Dynamik entfesseln: Die agile Organisation - Christian Husak - E-Book

Dynamik entfesseln: Die agile Organisation E-Book

Christian Husak

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Beschreibung

Agile Entfesselung: Die Kunst des flexiblen Wandels für Menschen und Organisationen Dieses facettenreiche Kompendium entfaltet nicht nur die Essenz agiler Organisationen, sondern bietet auch einen praxisorientierten Leitfaden, um die eigene Organisation in eine anpassungsfähige, flexible Einheit zu verwandeln. Das Buch greift die drängenden Fragen unserer Zeit auf, indem es anschaulich erläutert, warum Agilität unverzichtbar geworden ist, und definiert den Begriff der agilen Organisation. Sie erhalten einen weitreichenden Einblick in die theoretischen Grundlagen, die agilen Frameworks, die Rollen und die notwendigen Hilfsmittel, die für den Aufbau und die Etablierung agiler Organisationen unerlässlich sind. In diesem Buch wird Ihnen das Rüstzeug vermittelt Ihnen, um Ihre eigene Organisation erfolgreich zu transformieren. Wagen Sie den Sprung und entdecken Sie das faszinierende Terrain agiler Organisationen. Dieses Buch ist Ihr kompetenter Navigator auf dem Weg der Verwandlung eines starren Unternehmensgefüges in eine vitale, zukunftsgewandte Organisation.

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Dr. Christian Husak

Dynamik entfesseln:

DIE AGILE ORGANISATION

Theorien, Instrumente und Rollen für effektive Führung und die Transformation starrer Organisationen

Edition Summerhill

Impressum:

1. Auflage

Copyright © 2023 Edition Summerhill e.U., St. Margarethen/Raab, Österreich

Umschlaggestaltung: Dodo Kresse, Wien, Österreich

www.dodokresse.com

Grafiken: Dr. Christian Husak,

Coverfoto: depositphotos, FotoJagodka

Layout & Satz: Indesign, Dodo Kresse, Wien, Österreich

ISBN 13: 978-3-9504636-6-8

www.summerhill.at

E-Mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm und andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Der Verlag Edition Summerhill e.U. weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text angeführte Links zu externen Internetseiten vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen wurden. Spätere Veränderungen kann der Verlag nicht beeinflussen. Eine Haftung des Verlages für externe Links und Websites ist daher stets ausgeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

1Einleitung: Warum agile Organisationen?

1.1Allgemeine Einflussfaktoren: die VUCA-Welt

1.2Besondere Einflussfaktoren

1.2.1Globalisierung

1.2.2Konnektivität - Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie

1.2.3„Silver Society“ oder: der demografische Wandel

1.2.4Technologischer Wandel

1.3Conclusio: Wozu braucht es agile Organisationen?

2Was ist eine agile Organisation?

2.1Definition von Agilität im Kontext von Organisationen

2.2Was versteht man unter einem „agilen Mindset“?

2.2.1Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge

2.2.2Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentationen

2.2.3Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen

2.2.4Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen von Plänen

2.2.5Die 12 agilen Prinzipien

2.3Was versteht man unter einer agilen Organisation?

2.3.1Mission Statement

2.3.3Kundenorientierte Organisationsstrukturen

2.3.4Kundenorientierte Prozesse

2.3.5Führung (neu denken)

2.3.6Mitarbeiter(orientierung)

2.3.7Human Ressource Management

2.3.8Organisationskultur

3Wie wird man eine agile Organisation?

3.1Das 8-Stufen-Modell nach John P. Kotter

3.2Die agile Reise beginnt

3.2.1Vorbereitungen zum Start einer agilen Transformation

3.2.2Umsetzungsarbeiten während der agilen Transformation

3.3Widerstände während einer agilen Reise

3.3.1Widerstände von/gegen Individuen

3.3.2Widerstände des Teams

3.3.3Widerstände der Organisation

3.3.4Widerstände zwischen Organisationen

3.3.5Abschlußbetrachtung des Umgangs mit Widerständen

4Ist jetzt alles agil?

4.1Gibt es Ausnahmen?

4.1.1Einsatzorganisationen

4.1.2Öffentliche Organisationen im Bereich der Verwaltung

4.1.3Private Organisationen

4.2Agilität für im Wettbewerb stehende Organisationen

4.2.1Bereich A: Lehrlingsausbildung

4.2.2Bereich B: Arbeiten in Vertrauensbereichen

4.2.3Bereich C: Präzise oder gefährliche Arbeiten

4.2.4Bereich D: Standardisierte Arbeitsbereiche

4.3Hybride Formen von agilen Organisationen

4.3.1Hybrid-agile Organisationsformen

4.3.2Hybrides Projektmanagement als Sonderform

5Agile Frameworks, Rollen und Instrumente

5.1Agile Frameworks & Methoden

5.1.1Das Framework Scrum

5.1.2OKR (Objectives & Key Results)

5.1.3Design Thinking

5.1.4Großgruppeninterventionsmethoden (GGIM)

5.2Agile Rollen

5.2.1Agile Coach

5.2.2Transformation Manager

5.2.3Transformation Team

5.3Agile Instrumente

5.3.1Das agile Mitarbeitergespräch

5.3.2Tactical & Governance Meetings

5.3.3Time-out-of-time-Sessions

6Hintergrundtheorien zum Thema Agilität

6.1Allgemeine Voraussetzungen für agile Organisationen

6.1.1100%ige Unterstützung durch die oberste Führung

6.1.2Mitarbeiter übernehmen Verantwortung

6.1.3Die Unterstützung des mittleren Managements

6.1.4Und wie sieht es mit Kunden, Lieferanten etc. aus?

