Editorial Design - Magazingestaltung - Nikola Wachsmuth - E-Book

Editorial Design - Magazingestaltung E-Book

Nikola Wachsmuth

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Beschreibung

Editorial Design nannte sich früher schlicht "Titel- und Magazingestaltung". Das klingt zwar nicht so schick wie die englische Bezeichnung, trifft aber den Kern dessen, was man auch mit "redaktioneller Gestaltung" übersetzen könnte. Das Berufsbild, das sich dahinter verbirgt, könnte spannender nicht sein, denn es umfasst vier Berufe in einem: Grafik, Fotografie, Typografie und Journalismus. Ein Editorial Designer muss Kenntnisse und Fertigkeiten aus allen Teildisziplinen mitbringen: gestalterische Kreativität, Bildgefühl, typografisches Wissen und journalistisches Interesse. Die erweiterte Ausgabe von "Editorial Design - Magazingestaltung" richtet sich sowohl an Journalisten als auch an Grafiker. Es zeigt die Grundregeln für eine erfolgreiche Zeitschriftengestaltung anhand vieler praxisbezogener Beispiele auf. Dazu gehören Titelgestaltung, Innenlayout, Typografie und Heftdramaturgie. Ziel des Buches ist es, das Handwerk des redaktionellen Gestaltens didaktisch zu vermitteln. Vorliegender Leitfaden wird Gestaltern und Journalisten gleichermaßen nicht nur die Augen öffnen, sondern auch den Blick schärfen.

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IMPRESSUM

Covergestaltung: Nikola Wachsmuth, www.nw-medien.de Unter Verwendung von Zeitschriftentiteln von 1996 bis 2014

Konzeption: Julia Wachsmuth, Nikola Wachsmuth Layout: Julia Wachsmuth, www.designart-jw.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013, 2014 Stiebner Verlag GmbH, München

2., erweiterte Neuauflage 2014 Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags. Insbesondere die Verwendung in Schulungsunterlagen bedarf der Genehmigung.

Die Autoren und der Verlag haben vielfältige Anstrengungen unternommen, die Urheber des in diesem Band gezeigten Materials korrekt wiederzugeben. Sollte dies nicht in allen Fällen geglückt sein, sind wir für jeden weiterführenden Hinweis dankbar.

Gesamtherstellung: Stiebner, München

ISBN 978-3-8307-3003-3www.stiebner.com

NIKOLA WACHSMUTH arbeitet seit vielen Jahren als Creative Directorin konzeptionell für marktführende Publikationen in der gesamten Bundesrepublik. Sie berät ferner Neuentwicklungen und fertigt qualifizierte Blattkritiken an. Sie studierte Kunst und Psychologie. Es folgten viele Berufsjahre in großen Verlagshäusern wie Gruner+Jahr, Bauer, Burda oder Springer. Seit 1999 lehrt die gefragte Expertin Editorial Design mit Schwerpunkt Magazingestaltung an Fach- und Hochschulen sowie an Akademien für Journalistik. Nun veröffentlicht sie erstmals ihren fundierten Lehrstoff in diesem Kompendium.

HEIKE GLÄSER brachte das umfangreiche Wissen der erfahrenen Magazingestalterin zu Papier. Vor vielen Jahren lernte sie als Seminarteilnehmerin Nikola Wachsmuth kennen und ging durch ihre Schule. So entstand die Zusammenarbeit an diesem Buch. Die studierte Linguistin und Wissenschaftsjournalistin volontierte bei Zitty und Tagesspiegel. Sie lebt und arbeitet als freie Journalistin und Redakteurin in Berlin.

