Durch Liebe verletzt, durch Liebe geheilt - J.J. Schurr - E-Book

Durch Liebe verletzt, durch Liebe geheilt E-Book

J.J. Schurr

5,0

Beschreibung

Evanna hat genug von Männern! Nach einer schrecklichen Beziehung schließt sie mit dem Thema ab und lebt ihr Leben im schottischen Hochland lieber allein. In ihrem Heimatort Achiltibuie besitzt sie ein kleines Cottage und arbeitet zusammen mit ihrem besten Freund Curr in dessen Pub. Eines Tages steht ein attraktiver Fremder namens Dave mitten in ihrem Wohnzimmer. Trotz eines seltsam aufwallenden Gefühls, bleibt Evanna auf Abstand. Was sie nicht weiß, sie hat Daves Interesse bereits geweckt. Eine gefühlvolle Liebesgeschichte!

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Seitenzahl: 275

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Dieses Buch widme ich einem ganz besonderen

Menschen, der in meinem Leben eine viel zu kurze

aber sehr wichtige Rolle gespielt hat.

Für meine Mutter, die leider nicht die Kraft und

den Mut besaß, sich gegen die Dämonen in ihrem

Leben zu wehren.

Du wirst immer einen Platz

in meinem Herzen haben!

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Epilog

KAPITEL 1

Müde wischte ich über den Tresen, dem sein Alter, anhand der Kratzer und Riefen in dem dunklen, gemaserten Holz, bereits anzusehen war. Wie üblich lag der Geruch von kaltem Zigarettenrauch und Alkohol in der Luft. Aus der Stereoanlage, die auf dem Regal über dem Tresen stand, trällerte leise Musik zu mir herüber. Meine Beine schmerzten vom langen Stehen und vielen Laufen. Selbst meine bequemen Laufschuhe, einer bekannten Sportmarke, konnten dies nicht verhindern. Zum Glück war der Abend nun zu Ende und die letzten Gäste gegangen. Sobald ich mit aufräumen fertig wäre, würde ich mich auf den Heimweg begeben, um mir endlich meinen wohlverdienten Schlaf zu gönnen. Ich schnappte mir mein rundes Tablett, auf dem die letzten leeren Gläser und vollen Aschenbecher standen, und trug sie zur Spüle. Nach und nach versenkte ich die Gläser in dem angenehm warmen Spülwasser, auf dem weißer Seifenschaum trieb, schrubbte sie mit einer runden Spülbürste sauber und stellte sie neben mir auf der Abtropffläche ab.

„Willst du nicht nach Hause gehen? Es ist schon spät und der Abend war lang und anstrengend. Den Rest schaffe ich auch alleine“, meinte Curr, als er neben mich trat, nach dem blau-weiß karierten Geschirrtuch griff und die Gläser abzutrocknen begann, um sie dann wieder auf ihren Platz im Regal zu stellen, das hinter uns an der Wand hing.

„Unsinn, ich bleibe und helfe dir bis alles erledigt ist. Schließlich bist du ein alter Mann, der sich nicht überarbeiten sollte“, gab ich kess zurück, was mir einen Hieb mit dem Geschirrtuch einbrachte, welches meinen Hintern mit einem schnalzenden Geräusch traf.

Ich schrie auf und lachte.

„Du bist ganz schön frech!“, tadelte er mich mit gespielter Empörung. „So alt bin ich noch lange nicht, als dass ich es mit dir jungem Küken nicht aufnehmen könnte oder meine Arbeit nicht schaffen würde.“

Curr hatte gar nicht mal so Unrecht, denn für seine neunundfünfzig Jahre sah er noch richtig flott aus. Seine rotblonden, kurzen Haare zeigten nicht mal eine Spur von Grau. Selbst sein Dreitagebart war bis jetzt von den grauen Anzeichen des Alters verschont geblieben. Auch seine Haut wirkte wesentlich jünger. Nur wenn er lachte zeigten sich um seine moosgrünen Augen und die Mundwinkel kleine Fältchen, die ihn jedoch sympathisch und nicht alt wirken ließen. Zusätzlich war er schlank und groß gewachsen, wodurch man ihn im Gesamtbild wesentlich jünger schätzte als er tatsächlich war. Seine lässige Kleidung, welche immer aus einer Jeans und einem Flanellhemd bestand, unterstrich dieses Erscheinungsbild.

„Du gehst immerhin mit schnellen Schritten auf die Sechzig zu“, erinnerte ich ihn und spritzte ihn als Retourkutsche für seinen Hieb mit Spülwasser nass.

Curr prustete einen Moment überrascht auf, weil ihn das Wasser direkt im Gesicht traf, und wischte es dann grinsend an seinem Ärmel ab.

„Danke, dass du mich daran erinnerst. Aber ich darf dich darauf hinweisen, dass man nur so alt ist wie man sich fühlt. In meinem Fall wäre ich dann gerade mal vierzig. Von meinem guten Aussehen mal ganz abgesehen“, prahlte er selbstbewusst und griff nach dem nächsten Glas.