6.2Die persönliche Dimension zum Thema Agilität

6.2.1Der Hilfsarbeiter auf der Autobahnbaustelle

6.2.2Die diplomierte Krankenschwester im Krankenhaus

6.3Theorie „XY“ nach Douglas McGregor

6.4„Commitment zur Arbeit“ in agilen Organisationen

6.5Gruppendynamik im Kontext von Agilität

6.6.Agilität aus einer demografischen Perspektive

6.7Ein sinngebendes Mission Statement

6.8Agiles Führungsverständnis in agilen Organisationen

7Epilog

8Literaturverzeichnis

Vorwort

Ein Buch über agile Organisationen zu schreiben ist heute nichts mehr Neues! Es gibt mittlerweile eine Unzahl davon. Warum packen wir es dennoch an? Unsere Beweggründe sind mehrfach:

• Zum einen gibt es in der Fachliteratur eine Schieflage in Richtung agile Unternehmensorganisationen mit der Betonung von Agilität aus ökonomischer, d. h. wettbewerbsmäßiger Sicht (Stichwort: „näher beim Kunden sein“). Andere Bereiche wie etwa die Verwaltungsebene oder auch die dem Gesellschaftsleben dienenden Vereine bleiben meist ausgeklammert.

• Zum anderen wird Agilität zwar – mehr oder weniger – eindeutig definiert, aber einen umfassenden Überblick darüber, was es braucht, um eine agile Organisation zu werden, welche Voraussetzungen damit verbunden und welche Hürden zu meistern sind, findet man selten.

• Zum dritten haben wir in unserer Beratungs- als auch Forschungspraxis erlebt, dass trotz eindeutiger Definitionen (wir verwenden hier bewusst die Mehrzahl) keine einheitliche Sichtweise dazu existiert. Sogar die Fachliteratur „versteigt“ sich beispielsweise zu umfangreichen Werken über „hybrides Projektmanagement“ (Stichwort: „Das Beste aus beiden Welten“ …) oder über Empfehlungen für „agile Projektleiter“.

• Letztendlich ist uns noch kein Buch untergekommen, in dem Theorie und Praxis kombiniert dargestellt wurden. Wir wollen Ihnen mit diesem Buch nicht nur erläutern, was man unter einer agilen Organisation versteht; wir wollen auch eine praxisorientierte Sicht liefern, zeigen, wie man eine agile Organisation werden kann, worauf man aufpassen muss und welche Instrumente in agilen Organisationen Anwendung finden. Dieses Buch erhebt daher auch den Anspruch, einen einfachen Leitfaden inklusive relevanter Hintergrundtheorien für den Praktiker zu liefern!

Unser Ansatz war es, dem interessierten Leser daher auf überschaubare Art und Weise ein wenig mehr Klarheit zum Thema Agilität zu geben. Um dieses zu erreichen, haben wir unser Buch in sechs Kapitel gegliedert. In Kapitel 1 wollen wir die Hintergründe beleuchten, warum Agilität heute und vermutlich auch in der Zukunft ein die Organisationen bzw. die Organisationsentwicklung beherrschendes Thema ist und sein wird. Wir werden hier auf allgemeine und besondere Einflussfaktoren hinweisen, welche als Begründung dafür angesehen werden können, dass uns das Thema der Agilität – vermutlich – noch sehr lange beschäftigen wird. Sie, geneigte Leserschaft, sehen bereits in dieser Formulierung, dass wir uns selbst nicht sicher sind, ob wir hier von einem Langzeitthema reden oder ob die Welt morgen schon wieder ganz anders aussieht. Aber genau diese Unsicherheit, ist eigentlich der Hintergrund, dass Organisationen heute und in Zukunft agiler werden müssen.

In Kapitel 2 werden wir uns ansehen, was Agilität im Kontext von Organisationen konkret bedeutet. Was sind die Konsequenzen, wenn eine Organisation agil ist? Unser Blick ist hier dreigeteilt: im ersten Teil werden wir eine aus unserer Sicht allgemeingültige Definition von Agilität entwerfen, im zweiten Teil absolut notwendige Voraussetzungen betrachten, die es braucht, damit eine Organisation agil sein kann. Im dritten Teil betrachten wir dann als Ergebnis der beiden ersten Abschnitte eine agile Organisation in der Praxis.

In Kapitel 3 zeigen wir den Weg zu einer agilen Organisation. Es ist – dies sei hier betont – ein von uns empfohlener Weg, den wir im Lauf der Jahre aufgrund unserer Arbeitspraxis entwickelt haben. Natürlich gibt es auch andere Wege zur agilen Organisation; wir sind jedoch der Meinung, dass sich unser Weg sehr gut für die Praxis eignet, eine erfolgreiche agile Reise anzutreten. Wir werden dabei auch auf mögliche Widerstände eingehen, die im Rahmen einer agilen Transformation auftreten können. Insgesamt wollen wir mit diesem Kapitel eine praktische Anleitung für eine agile Transformation geben, an der man sich orientieren kann (aber nicht muss).

In Kapitel 4 werden wir die Frage aufwerfen, ob alles in einer Organisation agil sein muss oder ob es auch Ausnahmen geben kann. In diesem Zusammenhang werden wir uns auch Mischformen von Agilität in Organisationen ansehen.

In Kapitel 5 wollen wir den Blick in die Praxis vertiefen. Wir steigen ein in die agile Welt und schauen uns auf drei Ebenen an, wie Agilität in der Praxis gelebt wird. Die drei Ebenen betreffen ausgewählte agile Frameworks, agile Rollen und agile Instrumente in der täglichen Arbeit.

In Kapitel 6 wollen wir für die an der Theorie interessierte Leserschaft einige Hintergrundtheorien erörtern, welche für ein Grundverständnis von Agilität hilfreich sind.

Das Buch richtet sich primär an Führungskräfte, welche daran interessiert sind, ihre eigene Organisation zu modernisieren (heute sagt man: „flexibler zu gestalten“). Es ist aber genauso gut für Interessierte geeignet, um einen klaren Einblick in die aktuelle Agilitätsdebatte zu bekommen.

Wir möchten an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, dass wir zwecks der leichteren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet haben. Selbstverständlich gelten sämtliche Formulierungen auch für die weibliche Form.

Einen besonderen Dank möchten wir an dieser Stelle unseren Kunden aussprechen, die uns im Lauf der Jahre mittels ihrer Fragen und ihrer täglichen Bemühungen, eine agile Organisation zu werden, den eigentlichen Anstoß zu diesem Buch gegeben haben. Besonders hervorheben wollen wir aber einen von uns außerordentlich geschätzten Partner, namentlich Herrn ao. Univ. Prof. Dr. Otto Krickl. Seine Anmerkungen und Hinweise haben diesem Buch erst den „richtigen Schliff“ gegeben!

