Ein Freizeitnazi - Detlef Alsbach - E-Book

Ein Freizeitnazi E-Book

Detlef Alsbach

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Beschreibung

Mit seinen Kumpanen drischt Hans in seiner Freizeit Türken zusammen. Der Antreiber dieses Hasses ist ein Geheimnis, welches seine Seele zerfrisst. Er lebt in zwei Welten, in der bösen und der guten. Zu Hause ist er der Täter, in der Ferne der Retter. Die Liebe zu einer Muslimin ändert alles, sie dringt in sein Geheimnis ein und wird ihm vor dem Bösen retten. Ein Jude wird zum Samariter.

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Seitenzahl: 546

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Detlef Alsbach

Ein Freizeitnazi

realer Roman

© 2018 Detlef Alsbach

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359

Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7482-1539-4

Hardcover:

978-3-7482-1540-0

e-Book:

978-3-7482-1541-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

"Fremd ist der Fremde nur in der Fremde."

Zitat von Karl Valentin

Und wer mehr darüber wissen möchte:

http://www.taz.de/!200365/

Vorwort

„Du Nazi“, „Nazis demonstrieren“ oder „Das sind doch alles Nazis“ – solche Diffamierungen sind seit wenigen Jahren in Deutschland an der Tagesordnung. Sei es, dass damit Menschen bezeichnet werden, die eine polit- oder asylkritische Meinung haben oder man Demonstranten, die gegen die aktuelle Politik auf die Straße gehen, diesen Stempel aufdrückt.

In unserer Gesellschaft ist ein erschreckend rauer Ton an der Tagesordnung und zumeist richtet er sich gegen die, die von der Politik die Wiederherstellung der rechtstaatlichen Ordnung verlangen. Oftmals bleibt es dabei nicht. Durch das Etikett „Nazi“, mit dem vor allem medial viele unzufriedene – und ja: auch besorgte - Bürger und Politiker versehen werden, fühlen sich fragwürdige Personen dazu animiert, andersdenkenden Menschen die Scheiben am Wohnhaus einzuschlagen, deren Autos zu beschädigen oder auf andere kriminelle Art das Eigentum solcher Bürger zu ramponieren.

Antidemokratische Subjekte schrecken nicht einmal davor zurück, politkritische Bürger auf offiziell angemeldeten Demonstrationen zu fotografieren und diese Fotos inmitten des öffentlichen Raums auszustellen, mit der Bitte an die Leute, die auf den Fotografien abgebildeten Personen zu melden, gerne auch dem Arbeitgeber. Jeder, der im Geschichtsunterricht halbwegs aufgepasst hat, weiß, dass genau das Nazi-Methoden sind – so bezeichnet werden allerdings genau die, die auf die Einhaltung bestehender Gesetze pochen. Ein gesellschaftlicher Irrsinn, der viele Leute fassungslos macht. Fassungslos, besorgt und ungläubig, über die Zustände, die über das einst so auf Vorschriften und die Anwendung aller Gesetze bedachte Deutschland hereingebrochen sind. Allerdings finden diese Menschen für ihre Fassungslosigkeit und Sorgen kaum mehr Raum – da die meisten Medien, Politiker und auch Kulturschaffenden in ihnen oftmals „Nazis“ oder „Rechtspopulisten“ sehen und sie nicht selten verhöhnen.

Die so Gescholtenen wenden sich denn auch immer mehr von den etablierten Politikern und Medien ab und wenden sich alternativen Medien, freigeistiger Literatur und politisch unkorrekten Autoren zu.

Autoren wie Detlef Alsbach, der als kritischer Geist das aktuelle Zeitgeschehen beobachtet, scharf analysiert und sowohl mit Unterstützern der aktuellen Politik als auch mit Politgegnern kommuniziert. Seine Beobachtungen im aktuellen politischen Alltag dienen ihm als Vorlage für seine Bücher und für die Erschaffung seiner Protagonisten.