„Genau, du hast an jeder Hand mindestens fünf Frauen die hinter dir her sind und sich deinem guten Aussehen und deiner sexuellen Anziehungskraft nicht entziehen können“, gab ich mit einem Lachen zurück.

„Du weißt doch, Evanna, für mich gibt es nur eine Frau, die in meinem Leben und Herzen einen wichtigen Platz eingenommen hat, und das bist du.“ Mit diesen Worten legte er den Arm um mich und drückte mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Schläfe.

„Ich weiß, Curr! Und ich weiß deine Freundschaft auch zu schätzen“, gab ich zu und lehnte mich einen Moment an ihn, „aber du solltest nicht dein ganzes Leben diesem Pub widmen. Willst du denn wirklich irgendwann als einsamer Junggeselle sterben? Du wirst auch nicht mehr jünger und du hast eine Partnerin an deiner Seite verdient, die dich liebt und umsorgt. Ich kenne dich schon mein ganzes Leben und kann mich nicht daran erinnern, dass du je eine Frau hattest.“

„Doch, die hatte ich. Mit zwanzig war ich einmal mit einer Frau zusammen. Die Beziehung hielt ganze vier Jahre, dann hat es leider nicht mehr gepasst und wir haben uns im beidseitigem Einverständnis getrennt“, erzählte er.

„Super, das ist schon so viele Jahrzehnte her. Damals war ich noch nicht mal auf der Welt. Du musst dich doch einsam fühlen, so ganz ohne Frau?“

„Nein, Süße, wirklich nicht! Ich habe dich, das Pub und all die Leute die jeden Tag hierherkommen. Ich fühle mich wirklich nicht einsam. Ich bin einfach nicht der Beziehungstyp und werde es auch nie sein. Glaube mir, ich habe es mehr als einmal versucht. In gewisser Weise bin ich wohl tatsächlich mit meinem Pub verheiratet. Aber danke, dass du dich um mich sorgst“, versicherte er mir, ließ mich aus seiner Umarmung frei und stellte das saubere Glas, das er noch immer in der Hand hielt, zurück ins Regal. „Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt Feierabend machen? Die letzten paar Gläser können wir auch morgen noch spülen. Und die Aschenbecher laufen uns auch nicht davon. Du siehst mindestens so müde aus wie ich mich fühle. Wir sehnen uns beide eine ordentliche Mütze Schlaf herbei. Meinst du nicht auch?“, schlug er vor und sah mich fragend an.

„Ehrlich gesagt, ja. Dieser Vorschlag klingt sehr verlockend. Ich kann mein Bett schon bis hierher nach mir rufen hören“, gestand ich und musste ein Gähnen unterdrücken.

Curr warf das Geschirrtuch auf die Arbeitsfläche und lief durch eine schmale Tür, die gleich neben dem Tresen lag, nach hinten ins Büro. Ich ließ das Wasser aus der Spüle, trocknete meine Hände ab und folgte ihm.

Das winzige Büro bestand nur aus einem alten, kunststoffbeschichteten Küchentisch und vier Holzstühlen. Der Tisch war vollgestapelt mit Ordnern und Unterlagen, weil er von Curr ständig als Schreibtisch missbraucht wurde. Gleichzeitig diente das Büro als Rückzugsort, wenn man eine kurze Verschnaufpause von der Arbeit im Pub brauchte. Die Wände waren vor langer Zeit einmal weiß gestrichen worden. Doch durch den vielen Zigarettenrauch hatten sie einen gelblichen Farbton angenommen. Der alte Holzboden war an manchen Stellen abgetreten und knarzte unter meinen Schritten.

Curr hielt mir meine schwarze Jacke hin, die über einem der Stühle gehangen hatte, sodass ich direkt hineinschlüpfen konnte. Ich fädelte den Reißverschluss ein und zog ihn bis unter mein Kinn zu.

Gemeinsam liefen wir in Richtung Eingangstür. Das Pub war nicht besonders groß und schon sehr alt. Curr führte es in dritter Generation und trotz den Spuren des Alters wirkte es warm und gemütlich. Die Wände waren alle halbhoch mit dunklem Holz vertäfelt. Oberhalb davon hingen Metallschilder mit Getränkewerbung. Im ganzen Raum standen dunkle, viereckige Holztische mit passenden Stühlen, die mit kleinen dunkelgrünen Stuhlkissen versehen waren. Von der Decke hingen einfache kleine Lampen mit grünen Lampenschirmen aus Glas, die den Raum in ein angenehmes Licht hüllten. An der hintersten Wand war ein großer Plasmafernseher angebracht, der grundsätzlich lief, wenn ein sportliches Ereignis übertragen wurde. Currs Pub war das einzige in Achiltibuie und daher jeden Abend geöffnet. Der Ort bestand gerade einmal aus dreihundert Einwohnern. Doch diese liebten das Pub und nutzten es jeden Abend als Treffpunkt. Hier wurde der aktuelle Klatsch und Tratsch ausgetauscht, einfach nur getrunken und Karten gespielt oder man sah sich gemeinsam ein Fußballspiel an so, wie an diesem Abend. Dann war das Pub immer besonders gut besucht. Zudem wurde es grundsätzlich extrem spät, bis die letzten Gäste den Weg nach Hause gefunden hatten und Curr schließen konnte.

