Ebba Brahe - Axel Rudolph - E-Book

Ebba Brahe E-Book

Axel Rudolph

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Beschreibung

Nach einer Wahren Begebenheit: 1611 kommt Ebba Magnusdotter Brahe als Hofdame an den schwedischen Königshof, wo der junge König Gustav Adolf sich alsdann Hals über Kopf in die hübsche junge Frau verliebt. Er hält bei ihrem Vater um ihre Hand an, jedoch stellt sich die Königswitwe, Mutter von Gustav Adolf, gegen die Liason. Sie schikaniert ihre persönliche Hofdame und flüstert ihr zu, ganz im Geiste von Hamlet und Ophelia, nicht den Versprechungen eines Königs Ohrenlaut zu verleihen. Dies veranlasst Ebbas Vater dazu, den Liebenden seinen Segen nicht geben zu wollen und verhindert letztendlich die Hochzeit der beiden. - Ebba Brahe kann sich nicht gegen Gustav Adolfs Mutter hindurchsetzen und heiratet schweren Herzens stattdessen den Reichsmarschall Jakob De la Gardie, dem sie vierzehn Kinder schenkt und diesen darufhin ihr Leben widmet.Nach dem Tod ihres Mannes vermehrt sie das Vermögen der Familie betrachtlich; sie kauft ein Landgut nach dem anderen, mit reichlich resoluten Mitteln, und auf zweien hiervon wird Eisenerz gefunden. Hierdurch wächst ihr Vermögen nurnoch mehr, denn Ebba versucht sich erfolgreich in der Eisenproduktion - doch die Liebe zu König Gustav Adolf ist unvergessen und die Korrespondenz der beiden ist bezeugt dies: Den ersten Liebesbrief fand man 1613, doch zu diesem Zeitpunkt war die Liebesbeziehung der beiden bereits längst fest etabliert.-

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Axel Rudolph

Ebba Brahe

Historischer Roman

Saga

Vorwort

Er sollte eigentlich ein Film werden, dieser Roman. Die „Königin Christine“ der Greta Garbo verlegte ihm den Weg auf die Leinwand und so versuchte ich, aus den historischen Grundlagen in freier Ausgestaltung einen Roman zu gestalten. Geschichtskundige werden mir vielleicht vorwerfen, dass einige Dinge darin nicht der exakten Geschichtsforschung entsprechen. Nun, es soll auch kein geschichtlicher Tatsachenbericht sein, sondern ein Roman, dem eine gewisse Freiheit der Darstellung erlaubt ist. Im wesentlichen habe ich mich möglichst an die geschichtlichen Ereignisse gehalten. Es steht ausser Zweifel, dass Ebba Brahe die einzige, grosse Jugendliebe Gustav Adolfs war, unbeschadet seiner späteren glücklichen und harmonischen Ehe mit Maria Eleonora von Brandenburg. Ebba Brahe hiess die Jugend des Schwedenkönigs, zu einer Zeit, da Gustav Adolf noch nicht der „Löwe aus Mitternacht“, der grosse Held und Glaubenskämpfer seiner Zeit war, sondern ein von hohen Idealen beseelter junger König.

Es ist wahr, die Geschichtforschung kommt in bezug auf Gustav Adolfs vorübergehendes Verhältnis zu der Holländerin Zanteres zu anderen Resultaten, als sie in diesem Roman enthalten sind. Es wird sogar behauptet, dass eine schöne Holländerin am Hofe zu Stockholm, namens Maegrita Slots, die mit dem Holländer Zhare Zanteres verheiratet gewesen sein soll, dem Schwedenkönig einen Sohn geboren habe, den späteren Grafen von Vasaborg. Einen einwandfreien Beweis hierfür vermag die Geschichte jedoch nicht zu liefern. Wenn aber diese in vielen Geschichtswerken angeführten Vermutungen nicht nachweisbar sind, so sei es mir vergönnt, von meinem Helden das Beste anzunehmen und Gustav Adolf, den Mann, der in späteren Jahren der verehrungswürdige Held wurde für Hunderttausende, auch in seinen Jugendjahren als das zu zeichnen, was er in Wirklichkeit war: ein von hohem Idealismus beseelter, reiner Jüngling!

Axel Rudolph.

Semlin, im Januar 1937.

Räderknirschen. Eine altertümliche Karosse, bespannt mit zwei schweren, dicken Gäulen, bahnt tiefe Furchen in den holprigen Landweg. Auf dem Kutschbock thront über reich galoniertem Kragen ein breites, rotes Bauerngesicht aus Dalekarlien. Um so schmaler und verkniffener sieht die Visage des spindeldürren Stockholmer Lakaien aus, der daneben sitzt.

