur heiß?«

Corinne schüttelte feierlich den Kopf. »Absolut brandheiß. Der Mann ist einfach mörderisch. Man sollte ihm verbieten, weiblichen Wesen nahe zu kommen.«

»Du hast mich überzeugt. Du warst doch eigentlich immer immun gegen Männer. Wenn er dich in Fahrt bringen kann, gehört er eindeutig hinter Schloss und Riegel.«

»Irgendwo, wo wir ihn besichtigen können«, schlug Corinne mit einem leisen Lächeln vor. Ein bezauberndes Grübchen tauchte kurz in ihrer Wange auf und verschwand gleich darauf wieder. Lisa fragte sich, wo es geblieben sein mochte.

»Du magst ihn.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Lisa wusste, dass sie mehr als gluckenhaft war, was Corinne anging. Aber ihre Schwägerin war schrecklich verletzlich. Ein Mann wie Dayan könnte sie leicht vollkommen aus der Bahn werfen. Er war gefährlich. Um das zu wissen, brauchte man ihn nur anzuschauen. Ein Musiker, ein Rockstar. Die Hälfte der weiblichen Bevölkerung war hinter ihm her. Aber da war irgendetwas an der Art, wie er Corinne anschaute …

»Ihn mögen?«, wiederholte Corinne nachdenklich. »Er scheint mir nicht der Typ Mann zu sein, den man einfach nur mag. Wenn ich in seiner Nähe bin, fühle ich mich in Sicherheit und gleichzeitig bedroht. Es ergibt keinen Sinn. Ich tue und sage Dinge, die völlig untypisch für mich sind. Und am seltsamsten ist, dass ich das Gefühl habe, ihn schon immer zu kennen und zu ihm zu gehören.« Sie holte tief Luft und gestand: »Und ich kann ihn nicht anschauen, ohne daran zu denken, mit ihm ins Bett zu gehen. Zuerst dachte ich, es liegt daran, dass ich seine Musik liebe. Seit ich auf diese alte Schallplatte gestoßen bin, sammle ich schließlich alles von den Dark Troubadours, was ich nur auftreiben kann. Vielleicht bin ich einfach in die Falle getappt, mein Idol ein bisschen zu sehr anzuhimmeln. Frauen passiert das ja leicht, vor allem wenn der betreffende Musiker noch dazu eine Art Halbgott ist. Aber ich habe eher den Eindruck, er ist eine helle Flamme, und ich bin die kleine Motte, die ihm zu nahe gekommen ist. So etwas nennt man Chemie. Ganz normale, hochexplosive Chemie.«

»Wirklich?« Lisas Stimme verriet ehrliches Interesse. Sie zog fragend eine Augenbraue hoch. »Spucks aus, Corinne. Reden wir hier von Sex?«

»Du hast ihn doch gesehen. Er trieft förmlich von Sexappeal. Ich bin noch nie einem Mann begegnet, der auch nur annähernd so wie er ist. Eigentlich habe ich immer geglaubt, nicht besonders wild auf Sex zu sein. Wir haben darüber geredet, weißt du noch?«

Lisa nickte gewichtig, während sie um eine Ecke flitzte und dabei nur um einen guten Zentimeter einen geparkten Wagen verfehlte. Corinne war Lisas Fahrweise so vertraut, dass sie nicht einmal mit der Wimper zuckte. Jemand hupte laut, und Lisa lächelte strahlend und winkte vergnügt, als sie ihm beim Abbiegen die Vorfahrt nahm.

»Ich dachte, es wäre wegen deiner Erfahrung beim ersten Mal«, antwortete Lisa vorsichtig, »damals mit John. Es war nicht leicht für dich.« Corinne war Lisa gegenüber immer aufrichtig gewesen, was ihr Zusammenleben mit John anging. Ihre Ehe hatte gut funktioniert, nur im Schlafzimmer nicht. Corinne gab sich die Schuld daran, weil sie annahm, von Natur aus kein großes Interesse an Sex zu haben.

»Es ist wohl wirklich diese Sache mit der Chemie, denn eins kannst du mir glauben, zwischen diesem Mann und mir besteht eine ziemlich starke Anziehungskraft. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gern mit ihm allein in einem Raum wäre«, überlegte Corinne laut, die selbst über ihre starke körperliche Reaktion auf Dayan schockiert war. »Vielleicht ist dir so etwas schon mal passiert, Lisa, doch für mich ist dieser Mann eine völlig neue und sehr beunruhigende Erfahrung. Er könnte jede Frau in null Komma nichts um den Finger wickeln.« Corinne seufzte und warf ihr Haar zurück. »Es macht mir Schuldgefühle wegen John.« Der Satz klang wie ein Geständnis.

