E-Book 121-125 - Günter Dönges - E-Book

E-Book 121-125 E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 1: Parker und die Agenten E-Book 2: Ferien mit Ratten E-Book 3: Parker staubt Millionen ab E-Book 4: Der Profikiller E-Book 5: Mylady düpiert die Gangster

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Inhalt

Parker und die Agenten

Ferien mit Ratten

Parker staubt Millionen ab

Der Profikiller

Mylady düpiert die Gangster

Butler Parker – Box 24 –

E-Book 121-125

Günter Dönges

Parker und die Agenten

Roman von Dönges, Günter

Lady Agatha Simpson langweilte sich sichtlich.

Sie saß zusammen mit ihrer Gesellschafterin und Sekretärin in einer Loge der Festival Bowl und konnte dieser Musik keinerlei Geschmack abgewinnen. Es handelte sich um eine festliche Gala-Vorstellung, in der klassische Musik dargeboten wurde.

Lady Agatha hatte es längst aufgegeben, auf einen Fehler des Pianisten zu warten. Dieser Mann dort im Frack, der ihrer Ansicht nach den Konzertflügel traktierte, war sich seiner Arbeit vollkommen sicher. Bisher hatte er noch nicht einmal danebengegriffen. Alles deutete darauf hin, daß dies auch bis zum Ende des Konzerts nicht anders werden würde.

Lady Agatha hätte viel lieber etwas Flottes angehört. Sie war ein Fan der Beatles und liebte darüber hinaus den guten alten Swing aus der Zeit Benny Goodmans. Damit war hier jedoch nicht zu rechnen. Man spielte etwas von Tschaikowski, wie sie dem Programm entnommen hatte. Die Sache hatte gerade erst angefangen und dauerte sicher seine Zeit.

Agatha Simpson war eine ältere Dame, die über ihr Alter nicht gern sprach. Seit ihrem 60. Geburtstag zählte sie ihre Lebensjahre nicht mehr, denn über solche Kleinigkeiten war sie erhaben. Ihrer Ansicht nach war man stets so alt, wie man sich fühlte. Nach dieser Rechnung hatte sie gerade erst fünfzig Jahre hinter sich gebracht.

Sie war eine majestätische Erscheinung, groß, füllig und an eine Bühnenheroine erinnernd. Lady Agatha war sehr vermögend und konnte sich praktisch jede Extravaganz leisten. Verwandt und verschwägert mit dem Blut- und Geldadel des Königreichs, betätigte sie sich seit dem Tod ihres Mannes als leidenschaftliche Amateurdetektivin. Darüber hinaus wollte sie eines Tages eine gewisse Agathe Christie in den Schatten stellen, denn sie träumte davon, eines Tages eine berühmte Kriminalromanautorin zu werden. Zur Zeit aber war sie noch damit beschäftigt, sich den passenden Stoff zu suchen.

Diese etwas skurrile Dame konnte ihre Gesellschafterin und Sekretärin nicht verstehen. Kathy Porter saß neben ihr und hatte verzückt die Augen geschlossen. Sie gab sich ganz der Musik hin und schien sie sichtlich zu genießen. Sie war es schließlich gewesen, die Lady Agatha in dieses verdammte Konzert gelockt hatte. Mit Kathy war im Moment überhaupt nichts anzufangen.

Lady Agatha beschäftigte sich inzwischen mit Entfernungsschätzen, um ihre Fähigkeiten zu konzentrieren. Ihr Blick wanderte hinüber zum Solisten am Flügel, dann zurück zu einem der Saaldiener und dann hinauf zur Galerie. Doch dieses Spiel langweilte sie bald. Sie wurde zudem auch abgelenkt vom Dirigenten, der endlich die ersehnte Abwechslung brachte.

Der Mann im Frack stach mit seinem Dirigentenstab in das Orchester hinein, war abwechselnd aggressiv und kampfbetont, dann wieder vorsichtig und beschwörend. Er schien mit seinem Stab eine Art Gefecht zu führen und wirkte auf Lady Agatha äußerst begabt. Der Mann wußte zu fintieren und dann plötzlich auszufallen und zuzustoßen.

Nachdem Lady Agathas Interesse an diesem Scheingefecht erlahmt war, nahm sie ihr Opernglas hoch und schaute sich die Zuhörer an. Sie schmunzelte erleichtert und unverhohlen, als sie einen Zuschauer entdeckte, der selig schlief. Dieser Mann hatte sich in sein Innenleben geflüchtet und nutzte die Zeit. Die Musik schien ihn überhaupt nicht zu stören.

Lady Simpson entdeckte ein neues Spiel, um sich die Langeweile zu vertreiben. Es war statistisch vielleicht interessant, wie viele Zuhörer dort unten im Parkett ein kleines Nickerchen machten. Sie machte sich daher augenblicklich daran, Material für diese Studie zu sammeln. Sie suchte mit ihrem recht leistungsfähigen Opernglas die Reihen im Parkett und dann später die Besucher in den Logen ab.

Sie war ehrlich überrascht, daß allein im Parkett sechs Besucher schliefen. Obwohl die Musik gerade schmetterte, wachten diese Herrschaften keineswegs auf. Es mußte sich um durchs trainierte und erfahrene Konzertbesucher handeln, die sich auch nicht mehr durch Lautstärke ablenken ließen.

Lady Agatha befaßte sich inzwischen mit den Logen auf der gegenüberliegenden Seite der Konzerthalle und hoffte auch hier auf reiche Beute. Plötzlich jedoch erhielt sie so etwas wie einen elektrischen Schlag und sie war sofort alarmiert. Dort in einer Loge spielte sich etwas ab, was man nicht mehr als regulär bezeichnen konnte. Die Ermordung eines Mannes war zumindest in dieser festlichen Umgebung mehr als unpassend und ungewöhnlich.

Zwei junge Männer, die sehr drahtig aussahen, standen hinter einem vor der Logenbrüstung sitzenden Herrn und strangulierten ihn. Einer der beiden Täter hatte einen Schal um den Hals des Opfers geschlungen und zog ihn zu. Der zweite Täter zerrte das Opfer vom Stuhl nach hinten in die Tiefe der Loge.

Agatha Simpson reagierte prompt, impulsiv und sehr gekonnt.

Sie schien direkt erleichtert zu sein, endlich etwas tun zu können. Sie war bereits aufgesprungen und ließ ihren Pompadour kreisen. Es handelte sich dabei um einen perlenbestickten Handbeutel, wie er um die Jahrhundertwende und davor in Mode gewesen war. In ihm befand sich Myladys ›Glücksbringer‹, wie sie das Pferdehufeisen untertreibend nannte. Dieses schwere Hufeisen war nur sehr oberflächlich mit dünnem Schaumstoff umwickelt, um schwere Verletzungen zu vermeiden.

Lady Simpson war eine erstklassige Sportlerin. Nachdem sie den Pompadour in Fahrt gebracht hatte, ließ sie ihn los. Das Wurfgeschoß segelte quer über das Parkett und landete in der gegenüberliegenden Loge, in der das Opfer bereits sichtlich unter Luftnot litt. Eine Hammerwerferin hätte nicht kraftvoller und genauer zielen können.

Der Pompadour landete prompt im Gesicht eines der beiden Täter. Der Aufschrei, der unmittelbar danach ertönte, wirkte sich auf das Geschehen in der Konzerthalle erheblich störend aus. Er paßte einfach nicht zu Tschaikowski!

*

Der ältere Herr röchelte beachtlich und schnappte nach Luft. Er lag in einer Ecke der Loge und stierte Lady Simpson mit einer Mischung aus Dankbarkeit und noch nicht überwundenem Entsetzen an.

»Die Kette«, schnaufte er. »Nehmen Sie die Kette!«

»Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin ja bei Ihnen«, meinte Lady Agatha beruhigend. »Was für eine Kette meinen Sie?«

»Hier!« Der ältere Herr zerrte sich sein Frackhemd auf und wollte noch etwas sagen, doch da verließen ihn die Kräfte. Er rutschte haltlos zurück und schloß die Augen.

»Er wird doch nicht?« Lady Simpson sah ihre Gesellschafterin an, die sich jetzt um den Herrn kümmerte.

»Nur eine Ohnmacht, Mylady«, beruhigte Kathy Porter die Lady.

»Das möchte ich mir auch ausgebeten haben!« Lady Simpson hörte Schritte vor der geöffneten Logentür und griff blitzschnell nach der dünnen Kette, die unter dem Frackhemd des Ohnmächtigen hervorschimmerte. Die resolute Dame zögerte keinen Augenblick. Mit fester und sicherer Hand langte sie herzhaft zu und riß dem Herrn die dünne Kette vom Hals. Ohne sich lange mit ihr zu beschäftigen, ließ Lady Simpson sie dann geistesgegenwärtig in ihrem Ausschnitt verschwinden.

Sie schaute hoch und sah sich einem uniformierten Beamten gegenüber, der gerade die Loge betreten hatte. Der Sergeant, ein schlanker, energisch aussehender Mann, kümmerte sich sofort um das Opfer, ohne sich durch Kathys Nähe ablenken zu lassen. Demnach mußte der Sergeant sogar noch sehr pflichtbewußt sein. Kathy sah nämlich ungewöhnlich attraktiv aus.

Das Konzert war selbstverständlich abgebrochen worden. Unten im Parkett, auf den Rängen und in den Logen standen die festlich gekleideten Menschen herum und diskutierten mehr oder weniger erregt diesen Zwischenfall. Lady Simpson hätte sich liebend gern angeschaut, woraus der Anhänger am Kettchen bestand, doch dies verbot sich im Augenblick von selbst.

Es dauerte gar nicht lange, bis ein gewisser Superintendent McWarden auf der Bildfläche erschien. McWarden, ein alter Bekannter von Lady Simpson, schluckte nervös, als er die Dame in der Loge entdeckte. McWarden, ein untersetzter, bullig wirkender Mann von fünfzig Jahren, witterte natürlich sofort Komplikationen. Wo Lady Simpson ihre Hand im Spiel hatte, war es mit seiner üblichen Bombenruhe vorbei. Daran hatte er sich bereits gewöhnt.