Mit „Ein Freizeitnazi“ hat er literarischen Stoff für einen Inhalt geschaffen, der zunächst abwegig klingen mag. Doch genau damit bildet er die aktuellen Verhältnisse in Deutschland ab. Dass es immer noch abwegiger und absurder geht, wird nahezu täglich bewiesen und so ist es nur logisch, dass dies auch in der Gegenwartsliteratur abgebildet wird. Das Buch von Detlef Alsbach bietet somit interessante Denkanstöße – für Menschen jedweder politischer Couleur.

Romane wie dieser sind wichtig in einer Zeit, in der sich die Verhältnisse umgekehrt haben und der aalglatte Mainstream auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen dominiert.

Möge ein jeder das Buch „Ein Freizeitnazi“ auf seine Weise interpretieren – denn genau dazu lädt es ein. Ohne mahnend, besserwisserisch oder gar politisierend daherzukommen.

Schon dadurch hebt sich das Werk von vielen aktuellen Büchern, die sich ebenso mit den zeitgeschichtlichen Verhältnissen befassen und nur allzu oft ideologisch eingefärbt sind, wohltuend ab.

 

Leipzig, im Dezember 2018                            Linda-Tabea Vehlen

1. Kapitel

Nachdem die drei jungen Männer aus dem Wagen gestiegen sind, schlenderten sie vorsichtig die Straße entlang auf ein unscheinbares Gebäude zu, welches im Halbdunkel lag. Vor dem Gebäude befand sich ein kleiner Parkplatz, der mit nur einer Laterne spärlich beleuchtet wurde. Obwohl es noch mehr als eine Stunde Zeit war bis Mitternacht, befand sich kein Mensch mehr in der Umgebung. Alles wirkte wie tot. Wenn ein Teil des Gebäudes nicht beleuchtet gewesen wäre, hätte der Eindruck entstehen können, dass diese Gegend ohne Menschen auskommen musste. Ganz vorsichtig und immer auf das Gebäude sehend, näherte sich die kleine Gruppe der Einfahrt zum Parkplatz, blieb seitlich im Schutz einer Mauer davor stehen und jeder schaute sich um, ob nicht doch noch zufällig ein bis dahin unbemerkter Beobachter in Sichtweite war. Doch sie waren immer noch alleine. Vom Haus drangen gedämpfte Stimmen zu ihnen herüber, sodass kein Detail aus einer möglichen Unterhaltung verstanden werden konnte. Hans schaute über die schützende Mauer und stellte fest, dass auf dem Parkplatz kein Auto stand. Dieser Umstand war mehr als zufriedenstellend für das Trio, da somit die im Haus befindlichen Personen zu Fuß unterwegs waren. Zumindest war es so, dass sie eine gewisse Strecke bis zu einem möglichen Fahrzeug zu Fuß zurücklegen mussten. Das Trio hatte ihr Auto in der Nähe geparkt, es stand keine zwei Minuten entfernt vom beobachteten Gebäude. „Okay, Leute. Die müssen bald rauskommen. Dann schnappen wir sie uns. Mit dem Wetter haben wir auch Glück, so können wir nachher schnell abhauen, wenn das hier erledigt ist. Jeder weiß, was zu tun ist. Anscheinend waren die Informationen richtig, dass sich hier die Monster treffen“, sagte Hans, der Anführer der kleinen Gruppe.

Mit den Monstern waren die Grauen Wölfe gemeint, eine türkische rechtsextremistische Organisation, mit denen es immer wieder heftige Auseinandersetzungen gab, die sich über viele Jahre hinzogen. Die kleine Gruppe war Teil einer selbsternannten Miliz, die gegen Ausländer kämpfte. Der Kampf gegen Ausländer hatte viele Facetten, eine davon war Gewalt. Auch Sachbeschädigungen aller Art waren ein immer gerne angewandtes Mittel, um Ausländern zu zeigen, dass sie nicht gerne gesehen waren. Oftmals wurden Scheiben von türkischen Geschäften eingeworfen, Brandsätze gezündet und sogar ganze Häuser abgefackelt. Bisher hatte es immer nur Verletzte gegeben, nie Tote. Töten war nicht das Ziel, sondern Einschüchtern und Vertreiben, das aber mit Nachdruck. Ihre Aktivitäten beschränkten sich immer auf die Abend- oder Nachtstunden, denn jeder hatte eine ordentliche Arbeit, die meisten Mitglieder dieser Miliz hatten Abitur und ein abgeschlossenes Studium und einige waren durchaus wohlhabend. So zum Beispiel Hans. Seine Eltern waren steinreich, hatten viele Millionen Euro auf verschiedenen Bankkonten im In- und Ausland, dazu besaßen sie viele Häuser, entweder Wohnhäuser oder Bürogebäude, die allesamt vermietet waren und seit ein paar Jahren auch eine sehr gut laufend Firma in London, die große wirtschaftliche Erfolge erzielte, hauptsächlich durch das enorme Fachwissen von Hans.