Am Schlag der Karosse prangt, bunt gemalt, das schwedische Reichswappen.

Durch schwere Felder und baumbepflanzte Wiesen geht der Weg. Aus mannshohen Hecken und schlanken Birkengruppen taucht ein Herrenhaus auf. Uraltes Gemäuer aus Wikingerzeit, in späteren Jahrhunderten hinzugebaute Hallen, Söller und Zinnen: der alte Edelsitz der Brahes.

Vor dem Gartentor hält die Karosse. Der Lakai springt herunter, klappt das Trittbrett herab und öffnet den Wagenschlag.

Ein Mann, etwa Anfang der Vierzig, reich gekleidet, den Ehrendegen an goldenem Gehenk zur Seite, steigt aus, wirft aus scharfen, selbstbewussten Augen einen prüfenden Blick auf Schloss und Garten und schreitet rasch den breiten Gartenweg entlang.

„Jakob! Ei sieh!“

Ein alter Mann, mit einfachem kurzem Lederwams, hält im Garten mit dem Beschneiden der Rosen inne, beschirmt die Augen mit der Hand und schaut aufmerksam dem Ankommenden entgegen.

Hand liegt in Hand. Der Alte musterte erstaunt mit leise gutmütigem Lächeln den Anzug des Gastes.

„Der Reichsfeldherr Jakob de la Gardie in voller Gala! Du gehst doch nicht auf Brautschau, alter Freund?“

„Doch, Brahe!“ Jakob de la Gardie hält die Hand des alten Brahe fest und tut einen tiefen Atemzug. „Ich bitte dich um die Hand deiner Nichte Ebba!“

Schweigen.

Ein paar Grillen zirpen im Gras. Draussen vor dem Gartentor schnauben und prusten leise die Pferde.

Das Gesicht des alten Brahe sieht etwas verlegen aus. Mit einem unruhigen Blinzeln schaut er zu dem vor ihm Stehenden auf, überrascht, ungläubig, betroffen.

„Du willst die Ebba –?“

„Du bist doch nicht dagegen, Brahe?“ Tief und ruhig klingt de la Gardies Stimme, ohne Hochmut, aber fest und sicher. Er ist, Jakob de la Gardie, Reichsfeldherr und schwedischer Edelmann, dem Geschlecht der Brahes ebenbürtig. Ihre Majestät die Königinmutter Kristina weiss von seinem Werben. Oxenstjerna, der Mächtige, der da hinten im Stockholmer Schloss still und gelassen die Geschicke Schwedens lenkt, begünstigt sie. Und Ebba, die süsse, stolze Ebba, hat oft genug am Königshof mit ihm getanzt, ihn aus übermütig hellen Mädchenaugen angelacht: „Du bist ja verliebt, Jakob de la Gardie!“

Ist es nötig, ein Wort von dem zu erwähnen? Der alte Brahe weiss das alles ja.

In ruhigem Warten liegen die Augen de la Gardies auf dem Alten. Der versucht, den Blick zu erwidern, herzlich, freimütig, aber seine Augen gleiten ab.

„Nicht, nicht,“ schüttelt er den Kopf. „Ich habe natürlich nichts dagegen, Jakob. Nur – du musst verstehn –“

Ein plötzlicher Entschluss steht in Brahes Augen. Er greift nach dem gestickten Rockärmel de la Gardies und zieht ihn mit.

Durch den weiten Park gehen die beiden. Ueber verwilderte grasüberwucherte Pfade an uralten Eichen- und Buchenstämmen vorbei und über sorgsam gepflegte Gartenwege, um die Rosen und Levkojen spriessen. Jakob de la Gardie, mit festen, ungeduldig langen Schritten. Der alte Brahe sorgenvoll zögernd daneben.

De la Gardies Hand fährt im Gehen liebkosend über die Blumen, die ihre Köpfchen über den Weg neigen. Herbstlich ist sein ernstes, männliches Gesicht, aber früher Herbst, Spätsommer noch, der doppelt warm und lebensfroh leuchtet.

„Wie schön dein Garten blüht, Brahe! – Und Ebba?“

„Sie ist im Garten.“

Der alte Brahe meidet den Blick des Freundes. Da ist ein Seitenweg, der sich wie ein Schlänglein durchs Gestrüpp buchtet und unter grünen Ranken verliert. Weiss leuchtet es zur Linken. Eine blühende Weissdornhecke, vor der der alte Brahe haltmacht.

