Ein Chaos, das zu Herzen geht - Annette Mansdorf - E-Book

Ein Chaos, das zu Herzen geht E-Book

Annette Mansdorf

0,0

Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! »Guten Morgen, ist deine Mama da?« »Wir haben keine Mama!« erklärte der kleine dunkelhaarige Lockenkopf bestimmt. »Ist denn dein Papa da?« Iris unterdrückte den spontanen Wunsch, der Kleinen über den Kopf zu streicheln. Es war wirklich ein bildhübsches Kind und offenbar sehr selbstbewußt. »Na klar! Papa! Da ist eine Frau!« rief das Mädchen so laut, daß man es sicher noch eine Straße weiter hören konnte. »Sophie! Du sollst nicht immer so schreien, da fallen ja die Bilder von der Wand«, ertönte eine dunkle Männerstimme aus dem Hintergrund. Gleich darauf tauchte der Vater des kleinen Mädchens auf. Iris war beeindruckt. Seine Präsenz schien sofort die Diele des Hauses auszufüllen. Als er Iris anschaute, hob er die Brauen. Plötzlich jedoch erinnerte er sich wohl daran, daß sie nicht unangemeldet vor der Tür stand, sondern mit ihm einen Termin ausgemacht hatte. »Oh, bitte entschuldigen Sie! Sie müssen Frau von Schell sein, nicht wahr?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 130

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mami Bestseller – 79 –

Ein Chaos, das zu Herzen geht

Drei kleine Mädchen wirbeln alles durcheinander

Annette Mansdorf

»Guten Morgen, ist deine Mama da?«

»Wir haben keine Mama!« erklärte der kleine dunkelhaarige Lockenkopf bestimmt.

»Ist denn dein Papa da?«

Iris unterdrückte den spontanen Wunsch, der Kleinen über den Kopf zu streicheln. Es war wirklich ein bildhübsches Kind und offenbar sehr selbstbewußt.

»Na klar! Papa! Da ist eine Frau!« rief das Mädchen so laut, daß man es sicher noch eine Straße weiter hören konnte.

»Sophie! Du sollst nicht immer so schreien, da fallen ja die Bilder von der Wand«, ertönte eine dunkle Männerstimme aus dem Hintergrund. Gleich darauf tauchte der Vater des kleinen Mädchens auf.

Iris war beeindruckt. Seine Präsenz schien sofort die Diele des Hauses auszufüllen. Als er Iris anschaute, hob er die Brauen. Plötzlich jedoch erinnerte er sich wohl daran, daß sie nicht unangemeldet vor der Tür stand, sondern mit ihm einen Termin ausgemacht hatte.

»Oh, bitte entschuldigen Sie! Sie müssen Frau von Schell sein, nicht wahr? Ich habe völlig die Zeit vergessen. Kommen Sie herein.«

»Was willst du denn bei uns?« fragte Sophie neugierig, nachdem Iris die Diele betreten hatte.

»Ich möchte mir einen Schrank anschauen, den dein Papa verkaufen will.«

»Aber meinen Schrank nicht! Papa, meinen Schrank brauche ich doch noch!« Sophie stellte sich vor ihren Vater hin und schaute empört zu ihm auf.

Er hob sie hoch, drehte sich einmal um sich selbst, während Sophie laut quietschte, und stellte sie dann sanft wieder auf den Boden zurück.

»Natürlich verkaufe ich deinen Schrank nicht, Süße! Aber jetzt geh wieder spielen, damit ich Frau von Schell in Ruhe alles zeigen kann.«

»Aber welchen Schrank willst du denn verkaufen?« So schnell gab sich Sophie nicht geschlagen.

»Den im Wohnzimmer. Den alten Bauernschrank.«

»Ach so. Den von Oma. Was willst du denn damit?« Diese Frage war wieder an Iris gerichtet.

»Sophie, was habe ich gesagt? Ab in dein Zimmer.« Paul Reuter schob seine Tochter vor sich her, öffnete die Tür zu ihrem Kinderzimmer und gab ihr einen Kuß auf den Kopf. »So, und nun spiel weiter, okay?«

»Okay, Papa. Tschüß, du kannst gern wiederkommen.« Sie winkte Iris noch einmal zu.