Einer aus der Gruppe sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es schon 23.30 Uhr war. Ärgerlich blickte er seine Freunde an: „Mensch, wenn die nicht gleich rauskommen, brechen wir ab. Dann schnappen wir uns die ein andermal. Wenn wir uns heute um die kümmern und mit denen fertig sind, müssen wir uns noch umziehen und nach Hause fliegen. Da sind wir vor ein Uhr nicht im Bett. Ich habe morgen im Geschäft wichtige Termine, da muss ich fit sein.“

„Wie, Thomas, du willst dir den Spaß hier entgehen lassen?“, fragte Walter, die dritte Person der Gruppe.

„Ne, ich will die Monster auch aufmischen. Die haben es verdient und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gerne ich diesem Dreckspack das Hirn aus dem Schädel dreschen würde, aber der Job ist die Basis für unser Tun.“

„Wenn die überhaupt Hirn haben“, grinste Walter.

„Wurscht, wenn wir mit denen fertig sind, dann haben sie keines mehr, welches sie gebrauchen können. Aber meine Termine morgen sind wichtig. Du hast Glück, du müder Krieger, du hast morgen frei. Hans muss aber nach London fliegen und ich bin im Stress.“

„Okay, ich würde auch sagen, dass wir noch fünf Minuten warten und dann abziehen. Irgendwann wird jemand auf uns aufmerksam und ruft die Polizei, dann bekommen wir Ärger. Das muss nicht sein.“

Plötzlich verstummten die gedämpften Stimmen, die aus dem Gebäude zu ihnen herüberdrangen. Sofort schauten alle Drei gespannt zum Haus und sahen, wie das Licht gelöscht wurde. Ein Fenster, welches erleuchtet war, lag nun im Dunkeln. Das Trio nickte sich gegenseitig zu, sie grinsten sich an wie Jungen, die auf den Weihnachtsmann warten. Jeder begann, seine Gelenke und Muskeln zu entspannen, dies geschah wort- und geräuschlos. Sie waren ein eingespieltes und kampferprobtes Team, die solche Überfälle mehrmals gemacht hatten. Ihre Sinne waren bis zum Maximum angespannt, die innere Aufregung stieg, dennoch wussten sie nicht, mit wie vielen Gegnern sie es zu tun bekamen. Ihr Informant hatte ihnen gesagt, dass sich in dem Gebäude regelmäßig fünf bis sechs Männer treffen würden. Hans hatte sich auf diese Informationen verlassen, denn für ihn kamen nur Aktionen in Frage, die sich lohnten. Darunter verstand er, dass er mit mindestens zwei Gegnern kämpfen konnte. Vom Gebäude drangen Geräusche zu ihnen herüber, die klar erkennen ließen, dass sich nun Personen an der Eingangstür zu schaffen machten. Hans spähte vorsichtig über die Mauer zur Haustür. Ein kurzer Blick genügte ihm. Walter sah ihn fragend an und Hans hob vier Finger. Dann tippte er sich an die Stirn und zeigte ihm einen Vogel.