Zum Abschied umarmte ich Curr wie ich es jeden Abend tat und wünschte ihm eine gute Nacht. Ich lief durch die dunkelgrün lackierte Tür nach draußen und atmete die frische, kühle Seeluft ein, die mir entgegenschlug. Curr schloss hinter mir die Tür. Ich hörte noch das leise Klicken, als er sie von innen verriegelte.

Ich lebte gerne hier draußen in Achiltibuie. Ich war hier geboren worden, aufgewachsen und hatte außer einem knappen Jahr, in dem ich für einen Mann in Edinburgh gelebt hatte, was ich bitter bereute, mein ganzes Leben hier verbracht. Auch meine Eltern lebten hier. Jeder kannte jeden und alles in allem war das Leben hier sehr idyllisch. Das Land war ursprünglich und friedlich. So, als hätte Gott dieses Stückchen Erde eben erst erschaffen.

Langsam ging ich den Weg des mit grünen Gras überzogenen Hügels hinauf, auf mein Cottage zu. Der Wind war kalt und zerrte unerbittlich an meinen blauschwarzen, langen Haaren. Im Frühling waren die Nächte in den Highlands noch sehr frisch. Wenn ich nach draußen und die Nacht durchqueren musste, fror ich in der Regel noch schneller als sonst. Vor allem, wenn ich so müde war wie heute. Fröstelnd kramte ich in meiner Jackentasche nach meinem Schlüssel und war froh, dass mein Nachhauseweg nur fünfhundert Meter betrug. Mit zittrigen Händen schob ich den Schlüssel in das Schlüsselloch, öffnete die weiße Haustür des kleinen Natursteinhauses und huschte hinein. Müde stieg ich aus meinen Schuhen und tapste durch die Küche, in der man stand, wenn man durch die Haustür trat. Einen Hausflur gab es in dem kleinen Häuschen nicht. Ich machte mir nicht einmal die Mühe das Licht anzuknipsen, sondern bahnte mir meinen Weg im Licht des Mondes, das durch die Fenster fiel.

Mein Cottage war nicht besonders groß. Ich hatte es von meiner Großmutter geerbt, als sie vor ungefähr zwei Jahren starb. Erst nachdem ich aus Edinburgh geflüchtet und in meine Heimat zurückgekehrt war, zog ich hier ein.

Ich erreichte mein Wohnzimmer, in dessen hinterem Teil die schmale, steile Holztreppe lag, die in die beiden oberen Räume führte. Meinem Bad stattete ich nur einen kurzen Besuch für eine Katzenwäsche ab, bevor ich mich aus meiner Kleidung schälte, sie achtlos auf den alten Dielenboden des Schlafzimmers fallen ließ, in meinen Pyjama schlüpfte und völlig fertig unter meine flauschige Bettdecke kroch. Durch den Mondschein zeichneten sich Schatten an der Zimmerdecke ab, die von dem alten Birnenbaum stammten, der hinter meinem kleinen Haus auf der Wiese stand. Durch die Bewegung des Windes, der durch die Äste blies, sah es so aus, als würden die Schatten der Blätter über mir an der Decke tanzen. Während ich dem Schauspiel fasziniert zusah, wurden meine Augenlider immer schwerer und ich schlief schließlich ein.

Schwerfällig blinzelte ich den ersten Sonnenstrahlen an diesem wunderschönen Morgen entgegen, die durch mein Schlafzimmerfenster schienen und mich sanft weckten. Genüsslich reckte und streckte ich mich, schwang meine Beine aus dem Bett und beschloss mir zuallererst eine heiße Dusche zu gönnen. Leider folgte die herbe Ernüchterung, als ich im Bad frustriert feststellte, dass es kein heißes Wasser gab. Vermutlich war der Boiler wieder einmal ausgefallen, was in der letzten Zeit immer öfter vorkam.

Das Haus meiner Großmutter war schon sehr alt und es war viele Jahre lang nichts daran erneuert worden. Ich hatte zwar in Eigenregie begonnen das kleine Häuschen zu renovieren, doch das bedurfte mehr Zeit und Geld als ich geahnt hatte. Darüber hinaus stand ich jeden Abend ab fünf Uhr zusammen mit Curr im Pub. Und das sieben Tage die Woche. Nicht, dass ich zwingend die ganze Woche für ihn arbeiten musste, doch Curr war mir ein guter Freund geworden und ich arbeitete gerne für ihn. Zudem konnte ich das zusätzliche Geld für die Renovierung des Hauses gut gebrauchen.