Graz, im Februar 2023

1Einleitung: Warum agile Organisationen?

Heraklit hat bereits vor 2.500 Jahren festgestellt: „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung“. Diese uralte Weisheit gilt heute mehr denn je. Das Problematische dabei ist, dass viele Managementteams von Organisationen damit nicht zurechtkommen; sie verschlafen eintretende Veränderungen und wundern sich dann, dass der Zug bereits abgefahren ist, während sie selbst noch am Bahnhof stehen und warten. Orientierungslos laufen sie zur nächsten Anzeigentafel und stellen mit Entsetzen fest: es gibt keinen weiteren Zug in Richtung Zukunft!

So oder so ähnlich dürfte es vielen Managern ergangen sein; man denke beispielhaft an Firmen wie Schlecker, Kodak, Konsum, ModenMüller etc. Nun könnte man fragen, was denn Schuld am „Verpassen des Zugs“ war. Spricht man mit den für die Organisation verantwortlichen Personen, also den Geschäftsführern so sind es – frei nach Simon Sinek1 – oft dieselben Antworten: schlechte Marktbedingungen, ungünstige Rahmenvoraussetzungen, unfähige Mitarbeiter und ähnliches mehr. Selbstverständlich gibt man nicht zu, dass man selbst als Führungskraft, als CEO am Verschlafen (mit)verantwortlich war.

Schaut man jedoch genauer hin, so entdeckt man sehr rasch klare, immer wiederkehrende Ursachen, die „verschlafen“ wurden und denen wir uns in ausgewählter Manier nun nähern wollen. Es lassen sich grob gesagt zwei Ursachenarten bzw. Einflussfaktoren feststellen:

• Allgemeine Einflussfaktoren, beschrieben durch die sogenannte VUCA-Welt

• Besondere Einflussfaktoren wie z. B. die Globalisierung, Entwicklungen in den Informations- und Kommunikationstechnologien, etc.

Beide Einflussfaktoren führen dazu, dass es dringend notwendig ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie man als Verantwortlicher in der Organisation damit umgeht und welche Konsequenzen daraus zu erwarten sind. Im Folgenden werden wir diese Einflussfaktoren näher betrachten.

1.1Allgemeine Einflussfaktoren: die VUCA-Welt

Einer der wichtigsten Auslöser für moderne, agile Organisationsstrukturen ist die sog. VUCA-Welt. Was ist damit gemeint? Das Wort “VUCA” ist ein Akronym, welches je nach Sichtweise entweder bereits 1985 im wirtschaftlichen Kontext oder erst 1990 im militärischen Kontext entstanden ist. 1985 waren es die beiden Universitätsprofessoren Warren Bennis und Burt Nanus, welche in ihrem Buch Leaders: The Strategies for Taking Charge die Herausforderungen für Führungskräfte aufgrund verschiedener sich ändernder Faktoren beschrieben haben; 1990 wurde es im militärischen Kontext nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Beschreibung der sich daraus ergebenden neuen Situation(en) angewandt. VUCA besteht aus den vier Buchstaben V, U, C und A, welche folgende Bedeutung haben:

• V steht für Volatilität (Volatility) und bedeutet Flüchtigkeit. Gemeint ist damit, dass man heute – vor allem in der Wirtschaft – in einer Welt agiert, die sich aufgrund von technischen Fortschritten etc. ständig verändert und in den Entwicklungen daher nicht mehr vorhersehbar ist.

• U steht für Unsicherheit (Uncertainty) und bedeutet, dass aufgrund der Unvorhersehbarkeit von Entwicklungen in weiten Teilen der Wirtschaft (aber auch in der Gesellschaft) Unsicherheit besteht. Prognosen und Erfahrungen aus der Vergangenheit verlieren ihre Zuverlässigkeit, ja oft sogar ihre Bedeutung.

• C steht für Komplexität (Complexity) und kann als Ergebnis von “Volatility” und “Uncertainty” bezeichnet werden. Man weiß nicht mehr, was Ursache und was Wirkung ist; damit wird es zunehmend schwierig, im Voraus “richtige” Entscheidungen zu treffen. Vor allem bedeutet Complexity aber Unvorhersehbarkeit der Zukunft. Die Konsequenz dessen ist eine unplanbare Zukunft. Wenn daher keine Planungsmöglichkeiten mehr gegeben sind, bleibt als einzige Alternative das “Probieren” (auf englisch “trial and error”) übrig.

• A steht für Ambiguity (Mehrdeutigkeit) und bedeutet dass one fits all und best practice von gestern sind 2. Heute gibt es kaum mehr Eindeutigkeiten; aus der Entscheidung “A” können die Konsequenzen “B” oder “C” oder “D” oder was auch immer folgen. Man weiß leider erst im Nachhinein, welches Ergebnis tatsächlich eingetreten ist. Daraus folgt: “Die Anforderungen an Organisationen und Führung von heute sind widersprüchlicher und paradoxer denn je und stellen das persönliche Wertesystem komplett auf die Probe. Das Was? tritt hinter dem Warum? und dem Wie? zurück. Entscheidungen fordern Mut, Bewusstheit und Fehlerfreudigkeit“3.

Diese VUCA-Welt ist für uns deshalb von Bedeutung, weil die Summe ihrer Auswirkungen zwingend ein Umdenken in der Art und Weise, wie eine Unternehmung organisiert wird, erfordert. Erst durch das Vorhandensein der VUCA-Welt wird so richtig klar, dass es geboten ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie man seine Organisation zukunftsorientiert ausrichten kann.