Walter hob entschuldigend die Schultern. Doch nun war es unmöglich, die Aktion abzubrechen. Vier Gegner waren immerhin besser als keine Gegner. Sie hörten, wie sich die vier Männer zur Einfahrt in Bewegung setzten, ihre Stimmen wurden mit jedem Schritt deutlicher. Zuerst zeigten sich die Schatten der vier Männer, dann sah das Trio sie, vier Türken. Nachdem sie die Einfahrt passiert hatten, wendeten sich die Türken nach rechts, das Trio stand links von der Einfahrt, sodass das Überraschungsmoment auf der Seite der Freizeitnazis war. Einer der Türken ging mit ein wenig Abstand hinter den anderen drei Türken, er hielt sein Smartphone in der Hand und schaute unentwegt darauf. Von seiner Umwelt nahm er kaum etwas wahr. Lautlos erhob sich das Trio und setzte sich zuerst langsam, dann schneller werdend in Bewegung. Der Abstand zu den Türken wurde sehr schnell verringert. Nach ein paar Augenblicken hatte Hans die Distanz überwunden und befand sich nur noch kaum zwei Meter von dem Türken entfernt, der immer noch auf sein Smartphone schaute, sich aber gerade, da er irgendein Geräusch hinter sich vernommen hatte, umdrehen wollte. Bevor er jedoch dazu kaum, traf ihn ein fürchterlich harter Tritt in den Rücken. Sein Smartphone wurde im hohen Bogen nach vorne geschleudert und fiel krachend auf den Asphalt. Hans hatte sich im Laufen vom Boden abgestoßen und war auf den Türken zugesprungen. Diesen Tritt hatte er so oft trainiert, dass er ihm jedes Mal gelang. Er war eine niederschmetternde Waffe für jeden Gegner, der getroffen wurde. So auch der Türke. Hans war ein exzellenter Kampfsportler mit viel Kampferfahrung. Im Laufe der letzten Jahre hatte er an vielen Wettkämpfen teilgenommen und viele gewonnen. In seinem Zimmer gibt es eine Vitrine, in der unzählige Pokale seine vielen Siege demonstrierten. Vor einigen Jahren hatte er sogar in einer Kung Fu Schule als Trainer begonnen zu arbeiten. Seine Kräfte waren beinahe unmenschlich, er hatte eine ausgesprochen gute Kondition und war zudem auch noch blitzschnell.

Es war somit kaum verwunderlich, dass der Türke sofort nach dem heftigen Kontakt mit Hans zu Boden ging. Er schlug sehr hart mit dem Gesicht auf den Boden auf und alle Luft wich aus seinem Körper. Laut hörbares Knirschen verstärkte den Eindruck, dass der Türke erheblich verletzt wurde. Doch dies nahm Hans nicht wahr, denn seine Attacke ereignete sich in noch nicht einmal einer Sekunde. Die anderen drei Türken erkannten zu spät die gefährliche Situation, obwohl sie in Windeseile auf ihren Absätzen herumwirbelten. Auch sie waren kampferfahren, da aber die Angreifer den Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten, mussten sie schnell die ersten Schläge und Tritte einstecken. Walter führte den Angriff auf der linken Seite, Thomas auf der rechten. So deckten sie immer die Flanken ab, um dem Gegner ein Ausbrechen unmöglich zu machen. Sofort stießen die Türken heftige Flüche aus und Hans sah, wie der Türke, der vor ihm in der Mitte stand, in seine Jacke greifen und ein Messer herausziehen wollte. Hans konnte sich ein siegessicheres Grinsen nicht verkneifen, denn er sah, dass der Türke sich nicht auf seine Verteidigung konzentrierte, sondern einzig darauf, sich zu bewaffnen. Zu spät, wie er auch selbst feststellen musste. Zwar hatte er eine Verteidigungsposition eingenommen, doch half ihm diese nicht gegen die geballte Kraft und aufgefeilte Technik von Hans, seinem unerbittlichen Gegner. In atemberaubender Geschwindigkeit ließ Hans ein Bein nach oben schnellen, sein Fuß traf den Türken hart im Gesicht, der von der Wucht des Trittes heftig nach hinten geschleudert wurde. Sogleich vergaß er seine Absicht, sich zu bewaffnen. Der harte Treffer raubte ihm fast augenblicklich seine körperliche Koordination, er begann zu wanken, seine Arme pendelten kraftlos herab. Er war nicht mehr fähig, sich zu verteidigen. Indes setzte Hans unerbittlich nach und deckte seinen Gegner mit einer Schlagkombination ein. Für einen sehr kurzen Augenblick konnte er sich noch auf den Beinen halten, dann erhielt der Türke einen grausamen Schlag in die Magengrube, der ihn veranlasste, sich nach vorne zu beugen, genau in das hochgezogene Knie von Hans. Wieder war ein ekelerregendes Knirschen zu hören, eher ein hässliches Krachen, als wenn man einen trockenen Ast über dem Knie brechen würde. Der Kopf des Türken wurde durch den enormen Tritt nach oben katapultiert. Blut, welches ihm aus Mund und Nase lief, wirbelte wie durch einen Springbrunnen versprüht durch die Luft und färbte den Straßenbelag rot ein. Eine oder zwei Sekunden verharrte der Türke in seinen Bewegungen, verdrehte die Augen, seine Arme hingen leblos am Körper herunter und versagten den Dienst, knickte in den Knien ein und mit einer leichten Drehung sank er vollends zu Boden. Sein Gesicht war blutüberströmt. Hans sah zufrieden einen großen Blutfleck auf seinem Hosenbein, einerseits freute er sich über den totalen Sieg, andererseits wusste er, dass er diese Hose entsorgen musste.