Da ich meine Dusche fürs Erste vergessen konnte, wusch ich mich kurz und zog mir eine alte Jeans und ein enges, blaues, langärmliges Shirt an. Entschlossen lief ich nach unten, bereitete in der Küche die Kaffeemaschine vor, die mit einem zufriedenen Gluckern begann den Kaffee aufzubrühen, und schlüpfte in meine Schuhe, die vom Vorabend immer noch an derselben Stelle standen. Ich öffnete die Haustür und lief nach draußen, um nach dem Boiler zu sehen. Dieser befand sich in einem kleinen Anbau neben dem Cottage, der nur von außen zugänglich war. Die Haustür ließ ich offenstehen, damit die frische Frühlingsluft ungehindert ins Haus strömen konnte. Der starke Wind von letzter Nacht war einem lauen Frühlingslüftchen gewichen. Warm schien die Sonne auf mich herab. Gierig reckten sich die Tulpen, deren Zwiebeln ich im letzten Herbst in der Erde vor meinem Häuschen vergraben hatte, der Sonne entgegen. Und auch die Rosen, die zwischen dem Lavendel in meinem kleinen Vorgarten standen, fingen an auszutreiben.

Glücklich ging ich über den gepflasterten Weg auf den kleinen Anbau zu und spürte eine gewisse innere Zufriedenheit in mir. Ich fühlte mich hier zu Hause und geborgen. Auch wenn ich noch ein paar Dinge zu tun hatte, um dem Cottage neues Leben einzuhauchen, so konnte ich es zumindest mein Eigen nennen. Vor dem Winter hatte ich es von außen wiederhergerichtet, indem ich die Fenster und Fensterläden abgeschliffen und mit einer neuen Schicht weißem Lack überzogen hatte. Ein Dachdecker hatte sich um das Dach gekümmert und tauschte die kaputten Ziegel gegen neue aus. Zum Glück war das Holz darunter noch in einem guten Zustand gewesen, wodurch ich recht günstig weggekommen war. Über die Wintermonate begann ich mit dem Innenbereich. Zuerst ersetzte ich die alten Fronten der Küche durch neue elfenbeinfarbene und ließ mir von dem ortsansässigen Schreiner eine neue Arbeitsplatte aus dunklem Massivholz anbringen. Den alten Dielenboden hatte ich zuvor abgeschliffen und neu versiegelt. Die Wände bekamen einen frischen Anstrich in Gletscherblau. Viele Dinge meiner Großmutter waren verschlissen und abgenutzt gewesen, weshalb ich sie entsorgen musste. Doch ein paar Möbel waren durchaus noch zu gebrauchen. Wie zum Beispiel der massive, dunkle Esstisch mit den Stühlen, der seinen Platz an der Wand gegenüber der Küchenzeile bekommen hatte.

Inzwischen stand ich vor dem Boiler, der mich schweigend anzustarren schien. Wie schon so oft, war die Heizflamme ausgefallen, was auch der Grund dafür war, dass ich kein heißes Wasser hatte. Warum das ständig passierte wusste ich nicht. Doch ein Fachmann oder ein neuer Boiler würde wieder einiges an Geld kosten. Solange ich den alten noch alleine zum Laufen brachte, würde ich mir das sparen. Nach einigen Versuchen bekam ich die Flamme wieder zum Brennen. Ich schloss mit einem zufriedenen Lächeln die Wartungsklappe und die alte Brettertür des Anbaus und lief wieder nach drinnen.

In meiner Küche gönnte ich mir erst einmal eine heiße Tasse Kaffee und legte mir einen Plan für den heutigen Tag zurecht. Im Moment war ich dabei das Wohnzimmer zu renovieren. Den Boden hatte ich bereits neu aufgearbeitet. Auch die Decke erstrahlte in neuem Weiß. Nun musste ich die Wände tapezieren, wofür ich eine florale Tapete ausgewählt hatte. Das würde ich heute in Angriff nehmen, denn im Augenblick standen alle Möbel, die mit einer Plane abgedeckt waren, auf einem Haufen in der Mitte des Raumes. Ich wollte das Wohnzimmer endlich wieder nutzen können, daher hatte das für mich oberste Priorität.

Voller Tatendrang stellte ich meine leere Kaffeetasse in das Spülbecken und lief nach draußen, hinter mein kleines Häuschen. Dort holte ich aus dem kleinen Holzschuppen, der auf der Wiese stand, den Tapeziertisch und das dazugehörige Werkzeug, das ich für meinen heutigen Arbeitseinsatz benötigen würde. Ich hatte noch einige Stunden Zeit, bevor ich wieder ins Pub müsste. Wenn ich mich ranhielt und bei meinem Projekt nichts schief ging, würde ich heute ein ganzes Stück vorankommen und die Umsetzung meines Traums von einem gemütlichen Wohnzimmers endlich Wirklichkeit werden lassen.

KAPITEL 2

Musik schallte aus dem kleinen Cottage auf dem Hügel, als Dave den angedeuteten Weg entlanglief. Seinen Wagen hatte er an der Straße abgestellt und die letzten Meter über den geschotterten Weg zu Fuß angetreten. Eigentlich müsste er laut der Wegbeschreibung, die er sich vor seiner Abreise aus dem Internet ausgedruckt hatte, hier genau richtig sein. Doch das Cottage sah alles andere als verlassen aus. Es machte, von der Musik mal ganz abgesehen, einen sehr gepflegten und durchaus bewohnten Eindruck.