Das Opfer war inzwischen wieder zu sich gekommen, schien aber nicht vernehmungsfähig zu sein. McWarden richtete einige Fragen an den älteren Herrn, doch der reagierte nicht. Ob er es absichtlich tat, vermochte selbst die stets mißtrauische Lady Simpson nicht eindeutig zu sagen. McWarden wartete bis die Männer des Krankenwagens erschienen und das Opfer auf eine Trage packten. Als der Mann dann aus der Loge gebracht war, konzentrierte der Superintendent sich auf Lady Simpson.

»Ich bin Ihnen für jede Geschichte dankbar«, sagte er mit einer gewissen Bitterkeit. »Sie darf sogar wahr sein.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich, McWarden«, gab Lady Simpson grimmig zurück. »Als ob ich Sie schon jemals belogen hätte!«

»Oh, Lady Simpson«, seufzte McWarden auf, »eines Tages werde ich mich in die Provinz versetzen lassen, weit weg von Ihnen.«

»Wie wollen Sie dann noch Kriminalfälle lösen?« erkundigte sich die Lady ironisch. »Sie sollten dankbar sein, daß ich mich etwas um Sie kümmere.«

»Um was ging’s denn diesmal?« fragte McWarden, ohne dieses Thema zu vertiefen.

»Miß Porter wird Ihnen alles erzählen«, gab Lady Simpson zurück. »Und Sie werden nichts zu hören bekommen, als die Wahrheit, die reine Wahrheit.«

»Ich weiß!« McWarden verdrehte die Augen und nickte Kathy Porter zu. Lady Simpsons Gesellschafterin berichtete knapp und präzise von dem, was sich in der Loge abgespielt hätte. Sie vergaß allerdings das Kettchen zu erwähnen, doch das konnte möglicherweise mit ihrer Aufregung Zusammenhängen.

»Also reiner Zufall, daß Sie diesen versuchten Mord beobachteten?« McWarden drehte sich zu Lady Simpson um.

»Sie scheinen gut zugehört zu haben. Reiner Zufall, Superintendent. Wollen Sie mir nicht endlich sagen, wen ich da vor dem Tod gerettet habe? Darauf habe ich doch wohl einen Anspruch, nicht wahr?«

»Sie kennen den Mann wirklich nicht, Mylady?«

»Sie werden albern, junger Mann«, raunzte die ältere Dame den Superintendent an. »Ich spiele nicht mit gezinkten Karten. Ich bin ahnungslos.«

McWarden durchforschte bereits die Brieftasche des Opfers und fand eine Menge Hinweise auf dessen Identität. In der Brieftasche befanden sich Kreditkarten, ein internationaler Führerschein, Pfundnoten und dann auch ein Hotelausweis.

»Nun zieren Sie sich nicht länger«, brummte Lady Simpson. »Wie heißt der Mann?«

»James Findlay«, antwortete der Superintendent zögernd. »Er ist Amerikaner und scheint sich erst seit zwei Tagen hier in London aufzuhalten.«

»In welchem Hotel ist er abgestiegen?«

»Im ›Palace‹, Mylady, aber das darf ich Ihnen schon nicht mehr sagen.«

»,Ich habe auch nichts gehört«, antwortete Lady Simpson.

»Werden Sie sich mit dieser Sache befassen?« fragte McWarden vorsichtig an. Ihm war nur zu bekannt, welchem Hobby die resolute Dame hemmungslos frönte.

»Der Fall soll doch aufgeklärt werden, oder?« Sie sah ihn grimmig an. »Natürlich werde ich ein wenig neugierig sein, McWarden. Vielleicht wartet hier ein Stoff auf mich, der mir einen Bestseller garantiert.«

*

»Wann werden Sie sich endlich einen größeren Wagen zulegen, Kindchen?« grollte Lady Simpson und deutete auf den Mini-Cooper. »Dieser Schuhkarton ist doch eine Zumutung.«

»Man hat daher mit ihm keinerlei Parkprobleme, Mylady«, sagte Kathy Porter lächelnd. »Ich komme mit ihm praktisch überall hin.«

Lady Simpson faltete sich zusammen und schob sich ächzend und stöhnend auf den Beifahrersitz. Kathy Porter wartete, bis die ältere Dame sich endlich zurechtgerückt hatte, dann ging sie um den Mini-Cooper herum und setzte sich vor das Steuer.

»Fahren Sie los«, sagte Lady Simpson. »Ich wette, McWarden beobachtet uns. Er traut mir mal wieder nicht über den Weg.«

»Gebranntes Kind scheut das Feuer, Mylady.« Kathy ließ den Motor an und fuhr langsam los. Als sie den Parkplatz verließ, tauchte der Superintendent auf, gestikulierte und schien den Mini-Cooper unbedingt anhalten zu wollen. Ja, er machte einen geradezu aufgeregten Eindruck.

»Ich hoffe, Sie wollen nicht reagieren«, meinte Lady Agatha. »Ich sehe nichts. Haben Sie mich verstanden?«

»Es scheint aber wichtig zu sein, Mylady.«

»Wir sehen nichts. Biegen Sie nach rechts ab, Kindchen. McWarden geht mir auf die Nerven.«

Kathy Porter hielt sich also an die strikte Anweisung der Lady Agatha, übersah den Superintendent und witschte mit ihrem Mini-Cooper in eine schmale Gasse, die von parkenden Wagen gebildet wurde. Wenig später waren sie auf der regulären Straße und fuhren in Richtung Hyde Park, in dessen Nähe sich das Palace-Hotel befand.

»Sie scheinen wieder mal mit einer Schnecke konkurrieren zu wollen«, mokierte sich die energische Lady. »Geht’s nicht etwas schneller, Kindchen?«

»Mylady, der Verkehr ist einfach zu dicht.«

»Sie sind überfordert, Kathy«, stellte die Lady fest. »Ich denke, ich sollte das Steuer übernehmen.«

Kathy Porter hätte am liebsten entsetzt aufgeschrien. Sie kannte den Fahrstil der resoluten Lady. Ein ehemaliger Kamikaze-Flieger wäre gegen Myladys Verwegenheit nur ein zaudernder Anfänger gewesen. Wenn Lady Agatha am Steuer eines Wagens saß, war das stets so etwas wie ein Happening. Sie hatte die Spielregeln des Verkehrs längst vergessen, zudem auch noch sämtliche Verkehrszeichen. Sie fuhr so, wie es ihr gerade in den Sinn kam.

»Sollten Sie sich nicht das Kettchen ansehen, Mylady?« lenkte Kathy Porter schnell ab. Sie konnte nur hoffen, daß Lady Agatha auf diesen Trick hereinfiel.

Sie tat es erfreulicherweise.

»Richtig, das Kettchen!« erinnerte sich die Lady und suchte in ihrem mächtigen und fülligen Ausschnitt nach besagtem Gegenstand. Nach einiger Anstrengung hatte sie endlich den Gegenstand gefunden und sicher geborgen. Sie betrachtete ihn neugierig.

Das Silberkettchen hatte einen Anhänger. Bei diesem Anhänger handelte es sich um eine längliche Kapsel, die aus zwei Hälften bestand. Sie war etwa vier bis fünf Zentimeter lang und hatte einen Durchmesser von ungefähr anderthalb Zentimeter. Die zwei Hälften waren genau in der Mitte gegeneinander geschraubt. Die obere Hälfte war mit eingelassenen roten Kreuzen versehen, mit denen Lady Simpson nichts anzufangen wußte.

»Das sieht aber reichlich medizinisch aus«, fand sie und zeigte ihrer Begleiterin die Kapsel. Sie zeigte sie ihr derart nachdrücklich, daß Kathy die Sicht auf die Fahrbahn versperrt wurde. Doch das bekam Lady Simpson in ihrem Eifer nicht mit.

Kathy mußte eine Notbremsung durchführen und entging nur mit knapper Not einem Auffahrunfall. Davon bekam Lady Agatha jedoch nichts mit.

»Moment, Kindchen«, sagte sie ahnungslos. »Sie können wahrscheinlich nicht genug sehen.«

Lady Simpson nahm die Kapsel noch höher und damit Kathy auch die letzte Sicht. Kathy Porter seufzte auf.

»Was ist denn, Kathy?« wunderte sich die ältere Dame. »Warum blockieren Sie plötzlich den gesamten Verkehr? Wir sind doch nicht allein auf der Straße? Sie sollten mal wieder Fahrunterricht nehmen.«

»Mylady, ich kann beim besten Willen nichts sehen«, gab Kathy ergeben zurück. Es hatte keinen Sinn, sich über die Lady zu wundern. Sie war ein Naturereignis, das man einfach hinnehmen mußte. Kathy steuerte den Wagen vorsichtig an den Straßenrand und hielt an.

»Der Straßenverkehr hat Sie geschafft, Kindchen, nicht wahr?« Mitgefühl schwang in Myladys Stimme mit.

»Darf ich die Kapsel sehen, Mylady?« fragte Kathy, ohne auf die Feststellung Lady Agathas einzugehen. Sie überhörte sie geflissentlich.

»Ein sehr eigenartiger Talisman«, fand Lady Agatha, als sie ihrer Gesellschafterin die Kapsel reichte.

»Das ist eine Rettungskapsel«, sagte Kathy nach einem kurzen und prüfenden Blick.

»Eine was?« Lady Simpson schüttelte irritiert den Kopf.

»Eine Rettungskapsel, Mylady«, wiederholte Kathy und schraubte die beiden Hälften auseinander. »Sie enthält Angaben zur Person des Besitzers. Blutgruppe, Rhesusfaktor, eine Liste der bereits verabreichten Impfungen und Hinweise auf Allergien, das alles ist hier verzeichnet.«

Während Kathy Porter noch redete, zog sie ein eng zusammengerolltes Stück Papier aus der unteren Kapselhälfte, rollte es auseinander und reichte es Lady Simpson.