Seine Hand schiebt vorsichtig die Zweige ein wenig auseinander, winkt dann mit leiser, fast trauriger Bewegung. De la Gardie tritt, unwillkürlich leise, einen Schritt näher, fasst die blütenschweren Zweige und sieht –

Sieht jenseits der Weissdornhecke auf einer Bank ein junges Mädchen, das die schmale, feine Hand vertraulich auf die Schulter eines jungen Mannes gelegt hat und mit weltvergessenem Lächeln zu ihm aufschaut.

Alles Glück der Welt schimmert in diesem Lächeln.

Jetzt wendet der junge Mann ein wenig den Kopf, neigt das Profil sanft hinab zu dem glücksingenden Mädchenmund.

Jakob de la Gardie lässt die Zweige los. Sie fallen leise und dicht zusammen und verdecken das Bild. Aber vor de la Gardies Augen steht es immer noch in schmerzhafter Deutlichkeit. Langsam wendet er sich dem alten Freunde zu. Schmerz und Ueberraschung kämpfen in seinem zuckenden Gesicht.

„Er!?“

„Du siehst ja,“ nickt der Alte. De la Gardies Hand macht eine jähe Bewegung, als ob sie die gnädig verdeckenden Zweige noch einmal beiseite biegen wollte, aber sie sinkt auf halbem Wege mutlos nieder.

„Das ist – furchtbar!“

Der alte Brahe wendet sich zum Gehen. Wie im Traum geht de la Gardie mit. Den gleichen Weg wandern sie zurück durch den Garten. Wie blütenvoll und hoffnungsschwer war er vorhin! Wie kahl und traurig scheint er jetzt! Ein paar goldgelbe Blümlein heben die Köpfe über Kies und Sand. De la Gardies Fuss schreitet achtlos über ihre jungen Leben hinweg.

Erst als sie jenseits des Blumengartens im alten Park sind, wirft Brahe einen verstohlenen, mitleidigen Seitenblick auf den Freund.

„Hast du’s denn nicht gewusst, Jakob?“

„Gehört hab’ ich oft davon, aber geglaubt hab’ ich es nicht.“ Ein tiefer Atemzug, ein Funkeln in den Augen. „Und du duldest das?“

Tief senkt sich der graue Kopf des Alten. „Was soll ich tun, Jakob. Es ist für Ebba das Glück.“

„Glück?“

Weltwissen und bittere Schmähung liegt in de la Gardies heftigem Ausruf. Der alte Brahe hebt den Kopf. Mitleid mit dem Freund und verletzte Standeseitelkeit streiten in seinem gefurchten Gesicht.

„Du glaubst doch nicht, Jakob –“ Zum geheimnisvollen Flüstern sinkt die Stimme herab. „Er hat ihr sein Wort gegeben!“

Das drohende Funkeln in de la Gardies Augen erlischt. Er senkt den Kopf ein wenig und schweigt.

Ein gelbweisser Falter gaukelt heran und setzt sich zutraulich auf de la Gardies bunt bestickten Rockärmel. Wie ein fernes Rauschen und Raunen hört der Reichsfeldherr die Stimme des alten Brahe an seinem Ohr: „Er will sie heiraten!“

Zwei schwere Furchen stehen auf de la Gardies Stirn und altern sein Gesicht. In tiefen Gedanken streift seine Hand den kleinen Falter vom Arm.

Der kleine Sommerbote fliegt davon.

Fliegt in lustigem Zickzack über Blumen und Gräser hin, schaukelt über die Weissdornhecke, umkreist einen blonden Kopf und lässt sich wie fragend auf einen orangegelben Fleck in einem Männerwams nieder.

„Sieh, Gösta! Ein Schmetterling!“

Ebbas Hände lassen den aus Butterblumen gewundenen Kranz los und umschirmen das zutrauliche kleine Tier. Ihr glückliches Gesicht beugt sich tief über die zitternden kleinen Flügel.

„Schöne Welt!“

Unruhig flattert der Falter im Schatten der Hände. Ebba öffnete sie weit und lässt das Tier in die Sonne fliegen.

„Da! Ich lass dich frei!“ Im nächsten Augenblick aber werden die schmalen, schirmenden Hände zu Klammern, die sich leidenschaftlich um den Nacken des Mannes ranken.

„Dich aber nicht, Gösta!“

Hell steht ein Lächeln über ihrem aufwärts gewandten Gesicht. Reines Knabentum auf weisser hoher Stirn.

„Wirst du heut schon müssen, Ebba, Oxenstjerna wartet.“

„Wärst du doch nur nicht –“ Träumerisch gleiten die Augen des Mädchens hinauf in das wölbende Blau. „Oft wünsche ich mir, es wäre Aufruhr im Land und man würde dich –“

„Gott verhüte Not und Unfried.“ Ernst klingt die Jungmännerstimme. Ebba schmiegt sich sanft in den Arm, der sie umfängt.