Die Konsequenzen von VUCA sind umfassend und gravierend:

• Zukünftige Entwicklungen lassen sich nicht mehr (präzise) vorhersagen. Ergo dessen verlieren Planungsarbeiten – egal ob es sich um Strategiepläne, Marketingpläne, Ressourcenpläne, Finanzpläne oder dergleichen mehr handelt – drastisch an Bedeutung. Die einzige Alternative zu “Planen” ist allerdings “Probieren”, also Umsetzen. An dieser Stelle sei beispielsweise an Design Thinking4 verwiesen, dort heißt es sinngemäß Plan with your hands – also: nicht lange nachdenken, loslegen! Die Praxis wird dann schon zeigen, wie bzw. ob man überhaupt erfolgreich war bzw. was verbessert/geändert werden soll. Damit verliert aber traditionelles Gedankengut, wie es oft an Universitäten gelehrt wird („Als erstes brauchst du einen Plan”; „Eine Unternehmung ohne Plan zu gründen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt”...) maßgeblich an Bedeutung. Die Konsequenzen daraus werden an anderer Stelle nochmals kurz angeschnitten: wenn nun beispielsweise jüngere Mitarbeiter auf ältere Führungskräfte treffen, dann treffen hier mitunter zwei Denkwelten aufeinander. Die einen wollen/verlangen genaue Pläne, man muss ja schließlich wissen, worauf man sich einlässt; die anderen verneinen die Sinnhaftigkeit von Plänen, denn: was will man planen, wenn die Zukunft unsicher ist? Für Konflikte ist somit gesorgt.

• Wenn aber zukünftige Entwicklungen nicht mehr planbar sind, stattdessen einfach “losgelegt” werden soll, dann stellt sich die Frage, wer denn dafür verantwortlich ist? Genauer gefragt: Wer erbringt denn letztendlich die Wertschöpfung draußen beim Kunden? So wie bisher (vermeintlich) die Führungskräfte oder doch eher die Personen, die ständig mit den Kunden zu tun haben, also die Mitarbeiter? Vermutlich werden es die zweiteren sein, denn sie wissen ja aufgrund ihrer ständigen Kundenkontakte, wo “der Schuh drückt”. Dies erfordert aber eine entsprechende Umgestaltung der Unternehmensorganisation: Nicht mehr Führungskräfte sollen/ müssen/können entscheiden, was wie zu tun ist (ihnen fehlt ja der Kontakt und somit das Wissen um die Probleme der Kunden), sondern die Mitarbeiter müssen ermächtigt und befähigt werden, eigenverantwortlich Entscheidungen im Sinne der Kunden zu treffen.

Als Folgewirkung all dessen lässt sich daher eine andere, neue Form von Unternehmensorganisation skizzieren, welche – siehe Abbildung 1 – die traditionelle “Unternehmenspyramide” auf den Kopf stellt. Dies bedeutet, dass nicht mehr die Führungskräfte das alleinige Sagen haben; ganz im Gegenteil: ihre Aufgabe liegt primär darin,

• den Mitarbeitern jene Unterstützung zu geben, die sie benötigen, um draußen, beim Kunden erfolgreich sein zu können.

• nachzudenken, wohin sich der Betrieb aufgrund externer Einflussfaktoren wie Marktentwicklungen etc. in Zukunft hinbewegen wird.

Abbildung 1: Die auf den Kopf gestellte agile Unternehmensorganisation, Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an https://kyona.eu/agile-arbeitsweise-als-chance-mittelmanagement/

Beides ist nicht neu, im Lean Management wird dies unter dem Begriff Genbutsu schon seit vielen Jahren praktiziert.

Welche Auswirkungen diese auf den Kopf gestellte Unternehmenspyramide insgesamt (also für Arbeitsweisen, Prozesse, Führungsverhalten etc.) mit sich bringt, wird in den weiteren Kapiteln noch genauer zu beschreiben sein. Eine wichtige Auswirkung lässt sich jedoch bereits jetzt feststellen, denn es braucht:

• ein anderes Verständnis von Mitarbeiterführung

• eine andere Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeit (also zu Verantwortungsbewusstsein, Zielerreichung, persönlichem als auch gemeinsamen Erfolg, etc.).

1.2Besondere Einflussfaktoren

Eine weitere Annäherung an die Frage, warum agile Organisationen so bedeutsam sind, lässt sich anhand der sog. „besonderen Einflussfaktoren“ erörtern. Sie kann man als Begründung dafür ansehen, warum wir heute so dezidiert von der sogenannten VUCA-Welt sprechen. Wir bedienen uns dabei der häufig zitierten Megatrends, wie sie beispielsweise vom Zukunftsinstitut5 publiziert werden. Zwölf an der Zahl werden dort angeführt:

•Gender Shift – die bis vor kurzem oftmals Geschlechtern zugesprochenen Rollen verlieren ihre Bedeutung; heute übernehmen beide Geschlechter eine Vielzahl von Rollen.

•Gesundheit – dieser Trend wird oftmals als neuer Kondratieff-Zyklus genannt, der den bisherigen Trend Informations- und Kommunikationstechnologie langsam ablöst.

•Globalisierung – beschrieben wird hier das Zusammenwachsen der Weltbevölkerung via Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilgesellschaft.

•Konnektivität – hier geht es um das „Prinzip der Vernetzung auf Basis digitaler Infrastrukturen“6.

•Individualisierung – damit ist Selbstverwirklichung, „… angetrieben durch die Zunahmen persönlicher Wahlfreiheiten und individueller Selbstbestimmung …“7 gemeint.

•Mobilität – sie bewirkt ein Ineinandergreifen von Arbeit, Wohnen und Freizeit durch immer neue, facettenreichere und differenziertere Mobilitätsangebote.

•New Work – wir erleben heute ein völliges anderes Verständnis von Arbeit, von Verantwortung, von Pflichtbewusstsein und Entscheidungsfindung. Dies nicht zuletzt dank des Aufkommens von Informations- und Kommunikationstechnologien.

•Neo-Ökologie – Umweltschutz wird zu einer Werthaltung, welche weit in den beruflichen und persönlichen Alltag hineinreicht.

•Sicherheit – Das Zukunftsinstitut spricht hier von einem Paradoxon; einerseits leben wir in einer bis dato noch nie dagewesenen sicheren Welt, gleichzeitig nehmen wir aber Unsicherheiten intensiver denn je wahr. „Im 21. Jahrhundert wird die Frage, was Sicherheit bedeutet und wer sie verantwortet, grundsätzlich neu verhandelt – und das Thema Resilienz gewinnt kontinuierlich an Relevanz“8.

•Urbanisierung – Immer mehr Menschen leben in Städten, mit all den daraus resultierenden Folgen für die ländliche Infrastruktur, die ländliche Kultur und die ländliche Wirtschaft.