WACHSMUTH WIRKT

Ein Seminar für redaktionelle Führungskräfte an der Hamburger Akademie für Publizistik im Frühjahr 2005. Es ging um Blattoptimierung: Themen, Überschriften, Layout. Am Tag zwei löste handfester Praxis-bezug die bis dahin vielfach graue Theorie ab. Die Referentin erwies sich als erfahrene Print-Designerin. Ihr Vater: fast 30 Jahre verantwortlich für die Gestaltung des SPIEGEL-Covers. Der Name der erfrischend gradlinigen Dozentin: Nikola Wachsmuth. Gerade vom Lokalchef zum Chef-redakteur der Hamburger Morgenpost aufgestiegen, engagierte ich sie keine zwei Jahre später zur Begleitung eines Relaunchs. Wenig Budget, wenig Personal, wenig Zeit – das waren die Rahmenbedingungen. Für Nikola Wachsmuth kein Grund zur Klage. „Willkommen in der Wirklichkeit“, sagte sie und schlug eine Einbeziehung ihrer Studenten am Institute of Design vor. Der Relaunch geriet zum Kreativ- Workshop. Es gelang der Pragmatikerin, das heterogene Layout-Team mit ihrer zielklaren Direktheit zu gewinnen. Ihre Handschrift ist Ausdruck zeitlosen Geschmacks, über den sich nicht streiten lässt. Der Nutzwert dieses überfälligen Ratgebers ist für Magazin-wie für Zeitungsmacher enorm. Allen Lesern möchte ich einen kollegialen Rat geben: Wachsmuth wirkt, machen Sie’s ihr nach!

Matthias Onken

81

EINSTIEG

9 Vorwort

13 Print bleibt Print – eine Einleitung

15 Das Auge isst mit

17 Grafiker sind Handwerker

19 Zehn Gebote

DRAMATURGIE

85 Aufbau eines Spannungsbogens

87 Einsatz eines Strukturplans

HEFTFÜHRUNG

95Die Navigation

95Das Inhaltsverzeichnis

103Heft- und Seitenführung

105Visuelle Rubrizierung

107Buchseiten als Gliederungselement

185

TYPOGRAFIE

113 Die Welt der Schriften

117 Das Schriftbild

119 Das Initial als grafisches Element

127TEST

109

BILDEINSATZ

149 Information oder Provokation

151 Bildformate

151 Bildausschnitte

153 Bildstellung

145

SATZSPIEGEL

133Aufbau und Struktur

137Gestalterische Freiheit

139Weißraum und Schiebespalte

143TEST

129

WARUM EIN LEITFADEN ÜBER EDITORIAL DESIGN?

9

VORWORT

Editorial Design nannte sich früher schlicht „Titel- und Magazingestaltung“. Das klingt zwar nicht so schick wie die englische Bezeichnung, trifft aber den Kern dessen, was man auch mit „redaktioneller Gestaltung“ übersetzen könnte. Das Berufsbild, das sich dahinter verbirgt, könnte spannender nicht sein, denn es umfasst vier unterschied-liche Bereiche in einem: Grafik, Fotografie, Typografie und Journalismus. Ein Editorial Designer muss Kenntnisse und Fertigkeiten aus all diesen Teildisziplinen mitbringen: gestalterische Kreativität, Bildgefühl, typografisches Wissen und journalistisches Interesse.

Editorial Design will also gelernt sein. Es gibt jedoch in Deutschland weder einen Studiengang, der sich aus-schließlich auf die grafische Gestaltung von Printmedien konzentriert, noch werden gestalterische Grundlagen in den journalistischen Ausbildungen vermittelt. Heute trifft man in Verlagen und Redaktionen kaum mehr Mentoren oder Lehrmeister an, die ihr Wissen an junge Grafiker weitergeben. Dies ist zumindest meine Erfahrung nach 35 Berufsjahren. Ich selbst hatte in meinen Anfängen noch hervorragende Lehrmeister – in großen Verlags- häusern wie Gruner+Jahr, Bauer, Burda und Springer. Seit fünfzehn Jahren unterrichte ich nicht nur Studenten an Werbefachschulen, sondern auch erfahrene Blattmacher und Layouter aus der Verlagswelt. Immer wieder begegnen mir dabei die gleichen Fehler, die in der Praxis gemacht werden, weil offensichtlich das nötige Fachwissen abhanden gekommen ist. Wenn ich Inhouse-Seminare in Verlagen abhalte, beobachte ich häufig, wie wenig Journalisten und Grafiker miteinander kommunizieren. In den Redaktionen muss unter den derzeitigen

„Perfektion erlangt man nicht dadurch, dass man außergewöhnliche Dinge tut, sondern dadurch, dass man gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut tut“

Angélique ArnauldFranzösische Äbtissin

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Produktionsbedingungen alles schnell gehen; jeder sitzt einsam an seinem Computer. Nur wenn sich Grafiker und Journalisten auf Augenhöhe begegnen und eng zusammenarbeiten, kann die visuelle Umsetzung von Texten gelingen.