»Tatsächlich«, sagte die Amateurdetektivin enttäuscht. »Der Name lautet James Findlay. Er ist identisch mit dem, den McWarden uns genannt hat. Das ist aber eine herbe Enttäuschung, Kindchen.«

»Sie hatten Mikrofilme erwartet, Mylady?« Kathy lächelte.

»Natürlich«, räumte Lady Simpson ehrlich ein, was an sich schon überraschend genug war. »Warum hat dieser Findlay mir sonst diese Kapsel aufgedrängt? Sein Rhesusfaktor interessiert mich doch überhaupt nicht.«

»Vielleicht birgt die Kapsel irgendein Geheimnis, Mylady?« Kathy wußte sehr genau, wie man Lady Simpson geschickt ablenken konnte. Sie hatte da so ihre Erfahrungen.

»Manchmal haben Sie sogar akzeptable Ideen, Kindchen«, gab Lady Simpson zurück und nickte beifällig. »Worauf warten Sie eigentlich noch? Wir wollen uns diese Kapsel zu Hause mal in aller Ruhe ansehen.«

Kathy wollte anfahren, doch in diesem Augenblick tat sich etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Die Fahrertür wurde aufgerissen, und sie sah Bruchteile von Sekunden später in den Lauf einer Pistole, die mit einem Schalldämpfer modernster Bauart ausgerüstet war.

*

»Ganz ruhig, die Damen«, sagte der junge Mann, der die Pistole hielt. Er mochte vielleicht fünfunddreißig Jahre alt sein, schlank und mittelgroß. Er hatte ein glattes Gesicht und trug trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille.

»Was soll das?« grollte Lady Simpson gereizt. »Wenn Sie mit Bargeld rechnen, so haben Sie sich gründlich in den Finger geschnitten. Ich zahle nur per Scheck.«

»Wie wär’s denn mit der Kapsel?« fragte der junge Mann und lächelte dünn. Kathy Porter überdachte blitzschnell ihre Chancen, dem Mann die Waffe aus der Hand zu schlagen, doch sie kam zu dem Schluß, daß sie es mit einem Profi zu tun hatte, den man so leicht nicht hereinlegen konnte.

»Meinen Sie etwa diese Kapsel?« fragte die energische Lady, die die Waffe gar nicht zu sehen schien. Sie hielt sie hoch, als hätte sie möglicherweise noch gar nicht mitbekommen, in welcher Gefahr sie schwebte.

»Sie sind ’ne Schnelldenkerin«, lobte der junge Mann Lady Simpson. »Reichen Sie mir das Ding rüber, und schon sind Sie aus dem Schneider. Aber ein bißchen plötzlich, wenn’s nicht peinlich werden soll.«

Nun hatte die ältere Dame endlich begriffen.

Sie stieß eigenartige Töne aus, rang sichtlich nach Luft und schien einem Herzanfall nahe zu sein. Sie beugte sich vor, griff nach ihrem Herzen und fiel dann gegen die Wagentür, deren Scheibe heruntergedreht war.

Dabei passierte ihr jedoch ein Mißgeschick. Ihre Hand, die die Kapsel hielt, rutschte nach draußen. Und Bruchteile von Sekunden später war ein Klicken draußen neben dem Wagen zu hören.

»Die Kapsel!« stieß Kathy Porter hervor und sah den jungen Mann verängstigt an.

Dieser Ansicht war auch der Mann.

Er stieß einen recht häßlichen Fluch aus und wußte im ersten Moment nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Dann aber drückte er sich fluchend zurück und sah Kathy wütend an.

»Hauen Sie ab«, sagte er. »Los, machen Sie schon.«

»Aber die Kapsel«, warf Kathy ein, während die Lady weiterhin nach Luft schnappte und gar nicht mitbekam, was sich tat.

»Die liegt unter dem Schlitten. Los, fahren Sie endlich!«

Kathy wartete eine weitere Einladung nicht ab, sondern marschierte mit ihrem Mini-Cooper sofort los. Sie fuhr derart scharf an, daß Lady Simpson tief in die Polster gedrückt wurde. Im Rückspiegel beobachtete Kathy den jungen Mann. Er besichtigte die Gosse und die Fahrbahn. Auf die Kapsel schien er ganz versessen zu sein.

»Dieser Anfänger«, ließ Lady Agatha sich in diesem Moment abfällig vernehmen.

»Mylady?« Kathy wandte sich überrascht an die ältere Dame, die völlig normal und gesund neben ihr saß. Mit dem Herzen schien sie nie etwas gehabt zu haben. Gesünder konnte kein Mensch aussehen.

»Er sollte sein Lehrgeld zurückzahlen«, mokierte sich Lady Agatha und nickte grimmig. »Wie kann man denn nur auf solch einen alten Trick hereinfallen! Das ist einfach nicht zu glauben!«

»Oh, Mylady, ich dachte wirklich ...«

»Nun geben Sie schon Gas, Kindchen. Der Lümmel wird gleich sehr wütend sein.«

»Sie haben die Kapsel noch, Mylady?« Kathy war ein Licht aufgegangen.

»Aber natürlich.« Lady Simpson nickte triumphierend. »Ich werde meinen Fall doch nicht so leicht verspielen.«

Sie präsentierte die Kapsel und lachte dröhnend. Ihre dunkle Stimme kam dabei voll zur Geltung,

»Und was haben Sie auf die Straße geworfen, Mylady?« Kathy lachte nun ebenfalls.

»Meinen Ring, Kindchen. Aber diesen Verlust wird dieser Strolch mir noch ersetzen, so wahr ich Lady Simpson heiße!«

Kathy schaute wieder in den Rückspiegel und suchte nach dem Verfolger. Der hereingelegte junge Mann mußte ja inzwischen den Schwindel entdeckt haben. Er mußte doch jetzt racheschnaubend die Hetzjagd aufgenommen haben.

»Er ist doch hoffentlich hinter uns her«, erkundigte sich Lady Simpson neugierig.

»Ich kann nichts erkennen, Mylady, der Verkehr ist einfach zu dicht.«

»Macht ja nichts«, sagte die resolute Dame zufrieden. »Er wird sich wieder melden, Kindchen. Und dann werde ich diesem Lümmel mal zeigen, wie man sich Damen gegenüber zu benehmen hat!«

*

»Eine Geschichte, Mylady, die ich mit Ihrer Erlaubnis als ausgesprochen mysteriös bezeichnen möchte«, sagte Butler Parker eine knappe halbe Stunde später.

Er befand sich zusammen mit den beiden Damen im großen Kaminzimmer von Lady Simpsons Stadtwohnung in Shepherd’s Market, London. Er hatte der Lady gerade eine kleine Erfrischung serviert. Sie bestand, das nur am Rande, aus einem dreifachen Cognac, den Lady Simpson nach Kennermanier genüßlich zu sich nahm.

Parker war der Prototyp eines englischen Butlers. Er schien einem Gesellschaftsfilm entstiegen zu sein. Korrekter hätte auch dort kein Butler aussehen und sich bewegen können.

Parker war ein wenig über mittelgroß, fast schlank zu nennen, besaß ein ausdrucksstarkes Gesicht, das aber unbeweglich zu sein schien, und graugrüne Augen. Er trug einen schwarzen Zweireiher, einen weißen Eckkragen und eine schwarze Krawatte. Da er gerade die leichte Erfrischung serviert hatte, trug er weiße Handschuhe. Parker war ein Mann, der praktisch in jeder Lebenslage auf Formen hielt. Leichtfertige Nachlässigkeiten gestattete er sich nicht.

»Sehen Sie sich endlich die Kapsel an«, sagte Lady Simpson. »Sie muß so etwas wie einen doppelten Boden haben.«

»Wie Mylady befehlen.« Parker nahm die bewußte Kapsel entgegen und schraubte sie auf. Er legte den zusammengerollten Zettel zur Seite und ging zu einer der Wandlampen hinüber. Er sah das Innere der beiden Kapselhälften an und stocherte dann mit einem langen Kaminstreichholz im Inneren der beiden Hülsen herum.

»Mikrofilm, nicht wahr?« Für Lady Simpson gab es überhaupt keine andere Möglichkeit. Sie wollte ihren Mikrofilm sehen, doch Josuah Parker mußte bedauern.

»Die beiden Hälften scheinen keinen doppelten Boden zu besitzen, Mylady«, meldete er höflich. »Ich möchte sie allerdings noch einmal gründlich überprüfen.«

»Was ich mir auch ausgebeten haben möchte«, erwiderte Lady Simpson grimmig. »Vergessen Sie nicht, daß sie mir aufgedrängt worden ist. Und zwar von einem Mann, den man umbringen wollte! Und vergessen Sie außerdem nicht, daß dieser Strolch mir die Kapsel wieder abjagen wollte.«

»Was gewisse Rückschlüsse zuläßt, Mylady, falls mir diese Bemerkung erlaubt ist.«

»So, welche denn?«

»Mylady und Miß Porter wurden offensichtlich beobachtet, als Sie sich um den älteren Herrn kümmerten. Man muß gesehen haben, daß Mylady die Kapsel an sich nahmen.«

»Natürlich, Mr. Parker.« Lady Simpson wirkte leicht ungeduldig und deutete auf den zusammengerollten Zettel. »Halten wir uns nicht mit so unwichtigen Kleinigkeiten auf. Sehen Sie sich jetzt mal den Zettel an. Ich behaupte nach wie vor, daß diese Kapsel gefährlicher ist als eine Stange Dynamit.«

»Wie Mylady meinen.« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er rollte den Zettel auseinander und studierte die Angaben darauf. Er erfuhr etwas über die Blutgruppe, den Rhesusfaktor, die Impfungen und die Allergien des Mr. Findlay. Ferner war dessen Heimatadresse angegeben, demnach wohnte James Findlay in New York.