„– dann wärst du immer bei mir.“ Ein sehnsüchtiges Flehen ist in ihren Augen, als der junge Mann sich erheben will. „Bleib noch.“

Der Ernst verfliegt im Sonnenschein. Wieder steht das helle Lächeln um den Mund.

„Wenn ich jetzt nicht gehe, Ebba, kann ich morgen nicht zu dir kommen.“

„Dann lauf!“ Ebba springt empor und drängt den jungen Mann den Gartenpfad hinab. „Lauf, Gösta! Lauf! Damit du mir wiederkommst!“

*

„Wenigstens einen Trunk noch, Jakob!“

De la Gardie löst am Gartentor seine Hand aus der bittenden des Freundes und schüttelt den Kopf.

„Farväl, Brahe.“

Der Schlag fliegt zu. Die Pferde ziehen an. De la Gardies Hand zieht leise den schweren Seidenvorhang über dem Schlag zusammen, wie ein Mann, der sein trauriges Gesicht verbergen will.

„Es gibt Krieg,“ sagt auf dem Kutschbock das rote gutmütige Gesicht aus Dalekarlien und lächelt schlau. „Pass auf, Jönsson, es geht gegen die Polen, oder gegen den Dänenkönig. Das letzte Aufgebot wird herangeholt. Auch der alte Brahe muss mit und seine Bauern. Oder glaubst du, dass der Reichsfeldherr umsonst hier geheime Zwiesprach hält?“

Der dürre Lakei schweigt und verzieht spöttisch den Mund. Er hat dem tollen Sture gedient und vorher am Hof in Kopenhagen. Er weiss, dass grosse Herren manchmal heimlich andere Wege gehen als die der hohen Politik. Wege, die zu einem knisternden Frauenrock führen.

An der langen Gartenhecke entlang stuckert die Karosse.

„Brrr!“ Der Kutscher zieht plötzlich die Zügel an und deutet mit der Peitsche ärgerlich auf ein Pferd, das halbwegs quer über der Strasse steht. „Welcher Esel hat denn da sein Kamel von einem Pferd in den Weg gestellt?“

Die Zurufe fruchten nichts. Der Kutscher muss vom Bock klettern und eigenhändig den Halfter des Hindernisses ergreifen. „Jü! Hü!“ zerrt er vergebens an dem widerstrebenden Gaul. „Gott straf mich, ist das ein Dromedar!“

„Er gehorcht nur mir!“ sagt freundlich die helle Stimme des jungen Mannes, der an einer kleinen, halbversteckten Gatterpforte aus der Hecke getreten ist. Der Kutscher misst den plötzlich Aufgetauchten mit bösen Augen.

„Euer Milchkannengaul, Herr Sonntagsreiter?“ Ich werde ihn schon zur Raison –“

„Lasst das Pferd los, Mann!“

„Mann?“ schreit das rote Gesicht empört. „Ich bin für Euch kein Mann, Herr Strauchritter! Ich bin Königlich Schwedischer Staatskutscher, versteht Ihr?“

„Schwatz’ nicht lange, sondern –“

„Wer schwatzt hier?“ Dem Kutscher quellen vor Empörung die Augen aus dem Kopf. „Ich will nicht grob werden. Ein schwedischer Staatskutscher wird nie grob. Aber wenn du deine zukünftige Pferdewurst da nicht sofort aus dem Weg schaffst, du halbseidene Pluderhose, dann – dann –“

Ein drohender Peitschenstiel hebt sich einen Augenblick in die Luft. Die Hand des jungen Mannes greift rasch zu und hält ihn fest.

„Kerl!“

„Kerl, hat er gesagt!“ heulte der Kutscher, berstend vor Wut. „Ich werde dich, du Hu – Hu – Hund –“

Ein Schrei gellt auf. Hinter der kleinen Pforte steht mitten in der Hecke Ebbas erschrockenes Antlitz. De la Gardie zieht unwillig den Vorhang zur Seite und blickt aus dem Wagen. In der nächsten Sekunde reisst er den Schlag auf und springt hinaus. Sein Arm fegt den wütend auf seinen Widersacher eindringenden Kutscher zur Seite, hebt sich dann und nimmt mit breitem Schwung den Federhut vom Kopf.

„Vergebung – Majestät!“ Grauer Fels ist de la Gardies Gesicht. „Der Mann erkannte Euch nicht!“

„Der König!“ Der Peitschenstiel sinkt jäh herab. Der erboste Kutscher taumelt ein paar Schritte zurück, stolpert und setzt sich, Nase und Mund aufreissend, breit auf den staubigen Weg.