•Silver Society – Menschen werden immer älter, bleiben länger gesund und damit sowohl reproduktions- als auch arbeitsfähig. Damit verbunden sind gravierende demografische Fragen, sowohl für die Wirtschaft im Besonderen als auch für die Gesellschaft im Allgemeinen.

•Wissenskultur – Noch niemals in der Geschichte der Menschheit ist so viel Wissen dank Digitalisierung und dem Megatrend der Konnektivität verfügbar gewesen. Gleichzeitig, um Jürgen Habermas zu zitieren, gab es noch nie so viel Wissen über unser Nichtwissen.

All diese Trends dienen dazu, komplexe und langfristige Wandlungsprozesse und deren Auswirkungen zu beschreiben und zu kategorisieren. Nun macht es aus unserer Perspektive gesehen keinen Sinn, jeden einzelnen Trend im Detail zu beschreiben, wir wollen uns stattdessen auf jene konzentrieren, die den größten Einfluss auf unser Thema haben. Vier haben wir ausgewählt, die wir im Folgenden kurz beschreiben werden. Drei – Globalisierung, Konnektivität und der demografische Wandel – entnehmen wir dem genannten Zukunftsinstitut, der vierte Trend – „technologischer Wandel9“ – kann unserer Meinung nach als zusammenfassendes Ergebnis der anderen angesehen werden.

1.2.1Globalisierung

Globalisierung gibt es bereits seit hunderten Jahren, man denke etwa an die Reisen Marco Polos, an die Überfälle der Hunnen oder auch die Prosperität der Hansestädte. Sie ist, im Gegensatz zu so manchen Meinungen, nichts wirklich Neues. Aber nichts lässt die Bedeutung und Auswirkungen der Globalisierung besser erkennen als ein kleiner Blick auf ein paar Zahlen10:

• Betrachtet man beispielsweise die Entwicklung von Warenexport und Warenproduktion im Zeitraum von 1960 bis 2019, so zeigt sich, dass die Exporte um 1.896 % (in Worten: eintausendachthundertsechsundneunzig Prozent (!) gestiegen sind, hingegen die Warenproduktion „nur“ um 647 Prozent. Die Exporte stiegen daher knapp um das Dreifache mehr, als im selben Zeitraum Waren produziert wurden. Diese Zahlen haben sich trotz Corona bis 2022 nicht gravierend verändert.

• Dabei ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass die Wirtschaftskrise 2008/2009 zum stärksten Rückgang des Warenhandels seit 1950 führte. „Der reale Warenexport verringerte sich zwischen 2008 und 2009 um 12,1 Prozent. Der krisenbedingte Rückgang konnte jedoch bereits 2009/2010 wieder ausgeglichen werden, da der reale Warenexport zwischen 2009 und 2010 um überdurchschnittliche 14,4 Prozent zunahm. Zwischen 2010 und 2019 nahm er real um weitere 27,2 Prozent zu …“11.Dass sich auch hier bis 2022 nichts wesentlich geändert hat, zeigen beispielsweise die österreichischen Arbeitsmarktdaten, wo die Arbeitslosigkeit im November 2022, also während der 4. Coronawelle unter dem Niveau von 2019 gelegen ist.

Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Unternehmen sind heute dem internationalen Wettbewerb gnadenloser als je zuvor ausgesetzt. Allein das Beispiel China verdeutlicht dies: Galt China lange Jahre hindurch als Produzent von „Ramschwaren“, wo Produkte ohne besonderen Wert hergestellt werden, liefert das Reich der Mitte heute Weltmarktprodukte, die so manche europäische und amerikanische Konkurrenz weit hinter sich lassen. Man denke z. B. an den Mobiltelefon- bzw. Mobilfunksektor (Huawei, 5-G-Netz) oder auch an diverse Pharmaprodukte (siehe Coronakrise – Sinopharm, Sinovac, CanSinoBIO). Um daher auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen sich Firmen heute überlegen, wie sie der (zunehmenden) internationalen Konkurrenz Paroli bieten können.

1.2.2Konnektivität - Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie

Corona hat uns vor Augen geführt, dass es in vielen Branchen nicht mehr unbedingt notwendig ist, physisch im Betrieb anwesend zu sein. Man kann seine Arbeiten durchaus auch via Internet erledigen, es gibt Zoom, Microsoft Teams, GoTo etc., mit denen sich mehr oder weniger mühelos von zu Hause aus arbeiten lässt. Sicher, alles hat zwei Seiten: einerseits erspart man sich die täglichen Staus am Morgen sowie am Abend auf dem Weg zur Arbeit/von der Arbeit, andererseits fehlen die sozialen Kontakte mit der Kollegenschaft, die persönlichen Interaktionen, die „face-to-face“-Gespräche.

Von besonderem Interesse für unser Thema sind jedoch die mittels Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verursachten neuen Möglichkeiten, den eigenen Willen manipuliert zu bekommen. Ja, Sie haben richtig gelesen: manipuliert zu bekommen!! Was bedeutet dies? Folgt man beispielsweise Yuval Noah Harari12, so gibt es derzeit zwei gravierende Revolutionen (er spricht tatsächlich von „Revolutionen“, nicht etwa von Weiterentwicklungen o. ä.): die biotechnologische Revolution, mit Hilfe derer es Forschern gelingt, Vorgänge im Gehirn, insbesondere aber menschliche Gefühle zu entschlüsseln und zu verstehen. Und die Revolution in den Computerwissenschaften bzw. in der Datenverarbeitung, mit deren Hilfe es gelingt, Unmengen von Daten verarbeiten zu können. Beide gemeinsam lösen in der Tat eine „Revolution“ im Menschsein aus, denn damit wird es möglich, dass Computer beginnen, wie Menschen denken zu können; deren Gefühle, Bedürfnisse, Probleme etc. zu erkennen und dafür entsprechende Lösungen und Vorschläge zu erarbeiten und anzubieten. Erste Vorboten dafür gibt es bereits, es handelt sich um die sattsam bekannten Algorithmen, welche uns täglich auf Facebook et. al begegnen.