Dieses Handbuch richtet sich an Grafiker und Journalisten. Es ist ein Leitfaden, der die Grundlagen für eine erfolgreiche Magazingestaltung anhand vieler praxisbezogener Beispiele vermittelt. Dabei wähle ich nicht nur gute, sondern auch bewusst schlechte Beispiele, weil sie in der Praxis erschreckend häufig vorkommen, sowie ältere Beispiele, weil sich an ihnen gestalterische Grundregeln anschaulich erklären lassen, die heutzutage leider oft nicht mehr beachtet werden. Ich konzentriere mich dabei auf die Welt der Magazine, nehme aber auch Bezug auf den Zeitungsbereich. Publikationen der Yellow Press lasse ich außen vor, weil dort andere gestalterische Kriterien eine Rolle spielen.

Editorial Design ist Handwerk und keine Kunst. Es verhält sich wie mit der Malerei: Erst wenn man die Grundregeln verstanden und umgesetzt hat, kann man sie durch-brechen und so plötzlich etwas Neues und Verrücktes wagen. Ich nenne es Seitenspiele. Dann beginnt – mit etwas Talent – die künstlerische Kreativität.

Dieses Buch wird Grafikern und Journalisten die Augen öffnen und den Blick schärfen.

Viel Spaß dabei!

Die nach kurzer Zeit erweiterte zweite Auflage dieses Buches zeigt, wie notwendig ein Leitfaden für Gestalter und Journalisten ist. Ich freue mich über das Interesse.

Lesefreundlich, ideen-reich und mit viel Liebe zum Detail gestaltet: das Bookazin CUT. Das klassisch modern gestaltete Magazin HALALI ist wesentlich ansprechender als die Konkurrenz

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PRINT BLEIBT PRINT – EINE EINLEITUNG

Häufig fragen mich junge Studierende oder Teilnehmer in meinen Seminaren, ob das Wissen über Titel- und Magazingestaltung im digitalen Zeitalter überhaupt noch nötig sei. Ja, Titel- und Magazingestaltung sind wichtiger denn je! Zwar sind die Printmedien in Zeiten des Internets sicherlich besonders von Auflagenschwund und Anzeigeneinbrüchen betroffen – vor allem die Tageszeitungen werden vermutlich komplett ins Netz wandern –, aber nichts kann das Durchblättern eines Magazins ersetzen. Die Liebe zur Haptik wird nicht aufhören. Im Gegenteil: Gerade die gewaltige Informationsflut im Internet kann der Leser kaum bewältigen. Deshalb wird Qualitätsjournalismus wieder stärker nachgefragt. In Zukunft wird es mehr um saubere journalistische Arbeit und um Hintergrundberichterstattungen gehen, wie man sie im Internet nicht findet. Der Leser wünscht sich gut recherchierte Texte und ein ansprechendes Seitenlayout: Lesen statt googlen. Laut jüngsten Erhebungen sind im Jahr 2012 so viele neue Zeitschriftentitel erschienen wie nie zuvor. Print bleibt Print.

Das Internet macht Grafikern und Journalisten das Leben zwar einerseits schwerer, andererseits aber auch interessanter. Es fordert sie dazu heraus, Magazine wieder wesentlich emotionaler und liebevoller zu gestalten. Der Leser will überrascht werden, er sucht Lesegenuss. Und diesen erreicht man nur durch eine lesefreundliche Gestaltung, die eine schnelle, zugleich ruhige und klare Lektüre ermöglicht.

Monatlich, zweimonatlich oder vierteljährlich erscheinende Titel, die eine gewisse Hochwertigkeit besitzen, sogenannte „Bookazine“, erfüllen diese Kriterien und sind deshalb im Kommen. Das Magazin CUT – „Leute machen Kleider“ zählt zu den positiven Beispielen, die sich seit 2009 am Markt behaupten. Es platzt vor Ideenreichtum, lebt von liebevoll gestalteten, teilweise verspielten Details – bei ungewöhnlich hoher Lesefreundlichkeit. Vor allem wenn man es mit dem Vorläufer, dem Magazin BURDA MODEN vergleicht, das seinerzeit erstmals mit einem beigelegten Schnittmuster erschienen ist. Als zweites positives Beispiel ist HALALI zu

„Ich halte die Printmedien für sehr wichtig. Lesen können ist noch einmal etwas anderes als im Internet zu sein“

Angela Merkel, 2012

liebevoll angerichtet: Das Auge isst mit

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nennen, ein Jagdmagazin, das seit April 2011 vierteljährlich erscheint. Es ist ein Gegenentwurf zu gängigen Zeitschriften dieses Genres und erscheint in seinem anspruchsvollen Layout wesentlich moderner und ansprechender als die etwas verstaubte Konkurrenz wie WILD UND HUND.