„Befiehlt Majestät, dass ich –“

Respektvoll mit abgezogenem Hut und leicht gebeugtem Rücken macht de la Gardie eine Handbewegung nach dem Wagen. Gustav Adolf, der junge König, schüttelt ärgerlich über die unerwartete Begegnung den Kopf.

„Gewöhnt Euren Leuten das hässliche Fluchen ab, de la Gardie,“ sagt er, schwingt sich auf das vor Ungeduld schnaubende Pferd und stiebt davon, ohne sich umzusehen.

Einen Augenblick noch steht de la Gardie mit abgezogenem Hut und sieht dem Davonjagenden nach.

„Onkel Jakob!“ ruft von der Hecke her eine befreit aufatmende Mädchenstimme. Einen kurzen Blick wirft de la Gardie sich umwendend auf Ebba, die ihm über das Gattertörchen die Hände entgegenstreckt, einen Blick voll Wehmut und Trauer. Dann wendet er sich kurz und steigt rasch ein. Der Vorhang der Karosse rauscht leise wieder zusammen.

Auch der Kutscher hat sich inzwischen hochgerappelt und ist wieder auf den Kutschbock geklettert. Langsam und bedächtig ziehen die Pferde an.

„Der König!“ sagt der Kutscher immer noch verstört. „Gottlob, dass ich nicht grob geworden bin! Nicht wahr, Jönsson, ich war doch einigermassen höflich – den Verhältnissen entsprechend?“

Der Lakai gibt keine Antwort. Sein Gesicht ist schwer von Gedanken und Kombinationen. Also ist es doch wahr, was man längst bei Hofe raunt und flüstert: Das Fräulein Ebba Brahe ist die Geliebte Gustav Adolfs. Ob man diese Begegnung hier dem hochmögenden Kammerdiener Ihrer Majestät der Königinmutter, Herrn Säckelmann, berichten soll? Oder ob man sich lieber mit der wichtigen Nachricht direkt bei dem Herrn Kanzler Oxenstjerna meldet? Das ist die Frage.

Ueber die Landstrasse dahin galoppiert der einsame Reiter. Menschen kommen ihm entgegen, eine schwer und bedächtig auf heimatlichem Boden dahinschreitende Bauernfamilie. Die Männer treten zur Seite und nehmen ernst und bedachtsam die breiten Hüte ab, die Frauen und Mädchen neigen sich.

Unser junger König, Gustavus Adolphus.

Weiter geht der Ritt. Steine spritzen auf unter den Hufen des dahinjagenden Pferdes.

Ein steinerner Torbogen taucht in der Ferne auf. Die Wappen Schwedens und der Stadt Stockholm darüber. Eine grosse Trommel steht innerhalb des Tores vor der alten Steinbank. Eine wuchtige Soldatenfaust haut drei Trumpfkarten auf das Kalbfell:

„Vater – Sohn – und – Heiliger Geist!“

Da galoppiert von draussen her der einsame Reiter heran. Der Posten vor dem Tor beugt sich vor und fasst ihn scharf ins Auge. Rückwärts über die Schulter brüllt sein Ruf:

„Der König!“

Auf springen die Kartenspieler. „Ins Gewehr! Richt euch!“ kommandiert ein erschrockener Unteroffizier. Der Trommler nimmt schnell sein Kalbfell auf und schlägt einen Wirbel mitten auf die Karten, die noch auf der Trommel tanzen.

Hufschläge dröhnen auf dem Steinpflaster unter dem Torweg. Unter den wirbelnden Schlägen springen die bunten Kartenblätter vom Trommelfell, flattern langsam hinunter auf die Steine.

Ueber sie hinweg stampfen die Hufe von Gustav Adolfs Pferd.

*

„Tretet – ab!“ Die Ehrenwache der Lifgarden im Schlosshof, die eben dem eingerittenen König salutiert hat, rückt sporen- und säbelklirrend in ihr Kasernement.

Lakaien reissen beflissen Türen auf.

Mit raschen Schritten eilt Gustav Adolf die breiten Steinstufen empor, durch Vorsäle und Galerien, nickt dem Mann, der da oben auf dem Treppenabsatz ihn erwartend, stehengeblieben ist, freundlich zu.

„Hat man mich vermisst, Oxenstjerna?“

Der Kanzler Axel Oxenstjerna verbeugt sich zeremoniell. „Ich habe Euer Majestät vertreten.“

Mit leisem Lächeln deutet Gustav auf die grosse Dokumentenmappe in des Kanzlers Arm. „Was Wichtiges?“

„Ich bin zu Ihrer Majestät der Königinmutter befohlen.“ Undurchdringlich freundlich und gütig bleibt das alte Diplomatengesicht.