Parker hielt den Zettel, der einen leinenähnlichen Charakter hatte, gegen das Licht. Punktierungen waren allerdings nicht zu erkennen, bestimmte Buchstaben oder Zahlen so nicht gekennzeichnet.

»Haben Sie wenigstens jetzt etwas gefunden?« hoffte Lady Agatha grimmig.

»Ich muß nach wie vor außerordentlich bedauern, Mylady.«

»Sie lassen nach, Mr. Parker«, beurteilte Lady Simpson streng. »Vor ein paar Wochen noch hätten Sie ein Geheimnis mit einem Blick durchschaut.«

»Sehr wohl, Mylady.« Parker deutete eine leichte Verbeugung an. »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit untröstlich. Wenn es erlaubt ist, werde ich mich zurückziehen und eine genauere Untersuchung vornehmen.«

Bevor Lady Simpson sich dazu äußern konnte, war die Türglocke zu hören. Parker schritt gemessen aus dem Kaminzimmer und öffnete im Treppenhaus einen kleinen Wandschrank. Er schaltete die Fernsehkamera ein, die den Eingang überwachte. Auf dem Bildschirm des kleinen, im Wandschrank eingebauten Monitors war Superintendent McWarden zu sehen. Er kannte die Kamera und sah genau in die Optik.

»Machen Sie schon auf, Mr. Parker«, sagte er gereizt »Ich bringe wichtige Nachrichten. Lady Simpson hat keine Ahnung, daß sie in Lebensgefahr schwebt!«

*

»Findlay ist entführt worden«, sagte McWarden, nachdem er die beiden Frauen kurz und hastig begrüßt hatte.

»Das sieht Ihnen ähnlich«, antwortete Lady Simpson und verzog ihr Gesicht. »Wie ist es denn passiert?«

»Der Krankenwagen ist auf dem Hof des Konzerthauses gestoppt und überfallen worden«, berichtete McWarden und wischte sich den Schweiß von seinem bulligen Gesicht. »Die beiden Fahrer sind niedergeschlagen worden.«

»Ich werde mir einige anzügliche Bemerkungen ersparen, McWarden«, meinte die Lady. »Und jetzt? Wieso befinde ich mich dadurch in Lebensgefahr, wie Mr. Parker meldete.«

»Findlay hat einen besonderen Status, Mylady«, erwiderte McWarden. »Eigentlich darf ich darüber gar nicht sprechen, aber in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen.«

»Das möchte ich auch hoffen, McWarden. Wer ist also dieser Findlay?«

»Ein CIA-Agent, Mylady.« McWarden hatte unwillkürlich seine Stimme gedämpft. »Wir haben es eben erst von der amerikanischen Botschaft unter der Hand erfahren. Der Mann ist sogar ein Spitzenagent.«

»Der sich für diesen Tschaikowski interessiert?« Lady Simpson meinte selbstverständlich den russischen Komponisten, doch McWarden mißverstand und spitzte die Ohren.

»Tschaikowski?« Er beugte sich vor. »Ein Sowjetagent?«

»Möglich ist alles«, antwortete Lady Agatha genußvoll, »aber laut Kathy Porter soll der Mann ein ziemlich begabter Komponist gewesen sein.«

»Ach so, jetzt begreife ich!« McWarden schüttelte den Kopf und schämte sich ein wenig. »Ich sehe schon überall Gespenster. Man hat uns ganz schön auf Trab gebracht, Mylady. Selbst der Innenminister ist an dieser Sache interessiert. Findlay scheint ein äußerst wichtiger Mann zu sein.«

»Darf man höflichst fragen, Sir, warum Mr. Findlay den Konzertsaal aufsuchte?« schaltete sich Butler Parker gemessen ein. »Wollte er nur der klassischen Musik frönen oder suchte er dort Kontakt mit irgendeiner Person?«

»Scheint so, aber genau weiß ich das nicht. Die amerikanische Botschaft ist da sehr zurückhaltend. Sie verlangt nur, daß wir Findlay herbeischaffen.«

»Und warum, Sir, hält man dann Myladys Leben für gefährdet?« erkundigte Parker sich weiter.

»Man vermutet in der Botschaft, daß wichtiges Material an Findlay übergeben worden ist, Material aus dem Fernen Osten. Ich möchte da nicht deutlicher werden.«

»Was habe ich denn damit zu tun?« fragte die ältere Dame amüsiert.

»Sie, Mylady, selbstverständlich auch Miß Porter, Sie also hinderten die beiden Mörder daran, ihre Tat auszuführen. Und Sie waren zuletzt bei Findlay, wenn Sie sich recht erinnern.«

»Natürlich, wir leisteten Erste Hilfe.« Lady Simpson trank ihr Glas leer und sah McWarden interessiert an. »Demnach waren die beiden Lümmel, die Findlay strangulieren wollten, Agenten aus dem Fernen Osten, nicht wahr?«

»Das ist anzunehmen, Mylady.« McWarden blieb reserviert und zurückhaltend. Er wollte offensichtlich nicht zuviel ausplaudern. Man schien ihn eingehend vergattert zu haben.

»Wurde das bewußte Material denn an Findlay übergeben, Sir?« erkundigte sich Parker höflich. »Steht das wenigstens fest?«

»Man weiß es nicht, Mr. Parker. Nur Findlay kannte diesen Überbringer. Und der wird sich auf keinen Fall melden, denke ich. Der Mann dürfte nun vorgewarnt sein und sich nicht mehr rühren.«

»Ich möchte endlich wissen, warum ich mich in Lebensgefahr befinde?« Lady Simpson war unwillig geworden. »Und warum muß auch Miß Porter um ihr Leben fürchten, McWarden? Lassen Sie gefälligst die Katze aus dem Sack und zieren Sie sich nicht wie eine Jungfrau!«

»Nun ja, Mylady, Mr. Findlay wurde doch zum Krankenwagen getragen, nicht wahr?«

»Halten Sie sich nicht mit solchen Kleinigkeiten auf.«

»Im Treppenhaus kam er wieder kurz zu sich und redete von einer Kette.«

»Von einer Kette?« Lady Simpson zuckte mit keiner Wimper. Sie hatte sich wunderbar unter Kontrolle. »Was hat denn das nun wieder zu bedeuten?«

»Findlay redete auch von einer Kapsel, Mylady.« McWarden sah die resolute Lady prüfend an.

»Das wird ja immer geheimnisvoller«, wunderte sich Lady Agatha gekonnt.

»Dabei fingerte Findlay an seiner Brust herum, Mylady. Er muß dort etwas gesucht haben.«

»Eine Kette und eine Kapsel etwa, McWarden?«

»Richtig, Lady Simpson. Die beiden Krankenträger sagten übereinstimmend aus, daß das Hemd zerrissen war.«

»Sie hegen eine bestimmte Vermutung, Sir?« fragte Butler Parker.

»Die beiden Krankenträger haben weder eine Kette noch eine Kapsel entdecken können, Mr. Parker. Sie muß also vorher entwendet worden sein.«

»Wahrscheinlich von den beiden Lümmeln«, sagte Lady Simpson.

»Wäre Findlay dann noch entführt worden?« McWarden schüttelte den Kopf.

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«, erwiderte Butler Parker. »Nur Mr. Findlay kann doch sagen, wer ihm das Material übergeben hat. Diese Information will man wahrscheinlich aus ihm herauspressen.«

»Das fürchte ich allerdings auch«, pflichtete der Superintendent ihm bei.

»Ich weiß immer noch nicht, warum Kathy und ich uns in Lebensgefahr befinden«, ließ Lady Simpson sich ungeduldig vernehmen. »McWarden, Sie sind wieder einmal sehr umständlich.«

»Nun, es könnte ja sein, theoretisch wenigstens, daß die beiden Mörder annehmen, Sie hätten die Kapsel, Mylady.« Nun hatte McWarden die sprichwörtliche Katze aus dem Sack gelassen. »In diesem Fall würde man wahrscheinlich vor keinem Mord zurückschrecken.«

»Das ist richtig«, fand die Lady und nickte zustimmend.

»Man würde Sie in solch einem Fall erbarmungslos jagen«, warnte McWarden eindringlich.

»Das kann ich mir sehr gut vorstellen«, fand auch Lady Agatha. »In dieser komischen Kapsel muß sich also irgend etwas sehr Wichtiges befinden, nicht wahr?«

»Wahrscheinlich«, gab der Superintendent zurück.

»Hat die Botschaft Ihnen dazu wenigstens eine Andeutung gemacht, Sir?« wollte Josuah Parker wissen.

»Eine mehr als vage Andeutung. Sie enthält die Belohnung für das Agentenmaterial.« McWarden schien wirklich nicht mehr zu wissen. Er zuckte hilflos die Achseln. »Diese Geheimniskrämer können einem schon auf die Nerven gehen. Ja, was ich noch fragen wollte, Mylady. Sie haben diese Kette samt Kapsel nicht zufällig gesehen?«

»Eine Gegenfrage, McWarden, glauben Sie wirklich, ich würde das in solch einem Fall jemals zugeben?« Lady Simpson lächelte unergründlich.

»Nein, Sie würden das sicher niemals zugeben«, erwiderte McWarden aufseufzend. »Ich kenne Sie inzwischen. Sie arbeiten ja immer auf eigene Faust. Aber diesmal werden Sie auf Granit beißen, glauben Sie mir! Das hier ist kein normaler Kriminalfall. Hier geht es um internationale Agenten. Wissen Sie, was ich machen werde?«

»Wahrscheinlich werden Sie es mir gleich sagen, McWarden.« Lady Agatha sah den Superintendent erwartungsvoll an.

»So makaber es klingen mag, Mylady, ich werde zu Ihrem baldigen Begräbnis erscheinen.« McWarden nickte knapp und wandte sich dann um. Er ging, ohne sich noch einmal umzuwenden.

*

Butler Parker hatte sich in seine ›Bastelstube‹ zurückgezogen und beschäftigte sich mit der Kapsel.