Dave war von einem Kunden aus Inverness hierhergeschickt worden. Dieser hatte ihn gebeten, den Verbleib der verstorbenen Mutter genauer in Augenschein zu nehmen und eine detaillierte Auflistung der Gegenstände zu machen, die auf dem hiesigen Antiquitätenmarkt noch etwas einbringen würden. Dave war für seine gute Arbeit als Antiquitätenhändler und sein bemerkenswertes Fachwissen bekannt. Er hatte einen sehr guten Ruf, wurde von seinen Kunden geschätzt und immer wieder weiterempfohlen. Deshalb wurde er oft quer durch Schottland geschickt, um sich Antiquitäten anzusehen und deren Wert zu bestimmen. In einigen Fällen kümmerte er sich auch um den Verkauf beziehungsweise um die Versteigerung der angebotenen Dinge.

Dave liebte seinen Beruf. Er mochte alte Möbel und Gegenstände, die eine Geschichte erzählten und aus einer Zeit stammten, in der die Menschen noch völlig anders gelebt hatten als heute. Damals bestand der Alltag nicht aus Handys und Computern, sondern man betrieb noch echte Konversation. Man ging auf pompöse Bälle, um eine Frau kennenzulernen und ihr den Hof zu machen, und nicht ins World Wide Web auf eine Dating Seite. Selbst hatte er oft das Gefühl, ins falsche Zeitalter hineingeboren worden zu sein, da er ein Mann der alten Schule war. Das man sich schon bei der ersten Begegnung küsste oder beim ersten Date miteinander schlief war für ihn völlig unverständlich. Er musste sich seiner Gefühle erst ganz sicher sein, bevor er begann Zärtlichkeiten auszutauschen. Von Oberflächlichkeit und One-Night-Stands hielt er rein gar nichts.

Auch Gegenstände hatten in der Vergangenheit noch einen ganz anderen Wert, was heute leider nicht mehr der Fall war, weil wir immer mehr zu einer Wegwerfgesellschaft mutierten. Heutzutage gab es nur noch wenige Leute, die Interesse an hochwertigen Dingen mit Liebe zum Detail besaßen. Zudem war kaum noch jemand bereit einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen. Meistens waren es nur noch Sammler und Kunstliebhaber, die sich dessen bewusst waren. Solche Menschen erkannten den tatsächlichen Wert einer Antiquität, schätzten diesen und taten sie nicht als alten Ramsch ab.

An der offenstehenden Haustür des kleinen Cottage stoppte er und spähte in das Innere des Hauses. In der Küche war niemand zu sehen. „Hallo, ist jemand zu Hause?“, rief Dave gegen die Musik an, doch niemand reagierte. Langsam betrat er den Raum und blieb erstaunt an der antiken Esstischgarnitur stehen, die eindeutig aus der Biedermeierzeit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stammte. Ehrfürchtig strich er über eine der Stuhllehnen, bevor er seinen Weg weiter fortsetzte. Ein seltsamer Geruch lag in der Luft, den er nicht zuzuordnen vermochte. Als Dave um die Ecke in den nächsten Raum bog staunte er nicht schlecht. Nun war ihm auch klar, woher dieser ungewöhnliche Geruch stammte. Es war der eigenartige Duft nach Tapetenkleister. Auf einem alten Holzschemel balancierte eine junge Frau und kämpfte sich damit ab, eine Tapete mit Kleister an die Wand zu kleben. Das Problem dabei war, dass der Schemel nicht sonderlich hoch war. Die junge Frau kam nur mit viel Mühe und indem sie sich auf Zehenspitzen in die Höhe streckte an den obersten Bereich der Wand. Durch ihre akrobatische Leistung, konnte Dave einen Streifen Haut in der Höhe ihrer Taille sehen, der verführerisch unter dem blauen Shirt hervor blitzte. Bei diesem Anblick zuckte es in seinen Fingern. Er verspürte das plötzliche Bedürfnis seine Hand darüber gleiten zu lassen, um zu testen, ob ihre Haut wirklich so weich war wie sie auf den ersten Blick schien. Verwirrt über sich selbst schüttelte er den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Aus einem Radio dröhnte ein Pop-Hit zu dessen Rhythmus sie aufreizend ihre Hüfte wiegte. Dave ertappte sich dabei, wie er ihr gebannt dabei zusah und auf ihren kleinen, knackigen Po starrte, der in einer engen und tief sitzenden Jeans steckte. Wieder ermahnte er sich im Stillen selbst. So war er doch sonst auch nicht. Verflixt, was war heute nur los mit ihm. Er verdrängte seine unerklärlichen Gedanken, um erneut auf sich aufmerksam zu machen.

„Hallo! Tut mir leid, wenn…“, weiter kam er nicht, denn die junge Frau erschreckte sich so sehr, dass sie die Balance verlor, der Schemel kippte und sie nach hinten fiel. Dave machte einen Satz nach vorn, streckte die Arme aus und fing sie ab, bevor sie eine unsanfte Bekanntschaft mit dem Fußboden machen konnte.