Ergänzend dazu sei der oftmals problematische Umgang mit Daten, deren Sammeln, Auswerten und Verwenden durch Großkonzerne wie Google & Co. genannt, welche dadurch eine enorme Marktmacht erreichen konnten. Datenschutz ist für viele dieser Konzerne ein Fremdwort, um das man sich nicht kümmert. Ähnliches spielt sich auch im Lebensmittelhandel in Österreich ab, wo erst vor kurzem das von Billa et. al. konzipierte Konzept der „Jö-Karte“ rechtlich gerügt wurde.

Die Konsequenzen für unser Thema sind gravierend: Will man als Unternehmung erfolgreich sein, muss man in der Lage sein, Bedürfnisse und Probleme, Wünsche und Sehnsüchte der eigenen Klientel möglichst rasch zu erkennen (am besten noch, bevor sie der Kunde selbst verspürt), um dafür konkrete Produkte und/oder Dienstleistungen anzubieten. Kein Generaldirektor und keine Geschäftsführerin sind dazu in der Lage! Diejenigen, die dies als erste mitbekommen, sind jene Mitarbeiter, die tagtäglich mit Kunden zu tun haben. Sie wissen am besten, wo deren Schuhe drücken. Daher sind es auch die Mitarbeiter mit ständigem Kundenkontakt, die dieses Wissen entsprechend nutzen und verarbeiten sollten. Damit brauchen sie aber Entscheidungskompetenzen und Freiheiten, die ihnen eine hierarchische Struktur nur schwer geben kann. Und damit wird ein Umdenken in der Art und Weise, wie eine Unternehmung organisiert ist und geführt wird, dringend notwendig.

1.2.3„Silver Society“ oder: der demografische Wandel

Demografischen Wandel kann man aus mehreren Perspektiven betrachten – zum Beispiel aus dem Blickwinkel weltweit stattfindender Migration und damit verbundener Änderungen in der Demografie einer Bevölkerung. Uns geht es hier jedoch um etwas anderes: mit demografischem Wandel bezeichnen wir hier das Aufkommen neuer, junger Unternehmer, welche ein ganz anderes Verständnis von Verantwortung, Erfolg, Arbeit, Zielorientierung etc. haben als die derzeit noch an den Schalthebeln der Macht befindlichen älteren Generationen. Was ist damit gemeint? Ich möchte als Beispiel das Buch von Ronald Hanisch „Das Ende des Projektmanagements – Wie die Digital Natives die Führung übernehmen und Unternehmen verändern“ erwähnen, in dem er sehr eindrucksvoll darlegt was passiert, wenn ein älterer Projektleiter und ein jüngeres Projektteammitglied wegen unterschiedlicher Ansichten „aufeinanderprallen“ 13. Genau das ist der Hintergrund, der uns hier beschäftigt: wie gehen wir mit der Tatsache um, dass jüngere Generationen in einem völlig anderen Umfeld aufwachsen, als es die älteren Generationen gewohnt waren? Was bedeuten Verantwortungsbewusstsein, Zielerreichung, Führungsaufgaben, Erfolg etc. für die unterschiedlichen Generationen und welche Konsequenzen sind damit für Organisationen verbunden? Wir werden im Abschnitt 6.6 noch genauer darauf zu sprechen kommen. Jetzt aber ist es wichtig zu verstehen, dass jüngere Generationen ein anderes Verständnis von Arbeit, Erfolg etc. haben, dass sie andere Zugänge zum Leben haben als ältere Generationen. Sie sind in einem Umfeld aufgewachsen, wo es – zumindest in den meisten Fällen – keine Not mehr gegeben hat, wo Wohlstand alltäglich ist (zumindest für die westliche Welt möchte man das behaupten), wo man sich keine Sorgen machen musste, ob man morgen noch etwas zu essen hat. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Einstellung zum Beruf, zum eigenen beruflichen Fortkommen und auf die eigene Lebensplanung.

Demografischer Wandel stellt somit einen weiteren wichtigen Grund für ein Überdenken von herrschenden Strukturen, wie sie z. B. in klassischhierarchischen Unternehmen existieren, dar. Vorbei sind die Zeiten, wo die „Oberen“, also die Führungskräfte, Anordnungen erteilen konnten, welche von den „Unteren“, also den Mitarbeitern, ohne zu hinterfragen ausgeführt wurden. Heute wollen vor allem jüngere Menschen verstehen, warum sie etwas wie tun sollen. Sie wollen einen Sinn in ihrer Arbeit erkennen können; sie wollen wissen, was ihr Beitrag zum Großen und Ganzen ist. Sie werden daher kritisch nachfragen. In agilen Organisationen stellt dies kein größeres Problem dar, in hierarchischen Strukturen sieht das aber völlig anders aus.

1.2.4Technologischer Wandel

Man könnte den technologischen Wandel als logische Konsequenz der Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) abtun. Tatsächlich geht er jedoch viel weiter. Logisch konsequent ist er deshalb, weil mittels IKT nun völlig neue Formen von Produktentwicklung, Produktion und Produktanwendung entstehen. Musste etwa ein Handwerker früher primär über handwerkliche Fähigkeiten verfügen, so muss er heute mit komplizierten Computerprogrammen umgehen können, muss teilweise sogar in der Lage sein, selbst Produktionsvorgänge, welche früher noch händisch durchgeführt wurden, am PC programmieren und adaptieren zu können. Somit reicht einfaches, handwerkliches Wissen, wie es über Jahrhunderte hinweg wichtig war, heute nicht mehr aus. Einfaches handwerkliches Wissen ist zwar die Grundvoraussetzung dafür, einen Handwerksberuf auszuüben. Aber um wirklich erfolgreich sein zu können, ist es unerlässlich, sich auch Wissen in den „modernen“, mit dem jeweiligen Beruf verbundenen Bereichen wie eben Umgang mit Computern etc. anzueignen. Technologischer Wandel ist somit eine nahezu logische Konsequenz der Weiterentwicklungen in IKT. Damit ändern sich aber die strukturellen Voraussetzungen, wie man einen Betrieb organisiert. Denn nun ist nicht mehr nur das Wissen gefragt, das mittels einfachem Wissenstransfer vom Chef auf die Mitarbeiter weitergegeben wird. Nun gibt es Spezialistentum, also Fachwissen in gesonderter Form, das nur mehr von wenigen Personen verstanden und beherrscht wird. Und damit werden Führungskräfte, die über dieses Fachwissen nicht (mehr) verfügen, von ihren speziell geschulten Mitarbeitern abhängig. Somit hat aber der alte hierarchisch gelebte Führungsstil „Command & Control“ im Wesentlichen ausgedient!