„Viel Spass, Kanzler!“ Gustav nickt dem Freund und Vertrauten seines verstorbenen Vaters herzlich zu und nimmt, übermütig weiter die Treppe hinaufspringend, zwei Stufen mit jedem Schritt. In offizieller Verbeugung bleibt der Kanzler stehen, bis der König verschwunden ist, richtet sich dann auf und geht mit ruhig-würdevollen Schritten auf eine Tür zu, vor der statuenhaft ein Kammerlakai Posto gefasst hat.

„Ihre Majestät?“

Die Bildsäule verbeugt sich und reisst die Tür weit auf.

„Euer Gnaden werden erwartet.“

Die Königinmutter Kristina ist eine strenge Frau geworden, um deren harten, schmalen Mund selten noch ein gnädiges Lächeln zuckt. Sie kann es nicht vergessen, dass der Reichstag zu Nyköping im Dezember 1611 den jungen Gustav Adolf vorzeitig für mündig erklärte und ihm die Regierung übertrug.

Sie blickt auch jetzt mit herbem Ernst auf den grauhaarigen Kanzler, der eingetreten und in tiefer Verbeugung an der Tür stehengeblieben ist. Das ist auch einer von denen, die schuld daran sind, dass nicht mehr sie, die Königinmutter, die Regentschaft führt. Vielleicht sogar der Hauptschuldige. Die Königinwitwe Kristina, die nach dem Tod ihres Gatten, Karls IX., im Regentschaftsrat die Geschäfte des Landes für den noch unmündigen Thronfolger Gustav Adolf geführt hatte, war entschieden gegen diesen Reichstag gewesen, der ihrem Sohn die Macht geben sollte. Aber Axel Oxenstjerna hatte ihr zugeredet in freundlichen und energischen Worten. Es war notwendig, diesen Reichstag einzuberufen. Die kriegerischen Bauern Dalekarliens, die Schützer und Hüter der Wasas, zeigten Unruhe und die Stände murrten. Axel Oxenstjerna war ein grosser Staatsmann und verstand seine Sache zu führen. Das Wohl Schwedens über alles. Die Königinwitwe hatte nachgegeben, aber vergessen hatte sie nicht.

Gustav Adolf ist König von Schweden. Der Kanzler Axel Oxenstjerna leitet klug und weitschauend die Politk des Landes. Aber noch hält die Königinmutter Kristina Hof im Schloss zu Stockholm, umgeben von einem Kreis von Getreuen und Ergebenen. In ihren Gemächern laufen die verschlungenen Fäden der Politik zusammen, werden geknotet oder entwirrt. Selbst Oxenstjerna muss mit dieser Nebenregierung rechnen und arbeiten.

„Kommt näher, Kanzler!“ Die Königinmutter sieht den Staatsmann fest an. Ein leiser Triumph ist in ihrer Stimme. „Ihr wisst, dass de la Gardie sich vermählt?“

„Nein, Euer Majestät.“

„Mein Werk, Kanzler.“ Stärker wird der Triumph in der Stimme der Königin. „Jakob de la Gardie hält heute um Ebba Brahe an!“

„Ja, das – ist mir bekannt.“

„Also doch!“ Der Triumph verfliegt. Ein leiser Unmut zieht über das strenge Gesicht der Königin. „Natürlich! Was entginge Euern Augen hier am Hof. Warum das Nein vorhin, Kanzler?“

Der alte Staatsmann räuspert sich bedächtig. „Wenn mir’s verstattet ist, Majestät: Ich habe in meiner Jugend auch mal um eine schöne Hand angehalten. Und bin doch unvermählt geblieben. Leider.“

„Kanzler! Ihr unterstützt die Schwächen meines Sohnes! Ist er am Ende wieder fortgeritten?“

„Der König ist in seinem Kabinett.“ Ruhig hält Oxenstjerna den forschenden, misstrauischen Blick der Herrin aus. Fährt dann mit milder Stimme lächelnd fort:

„Das Fräulein Brahe wird einmal heiraten, Majestät. Jakob de la Gardie oder einen anderen. Ich zweifle nur, dass sie es jetzt schon tut. Wiewohl von gnädiger Gesinnung wie von Klugheit zeugend, war es nicht wohl erwogen, den Reichsfeldherrn jetzt schon zu diesem Schritt zu veranlassen.“