»Entschuldigen Sie, Frau von Schell, Sophie ist wirklich sehr neugierig, aber ich glaube, das liegt an dem Alter.«

»Ich finde sie ausgesprochen süß. Wie alt ist sie?«

»Fünf Jahre. Es wird Zeit, daß sie bald zur Schule kommt. Wir sind manchmal echt überfordert mit ihren vielen Fragen. Der Kindergarten ist nicht mehr ganz das Richtige.«

»Meine Freundin hat Zwillinge, die sechs Jahre alt sind. Sie ist manchmal auch ganz schön geschafft.«

»Mein Gott, zwei von der Sorte! Man sollte ihr eine Tapferkeitsmedaille verleihen!«

Iris lachte. Genau das hatte sie auch schon oft gedacht. Marie war bei alldem noch ausgesprochen kreativ. Wie sie das alles schaffte, war Iris ein Rätsel.

»So, hier ist der Schrank. Ich sagte Ihnen ja schon am Telefon, daß ich ihn auch gern für Sie zerlege und Ihnen bringe.«

»Das ist sehr nett. Dann brauchte ich keinen Transporteur zu beauftragen. Aber erst einmal muß ich sehen, ob er wirklich groß genug ist.«

Paul Reuter führte Iris ins Wohnzimmer. Der Bauernschrank stand an der Wand neben dem Fenster. Iris fand ihn auf Anhieb wunderschön.

Das Kiefernholz hatte im Laufe der Jahre einen schönen Honigton angenommen. Er war dreiteilig, in der mittleren Tür gab es einen großen ovalen Spiegel. Ansonsten hatte der Schreiner auf übertriebene Schnörkel verzichtet, was Iris beruhigte.

»Er ist wirklich schön! Darf ich ihn aufmachen?«

»Ja, sicher. Natürlich. Er gehörte meiner Mutter, aber sie hat jetzt eine kleinere Wohnung und braucht nicht mehr soviel Platz für ihre Kleider. Ich möchte an der Wand lieber nichts stehen haben. So kamen wir auf die Idee, ihn zu verkaufen.«

Iris nickte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie vor drei Jahren einen Teil ihrer Möbel verkauft hatte, weil sie ihr plötzlich zu klobig und dunkel erschienen. Heute wünschte sie sich allerdings, wenigstens den alten Schreibtisch ihres Opas behalten zu haben. Er würde sich in dem neuen Atelier gut machen.

Die Türen ließen sich leicht öffnen und schließen. Alles war perfekt. Iris sah schon die schönen Stoffe auf den Borden, übereinander nach Farben gestapelt…

»Ich nehme ihn. Er ist wirklich perfekt. Und wenn Sie oder Ihre Mutter ihn wiedersehen wollen, können Sie das sogar. Ich brauche ihn nämlich für mein Atelier.«

»Ihr Atelier? Wie meinen Sie

das? Sind Sie Malerin oder so etwas?«

»Eher so etwas. Ich bin Schneidermeisterin und habe mich entschlossen, mit einer Freundin zusammen ein Atelier zu eröffnen. Maßkleidung, aber auch modernes Design. Meine Freundin ist Designerin.«

»Das klingt gut. Wenn Sie wollen, schreibe ich einen kleinen Bericht über die Eröffnung.«

»Sind Sie Journalist?« fragte Iris mit kaum verhohlener Spannung. Das wäre einfach perfekt!

»Ja, unter anderem. Ich schreibe als freier Journalist und bin darüber hinaus auch Schriftsteller. Mein erstes Buch ist gerade erschienen.«

»Oh, wunderbar! Kann man es kaufen? Wie heißt es?«

Paul Reuter lachte. »Ich weiß nicht, ob es Sie interessiert. Es handelt von den Nützlingen im Garten. Regenwurm und Co.«

Iris schaute ihn irritiert an. Wollte er sie auf den Arm nehmen? Paul Reuter sah nicht aus, als ob er etwas von Regenwürmern verstand. Jedenfalls stellte sie sich solche Menschen anders vor.

»Ja, ja, es stimmt. Warten Sie, ich hole Ihnen ein Exemplar.«

Zwei Minuten später drückte er ihr ein schmales Buch in die Hand, das auf dem Umschlag einen Regenwurm in einem Komposthaufen zeigte. Er war nicht fotografiert, sondern gezeichnet worden und hatte einen sehr weisen Gesichtsausdruck.