Diese Bastelstube befand sich im Souterrain des alten, wunderschönen Hauses. Sie war technisch hervorragend eingerichtet und eine gekonnte Mischung aus Labor, feinmechanischer und elektrischer Werkstatt. Hier schuf der Butler seine kleinen Überraschungen, die schon so manchen Gegner zur Verzweiflung getrieben hatten.

Nach den Andeutungen McWardens war der Butler nur noch neugieriger geworden. Er wollte das Geheimnis der Kapsel ergründen. Sie schien im übertragenen Sinne doch so etwas wie einen doppelten Boden zu haben. Warum wären Lady Simpson und Kathy Porter sonst wohl von dem jungen Mann bedroht worden?

Der Butler schaute sich den Zettel noch einmal sehr genau an. Er untersuchte ihn mit polarisiertem Licht, nahm eine Probe vor, ob vielleicht irgendeine Botschaft mit Geheimtinte abgefaßt worden war und studierte dann die medizinischen Hinweise auf den Impfdaten. Sie bestanden aus großen Buchstaben und Ziffern. Diese Zeichen konnten durchaus eine Art Schlüssel darstellen. Parker nahm sich vor, diese Eintragungen so schnell wie möglich einem Mediziner vorzulegen. Nur solch ein Mann konnte ihm sagen, ob sie regulär waren oder nicht.

James Findlay war also laut McWarden ins Konzert gegangen, um hier Kontakt mit einem Agenten aufzunehmen. Findlay sollte angeblich Spionagematerial entgegennehmen und dafür zahlen. Der Superintendent hatte anklingen lassen, daß diese Bezahlung durch die Übergabe der Kapsel erfolgen sollte.

Josuah Parker spannte zuerst die obere, dann die untere Hälfte der Kapsel in einen Schraubstock und schnitt sie mit einer winzig kleinen Kreissäge auf. Sie war nicht größer als das Instrument eines Zahnarztes. Anschließend bog er die Hülsen auseinander und glättete sie. Mit einer starken Lupe untersuchte er nun die Innenwandungen der beiden Kapselhälften.

Ratlos richtete er sich auf. Nichts war zu sehen. Das Metall war glatt und unbehandelt. Hatte der überfallene Findlay die Kapsel gemeint, die Lady Simpson an sich genommen hatte? Befand man sich vielleicht auf einer völlig falschen Spur? Nein, das kam eigentlich nicht in Betracht, denn da war ja noch immer der Überfall auf Lady Simpson und Kathy Porter. Der junge Mann war eindeutig hinter dieser Kapsel her gewesen.

»Ich hoffe, Sie haben das Geheimnis endlich gelüftet«, sagte Lady Simpson, die sich nach unten in Parkers Bastelstube bemüht hatte. Sie schaute sich die aufgetrennten Kapselhälften oberflächlich an.

»Ich muß leider außerordentlich bedauern, Mylady«, gab Parker zurück.

»Sollte man McWarden aufs Kreuz gelegt haben?« fragte die Hobbydetektivin grimmig.

»Diese Möglichkeit, Mylady, darf nicht übersehen werden«, erwiderte Parker. »Sind Mylady sicher, die richtige Kapsel sichergestellt zu haben?«

»Wie kommen Sie denn darauf?« Lady Simpson sah ihren Butler mehr als erstaunt an.

»Man sollte, wenn ich es so ausdrücken darf, jede Möglichkeit in Betracht ziehen.«

»Findlay kann nur die gemeint haben.« Die Lady deutete auf die beiden aufgeschnittenen Hälften. »Er stammelte etwas von einer Kapsel und riß sich dabei das Hemd auf. Und dann denken Sie doch an diesen Strolch, der Miß Porter und mich überfallen hat. Er wollte diese Kapsel haben und keine andere. Er schien sie zu kennen.«

»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit zur Zeit ein wenig ratlos«, bekannte Josuah Parker. »Darf ich mich erkühnen, einen Vorschlag zu unterbreiten?«

»Zieren Sie sich nicht, Mr. Parker.«

»Sollte man die Kapsel samt Inhalt nicht der amerikanischen Botschaft Zuspielen? Vielleicht stehen da Interessen auf dem Spiel, die keineswegs einen weiteren Aufschub dulden.«

»Und wir geben damit den Fall ab, Mr. Parker?« Lady Simpson behagte diese Vorstellung überhaupt nicht.

»Nationale Sicherheiten könnten auf dem Spiel stehen, Mylady.«

»Nun gut, schicken Sie das Zeug weg, Mr. Parker.« Lady Simpson hatte sich zu einem Entschluß durchgerungen. »Vergessen wir also diesen kleinen Zwischenfall. Aber ich bitte mir eines aus.«

»Mylady?« Parker sah die energische Lady erwartungsvoll an.

»Besorgen Sie mir gefälligst einen Ersatzfall«, grollte Lady Simpson. »Sie wissen, ich brauche einen passenden Stoff für meinen Bestseller!«

*

Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr durch die nächtliche Stadt.

Sein Ziel war die amerikanische Botschaft. Er wollte die beiden aufgetrennten Kapselhälften und den Zettel mit den medizinischen Hinweisen so schnell wie möglich los werden. Natürlich hatte er sich eine Fotokopie dieses Zettels angefertigt, doch das nur für besagten Fall des Falles. Parker hatte auch die Kapselhälften sorgfältig fotografiert. Er war eben ein sehr ordentlicher und korrekter Mensch, der sich später keine Vorwürfe machen wollte.

Daß er verfolgt wurde, wußte Parker übrigens schon seit knapp fünf Minuten, doch das bereitete ihm keinerlei Sorgen. Ja, genau das Gegenteil war der Fall. Er hatte es recht gern, wenn seine Gegner sich mit ihm beschäftigten. Es bot sich dann immer die Möglichkeit, sie gehörig aufs Glatteis zu führen.

In seinem Privatwagen war er zudem recht sicher.

Das hochbeinige Monstrum, wie Freunde und Gegner dieses ehemalige Londoner Taxi nannten, war nach Parkers Plänen gründlich umgestaltet worden. Von dem einstigen Taxi war nur noch die äußere Form übriggeblieben, alles anderes hatte der Butler austauschen lassen. Der Motor hätte durchaus in einen Rennsportwagen gepaßt, die Federung und Radaufhängung war exquisit und entsprach dem eines modernen Land-Rovers. Die Wagenscheiben bestanden aus schußsicherem Glas und hatten dem Butler in der Vergangenheit schon oft das Leben gerettet. Darüber hinaus aber war dieses eckige und hochbeinige Gefährt eine wahre Trickkiste auf Rädern. Auch davon wußten ehemalige Gegner ganze Arien zu singen.

Der Wagen, der sich an seine Fersen geheftet hatte, war ein Morris, klein, wendig und schnell. Er beförderte zwei Insassen, Männer, deren Gesichter Parker nicht erkennen konnte. Warum sie ihn verfolgten, lag für Josuah Parker auf der Hand. Die beiden Herren wollten sich früher oder später mit ihm intensiv unterhalten.

In Anbetracht dieser Umstände steuerte der Butler sein Ziel nicht direkt an. Er ließ das kleine Päckchen, das er bei der Botschaft abliefern wollte, erst einmal unter dem Sitz verschwinden. Dann kurvte er aus dem Zentrum, steuerte nach Norden und lockte seine Verfolger in eine Gegend, die ihm für sein Vorhaben passend erschien. Auch Parker war inzwischen an einem längeren Gespräch interessiert. Er wollte zumindest herausfinden, wer diese beiden Männer waren.

Parker hatte sich für den Regent’s Park entschieden. Es gab dort ein Freilichttheater, das um diese Zeit zwar seine Pforten geschlossen hatte, für den Kundigen aber noch Eintrittsmöglichkeiten bot. Der Butler ließ seinen Wagen auf einem der Parkplätze für das künstlerische Personal stehen und stieg aus. Unauffällig hielt er Ausschau nach dem Morris. Der kleine Wagen stand auf der Zufahrtsstraße und hielt ebenfalls an. Die beiden Männer blieben vorerst noch im Wagen und sondierten erst einmal die Lage.

Parker legte sich seinen Universal-Regenschirm über den linken Unterarm, vergewisserte sich, daß seine schwarze Melone korrekt auf dem Kopf saß und begab sich dann ohne jede Hast hinüber zum Kofferraum seines Wagens. Er öffnete ihn bedächtig und schien wirklich keine Ahnung davon zu haben, daß er intensiv beobachtet wurde. Parker griff nach einem kleinen, schwarzen Kasten, der nicht größer war als eine Zigarrenkiste. Er klemmte ihn sich unter den rechten Arm und ging dann auf den Bühneneingang zu.

Rechts davor gab es eine Taxushecke, die einen Weg verdeckte. Über diesen Weg gelangte man zu den Magazinräumen, die unter der Erde lagen. Von dieser Hecke aus beobachtete der Butler die beiden Männer. Sie hatten sich in Bewegung gesetzt und waren im Laufschritt hinter ihm her.

*

»Ich möchte bloß mal wissen, was der alte Knacker da unten auf der Freilichtbühne will«, sagte der erste Verfolger. Er hatte zusammen mit seinem Partner die Taxushecke erreicht.

»Das holen wir gleich aus der Type raus«, meinte der zweite Verfolger. »Los, den haben wir gleich. Da hinten geht er ja.«

Die beiden Verfolger setzten sich wieder in Bewegung. Es waren handfest aussehende Männer, jeder von ihnen knapp vierzig Jahre alt. Sie machten einen durchaus professionellen Eindruck und schienen über die nötige Härte des Berufes zu verfügen. Ihr Opfer hatte sie inzwischen entdeckt und rannte jetzt los. Es hielt auf einen Seitengang zu und verlor dabei den schwarzen Kasten. Im Licht der Lampen, die hier die ganze Nacht über brannten, war das genau zu sehen.