Technologischer Wandel muss allerdings auch von einer anderen Seite betrachtet werden: Er bedeutet, dass vollkommen neue Produkte entstehen; Produkte, welche bis vor wenigen Jahren noch nicht üblich waren (bzw. in der heutigen Form so nicht existierten). Als Beispiel seien Elektroautos oder Pflegeroboter erwähnt. Die Konsequenzen für agile Organisationen liegen darin, dass verstärktes Augenmaß in zukünftige Entwicklungen (manche nennen sie „Trends“) gelegt werden muss. Wohin bewegt sich der Markt? Die Konkurrenz? Das Konsumentenverhalten? Welche Konsequenzen hat das für uns als Unternehmung? All das sind Fragen, die auf eine Antwort warten. Um diese Fragen beantworten zu können, braucht es zweierlei: Zum einen Zeit und zum anderen Personen, welche diese Zeit investieren, also aufbringen können. Da es sich hier um strategische Fragen und Aufgaben handelt, sollte klar sein, in wessen Aufgabenbereich die Bearbeitung dieser Themen fällt: nämlich in jenen von Führungskräften, also Geschäftsführern, Generaldirektoren, mitunter auch Eigentümern. Wir sprechen dabei allerdings von klassischen Führungsaufgaben, wie sie seit eh und je wahrzunehmen sind. Der Unterschied zu heute ist lediglich jener, dass Führungskräfte in hierarchischen Strukturen diese Zeit nicht aufbringen können. Sie mischen sich ins „Tagesgeschäft“ ein, sitzen ständig in Meetings, um sich zu informieren, damit sie richtige Entscheidungen treffen können! Genau das ist aber weder sinnvoll noch erfolgversprechend noch zukunftsorientiert. Ergo dessen braucht es auch hier eine Änderung der Strukturen, der Prozessabläufe, des Verständnisses von Verantwortung etc., es bedarf eben agiler Strukturen.

1.3Conclusio: Wozu braucht es agile Organisationen?

Bevor eine vorläufige Antwort auf diese Frage gegeben wird, seien noch ein paar Fakten angeführt14:

• Es gibt weltweit so viele Bankprodukte, dass sie kein Berater mehr überblicken kann

• Ein Mittelklassewagen besteht heute aus cirka 50.000 Einzelteilen

• Wir sprechen daher heute von „Dynaxität“ – einer Kombination aus Dynamik und Komplexität. Die Folge davon ist unter anderem auch, dass es Verlierer gibt, die mit der heutigen Zeit nicht mehr Schritt halten können. Dies erklärt auch, warum populistische Parteien wieder an Bedeutung gewinnen.

• Letztendlich ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine permanente Nutzung von Navigationsgeräten in Autos die Hirnstruktur der BenützerInnen schrumpfen lässt.

Eine erste Antwort auf die oben gestellte Frage lässt sich aufgrund des bisher Gesagten folgendermaßen zusammenfassen: Es braucht agile Organisationen deswegen, weil sie die einzig mögliche (und somit auch vernünftige) Antwort auf die Herausforderungen der heutigen Zeit sind. Man kann folgende „Argumentationslinie“ skizzieren:

• In der VUCA-Welt ist die Zukunft nicht mehr planbar.

• Daher braucht es eine andere Form von „arbeiten“ : just do.

• „Just do“ bedeutet aber, dass die Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen müssen, weil sie es sind, die am besten über Wünsche, Probleme etc. ihrer Kunden Bescheid wissen.

• Ergo dessen braucht es

o einerseits „befähigte“ Mitarbeiter, die auch in der Lage sind, diese Verantwortung zu übernehmen,

o gleichzeitig Führungskräfte, die bereit sind, Verantwortung dauerhaft (und nicht nur mittels Delegation zeitlich befristet) abzugeben,

o und damit geänderte, moderne Organisationsstrukturen, welche all dies gewährleisten können.

Mittels hierarchischer Strukturen ist all dies nur schwer bis gar nicht möglich. Dort geht es um Arbeitsteilung (und damit verbundenem Silodenken), um „Command & Control“ statt um Verantwortungsübertragung und um persönliche/individuelle statt um gemeinschaftliche Zielerreichung. All das hat aber in der heutigen Zeit keine Überlebenschance mehr.

Daher werden wir uns im nächsten Kapitel genauer ansehen, was man unter einer agilen Organisation verstehen kann.

2Was ist eine agile Organisation?

Wir müssen folgende Detailfragen dazu stellen:

• Wie lautet eine sinnvolle Definition von Agilität im Kontext von Organisationen?

• Ausgehend von einem gemeinsamen Verständnis dessen, was „Agilität“ bedeutet, ist dann zu fragen, welche Konsequenzen dieses Verständnis für die in einer agilen Organisation arbeitenden Menschen hat? Was bedeutet „Agiles Mindset“ von Mitarbeitern einer agilen Organisation?

• Welche Merkmale weist eine „Agile Organisation“ auf?

Beginnen wir also mit der ersten Frage nach dem Verständnis von Agilität im Kontext von Organisationen.

2.1Definition von Agilität im Kontext von Organisationen

Folgt man der einschlägigen Fachliteratur15, so wird sehr rasch klar, dass eine einheitliche Begriffsdefinition von Agilität in unserem Kontext nicht existiert. In der Mehrheit der verwendeten (besser: versuchten) Definitionen steht der wirtschaftliche, marktorientierte Bezug im Vordergrund. Häusling, mit Verweis auf Goldman et al 1996, schreibt beispielsweise, dass „Agilität (…) als essenzieller Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit (gilt) und (…) damit letztlich das Überleben eines Unternehmens (sichert) 16“. Sieht man auf „business-wissen.de“ nach, so findet sich dort interessanterweise eine Begriffsbestimmung mit Blick auf die Unternehmenskultur, die wie folgt lautet17: „Agile Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine offene Unternehmenskultur pflegen und viel Wert auf Selbstverantwortung, Kommunikation und Austausch legen“. Als besondere Merkmale einer agilen Organisation werden dort angeführt:

• Selbstorganisation statt Anweisung

• Agile Werte

• Agile und flexible Arbeitsmethoden

• Agile Meeting-Formate

• Unternehmenskultur für agiles Denken und Handeln

• Geringe interpersonale Distanz mit intensiver Kommunikation.