Printobjekte wie CUT und HALALI leben von einem hochklassigen Layout mit hervorragendem Fotomaterial. Die Gestaltung beider Magazine folgt bei näherer Betrachtung visuellen Gesetzmäßigkeiten. Und diese werden weiterhin unabhängig von den neuen technischen Möglichkeiten Bestand haben, egal ob es sich um altmodisches Klebelayout, Umsetzung in Indesign oder iPad-Programmierung handelt.

DAS AUGE ISST MIT

Die Menschen nehmen sich immer weniger Zeit zum Lesen. Wenn man den ganzen Tag vor einem Computerbildschirm sitzt, freut man sich um so mehr, zum Feierabend ein schönes Magazin in die Hand zu nehmen. Ob Fachmagazin oder Publikumszeitschrift, die Lektüre sollte Genuss bereiten. Miteinem Magazin verhält es sich ähnlich wie mit einem Steak.

Das Auge isst mit: Landet das Steak schön dekoriert und liebevoll angerichtet auf dem Teller, schmeckt es wesentlich besser und macht auch mehr Freude. Das Steak ist der Inhalt, die Dekoration das Layout. Wenn das Steak nach dem dritten Bissen zäh schmeckt, dann kann der Grafiker das Gericht vielleicht noch retten. Er kann optisch eine Wirkung erzielen, die wenigstens das Durchblättern reizvoll macht, sofern er über gutes Bildmaterial verfügt. Wenn der Text allerdings bereits in der ersten Spalte langweilt, dann kann auch der Layouter nichts mehr ausrichten. Eine gelungene Gestaltung setzt eine hohe Textqualität voraus. Dafür sind eigentlich die Journalisten zuständig, aber auch ein Art Director sollte inhaltlich immer bestens Bescheid wissen und nach Möglichkeit alle Texte lesen. Falls es die Zeit nicht erlaubt, sollte er alle Artikel zumindest querlesen oder sich von den zuständigen Redakteuren erzählen lassen, um was es in der Reportage, dem Interview oder dem Hintergrundbericht geht. Als Grafiker wird man im Laufe eines Berufslebens nicht dümmer, ganz im Gegenteil. Es gibt hervorragende journa-

Aufmacherseite mit einem Bild aus dem Beschnitt, einer Headline und einem Vorspann

Zweite Doppelseite mit einer 2/3 Bildeinheit, Bildtext und der ersten Textspalte mit Initial

Dritte Doppelseite mit verschiedenen Bild- formaten und locker gesetzten Textspalten

Beispiel für einen Zweiseiter: Einseitiges Bildmotiv mit dazu passender Textstellung

Aufmacherseite mit großem Bildmotiv, eingeplantem Freisteller und Textspalten

Beispiel für einen Zweiseiter mit mehreren Bildmotiven, Headline, Vorspann und Text

Scribble für ein Foto-Shooting mit Berücksichtigung des Falzes

Seite mit zwei Anzeigenplatzierungen, kleinem Bildformat und kurzer Texteinheit

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listische Texte aus Themengebieten, die man vorher nicht kannte. Der Grafiker muss den Journalisten verstehen und umgekehrt: Der Journalist muss auch den Grafiker verstehen. Sie müssen die gleiche Sprache sprechen. Beide verhalten sich wie Spiegelbilder, keiner kann ohne den anderen. Das ist das A und O der Zusammenarbeit. Kurz: Ein guter Gestalter sollte Spaß am Lesen haben und die journalistischen Inhalte erfassen, bevor er mit der Magazingestaltung beginnt.