Die beiden Jäger waren mit schnellen Sätzen herangekommen und bremsten ihren Schwung ab. Das schwarze Kästchen übte einen geradezu magischen Zwang auf sie aus. Einer von ihnen bückte sich danach und wog es nachdenklich prüfend in der Hand.

»Das kann ’ne Falle sein«, warnte der zweite Mann.

»’ne Falle? Von der komischen Type? Das soll doch wohl ’n Witz sein, oder?« Während er noch redete, fingerte er am Verschluß herum und beugte sich leichtsinnigerweise etwas vor.

»Nun mach schon!« verlangte der andere Jäger ungeduldig. »Die Type darf uns nicht durch die Lappen gehen.«

Der Neugierige hatte sich mit der Mechanik des Verschlusses vertraut gemacht. Gewarnt von seinem Partner, löste er den kleinen Metallriegel nur sehr vorsichtig und hielt mit den linken Fingern den Deckel sicherheitshalber zu. Er wollte keine Überraschung erleben.

Der Mann konnte natürlich nicht wissen, daß Josuah Parker dieses Kästchen absichtlich zurückgelassen hatte. Er konnte noch weniger wissen, daß es in Parkers Bastelstube präpariert worden war. Es enthielt zwei äußerst starke, jetzt unter Druck stehende Spiralfedern, die den Widerstand der sichernden Finger ganz leicht überwanden. Der Deckel schnellte mit solch einer Wucht nach oben, daß die Hand des Mannes förmlich zur Seite geschleudert wurde.

Gleichzeitig schoß eine Rußwolke aus dem Kasten. Sie breitete sich nach allen Seiten aus und nahm den beiden Männern jede Sicht. Sie husteten und spuckten, sie schlugen wie besessen um sich und weinten schließlich um die Wette.

Sie weinten jedoch ungewollt.

Die Rußwolke enthielt nämlich ein an sich ungefährliches Reizmittel, das im Moment aber äußerst unangenehm war. Die beiden Männer vergossen dicke Krokodilstränen, schnappten verzweifelt nach Luft und setzten sich, ebenfalls wider Willen, auf den Boden. Dann versuchten sie auf allen vieren aus der Reizzone zu kriechen.

Dabei übersahen sie allerdings völlig, daß Josuah Parker sich ihnen genähert hatte. Er war um die hohe Taxushecke herumgegangen und wartete außerhalb der Rußwolke auf seine beiden Gegner. Sie krabbelten zielsicher auf ihn zu, halbblind und immer noch röchelnd und hustend.

Josuah Parker war ein friedfertiger Mensch, dem Aggressionen an sich fremd waren. Als er mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms zulangte, geschah das sogar mit einer gewissen Behutsamkeit. Nein, Josuah Parker wollte selbst einem Gegner keinen unnötigen Schaden zufügen. So etwas wäre ihm niemals in den Sinn gekommen.

Seine Behutsamkeit reichte übrigens vollkommen aus, die beiden Jäger in das Land der Träume zu schicken. Sie streckten sich auf dem Boden aus und merkten nicht mehr, daß Parker sie entwaffnete. Der Butler stellte zwei Schußwaffen sicher, zwei Brieftaschen, Kleinkram, den er in den Taschen der beiden Männer fand und dann noch zwei kleine, rechteckige Plastikkarten, die er erstaunlicherweise unter den Revers der beiden Anzüge entdeckte.

Die Sichtung dieser Habseligkeiten konnte Parker an Ort und Stelle nicht vornehmen. Mit dem Erwachen der beiden Kurzschläfer war bald zu rechnen. Parker begab sich zu seinem hochbeinigen Monstrum zurück und kam ein wenig später am Morris der beiden Männer vorbei. Er hielt kurz an und entlastete die beiden Vorderreifen, die seiner Ansicht nach zu sehr unter Druck standen. Nachdem der Morris vorn ein wenig eingesackt war, setzte der Butler sich wieder ans Steuer und fuhr mit sich und der Welt zufrieden zurück nach Shepherd’s Market. Wie heiter seine Grundstimmung sein mußte, ließ sich daran erkennen, daß er das Autoradio einschaltete, um sich von der Mitternachtsmusik umschmeicheln zu lassen.

*

»Warum bitten wir diesen Lümmel nicht herein?«

Lady Agatha Simpson stand am Fenster ihres Schlafzimmers und spähte diskret nach draußen. Neben ihr hatte Kathy Porter sich aufgebaut. Auch sie verfolgte den jungen Mann, der sich da draußen auf dem Platz herumtrieb, mit Blicken.

Lady Simpsons Stadthaus begrenzte einen kleinen, quadratischen Platz, der mit schönen, alten Fachwerkhäusern umsäumt wurde. Dieser Platz war eine friedliche Oase inmitten der Millionenstadt London. Doch auch diese Oase hatte so ihre Tücken, wie in der Vergangenheit schon mancher Gesetzesbrecher es hatte erleben müssen.

Offiziell bewohnte die Lady zwar nur dieses eine Haus, doch das war eine Täuschung, denn ihr gehörten auch die benachbarten Häuser, die nur scheinbar bewohnt wurden. In Wirklichkeit standen sie alle miteinander in Verbindung. Parker hatte Lady Simpson diese Ausweitung vorgeschlagen, damit man sich im besagten Falle eines Falles besser helfen konnte.

»Ich glaube wirklich, Mylady, daß das der junge Mann ist, der uns überfallen hat«, sagte Kathy jetzt.

»Natürlich ist er es!« Für Lady Simpson gab es überhaupt keinen Zweifel. »Er ist immer noch hinter der Kapsel her. Schließlich wird er sich ja wohl das Kennzeichen Ihres Schuhkartons gemerkt haben, Kindchen.«

»Er pirscht sich immer näher an die Haustür heran, Mylady.«

»Er wird natürlich einbrechen wollen. Aber wollen wir uns das Türschloß demolieren lassen, Kathy? Man bekommt so schwer die richtigen Handwerker.«

»Daran habe ich gar nicht gedacht, Mylady.« Kathy nickte. »Ich werde ihn holen, Mylady. Einen Moment, bitte.«

Sie verließ das Schlafzimmer der Lady und betrat das Treppenhaus. Sie ging auf einen mächtigen, alten Schrank zu, öffnete eine der beiden Türen und drückte auf einen versteckt angebrachten Knopf. Eine knappe Sekunde später schwang die Rückfront zusammen mit den Einlegefächern nach hinten weg und gab den Weg frei in das Nachbarhaus. Hier stieg Kathy praktisch aus der Wand, da die Holzverkleidung ebenfalls zur Seite geschwenkt war.

Sie brauchte kein Licht. Kathy Porter kannte hier jeden Zentimeter. Sie eilte über die Hintertreppe, die einmal für die Dienstboten gedacht war, nach unten ins Souterrain und erreichte die Eingangstür. Von außen sah sie normal und regulär aus, aber hier, von der Innenseite her, präsentierte sie sich als eine Art Tresortür, so sicher und so solide war sie.

Kathy schlüpfte nach draußen.

Erstaunlicherweise hatte sie keine Waffe mitgenommen. Sie verließ sich ganz auf ihre Geschicklichkeit und auf ihr besonderes Können. Kathy Porter sah zwar aus wie ein scheues Reh, doch das täuschte. In Wirklichkeit war diese attraktive, junge Dame eine erstklassige Judo- und Karatekämpferin.

Natürlich hatte der Mann vorn an Lady Simpsons Haus nichts gehört. Die Türangeln waren bestens geölt und hatten keinen Ton von sich gegeben. Der junge Mann inspizierte gerade das Türschloß an Lady Simpsons Haus. Er war mißtrauisch und vorsichtig, er schaute sich auch immer wieder um, doch er rechnete nicht damit, daß eine große zweibeinige Kathy sich lautlos an ihn heranpirschte. Kathy huschte wie ein Schatten auf den überdachten Hauseingang zu und war dann hinter dem ahnungslosen Einbrecher.

Er probierte gerade einen Dietrich aus. Er sah sich einem sehr einfachen Schloß gegenüber, das normalerweise für einen Fachmann kein Problem darstellen konnte. Dieses Schloß war natürlich nur Tarnung und sollte etwaige Einbrecher hinhalten und beschäftigen. Selbst mit einer mittleren Sprengladung war diese Tür nicht zu knacken. Dies gehörte mit zu den Sicherheitsmaßnahmen, die Parker vorsorglich getroffen hatte.

Kathy ersparte sich jeden Effekt. Sie schlug kurz und knapp mit ihrer rechten Handkante zu. Der Mann seufzte ein wenig auf, blieb noch einen ganz kurzen Moment wie versteinert stehen und kippte dann nach vorn.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Lady Simpson geöffnet hatte. Über die Fernsehkamera hatte sie sich dieses kurze Schauspiel genießerisch angesehen und nickte ihrer Gesellschafterin anerkennend zu.

»Brave Arbeit«, meinte sie, während sie sich ungeniert zu dem ohnmächtigen Mann hinunterbeugte. »Jetzt haben wir doch wenigstens etwas Unterhaltung, bis Parker zurückkommt. Ich werde mir dieses Subjekt in aller Ruhe vornehmen, Kindchen. Er wird diesen Besuch so schnell nicht wieder vergessen.«

*

Die beiden Männer waren wieder auf den Beinen, doch sie fühlten sich hundeelend. Noch waren sie nicht in der Lage, Verwünschungen oder Drohungen auszustoßen. Sie schleppten sich mühsam auf ihren Wagen zu, wobei sie ausgiebig husteten und sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischten.

Als sie jedoch entdeckten, daß die beiden Vorderreifen ihres Morris ohne Luft waren, verloren sie einiges von ihrer bisher geübten Zurückhaltung und stießen reichlich unschöne Flüche aus.