Lisas Miene verfinsterte sich. »Sei nicht albern, Rina. John würde eine solche Bemerkung furchtbar finden. Er hat dich wahnsinnig geliebt, aber wir wissen beide, dass du ihn nicht genauso geliebt hast. Du hast ihn glücklich gemacht, das weißt du, und dafür danke ich dir von ganzem Herzen. Du warst immer für uns beide da.«

»Ich habe John geliebt«, entgegnete Corinne, »und er fehlt mir schrecklich.«

»Ich weiß, dass du ihn geliebt hast. So habe ich es nicht gemeint. Aber er wird nicht zurückkommen, und er würde sich wünschen, dass du glücklich wirst. Das weißt du doch.« Lisa lenkte den Wagen in die Einfahrt ihres Hauses. Mit ihrem ungewöhnlichen, eleganten und doch exotischen Aussehen hatte sie genug Geld verdient, um sich ein schönes Heim in einer teuren Wohngegend leisten zu können. Den beiden Frauen machte es manchmal schon Freude, ihr Zuhause einfach nur anzuschauen. »Ich weiß natürlich nicht, ob er mit Mr. Sexappeal einverstanden wäre. Worüber habt ihr zwei denn die ganze Zeit da draußen geredet, allein und im Dunkeln?«, zog Lisa sie auf.

»Über Babys«, platzte Corinne heraus, die auf einmal den Wunsch hatte, Lisa alles zu gestehen. Wie hatte sie etwas so Wichtiges einem Fremden vor ihrer geliebten Schwägerin erzählen können?

Etwas in Corinnes Stimme verriet Lisa, dass es sich nicht um einen Scherz handelte. Lisa erstarrte, und ihre Finger gefroren förmlich an den Autoschlüsseln, während sich ihre andere Hand um das Lenkrad krampfte. »Tut mir leid, ich dachte, du hättest etwas von Babys gesagt. Warum solltest du mit ihm über so ein Thema sprechen? Ich hoffe, du hast ihm klargemacht, dass Kinder für dich nicht zur Debatte stehen?« Lisas Stimme klang fast herausfordernd, und sie musterte Corinnes Figur, die in Jeans und einem weiten Oberteil steckte.

Corinne versuchte, den Vorwurf in Lisas Augen zu ignorieren. »Ich wusste es nicht, Lisa, das schwöre ich dir. An dem Morgen, als John ermordet wurde, haben wir miteinander geschlafen. Nach seinem Tod war alles so schrecklich, dass ich ein paar Monate nicht einmal klar denken konnte, bis mir auffiel, dass ich auffallend müde war, viel mehr als sonst. Ich hatte die ganze Zeit Blutungen, deshalb kam ich gar nicht auf die Idee, ich könnte schwanger sein. Aber dann ging es mir so schlecht, dass ich einen Arzt aufsuchte. Erinnerst du dich noch, dass ich eine Weile Bettruhe verordnet bekam?«

»Du bist schwanger? Du bist jetzt, in diesem Moment, schwanger?« Lisa schob Corinnes Hemd beiseite, um ihren Bauch anzuschauen. »Du müsstest im sechsten Monat sein, aber es ist nichts zu sehen.« Es war eine Anklage und eine flehentliche Bitte zugleich, obwohl sie die leichte Wölbung auf Corinnes sonst so flachem Bauch deutlich sehen konnte.

Corinne nahm die Hand ihrer Schwägerin in ihre. »Komm schon, Lisa, zusammen können wir es schaffen, so wie wir es immer geschafft haben.«

Lisa schüttelte abwehrend den Kopf. Tränen standen in ihren Augen. »Du kannst kein Baby bekommen. Die Ärzte haben gesagt, es sei unmöglich. Du hast verhütet. Ich weiß noch, wie fertig du warst, als man dir erklärte, ein Kind zu bekommen, wäre dein Todesurteil. John schwor, er würde dir nie erlauben, dieses Risiko einzugehen. Er hat es mir geschworen. Ich habe darauf bestanden.«