»Der sieht aus, als könnte er sprechen«, entfuhr es Iris. Sie hoffte, den Autor jetzt nicht beleidigt zu haben.

»Genau. Das kann er auch. Es ist ein Kinderbuch, Frau von Schell. Es klärt Kinder über die Vorgänge in einem Garten auf. Ich bin durch Sophie darauf gekommen. Und durch meine Mutter, die eine begeisterte Gärtnerin ist.«

»Ach so! Ich werde es bestimmt lesen. Eine schöne Idee. Meine Freundin wird es sicher auch ihren Kindern vorlesen. Sie haben einen Garten, der ist riesengroß. Wenn die Zwillinge nach der Lektüre im Garten auf Regenwurmsuche gehen, sind sie bestimmt für einige Zeit beschäftigt!«

»Berichten Sie mir davon. Ich freue mich, auf kritische Leser zu stoßen.«

Iris lachte ebenso wie Paul Reuter. Sie mußte sich erst mühsam daran zurückerinnern, warum sie hierher gekommen war. Dieser Mann gefiel ihr immer besser.

Den Preis für den Schrank hatten sie schon abgesprochen. Iris zählte das Geld ab und gab es Paul Reuter.

Er bedankte sich und legte es auf den Tisch.

»Wann möchten Sie den Schrank haben? Am besten geben Sie mir auch Ihre Telefonnummer, damit ich Sie anrufen kann, falls etwas dazwischenkommt.«

»Natürlich gern. Sie können ihn jederzeit bringen, wie es Ihnen am besten paßt. Ich bin von morgens bis ungefähr neunzehn Uhr im Atelier. Die Adresse schreibe ich Ihnen auch auf. Wir haben noch ein paar Tage zu tun, bevor wir offiziell eröffnen.«

»Und wofür brauchen Sie den Schrank?«

»Ich möchte die Stoffe, die wir verwenden, hineinlegen. Da sind sie auf der einen Seite geschützt, auf der anderen sieht es bestimmt sehr hübsch aus, wenn man ihn öffnet und die Stoffe dort liegen. Das spricht die Kunden hoffentlich an.«

Wie immer, wenn Iris von ihrem Atelier sprach, strahlte sie vor Freude. Es war ein alter Traum, selbständig zu sein und Kleider nach Maß zu nähen. Sie wußte natürlich, daß sie ein Risiko einging. In der heutigen Zeit gab es nicht mehr so viele Kunden, die sich diesen Luxus gönnten. Deshalb hatte sie Annika Bartels, eine Freundin, angesprochen, und sie gefragt, ob sie sich als Designerin beteiligen wollte. Annika arbeitete für eine Modezeitschrift und knurrte oft darüber, daß sie ihr Talent dort nicht wirklich entfalten könne. So war es für beide eine perfekte Lösung. Allerdings hatte Iris ihrer Freundin geraten, erst einmal mit der Kündigung zu warten, bis sich ein gewisser Erfolg einstellte – oder nicht. Aber daran mochte Iris nicht denken.

»Schöne Idee. Okay, dann komme ich am besten morgen vormittag. Da ist Sophie im Kindergarten, und ich habe Zeit. Wegen eines Artikels zur Eröffnung können wir dann noch einmal sprechen.«

»Sie wollen das wirklich machen?«

Iris war hingerissen von seiner Freundlichkeit. Sie hatte zwar eine gewisse Summe für Werbung eingeplant, aber ein Artikel in einer Zeitschrift oder Zeitung wäre natürlich viel besser als jede Anzeige.