GRAFIKER SIND HANDWERKER

Um nun eine gelungene Magazingestaltung zu erreichen, sollte man die wichtigsten Grundregeln der Grafik beherrschen. Diese Grundgesetze gelten – ähnlich wie in der Malerei – weiterhin, auch wenn sie kaum mehr vermittelt werden und verloren zu gehen drohen. Heute meint jeder, er könne am Computer layouten. Dabei bietet der Rechner nur technische Möglichkeiten. Er ist nur ein Handwerkskasten, aber kein Ideengeber. In der Praxis kann es passieren, dass ein Grafiker 150 Bilder in ein Layout-Programm lädt. Dann schiebt er stundenlang alles wahllos hin und her, anstatt erst einmal nachzudenken: Um was für eine journalistische Geschichte handelt es sich? Worum geht es? Wie viele Doppelseiten stehen für die Gestaltung zur Verfügung? Welches Bildmaterial eignet sich für die Geschichte? Ich empfehle, zunächst auf dem Papier zu scribbeln, bevor man sich an den Computer begibt, um das Layout aufzubauen. Das spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Kreativität.

Editorial Designer sind keine Künstler, sie sind Handwerker. Jeder Tischler muss seine Grundregeln kennen, er muss wissen, wie Holz beschaffen ist. Auch Pablo Picasso hat, bevor er ein Bild gemalt hat, etwas über die Chemie der Ölfarben oder über die Pinsel, die er benutzt, in Erfahrung gebracht. Es ist ein Handwerk, zu wissen und zu entscheiden, welches Material man zu welchem Zeitpunkt richtig einsetzt. Das hat nichts mit Kunst zu tun. Zunächst muss erlernt werden, wie man einen Stier oder ein Pferd naturalistisch zeichnet und malt. Erst dann kann man ein Kunstwerk daraus machen. Kreativität und künstlerische Freiheit können also erst dann einsetzen, wenn man das Handwerk beherrscht.

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...FÜR DEN GESTALTER

Abhebung von der Konkurrenz Zielgruppengerechtes Gestalten Interessante Heftdramaturgie Kreativität vor dem Computereinsatz Erfassen der journalistischen Inhalte Klare Heftstrukturierung Lesefreundlicher Textumbruch Sinnvoller Bildeinsatz Abgrenzung zum Anzeigenbereich Ideen auch mit wenig Budget

„Woche für Woche ist es eine Herausforderung, mit dem SPIEGEL-Titel einen grafischen Kommentar zum politischen Zeit- und Weltgeschehen abzugeben, immer mit dem Anspruch, eine möglichst noch nie gesehene Idee ungewöhnlich und provokativ in Szene zu setzen, ob typografisch, fotografisch oder illustrativ“

Stefan KieferRessortleiter SPIEGEL-Titel

TITELGESTALTUNG

Wie erreicht man eine Signalwirkung am Kiosk? Welche Gestaltungsmöglichkeiten bleiben bei gestaffelter Stellung? Wann macht eine Anrissleiste Sinn? Welche Rolle spielt das Heftformat für den Titel?

21

Angesichts der Vielfalt von Magazinen ist es eine große Herausforderung, sich in der Masse abzuheben und eine Alleinstellung zu erreichen

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RATSCHLAG

Der Titel prägt den Charakter einer Zeitschrift. Bei einer Neuentwicklung sollte man immer mit der Titelgestaltung beginnen. Sie wirkt sich auf das gesamte Innenlayout aus.

DER TITEL

Der Titel eines Magazins ist die größte gestalterische Herausforderung. Denn auf der Umschlagseite müssen der Stil und die inhaltliche Ausrichtung einer Publikation zum Ausdruck kommen. Format, Farbe, Titelkopf, Typografie und Bildeinheit prägen den gesamten Charakter einer Zeitschrift – und dieser Charakter sollte einzigartig und eindeutig sein. Ziel eines jeden Verlegers ist es, eine erkennbare Markenidentität zu erzeugen und damit die Einmaligkeit des Produkts zu betonen. Dieses Alleinstellungsmerkmal wird gewöhnlich USP (Unique Selling Proposition) genannt. Ich bezeichne das USP auch gerne als die DNA eines Magazins.

Es empfiehlt sich, bei einer Neuentwicklung einer Zeitschrift immer mit dem Titel zu beginnen. Denn die Titelgestaltung hat Auswirkungen auf das gesamte Innenlayout. Ich vergleiche dieses Vorgehen gerne mit der Herstellung eines Mantels. Wenn ich einen edlen Kamelhaarmantel herstelle, dann werde ich ihn hinterher nicht mit billigem Nylon füttern, sondern gebe ihm ein entsprechend hochwertiges Futteral. Meiner Meinung nach – es gibt dazu auch andere Einschätzungen – sollte man also am besten mit der Titelgestaltung anfangen.