»Ich musste die empfängnisverhütenden Mittel vor etlichen Monaten absetzen. Wir haben Vorkehrungen getroffen, und wir waren immer vorsichtig.« In den letzten Monaten vor seinem Tod hatte John angefangen, sich darüber zu beklagen, dass er Kondome benutzen musste. Corinne vertrug weder die Pille noch die Drei-Monats-Spritze, und John lehnte alles andere ab, weil es »invasiv« war, wie er es nannte. »Es war nur dieses eine Mal. Ich hätte es besser wissen müssen, aber ich habe einfach nicht groß darüber nachgedacht.« John hatte wegen ihrer mangelnden Leidenschaft allmählich die Geduld verloren, und Corinne hatte es ihm nicht verübelt. Er hatte sich gewünscht, dass sie für ihn das Gleiche empfand wie er für sie. Wie sollte sie erklären, wie sehr es sie belastet hatte, dass sie sich zu John sexuell nicht so stark hingezogen gefühlt hatte, wie er es gebraucht hätte? Sie hatte John geliebt, sehr geliebt, das wusste sie, aber sie hatte die körperliche Seite ihrer Beziehung nie so sehr gebraucht wie er. An jenem Morgen hatte sie sich John zuliebe wirklich Mühe gegeben.

»Es war von euch beiden völlig verantwortungslos«, fuhr Lisa sie an. »Ich habe John gebeten, sich sterilisieren zu lassen, aber er wollte nicht, weil …« Sie verstummte.

»Weil er dachte, er würde später, nach meinem Tod, vielleicht Kinder mit einer anderen Frau bekommen«, beendete Corinne den Satz für sie. »Ich wollte, dass er glücklich wird.«

Lisas Finger schlossen sich krampfhaft um Corinnes Hand. »Was können wir tun? Kann man es noch … wegmachen?«

»Atme tief durch, Lisa«, empfahl Corinne ihr freundlich. »Das Baby ist kein Es. Wir sprechen von einem Kind. Von einem Teil von John.«

»Es ist mir egal, von wem es ein Teil ist. Dieses Baby wird dein Tod sein.«

»John und ich haben eine Tochter, Lisa. Sie ist ein atmendes, lebendes Kind, das sich bewegt und strampelt. Ein kleines Mädchen.« Ganz sanft versuchte Corinne, Lisas Hand auf ihren gewölbten Bauch zu legen.

Lisa riss sich los und stieß die Autotür auf, schoss mit einem Satz heraus und knallte laut die Tür zu, ein deutliches Anzeichen für ihre Stimmung.

Corinne seufzte, stieg aus und folgte ihr zum Haus. Als Lisa nach der Türklinke langte, legte Corinne sanft eine Hand auf ihre Schulter. »Ich weiß, dass du dich aufregst, Lisa. Ich hätte es dir gleich erzählen sollen, als der Arzt meine Vermutung bestätigte, aber ich war nicht sicher, das Baby überhaupt austragen zu können. Nach Johns furchtbarem Tod wollte ich dir nicht noch mehr Kummer bereiten. Das Ganze war ein Albtraum, ein grauenhafter Albtraum. Was für einen Sinn hätte es gehabt, dir noch mehr Sorgen aufzuhalsen? John war tot, ich war schwanger, und wir wissen beide, dass die Chancen auf eine normale Geburt schlecht stehen. Ich wollte dich nicht belasten.«

Lisa wirbelte herum. In ihren Augen spiegelte sich eine Mischung aus Schmerz, Angst und Zorn. »Du wolltest mir nicht sagen, was du die ganze Zeit gewusst hast. Du kannst dieses Kind nicht bekommen, weil du daran sterben wirst. Du wirst sterben, Corinne! Das ist der Punkt, und das war von vornherein klar. Ich dachte, du hättest dich mit der Tatsache abgefunden, dass du keine Kinder haben kannst. Du bist alles für mich, meine Familie, die einzige Familie, die ich habe. Wir haben für das Leben, das wir hatten, gekämpft, wir drei, aber als wir es endlich geschafft hatten, wurde John ermordet, und jetzt hast du vor, zu sterben und mich ganz allein zu lassen!«

Corinne schlang ihre Arme um Lisa und hielt sie ganz fest, bis die andere sich entspannte und an sie schmiegte. »Ich habe nicht vor zu sterben, Lisa, und selbst wenn es passiert, wirst du nicht allein sein, sondern einen Teil von John und mir haben.«