»Klar, ich finde das sehr mutig, und Mut muß belohnt werden. Wissen Sie, als ich meinen Job in der Zeitungsredaktion vor zwei Jahren kündigte, um frei zu arbeiten und mich mit dem Schreiben von Sachbüchern zu beschäftigen, hat mich jeder für verrückt gehalten, einschließlich meiner lieben Mutter. So ein Risiko geht man in der heutigen Zeit nicht mehr ein, hieß es immer. Zumal, wenn man ein kleines Kind zu versorgen hat. Aber ich habe an mich geglaubt und war es leid, ständig reißerische Artikel über irgendwelchen Quatsch zu produzieren. Und es hat sich bezahlt gemacht. Ich verdiene zwar keine Reichtümer, aber die Zeit, die ich gewonnen habe, ist ohnehin unbezahlbar.«

Ein Mann, der so offen über sich selbst sprechen konnte, und der ihr, obwohl er sie gar nicht kannte, auch noch Mut machen wollte! Iris schaute ihn an, als hätte er plötzlich einen Heiligenschein um den Kopf. Sie war durch Zufall über die Anzeige für den Schrank gestoßen. Aber vielleicht war es gar kein Zufall? Vielleicht sollte sie diesen fabelhaften Mann kennenlernen, gewissermaßen als Wink des Schicksals?

Sie räusperte sich. Es wurde Zeit, sich zu verabschieden, denn schließlich konnte sie hier nicht länger herumstehen und ihn anhimmeln wie ein liebestoller Teenager. Außerdem würde sie ihn ja morgen schon wiedersehen.

»Ich hoffe, ich habe auch soviel Glück. Also, Herr Reuter, ich bedanke mich sehr und freue mich, wenn Sie morgen kommen.«

Sie kritzelte die Adresse auf einen Zettel aus ihrem Timer, fügte die Telefonnummer hinzu und legte ihn zu dem Geld auf den Tisch. Dann reichte sie Paul Reuter die Hand.

»Auf Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen, bis morgen. Ich bringe Sie noch zur Tür.«

Fünf Minuten später saß Iris wieder im Auto. Sie startete den Wagen und fuhr los, aber ihre Gedanken waren immer noch bei Paul Reuter. Wenn sie nicht mittlerweile schon so abgeklärt wäre, könnte sie fast glauben, sich verliebt zu haben. Aber nach ihrem Reinfall mit Janosch vor drei Jahren war Iris äußerst vorsichtig, was Beziehungen anging. Er hatte sie nach Strich und Faden verschaukelt mit seinen Lügen, die ihm so glatt über die Lippen gegangen waren, daß Iris lange gebraucht hatte, um ihm auf die Schliche zu kommen. Seitdem ließ sie sich zwar hin und wieder ins Kino oder zum Essen einladen, aber den Weg in ihr Herz hatte kein Mann mehr gefunden. Marie behauptete immer, Iris habe um ihr Herz ein Dornengehege geschaffen, ähnlich wie Dornröschen in ihrem Schloß. Iris hatte darüber gelacht, mußte vor sich selbst aber zugeben, daß es nicht unbedingt falsch war.

Als sie beinahe eine rote Ampel überfuhr, kam Iris wieder zu sich. Sie verbot sich jeden weiteren Gefühlsrausch. All ihre Begeisterung gehörte der Schneiderei und ihren Plänen. Ein Mann, so toll er auch war, paßte da ohnehin nicht hinein.

*

»Ich weiß, du hast kaum Zeit, aber könntest du heute abend vielleicht kurz vorbeikommen, Iris?«

Maries Stimme klang irgendwie dumpf, ganz gegen ihre sonstige Art. Iris war sofort beunruhigt.

»Was ist los, Marie? Ist irgend etwas mit den Kindern?«

»Nein, aber ich möchte am Telefon nicht darüber sprechen. Kann ich dich zum Essen einladen? Du kommst doch sicher gar nicht dazu, dich vernünftig zu ernähren.«

»Du mußt nicht für mich kochen, Marie. Ich komme auch so. Um acht?«

»Ja, das wäre lieb von dir. Aber Essen habe ich ohnehin, also mach dir vorher nichts.«

Iris legte nachdenklich den Hörer auf. Marie war ihre älteste Freundin, und auch die beste. Sie waren schon zusammen in den Kindergarten gegangen. Als Marie vor acht Jahren heiratete, war Iris ihre Trauzeugin gewesen und später, als sich die Zwillinge Lisa und Lotta einstellten, hatte sie gern die Patenschaft übernommen. Während all der Jahre war Marie immer ein Fels in der Brandung gewesen. Ihr Mann Sven, der als Anwalt eine eigene Kanzlei betrieb, hatte sich auf seine Karriere konzentriert und kam auch heute oft spät nach Hause, obwohl sich der Erfolg inzwischen eingestellt hatte. Marie klagte nie darüber. Sie liebte ihr Leben mit den Kindern, dem großen Haus, dem Garten. Sie las gern und strickte zauberhafte Kinderpullover, von denen sie sogar schon einige an andere Mütter verkauft hatte. Iris war sicher, daß sie auch in ihrem Atelier Interesse finden würden. Sie wünschte sich, daß Marie ihr Talent ausbaute, doch bisher war es für ihre Freundin nicht vorstellbar.