„Nun muss ich mich gleich zweimal bei Ihnen entschuldigen. Zum einen, weil ich einfach hier hereinspaziert bin und zum anderen, weil ich Sie auch noch erschreckt habe. Doch die Musik ist so laut, sodass Sie mich nicht gehört haben“, begann er ihr über die Musik hinwegschreiend zu erklären.

Erst jetzt rappelte sie sich auf, strich sich die Haare aus dem Gesicht, stellte das Radio leiser und drehte sich zu ihm um. Dave verschlug es die Sprache. Das war das Gesicht eines Engels. Ihre Züge waren unglaublich feminin. Ihre grauen Augen waren mit kleinen blauen Sprenglern durchsetzt, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Sie wurden von einem dunklen, dichten Kranz aus schwarzen Wimpern gesäumt. Ihre Nase war klein, die Wangen rosig und ihre Lippen voll und gerötet, weil sie nervös darauf herumkaute. Ihr Haar glänzte in der Sonne, die durch das Fenster schien, wie die Federn eines Raben. Sie war fast einen ganzen Kopf kleiner als er und sah verwirrt und mit großen Augen zu ihm auf.

♥♥♥

Ich sah meinen Retter nervös an. Diesen blonden Mann hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Er war definitiv nicht aus Achiltibuie. Es lag ein freundliches Lächeln auf seinen Lippen, wodurch kleine Grübchen an den Wangen sichtbar wurden. Seine blauen Augen, die mich an das Meer erinnerten, sahen entschuldigend auf mich herab und zeigten eine Spur von Reue.

„Wer sind Sie und was machen Sie in meinem Haus?“, wollte ich von ihm wissen, nachdem ich mich von meinem ersten Schreck erholt hatte.

„Mein Name ist Dave Campbell und ich bin auf der Suche nach dem Haus von Mrs. McIntosh. Laut meiner Wegbeschreibung sollte es hier sein, aber ich befürchte, ich bin falsch abgebogen“, erklärte er und reichte mir die Hand.

Da meine Hände mit Kleister verschmiert waren, wischte ich sie an meiner Hose ab und erwiderte die Geste.

„Freut mich Sie kennenzulernen. Ich bin Evanna Stewart“, stellte ich mich ebenso vor. „Ja, das sind Sie tatsächlich. Das Cottage von Mrs. McIntosh ist genau auf der anderen Seite des Ortes. Doch Sie werden sie nicht antreffen, denn sie wurde vor wenigen Wochen beerdigt.“

„Ich weiß! Ihr Sohn schickt mich, um nach den Hinterlassenschaften zu sehen.“

„Errol, dieser elende Geldgeier. Nicht einmal zu ihrer Beerdigung hat er den Anstand besessen hier aufzukreuzen. Aber wenn es um sein Erbe geht taucht er urplötzlich aus der Versenkung auf. Das sieht ihm ähnlich“, antwortete ich verärgert.

Die alte Mrs. McIntosh war eine so nette alte Dame gewesen. Ich hatte sie mein ganzes Leben gekannt. Als junges Mädchen hatte ich ihr ab und zu geholfen im Herbst die Blätter wegzukehren oder im Winter den Schnee zur Seite zu schippen. Sie hatte mich immer gelobt, was für ein liebes und hilfsbereites Mädchen ich wäre und mich für meine Hilfe mit Schokolade belohnt. Ich mochte Mrs. McIntosh und mir fehlte die untersetzte, alte Frau mit den grauen Haaren, die immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt hatte, sehr. Vor ungefähr zwei Monaten brach sie eines morgens auf offener Straße einfach zusammen. Sie war auf dem Weg in den kleinen, ortsansässigen Laden gewesen, um dort einzukaufen, als es unvorhergesehen passierte. Ihr Herz war von jetzt auf gleich stehen geblieben und so starb sie einen schnellen und schmerzlosen Tod, wie man sich es wohl mit neunundachtzig Jahren nicht anders hätte wünschen können. Unser Arzt Dr. Smith konnte leider nur noch ihren Tod feststellen.

Ihr Sohn Errol war vor über drei Jahrzehnten nach Inverness gezogen, um dort Karriere zu machen. Immer mehr junge Leute zog es weg von den kleinen Küstendörfern, um sich in den großen Städten zu verwirklichen. Errol hatte nach der Schule studiert und wurde Rechtsanwalt. Er hatte sich immer seltener bei seiner Mutter sehen lassen und sich zum Schluss gar nicht mehr um sie gekümmert. Doch jetzt, wo es was zu holen gab, tauchte er plötzlich auf. Das war so typisch für ihn!

„Tut mir wirklich sehr leid um Mrs. McIntosh und ich kann Sie durchaus verstehen, doch ich mache nur meinen Job“, beschwichtigte mich Mr. Campbell.