All diese (und noch viele andere) Definitionen lassen den – vorläufigen – Schluss zu, dass Agilität nur für im Wettbewerb stehende Unternehmen gedacht ist18.

Wir wollen uns damit aber nicht zufriedengeben, denn dies würde ja bedeuten, dass für nicht im Konkurrenzkampf stehende Organisationen, wie beispielsweise Behörden oder Einsatzorganisationen, agile Strukturen nicht relevant sind. Dies erscheint uns angesichts von VUCA et al nicht passend. Ergo dessen sei eine tiefergehende Betrachtung der Fachliteratur angeraten. Brown/Agnew definierten Agilität bereits 1982 als „… the capacity to react quickly to rapidly changing circumstances …“19. Auch Samburthy et al.20 bringen eine sehr differenzierte Sicht auf Agilität, indem sie zwischen „costumer agility“, „partnering agility“ und „operational agility“ unterscheiden. Dafür ist aber eine bestimmte Geisteshaltung der in dieser Organisation tätigen Menschen notwendig, es braucht also ein „agiles Mindset“, denn ohne dieses wird es schwierig, in den drei von Samtburthy genannten Bereichen agil zu sein.

Wenn wir also versuchen, die Frage zu beantworten, was man unter einer agilen Organisation versteht, so müssen obige, in der einschlägigen Fachliteratur erwähnten Aspekte zusammengeführt werden. Es geht dabei sowohl um eine adäquate Kundenorientierung als auch um die Fähigkeit, schnell und angepasst auf unvorhergesehene Änderungen bzw. Herausforderungen reagieren zu können. Damit hätten wir die Ingredienzen für die Definition dessen, was eine agile Organisation ausmacht, zusammen, sie könnte wie folgt lauten:

„Eine agile Organisation ist eine Organisation, die in der Lage ist, sowohl auf veränderte Kundenwünsche als auch auf unvorhergesehene Ereignisse schnell und adäquat zu reagieren.“

Diese Definition erlaubt es uns, Agilität nicht nur auf im Wettbewerb stehende Organisationen zu beschränken, sondern auch andere Bereiche wie beispielsweise Behörden, Vereine etc. einzubeziehen.

Was bedeutet das aber, wenn eine Organisation schnell und adäquat auf veränderte Kundenwünsche und/oder Rahmenbedingungen reagieren kann? Dafür muss ja irgendjemand zuständig sein, denn eine Organisation existiert nur, wenn es Menschen in ihr gibt. In anderen Worten ausgedrückt: eine Organisation ohne Menschen gibt es nicht! Wenn beispielsweise das Arbeitsmarktservice seine Pforten am Freitagabend schließt, dann steht da zwar ein Haus, aber dieses Haus kann weder sprechen noch entscheiden noch sonst etwas tun. Das Arbeitsmarktservice beginnt also erst wieder zu „leben“, zu existieren, wenn am Montag in der Früh der erste Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz bezieht und Fragen, E-Mails etc. beantwortet und das Telefon bedient. Wir sehen somit: damit eine Organisation agil sein kann, braucht es dafür Menschen, die in dieser Organisation tätig sind und das entsprechende „Mindset“ zum schnellen und adäquaten Reagieren in sich tragen. Damit sind wir bei der zweiten zentralen Frage angelangt, nämlich jener nach dem agilen Mindset. Was versteht man darunter und was warum ist dieses wichtig?

2.2Was versteht man unter einem „agilen Mindset“?

Will man das, was unter „agiles Mindset“ gemeint ist, besser verstehen, ist es hilfreich, das agile Manifest zu Rate zu ziehen. Dieses beschreibt „agil sein“ anhand von vier „Wertepaaren“ und untermauert diese mit 12 weiteren Prinzipien. Beide – sowohl Wertepaare als auch Prinzipien – ergeben einen ersten sehr guten Einblick in die „Geisteshaltung“, die es braucht, um agil zu arbeiten.

Beginnen wir mit den vier Wertepaaren:

•Individuen und Interaktionensind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge

•Funktionierende Softwareist wichtiger als umfassende Dokumentationen

•Zusammenarbeit mit dem Kundenist wichtiger als Vertragsverhandlungen

•Reagieren auf Veränderungenist wichtiger als das Befolgen von Plänen.

Diese vier Wertepaare sind auch im Original so verfasst, dass die obere Zeile fett gedruckt ist, die Zeile darunter hingegen normal. Geht man auf die Homepage der agilealliance21, liest man dort noch folgenden Zusatz: „That is, while there is value in the items on the right, we value the items on the left more“.22 Damit soll ausgedrückt werden, dass das agile Manifest und damit die dort angeführten vier Wertepaare oft falsch verstanden werden; etwa nach dem Motto „Hurra, keine Pläne und keine Dokumentationen mehr“. Das ist grundlegend falsch. Selbstverständlich gilt, dass auch in agilen Organisationen geplant und dokumentiert wird, nur eben anders, als man es von hierarchischen Strukturen gewohnt ist. Um verstehen zu können, warum diese vier Wertepaare für eine agile Organisation wichtig sind, ist es notwendig, sie der Reihe nach zu erörtern.

2.2.1Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge

Im Wesentlichen sagt dieses Wertepaar aus, dass sich Mitglieder einer Organisation, egal ob Führungskräfte oder Mitarbeiter, bei anstehenden Aufgaben/Ideen/Problemen etc. zusammensetzen und miteinander reden sollen! Nicht sinnvoll ist es (wie so oft in hierarchischen Strukturen gehandhabt), sich auf „Ausreden“ zurückzuziehen, in etwa nach dem Motto „Das haben wir noch nie (so) gemacht“; „Das geht bei uns überhaupt nicht“ oder – noch schlimmer – „Wäre ja ganz interessant, geht aber leider nicht, weil `Vorschrift ist Vorschrift´“.