Die anderen zwei Freizeitnazis waren ebenfalls nicht untätig. Walter deckte seinen Gegner mit einer ganzen Serie von Tritten ein, die er zunächst noch abwehren konnte, aber bald versagten seinem Gegner die Kräfte, sodass die Tritte Wirkung zeigten. Ein Tritt beendete das grausame Schauspiel auf bizarre Weise. Der Türke erhielt einen fürchterlichen Tritt gegen den Kopf, der herumwirbelte, sodass man glauben konnte, dass ein Genickbruch die Folge war, dann fiel er wie ein gerade eben gefällter Baum um. Mit seinen Armen versuchte der Türke noch, sein Gewicht aufzufangen, was ihm aber nicht gelang. Er schlug mit dem Hinterkopf auf den Asphalt auf und blieb reglos liegen. Thomas hatte anscheinend einen gleichwertigen Gegner, denn er war imstande, sich zu wehren. Dies tat er verzweifelt, allerdings auch nicht sehr erfolgreich. Kurzfristig konnte er aber einen Treffer bei Thomas landen, der daraufhin fast schon in einen Blutrausch geriet. Er sprang mit den Beinen voran den Türken an und traf ihn am linken Knie. Das Bein des Türken machte ein hässliches brechendes Geräusch, sofort begann er wie am Spieß zu schreien. Vor Schmerzen auf dem Boden windend hielt er sich krampfhaft sein Bein. Thomas schnellte wie eine Sprungfeder auf seine Beine und hetzte zum Türken, der wehrlos war. Mit wutverzerrtem Gesicht und dem blanken Hass in den Augen ergriff er ihn an den Haaren und schlug ihm mit viel Kraft mehrmals ins Gesicht. Erst als Hans ihn festhielt, begann er, seine Umwelt wahrzunehmen. Worte drangen gedämpft zu ihm, er hörte eine bekannte Stimme.

„Schlag ihn nicht tot, wir wollen keine Mörder werden. Die haben genug. Wir ziehen ab. Und zwar schnell, bevor die Polizei hier aufmarschiert.“

Nun sah Thomas sich um und erkannte, dass die vier Türken immer noch am Boden lagen und sich teils vor Schmerzen krümmten. Keuchend vor Anstrengung nickte er Hans zu. Das Trio machte von dem am Boden liegenden Türken Fotos, die sie ins Internet stellen würden. Als Beweis, dass sie ein paar graue Wölfe in die Schranken verwiesen hatten.

„Los jetzt, genug Fotos. Wir müssen abhauen. Macht schon!“, rief Hans.