Und jetzt dieser Anruf. Iris hatte gerade wieder an Paul Reuter gedacht und überlegt, was sie morgen wohl anziehen sollte, um einen unvergeßlichen Eindruck zu machen. Andererseits mußte sie noch einige Quadratmeter Fertigparkett verlegen, in High Heels und engem Kleid war das wahrscheinlich nicht sehr praktisch…

Was war wohl los bei Marie? War sie krank? Oder Sven? Hatten sie finanzielle Probleme oder stimmte gar etwas in ihrer Ehe nicht? Iris war sicher, daß Marie all das erst einmal mit sich allein ausmachen würde. Sie war eine stolze Frau, die nicht jammerte, sondern nachdachte und handelte. Oft berichtete sie Iris dann erst davon, wenn sich das Problem erledigt hatte.

Iris seufzte, sie würde warten müssen, bis Marie ihr erzählte, was los war. Jetzt war es halb sechs, Zeit nach Hause zu fahren und sich umzuziehen. Viel hatte sie nicht geschafft. Aber wenigstens war der Fußboden fertig vorbereitet für die Arbeit, die sie sich für morgen vorgenommen hatte.

Sie schaute sich noch einmal um. Der helle Raum mit den drei großen Fenstern hatte schon jetzt eine Atmosphäre, in der man sich rundherum wohlfühlen konnte. Es gab noch einen zweiten Raum, der etwas kleiner war. Dort sollten sich die Kunden umziehen und die Anproben stattfinden. Außerdem hatte sich Annika hier ihren Arbeitsplatz eingerichtet. Das Hauptatelier bot Platz für drei Schneiderinnen, die Iris eines Tages zu beschäftigen hoffte. Es gab eine freie Wand, an der bald eine dicke Chromstange angebracht werden sollte – für die Kleider und Anzüge, die Iris zum Kauf anbot. Mehrere raumhohe Regale in Chrom und Glas standen schon dort. In ihnen sollten Accessoires und weitere Mode angeboten werden. Und auf der anderen Seite würde dann morgen der neue Schrank stehen.

Iris hoffte, Paul Reuter zu beeindrucken. Vielleicht war er sogar so nett, ihr beim Aufbau des Schrankes zu helfen. Dann müßte er allerdings noch einmal wiederkommen. Sie lächelte.

Auch wenn sie sich immer wieder sagte, daß es Unsinn sei, an ihn zu denken – ihr Herz wollte es anders.

Um viertel vor acht klingelte sie bei Marie an der Haustür. Es war sehr ruhig, ganz ungewohnt ruhig sogar. Iris spürte eine starke Unruhe und wollte gerade noch einmal klingeln, als die Tür geöffnet wurde.

Marie sah zum Erbarmen aus. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Sie hatte offensichtlich geweint. Jetzt zwang sie sich zu einem Lächeln, als sie Iris begrüßte.

»Komm herein, Iris. Entschuldige mein Aussehen, ich bin ein bißchen neben der Spur.«

»Was ist denn nur los? Und wo sind die Kinder?«

»Sie sind oben im Gästezimmer und schauen Fernsehen.«

Das war äußerst ungewöhnlich. Marie erlaubte ihren Töchtern nie, unbeaufsichtigt fernzusehen. Sie setzte sich immer mit ihnen zusammen hin, wenn sie es überhaupt duldete.

»Aber…«

»Ich weiß, aber im Moment liegt mir daran, in Ruhe mit dir zu reden. Sie müssen ohnehin gleich ins Bett. Swetlana ist noch nicht wieder da, sie mußte noch etwas einkaufen.«

»Swetlana? Wer ist das denn?«