„Soll mein Sohn, der König –“

„Vergebung, Majestät.“ Die tausend kleinen Fältchen in des Kanzlers Antlitz lächeln. Wissen um Jugend und Jugendglück liegt in seinen alten Augen. „Ein Sommertraum – nicht mehr. Sie sind zusammen aufgewachsen hier am Hof, die beiden. Wenn’s ernsthaft wäre, ich hoffe, Euer Majestät bezweifelt nicht, dass Schwedens Staatswohl mir am Herzen liegt.“

„Das weiss ich, Kanzler. Jedoch, die Ebba Brahe –“

„Ist ein gutes Kind. Sie träumt von Liebe, nicht von Königskronen. Und Seine Majestät –“

Der Blick der Königinmutter geht über den Redenden hinweg. Ein Kammerherr ist eingetreten und verharrt wartend an der Türe.

„Reichsfeldherr de la Gardie bittet Euer Majestät um Audienz!“

*

„So weit ist’s also schon!“ Die Königinmutter wendet ihren Blick von de la Gardie, der seinen Bericht beendet hat, dem nachdenklichen Gesicht des Kanzlers zu. Eine leichte Röte liegt auf ihren Wangen. „Das also ist die Wahrheit, Kanzler! Das Mädchen nimmt Liebesschwüre des Königs an. Und ihre Sippen prahlen bereits mit Heiratsabsichten!“

Oxenstjerna verbeugt sich schweigend und langsam. Seine Gedanken, gewohnt dem Willen zu gehorchen, arbeiten rasch und sicher. Der alte Brahe ist ein Schwatzmaul, denkt er ungefähr. Er hätte den Mund halten sollen. Doch bedenklich bleibt’s. Wenn der König sein Wort gegeben hat – Gustav Adolf ist jung und voller Ideale. Er wird sein Wort so leicht nicht brechen.

„Nun, Kanzler?“ klingt wieder die scharfe Stimme der empörten Königin an sein Ohr. „Ein Sommertraum – nicht wahr? Nun hört Ihr’s selbst. Ihr, dem das Staatswohl so am Herzen liegt!“

Beissender Hohn ist in der Stimme. Der Kanzler Oxenstjerna hebt langsam den Kopf und schickt seine Augen in die Runde. Jakob de la Gardie steht da, ein spitzes, trauriges Gesicht, das man wie zum Hohn in eine glänzende Uniform gesteckt hat. Der Leutnant Baron Liljefors steht da hinter dem Thronsessel, Adjutant und treuergebener Diener der Königinmutter. Sein Gesicht zeigt die gleiche Empörung wie das seiner Herrin. Und neben ihm, gross, stattlich, in berauschender, reifer Schönheit: Maegrita Zanteres, Tochter eines holländischen Grosskaufmanns und Kriegslieferanten, und vertraute Hofdame der Königinmutter.

Es gibt wenige hier am Hof, die nicht, wenigstens vorübergehend, dieser strahlenden, verlockenden Schönheit erlegen sind. Gustav Adolf selbst – ja, ja, es war klug von der Königinmutter, Maegrita Zanteres an ihren Dienst zu fesseln und so ständig unter Aufsicht zu haben. Und er, Oxenstjerna, hat er nicht eben wegen dieser Gefahr die scheue Neigung des jungen Königs zu Ebba Brahe begünstigt! Besser eine Jugendliebelei mit diesem jungen, reinen Mädchen aus schwedischem Adelsgeschlecht, als ein Verstricken in den Armen dieser allzu wissenden, schönen Frau.

Aber jetzt? Der Kanzler Oxenstjerna denkt an das ernste Wort, das Jakob de la Gardie eben gesagt hat. Er denkt auch an die Pläne, die er selbst zum Wohle Schwedens vorbereitet, die Verbindungen, die er bereits wegen einer eventuellen Heirat mit Brandenburg geknüpft.

„Der Bericht des Reichsfeldherrn ändert die Sachlage, Euer Majestät,“ sagt der Kanzler ernst. „Ich werde mit Euer Majestät gnädigem Einverständnis die Vermählung der Krone Schwedens mit Brandenburg mit allem Eifer weiter betreiben und – dafür sorgen, dass Seine Majestät, der König, keine Zeit mehr findet zu privaten Ausflügen.“

*

„Er wird wägen, überlegen, Fäden knüpfen, Minen legen – bis es zu spät ist,“ sagt die Königinmutter harmvoll, als der Kanzler mit Jakob de la Gardie das Zimmer verlassen hat. „Oxenstjerna beginnt alt zu werden. Ich glaubte klug zu handeln, als ich Ebba Brahe vom Hof vertrieb und sie aufs Land zu ihrem alten Oheim schickte. Es wäre besser gewesen, ich hätte sie hierbehalten unter meinen Augen – wie dich, Maegrita Zanteres! Wer schützt mich nun davor, dass der König in seinem Jugendüberschwang nicht doch Wege findet, die allzu vorsichtigen Mauern des Kanzlers zu durchbrechen! Wer schützt Schweden davor, dass nicht eines Tages ein übereilter Entschluss meines Sohnes alle Bündnishoffnungen zunichte macht und das Land in Aufruhr und Gefahr stürzt!“

„Ich – Euer Majestät!“

„Du, Maegrita?“ Die Königinmutter hebt befremdet den Blick zu dem verführerisch lächelnden Frauengesicht, das sich über sie beugt.