Der Titel ist das Erste, was der Leser am Kiosk sieht. Abgesehen vom reinen Abonnementvertrieb muss sich eine Zeitschrift am Kiosk behaupten. Um ein Magazin erfolgreich im Zeitschriftenladen zu platzieren, muss ein Grafiker bei der Titelgestaltung auf eine hohe Signalwirkung setzen, damit der Leser auf das Magazin in der Masse des Angebots überhaupt aufmerksam wird.

Diese Signalwirkung lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise erzielen. Dem Titelkopf kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Er besteht aus dem Schriftzug, einer Titelunterzeile und gegebenenfalls einem zusätzlichen Signet, wie es beispielsweise der STERN hat. Der Titelkopf transportiert den Namen, das Genre und das Image des Magazins. Man sollte sofort sehen, ob es sich um ein Modemagazin, ein Designheft oder um eine Hi-Fi-Zeitschrift handelt.

Jedes Magazin erhält durch Format, Farbe, Signet, Typografie und Bildeinheit seinen Wiedererkennungswert. Der Käufer verweilt heutzutage nur noch cirka zwei bis drei Sekunden am Zeitschriftenregal

Ob im Wartezimmer oder Zuhause:Auch in einem Zeitschriftenstapelsollten sich Publikationenvoneinander abheben

geschuppte Stellung

gestaffelte Stellung

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Die Bildeinheit, die Motivwahl sowie der Bildausschnitt spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Auch die Wahl des Heftformats sollte genau durchdacht sein. Dazu kommen Überlegungen zur Platzierung der Schlagzeile sowie weiterer Zusatzthemen, die gut lesbar sein und dennoch nicht das Hauptbildmotiv zu sehr überdecken sollten. Die Typografie stellt eine weitere Herausforderung dar. Die Schriftzeichen müssen sicher auf dem Cover stehen.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Gestaltungsformen für den Titel wie Ganz-Cover-, Rahmen- oder Balkentitel, Multi-Picture-Cover, reine Typografietitel oder Illustrationstitel, die ich im Einzelnen vorstellen werde. Nicht zu vergessen der sogenannte Umsetzungstitel, der in allen Gestaltungsformen auftauchen kann. All diese Aspekte der Titelgestaltung werden in diesem Kapitel detailliert erklärt und in Zusammenhang gebracht. Denn erst im Zusammenspiel – und darin besteht die hohe Kunst – lässt sich ein Magazintitel erfolgreich gestalten.

KIOSK ODER ABOVERTRIEB

Es ist ein großer Unterschied, ob ein Magazin am Kiosk verkauft oder über ein Abonnement vertrieben wird. Der Abonnent hat sich bereits für eine bestimmte Publikation entschieden, die er regelmäßig per Post erhält, und kann das jeweilige Titelbild als Ganzes auf sich wirken lassen. Dieser Luxus fällt bei Magazinen, die sich am Kiosk behaupten müssen, komplett weg. Wer einen Kiosk betritt, kennt das Gefühl, von der schieren Masse an Titeln optisch regelrecht erschlagen zu werden. Kioskbetreiber legen ihr Angebot an Zeitschriften und Magazinen meist in gestaffelter oder geschuppter Stellung aus, um möglichst viele Titel auf kleinem Raum zu präsentieren. Es ist Sache des Zeitschriftenhändlers, welche Printobjekte er in einem Regal gestaffelt oder auf einem Ständer geschuppt platziert. Für einen Verleger ist es schwierig, auf die Art der Positionierung seiner Publikationen Einfluss zu nehmen. Er hat zwar die Möglichkeit, eine Einzelauslage seines Printobjekts durchzusetzen, allerdings nur, wenn er bereit ist, dafür zusätzliche Kosten in Kauf zu nehmen.

Auch der STERN hat sich über die Jahrzehnte sukzessive verändert. Das Signet wurde nur geringfügig bearbeitet und dient bis heute als Markenzeichen vieler Publikationen aus dem Hause Gruner+Jahr