Ich stieß einen Seufzer aus und meinte: „Ich weiß! Das ging auch nicht gegen Sie. Entschuldigen Sie, wenn es falsch rüberkam.“

Ich bückte mich nach der Tapete, die immer noch eingekleistert auf dem Boden lag und darauf wartete Freundschaft mit der Wand zu schließen.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen“, rief Mr. Campbell, als ich für einen zweiten Versuch meinen Schemel wieder an seinen Platz stellte. Er eilte an meine Seite. „Geben Sie her, bevor Sie sich noch ernsthaft verletzen“, piesackte er mich mit einem Grinsen im Gesicht, nahm mir die Tapete aus der Hand und schob den Schemel mit dem Fuß beiseite.

„Hey!“, protestierte ich. „Hätten Sie mich nicht so erschreckt, wäre das überhaupt nicht passiert. Zudem ist das nicht die erste Tapete, die ich an die Wand klebe“, stellte ich klar und nickte mit dem Kopf in die Richtung der bereits angebrachten Bahnen.

„Das mag sein, aber ich denke, ich komme doch einfacher dran als Sie es tun. Da ich zudem nicht unter Zeitdruck stehe, übernehme ich das gerne für Sie. Sehen Sie es als Wiedergutmachung dafür, dass ich Sie erschreckt habe“, entgegnete er.

Widerwillig ließ ich ihn gewähren und trat einen Schritt zurück, damit er Platz hatte. Erst jetzt viel mir auf wie gut er gebaut war. Unter seinem langärmligen Shirt zeichneten sich bei jeder Bewegung seine Muskeln ab. Seine Haut hatte die Farbe von Karamell und sein knackiger Hintern steckte in einer ausgewaschenen Jeans.

„Würden Sie mir bitte kurz die Bürste zum glätten reichen“, riss er mich aus meinen Gedanken, über die ich mich selbst wunderte, und streckte seine leere Hand auffordernd in meine Richtung.

„Natürlich!“, antwortete ich, griff nach der Bürste, die auf der Fensterbank neben dem Radio lag, und reichte sie ihm. Über seine Schulter hinweg, sah ich ihm bei der Arbeit zu und musste feststellen, wie unglaublich geschickt und schnell er war. Man könnte meinen, dass er öfters Tapeten an die Wand klebte. Plötzlich drehte er sich um und stand mir so dicht gegenüber, dass sich unsere Körper berührten.

♥♥♥

Dave hatte das Gefühl, als würde er an all den Stellen, an denen er Kontakt zu der jungen Frau hatte, verbrennen. Der Duft von wildem Jasmin, der eindeutig von ihr ausging, stieg ihm in die Nase. Sein Herz schlug mit einem Mal viel schneller als Sekunden zuvor. Es schien ihm unmöglich, den Blick von dieser wunderschönen Frau abzuwenden. Als hätte sie ihn mit einem Zauber belegt. Ohne sich dessen richtig bewusst zu sein starrte er sie an, hob seine Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Für einen Augenblick sahen sie sich schweigend an, als unvorbereitet ihr Telefon klingelte und sie beide aufschreckten.

♥♥♥

Im Stillen dankte ich dem Telefon dafür, dass es diese seltsame Situation unterbrach, die ich mir nicht zu erklären vermochte. Dieser Dave Campbell war ein völlig fremder Mann für mich. Trotzdem hatte ich für einen Augenblick das Gefühl gehabt, eine Verbindung zwischen uns zu spüren. Als würde er mich auf magische Weise anziehen. Ich schüttelte meinen Kopf, während ich in die Küche eilte, wo mein Telefon an der Wand hing, um den Anruf entgegenzunehmen. Was immer ich geglaubt hatte zu spüren, war sowieso irrrelevant. Ich besaß kein Interesse an einem Mann. Mein Pensum an negativen Erfahrungen in Sachen Beziehungen war für ein ganzes Leben gedeckt. Nie wieder würde ich einen Mann so nahe an mich herankommen lassen, dass er mich oder meine Gefühle verletzen konnte. Das hatte ich mir hoch und heilig geschworen, nachdem ich aus Edinburgh geflüchtet war und meinen Ex-Freund verlassen hatte. Etwa ein Jahr verschwendete ich an diesen Mistkerl und ließ mich damals immer wieder von ihm einlullen, in der Hoffnung, er würde sich ändern. Ohne ein Wort war ich abgehauen, nachdem ich herausfand, dass er mich mal wieder belogen hatte und gerade mit einigen seiner unzähligen Schlampen zu Gange war. Ich packte meine Sachen, bis nichts mehr in mein Auto passte und fuhr auf nimmer Wiedersehn davon. Meine Eltern hatten mich mit offenen Armen empfangen. Doch am meisten hatte mich Curr aufgefangen. Er war für mich da gewesen, hatte mir sofort meinen alten Job angeboten und ich konnte mich Tag und Nacht bei ihm ausheulen. Er war mir ein toller Freund geworden - eigentlich mein bester - und dafür war ich ihm sehr dankbar. Doch auch das änderte nichts daran, dass ich die Nase von Beziehungen gestrichen voll hatte. Recht schnell begann ich, um mein Herz eine dicke Mauer zu ziehen, um es vor weiteren Angriffen zu schützen.