„Wenn Euer Majestät mir freie Hand lässt – ich werde Mittel und Wege finden, weitere Zusammenkünfte des Königs mit Ebba Brahe zu verhindern.“

Das Lächeln Maegrita Zanteres ist ein Engelslächeln. Wer kann ahnen, dass Hass und Eifersucht, Gewalttat und Verderben dahinter lauern? Die Königinmutter nickt still.

„Du weisst, Maegrita, was ich wünsche und wünschen muss.“

Eine schmale, kalte Hand streckt sich der Holländerin zum Kuss entgegen.

*

„Kann ich Euch helfen, allerschönste Frau?“

Maegrita Zanteres, die vom Gemach der Königinmutter her durch den Vorsaal kommt, wirft von oben herab einen lächelnden Blick auf die kleine Gestalt, die, gekrümmt wie ein Hunderücken, lautlos neben ihr herschleicht.

Immer schleicht er so auf ihrer Spur, das dürftige Männlein, Magister Schovelius, der Sekretär des Kanzlers Oxenstjerna, treuer Arbeiter, Gelehrter und halber Hofnarr zugleich an diesem Hof der blonden, hochgewachsenen Männer und Frauen. Es gab eine Zeit, da die schöne Maegrita Zanteres bereit war, sich gnädig der armen, hoffnungslosen Leidenschaft zu neigen. Schovelius war der Sekretär des allmächtigen Kanzlers. Wenn er reden wollte, man könnte durch ihn viel Wichtiges erfahren. Aber Magister Schovelius verkauft seinen Herrn und Meister nicht um Liebesglück, und Maegrita Zanteres hat wieder hochmütig über ihn hinweggesehen. Sie liebt es seitdem, den kleinen krummen Mann bald mit seiner stillen Leidenschaft lächerlich zu machen, bald sie durch scheinbare Freundlichkeit zu rasender Qual zu entfachen. Aber heute hat Maegrita Zanteres keine Zeit für ihren Narren.

„Du mir helfen?“ höhnt sie, den Zwerg verächtlich messend. „Du wärst mir der Rechte dafür! Nein –“ Sie richtet sich lebhaft auf und blickt gespannt dem Leutnant Liljefors entgegen, der eben mit eiligen Schritten vom Kabinett des Königs herkommt. Ihre Augen lächeln den schönen, wohlgewachsenen Mann über den demütig davonschleichenden Narren hinweg an.

„Hast du was Neues, Erik?“

„Eine hochwichtige Nachricht! Der König hat auf den Vorschlag des Kanzlers Jakob de la Gardie zum Oberbefehlshaber in Russland ernannt. Er reist übermorgen mit der „Aeran“ nach Reval ab!“

„Mag er reisen.“ Maegrita Zanteres sieht sich rasch um und zieht den jungen Offizier verstohlen in eine Nische. „Ich brauche dich, Erik. Im Dienste der Königin und in meinem. Wir müssen Ebba Brahe –“

Ein rasches, heisses Flüstern wird die Stimme. Erik Liljefors lauscht in atemloser Spannung. Schwere Bedenken stehen auf seiner Stirn.

„Die Königin wünscht es, Erik,“ schliesst Maegrita, ihre Stimme wieder um einen Ton hebend. Erik Liljefors neigt den Kopf.

„Ich kann es mir denken, aber – immerhin, es bleibt ein verwegener Streich, und wenn der König erfährt –“

Näher drängt sich der Leib der schönen Frau. Erik Liljefors spürt das leise Beben der Spitzen auf ihrer Brust, und seine Hände beginnen zu zittern.

„Wenn es gelingt, Erik,“ flüstert ein heisser Atem dicht vor seinem Gesicht, „morgen nacht – du gibst mir Bericht – ich erwarte dich in meinem Zimmer.“

Verheissende, versengende Strahlen stehen in Maegritas nachtdunklen Augen. Erik Liljefors sinkt willenlos in sie hinein.

„Alles – alles für dich, Maegrita.“