»Dem Typ dreh’ ich den Hals um«, sagte der schlankere der beiden Männer. »Mann, Hale, wie konnte uns das nur passieren?«

»Weil du Idiot ja unbedingt den Kasten aufmachen mußtest«, regte sich Hale auf. »Ich hatte dich doch gleich gewarnt, Pete.«

»Wer denkt denn an so ’ne Gemeinheit«, entrüstete sich Pete. »So was ist uns noch nie passiert.«

»Wie kommen wir jetzt von hier weg?« Hale schaute sich um und trat dann wütend gegen die unschuldige Karosserie des Morris. »Verdammt, um diese Zeit bekommen wir hier doch niemals ein Taxi.«

»Irrtum, Hale!« Petes Stimmung drückte Hoffnung aus. Er lief ein Stück auf die Fahrbahn und winkte. Er hatte nämlich gerade ein Taxi entdeckt, das um eine Straßenecke kam. Das Taxi kam näher und hielt an. Der Fahrer, ein älterer Mann, der eine Brille trug, beugte sich heraus.

»Mann, Sie schickt uns der Himmel«, sagte Pete erleichtert. »Bringen Sie uns zum Chatham-Hotel.« Während er noch den Namen des Hotels nannte, stieg er bereits nach hinten in den Wagen und warf sich aufatmend ins Polster. Sein Partner Hale folgte und stierte mißmutig nach draußen in die Dunkelheit.

Der Taxifahrer war ein mundfauler Mensch. Er schaltete das Taxameter ein und fuhr los. Das etwas seltsame Aussehen seiner beiden Kunden schien ihn überhaupt nicht zu stören. Nun, das war kein Wunder, denn Josuah Parker hatte ja im vorhinein gewußt, was nach dem Öffnen des Kästchens passieren würde.

Er war es nämlich, der sich mit einfachsten Hilfsmitteln in einen Taxifahrer verwandelt hatte. Etwaiges Mißtrauen wäre allein schon vom echten Taxameter zerstreut worden, das beharrlich schnarrte und tickte. Parker konnte dieses Taxameter ganz nach Belieben ein- und abbauen. Dazu gehörten nur wenige Handgriffe. Da sein Wagen einstmals ein echtes Taxi gewesen war, nutzte er selbstverständlich ganz nach Bedarf diese Tarnung.

Seine beiden Fahrgäste waren und blieben ahnungslos. Sie redeten kein Wort miteinander, standen wahrscheinlich noch zu sehr unter dem Eindruck dessen, was ihnen passiert war. Parker war keineswegs enttäuscht, jetzt nichts zu hören. Die beiden Männer hüteten sich, vor dem vermeintlichen Taxifahrer in irgendwelche Details zu gehen. Obwohl die Trennscheibe zwischen Fahrgastraum und dem Fahrer geschlossen war, wollten sie kein Risiko eingehen.

Butler Parker übrigens auch nicht.

Während er scheinbar das gewünschte Hotel ansteuerte, legte er mit der rechten Hand einen der vielen Kipphebel vorn am Armaturenbrett um. Unhörbar für die beiden Gäste, strömte eine wohltuende Gasmischung in den Fahrgastraum. Im Rückspiegel beobachtete Parker die beiden Männer, die plötzlich zu gähnen anfingen. Sie rieben sich die immer noch leicht tränenden Augen und konnten sich ihr plötzliches Ruhebedürfnis überhaupt nicht erklären. Bevor sie überhaupt Verdacht schöpfen konnten, rutschten sie haltlos gegeneinander und warfen sich in die Arme eines gewissen Morpheus, wie die alten Griechen den Gott des Schlafes nannten.

Parker nickte wohlwollend.

Die Dinge entwickelten sich reibungslos. Er nahm die Brille ab, die alte, speckige Lederkappe, zog sich den grünen Wollschal vom Hals, packte diese Requisiten in ein verstecktes Fach unter dem Armaturenbrett und war wieder der korrekt aussehende Butler. In einer stillen Seitenstraße hielt er kurz an, entfernte das Taxameter und stellte den privaten Charakter seines hochbeinigen Monstrums wieder her.

Eine Viertelstunde später stellte Parker seinen Wagen in einer Seitenstraße des Chatham-Hotels ab und kümmerte sich nicht weiter um seine beiden Fahrgäste. Sie lagen inzwischen auf dem Wagenboden, doch sie brauchten keineswegs zu frieren. Als human eingestellter Mensch hatte Parker eine große Decke über sie gebreitet. Dies hatte zudem noch den Vorteil, daß ein patrouillierender Polizist nicht aufgeschreckt wurde, falls er wirklich einmal in den Wagen hineinschaute.

Parker betrat die Halle des Hotels, ein korrekter Butler wie aus einem Bilderbuch. Das Chatham-Hotel war ein gutes Haus der Mittelklasse, eigentlich kein Quartier für zwei Gangster.

»Ein Einzelzimmer«, verlangte er an der Rezeption. Er tat dies in einem Ton, der überhaupt keine Gegenfrage aufkommen ließ. »Sind die Herren Lorrings und Stepnut bereits in ihren Zimmern?«

Diese beiden Namen hatte Parker den Zimmerpässen entnommen, die er in den Brieftaschen der beiden Männer entdeckt hatte. Natürlich wurde ihm vom Nachtportier mitgeteilt, die beiden Herren seien noch außer Haus. Keiner wußte das schließlich besser als Parker. Sie waren ja Gäste in seinem Wagen.

Parker bekam selbstverständlich sein Zimmer. Erfreulicherweise lag es auf der Etage, auf der auch die Herren Lorrings und Stepnut wohnten. Der Butler nahm die kleine, recht altmodisch aussehende Reisetasche hoch und begab sich hinüber zum Lift. In dieser Tasche befand sich alles, was er zur gründlichen Durchsuchung eines Zimmers brauchte.

*

Er massierte sich den Nacken und starrte die beiden Frauen verärgert und nachdenklich zugleich an. Vielleicht rechnete der junge Mann mit dem glatten Gesicht sich noch echte Chancen aus. Er hatte längst entdeckt, daß man ihn nicht gefesselt hatte. Er saß in einem Ledersessel und stand jetzt vorsichtig auf.

»In Ordnung, Sie haben mich reingelegt«, meinte er großspurig. »Vergessen wir das. Ich bin nicht nachtragend.«

»Wie schön«, gab Lady Simpson voller Ironie zurück.

»Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor«, redete der junge Mann weiter. »Sie geben mir die Kapsel, und ich vergesse dafür, daß es Sie gibt.«

»Woher wußten Sie, daß ich die Kapsel habe?« Agatha Simpson überhörte den leicht arroganten Ton des Mannes.

»Ich saß oben auf der Galerie des Konzertsaals«, gab der junge Mann zurück. »Ich hab genau gesehen, daß Sie Findlay die Kapsel abgerissen haben.«

»So etwas dachte ich mir schon.« Lady Agatha nickte. »Die Kapsel scheint wichtig zu sein, nicht wahr?«

»Für Sie ist sie vollkommen wertlos.«

»Und für Sie stellt sie ein Vermögen dar, wie?«

»Nur im übertragenen Sinn.«

»Unter gewissen Voraussetzungen bin ich bereit, auf Ihren Vorschlag einzugehen, junger Mann«, schickte Lady Simpson voraus. »Ich möchte zuerst mal wissen, wer Sie sind? Haben Sie einen Anspruch auf die Kapsel?«

»Nennen Sie mich Rob Harlow.« Der junge Mann mit dem glatten Gesicht lächelte ironisch und fühlte sich von Minute zu Minute immer überlegener. »Und was die Kapsel anbetrifft, so war sie für mich bestimmt.«

»Besonders überzeugend klingt das aber nicht, Mr. Harlow.« Lady Simpson schüttelte enttäuscht den Kopf. »Warum waren Sie nicht unten in Mr. Findlays Loge? Er hatte doch Zeit genug, Ihnen die Kapsel zu geben.«

»Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie.«

»Sie sind einfach albern, junger Mann.« Lady Simpson sah den jungen Mann verweisend an. »Sie erzählen mir hier Märchen. Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen auch nur ein einziges Wort abnehme, wie?«

»Also gut, ich werde Ihnen noch einen kleinen Hinweis liefern. Ich sollte die Kapsel abholen, aber ich war vorsichtig. Sie müssen doch spüren, wie heiß die Ware ist, oder?«

»Für wen sollten Sie die Kapsel abholen, junger Mann? Ich möchte Einzelheiten erfahren.«

»Für einen ... Freund! Mehr kann ich dazu nicht sagen. So, jetzt aber Schluß mit der Rederei. Rücken Sie die Kapsel heraus. Ich habe schon genug Zeit vertrödelt.«

»Die Kapsel erhält der Eigentümer, junger Mann. Er soll bei Gelegenheit um einen Besuchstermin bitten. Meine Gesellschafterin wird alles Weitere regeln.«

»Sind Sie verrückt? Glauben Sie wirklich, ich würde ohne die Kapsel gehen?« Der junge Mann langte blitzschnell nach einem Schürhaken, der gegen den mächtigen Kamin gelehnt war und hob ihn drohend gegen Lady Agatha. »Ich mache keinen Spaß, bilden Sie sich das bloß nicht ein!«

»Ist seine Naivität nicht schon fast rührend, Kindchen?« Lady Simpson wandte sich an Kathy, die bisher geschwiegen hatte, den jungen Mann aber nicht aus den Augen ließ. Sie stand hinter dem langen Ledersofa und sah sehr schüchtern aus.

»Wie naiv ich bin, werden Sie gleich erleben.« Rob Harlow, wie er ¿ich nannte, geriet in Wut. »Verdammt, wollen Sie unbedingt für ein paar Wochen ins Krankenhaus?«

»Was haben Sie vor?« sorgte sich jetzt die ältere Dame, als Rob Harlow den Schürhaken schwang. Sein eben noch glattes Gesicht war zu einer wütenden Fratze geworden.

»Ich werde Ihnen ’ne Kniescheibe einschlagen«, sagte der Mann.