Ich nahm den Hörer ab und meldete mich.

„Evanna Stewart.“

„Hallo, mein Schatz“, meldete sich meine Mutter am andern Ende der Leitung.

„Hallo, Mom! Was gibt es?“, erkundigte ich mich.

„Ich wollte dich fragen, ob du nachher auf eine Tasse Kaffee vorbeischauen möchtest? Ich habe deinen Lieblingskuchen gebacken“, bot sie mir an.

„Schokoladenkuchen!“, schwärmte ich. „Ich würde sehr gerne, aber ich bin gerade am Tapezieren und muss nachher ins Pub.“

„Schade! Dann schicke ich deinen Vater später auf einen Schlummertrunk im Pub vorbei. Er soll dir dann was von dem Kuchen mitbringen“, entschied meine Mutter.

„Danke, das ist wirklich lieb von dir“, bedankte ich mich.

„Dann lass es dir schmecken und komm uns die Tage mal besuchen.“

„Das mache ich. Bis dann, Mom.“

„Bis dann, mein Schatz.“

Ich legte auf und suhlte mich schon in der Vorfreude auf den berühmt-berüchtigten Schokoladenkuchen meiner Mutter, als mir einfiel, dass ich immer noch einen fremden Mann im Haus hatte. Entschlossen, ihn jetzt loszuwerden, wandte ich mich ihm zu. Er stand immer noch in meinem Wohnzimmer und sah mich lächelnd an. Verflixt, warum sah dieser Kerl eigentlich so verboten gut aus, dachte ich verärgert. Sowas sollte verboten werden. Schließlich war es nur die äußere Fassade und man wusste nie, was unter dieser verführerischen Hülle lag. Es war wie mit dem vergifteten Apfel bei Schneewittchen. Von außen sah er unwiderstehlich aus und doch war er vergiftet gewesen.

„Danke, dass Sie mir geholfen haben, aber ich muss Sie jetzt bitten zu gehen. Ich will hier fertig werden und muss in zwei Stunden zur Arbeit“, bat ich ihn höflich.

„Gern geschehen! Können Sie mir vielleicht noch sagen, ob es hier im Ort ein Zimmer gibt, das man für ein paar Nächte mieten kann?“

„Curr hat in seinem Pub ein Gästezimmer. Es ist gerade frei. Dort können Sie sich sicher einmieten. Das Pub befindet sich an der Hauptstraße, fünfhundert Meter von hier entfernt und ist eigentlich nicht zu übersehen“, erklärte ich ihm. „Wenn Sie möchten, werde ich Curr sagen, dass Sie kommen, damit er das Zimmer vorbereiten kann“, schlug ich ihm vor.

„Das wäre sehr nett von Ihnen. Ich gehe dann mal stark davon aus, dass dieses Pub auch das ist, in welches Sie sich nachher begeben“, mutmaßte er.

„Woher wissen Sie das?“, meinte ich verdutzt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Sie hatten es am Telefon erwähnt“, erinnerte er mich.

„Stimmt! Ja, ich arbeite im Pub und Curr ist mein Chef.“

Ein zufriedenes Lächeln huschte über Mr. Campbells Gesicht, als er erwiderte: „Das freut mich zu hören. Dann sehe ich Sie später, Mrs. Stewart“, und genauso schnell wie er aufgetaucht war, rauschte er an mir vorbei und war wieder verschwunden, ohne dass ich noch was hätte erwidern können.

Ich beschloss noch die letzten drei zugeschnittenen Tapeten an die Wand zu kleben und es dann für heute gut sein zu lassen, um mir endlich meine wohlverdiente heiße Dusche zu gönnen. Ich würde heute ja doch nicht ganz fertig werden und viel Zeit, um mich für die Arbeit fertig zu machen, blieb mir auch nicht mehr. Deshalb machte ich mich wieder ans Werk. Nur, dass ich das Radio dieses Mal etwas leiser stellte, weil ich keine Lust hatte noch einmal überrascht zu werden.

KAPITEL 3

Etwas früher wie üblich, öffnete ich die Tür zum Pub, um die letzten Spuren des vorherigen Abends zu beseitigen. Curr war jedoch schneller gewesen und stand mit einem zufriedenen Grinsen hinter der Bar, hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und trank genüsslich einen Schluck, bevor er mich begrüßte.

„Hallo, Süße! Wenn du früher gekommen bist, um den Rest sauber zu machen, bist du zu spät.“

„Hallo, Curr, warum hast du nicht gewartet? Ich hätte dir doch geholfen“, ermahnte ich ihn empört.

„Süße, du arbeitest schon so viel für mich. Ich will nicht, dass du deine Freizeit auch noch dafür vergeudest. Zudem war nun wirklich nicht mehr viel zu tun“, gab er zurück.

Seufzend beugte ich mich seinen Worten, zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Na gut! Dann mach mir mal bitte einen Cappuccino, damit ich die letzten Minuten meiner freien Zeit auch richtig genießen kann.“