»Sie sind sehr unbeherrscht«, tadelte in Lady Agatha und schüttelte den Kopf. »Wie kann man sich nur derart gehenlassen?«

Rob Harlow hörte schon gar nicht mehr zu. Er wollte tatsächlich zuschlagen. Er tat es dann allerdings doch nicht. Und das hing mit dem Schrotgewehr zusammen, das Kathy plötzlich in Händen hielt. Der Lauf der Waffe war direkt auf Harlow gerichtet, der wie erstarrt stehenblieb und überrascht auf Kathy starrte.

»Wir verwenden meist recht groben Schrot«, erklärte Lady Simpson. »Möchten Sie eine kleine Kostprobe haben, junger Mann?«

»Sie ... Sie würden niemals schießen«, behauptete Rob Harlow.

»Lassen Sie es doch mal darauf ankommen, Sie Flegel!« grollte die Stimme der resoluten Dame. Sie erinnerten an ein fernes, aber schnell heranziehendes Gewitter.

Rob Harlow ließ den Schürhaken zu Boden fallen und warf sich wie ein schlecht erzogener, großer Junge wieder in den Sessel. Finster sah er die beiden Frauen an.

»Sie sind ganz schön blöd«, meinte er schließlich. »Aber bitte, wenn Sie unbedingt draufgehen wollen! Nicht mein Bier. Ich hab’ die Sache elegant klären wollen.«

»Mit einem Schürhaken und einer zertrümmerten Kniescheibe«, präzisierte die Lady grollend. »Was enthält die Kapsel?«

»Sie haben sie doch bestimmt schon aufgeschraubt, oder?«

»Natürlich, junger Mann.« Lady Simpson schaltete wieder auf ihren Plauderton um. »Der Inhalt war geradezu sensationell.«

Rob Harlow grinste wissend.

»Den Code kann keiner knacken«, meinte er dann. »Das schafft nur mein Freund.«

»Was würde Ihr Freund denn für die Kapsel zahlen, junger Mann?« erkundigte sich Lady Simpson jetzt.

»Sie ... Sie wollen Geld?« Rob Harlows Gesicht nahm einen verdutzten Ausdruck an. »Sie müssen doch stinkreich sein, wenn Sie sich diese Bude hier leisten können.«

»Etwas Kleingeld kann man immer gebrauchen«, gab Lady Agatha zurück. »Zudem bin ich geldgierig, ich mache keinen Hehl daraus. Die Steuern fressen unsereinen doch auf.«

»Warum haben Sie nicht gleich von Geld gesprochen?« Der junge Mann witterte sichtlich angenehme Morgenluft. »Darüber kann man sich doch jederzeit unterhalten. Ich biete Ihnen, sagen wir, fünfhundert Pfund. Steuerfrei und bar auf die Hand.«

»Fünftausend Pfund.«

»Sie sind wahnsinnig! Sechshundert Pfund, aber das ist bereits Spitze.«

»Und wo ist das Geld?« Lady Simpson sah jetzt tatsächlich ungemein raffgierig aus. Ihre Augen funkelten, ihre Wangen färbten sich rosig.

»Ich bin in ’ner Stunde wieder hier«, versprach Rob Harlow. »Aber keine faulen Tricks. Geld gegen Ware. Ist das ein Wort?«

»Warum sitzen Sie hier noch herum?« fuhr die energische Dame ihn an und zeigte auf die Tür. »Sputen Sie sich, junger Mann! Und gebrauchte Scheine, wenn ich bitten darf!«

Rob Harlow schob sich aus dem Sessel und ging zur Tür. Wenig später war er draußen vor dem Haus zu sehen. Er rannte hinüber zur nahen Straße und verschwand dann hinter den Häusern.

*

»Natürlich sind das die beiden Subjekte«, sagte Lady Agatha Simpson und richtete sich wieder auf. »Sie wollten Findlay umbringen. Ich erkenne sie genau wieder.«

»Ein guter Fang, Mylady, wenn ich mich so ausdrücken darf.« Parker schloß die Wagentür. »Sie werden bestimmt Auskunft darüber geben können, wo Mr. Findlay sich zur Zeit aufhält.«

Parker war zum Stadthaus Lady Simpsons zurückgekehrt, nachdem er die Hotelzimmer von Pete Lorrings und Hale Stepnut gründlich durchsucht hatte.

»Sie glauben doch nicht im Ernst daran, daß diese beiden Subjekte reden werden, Mr. Parker.« Lady Agatha schüttelte den Kopf. Sie hatte mit einem Blick gesehen, daß man es mit Profis zu tun hatte.

»Man könnte, wenn ich mich erkühnen darf, einen Vorschlag zu unterbreiten, den beiden Herren Lorrings und Stepnut ein Geschäft Vorschlägen.«

»Kapsel gegen Findlay?«

»Mylady erraten wieder einmal meine einfachen Gedanken.«

»Gut, Mr. Parker, einverstanden. Mit dieser Kapsel scheint man tatsächlich Geschäfte machen zu können. Wie im Fall Rob Harlow. Schaffen Sie diese Wiederlinge ins Haus.«

Parker war auch für solche einen Schwertransport ausreichend gerüstet. Nur zu oft schon hatte er in der Vergangenheit Personenbeförderungen dieser Art vornehmen müssen. Sein hochbeiniges Monstrum stand in einer geräumigen Garage hinter dem altehrwürdigen Fachwerkhaus. Die Türen zur schmalen Versorgungsgasse waren geschlossen. Er konnte sich also ungeniert betätigen und brauchte keine unliebsamen Überraschungen zu befürchten.

Lady Simpson ging über den Verbindungskorridor ins Haus zurück, um sich mit einem Kreislaufbeschleunigungsmittel ein wenig anzuregen. Ihr stand in Anbetracht der allgemeinen günstigen Entwicklung der Sinn nach einem doppelten Cognac.

Parker aktivierte inzwischen die kleine Rutsche, die hinunter in die weitverzweigten Kellerräume des Hauses führte. Dort unten gab es fast so etwas wie ein Labyrinth, in dem sich nur Lady Simpson, Kathy Porter und er auskannten.

Der Butler öffnete den schweren und massiven Werkzeugschrank, der in einer Nische stand. Er entriegelte das untere, breite Fach und hob den Einsatz heraus. Darunter war eine viereckige Öffnung zu sehen, an die sich die erwähnte Rutsche anschloß.

Die beiden Männer, die Findlay hatten strangulieren und ermorden wollen, bekamen überhaupt nichts mit. Nacheinander glitten sie über die Rutsche hinunter in den Keller, wo sie mehr oder weniger sanft auf alten Autoreifen landeten. Parker verschloß diesen Einstieg und stellte den alten Zustand wieder her. Anschließend begab auch er sich ins Haus und von dort aus hinunter in den Keller.

Pete Lorrings und Hale Stepnut hatten die Rutschpartie gut überstanden. Sie kamen gerade zu sich und brauchten einige Sekunden, bis sie sich auf die neue Lage eingestellt hatten. Sie redeten nicht miteinander, sondern interessierten sich nur für den Lichtschein, der durch den Spalt einer nur angelehnten Tür schimmerte. Von der Rutsche nahmen sie keine Kenntnis, wahrscheinlich sahen sie sie im dunklen Keller gar nicht.

Sie taten genau das, was Parker von ihnen erwartete.

Pete Lorrings und Hale Stepnut machten sich auf die Beine und verließen den Keller. Sie erreichten einen schmalen Kellergang, schoben sich mißtrauisch und vorsichtig durch ihn und landeten vor einer Tür, die sie natürlich öffneten. Was sollten sie auch anderes machen? Sie suchten nach einem Weg, um aus dem Keller zu kommen.

»Ich erlaube mir, den Herren einen fröhlichen und guten Morgen zu wünschen«, sagte Josuah Parker, während gleichzeitig ein grelles Deckenlicht aufflammte.

Pete Lorrings und Hale Stepnut hörten, wie hinter ihnen die Tür ins Schloß fiel. Sie blieben geblendet stehen. Als ihre Augen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten, sahen sie sich dem Mann gegenüber, den sie hatten jagen wollen.

Sie hätten sich liebend gern auf ihn gestürzt, doch zu ihrem Leidwesen stand der Butler hinter einem Lattenverschlag und war für sie im Moment unerreichbar. Sie zügelten also ihre Ungeduld und musterten verstohlen die dünnen Holzlatten, die allerdings einen zerbrechlichen Eindruck machten.

»Ich kann Ihren Unmut verstehen«, redete Parker inzwischen weiter. »Sie hatten sich diese Verfolgung natürlich erheblich anders vorgestellt.«

»Wovon reden Sie eigentlich?« fragte Pete Lorrings gespielt unschuldig.

»Sie halten uns gegen unseren Willen hier fest«, beschwerte sich Hale Stepnut gekränkt. »Das ist kriminell.«

»Kommen wir doch zur Sache«, meinte Parker höflich und gemessen. »Sie wurden von Mylady als die Herren identifiziert, die Mr. Findlay strangulierten und offensichtlich ermorden wollten. Nein, bitte, ersparen Sie meiner bescheidenen Wenigkeit gegenteilige Versicherungen. Sie kosten nur unnötig Zeit. Im Auftrag von Mylady habe ich Ihnen einen Tausch vorzuschlagen. Gegen eine Auslieferung Mr. Findlays würden Sie die bewußte Kapsel erhalten. Ich war so frei, Ihnen den Ort dieses Austausches aufzuzeichnen, damit es später keine Mißverständnisse gibt. Mylady erwarten diesen Austausch noch vor Morgengrauen. Von jetzt an gerechnet in zwei Stunden, um präzise zu sein.«

Die beiden Profis steckten ihr Köpfe zusammen, was vollkommen verständlich war. Wahrscheinlich wollten sie sich über diesen Vorschlag kurz verständigen. Sie tuschelten miteinander, nickten, schüttelten die Köpfe, gingen vom Lattenverschlag weg und bauten sich an der geschlossenen Tür auf.

Und dann passierte es!