Das Trio verließ laufend den Schauplatz des Kampfes, welcher eine bizarre Szene hinterließ, zwei der vier Türken lagen reglos am Boden. Sie liefen am Gebäude vorbei zu einer Seitenstraße, wo sie ihren Wagen geparkt hatten. Das Fahrzeug war in Fluchtrichtung geparkt, sodass sie ohne Zeit zu verlieren, die Örtlichkeit verlassen konnten. Hans startete den Motor, der Wagen jagte mit hoher Geschwindigkeit davon. Er hatte keine Sorge, dass jemand in der Dunkelheit das Kennzeichen erkennen konnte, denn er hatte einfach die Kennzeichenbeleuchtung lahm gelegt. Nach ein paar Minuten war das Trio auf der Autobahn Richtung Köln unterwegs. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte, dass niemand die Verfolgung aufgenommen hatte. Es wäre ohnehin einem anderen Wagen schwer gefallen zu folgen, denn der Wagen des Trios war aufwändig von einem Rennmechaniker aufgemotzt worden. Der Wagen war zwar optisch keine Augenweide, denn er sollte unscheinbar wirken, was er auch tat, aber er war technisch auf dem allerneuesten Stand.

Aus Sorge, zufällig erkannt zu werden, hatte das Trio seine Aktionen in andere Städte nahe Köln verlegt. An einem gemeinsamen Treffpunkt wurden ihre Autos abgestellt und sich auch umgezogen. Anschließend fuhren sie dann gemeinsam mit dem unauffällig wirkenden Wagen zu den Orten, wo sie ihre Taten ausführten. Dies war einfach notwendig, um ihre wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden.

„Was war das für ein Scheißtipp? Da waren ja nur vier Türken. Wir haben keine zwei Minuten gebraucht, um die auf den Asphalt zu legen. Was sollte das, das ist doch langweilig?“, sagte Hans leicht aufgebracht.

„Komm, hör auf. Niemand kann genau wissen, wie viele Typen wir antreffen, das ist ja nicht das erste Mal, dass du unterfordert bist. Das nächste Mal überlassen wir dir drei Typen alleine, an denen du dich austoben kannst“, sagte Walter ein wenig pikiert. Dabei schielte er zu Hans und sah, dass er versöhnlich wirkte.

„Also mein Türke war gar nicht so schlecht. Einen Treffer habe ich bekommen. Der hat zugeschlagen wie ein Schwuler“, lachte Thomas.

„Sag mal, bekommst du immer wieder einen Blutrausch?“, fragte Hans besorgt.

„Anscheinend. Ich kann das nicht kontrollieren. Wenn ich solch einen Müllhaufen mit seinen Ölaugen vor mir sehe, der nach Knoblauch stinkt, bekomme ich Hass. Und wenn er es dann auch noch schafft, bei mir einen Treffer zu landen, drehe ich durch. Ich glaube, dass ich irgendwann einmal einen von diesen Hunden das Licht ausknipse.“

„Da möchte ich dann aber nicht dabei sein!“, rief Hans laut. „Totschlag ist eine Nummer zu hart für mich. Im Knast möchte ich nicht versauern.“

„Darum bin ich ja froh, dass ihr auf mich aufpasst. Danke nochmals.“

„Verdammter Mist, ich habe dem Türken in den Wanst geschlagen, vorher habe ich ihm eins in die Fresse gegeben, das hat der kaum gemerkt. Meine Hand ist geschwollen. Zum Glück nur die linke. Morgen muss ich nach London fliegen, da kann ich so etwas nicht gebrauchen.“

„Zeig mal“, sagte Walter und ließ sich die Hand zeigen.

Die linke Hand von Hans zeigte an den Knöcheln eine leichte Schwellung, offenbar hatte er den Türken, bevor er ihm einen heftigen Schlag in die Magengrube versetzte, am Kopf getroffen. „Du hast aber auch eine Kraft, deine Fäuste sind wie Hammerschläge, das musste ja mal passieren, dass du einen Knochen triffst, der dir widerstehen kann. Diesen Grauen Wölfen haben wir es gezeigt. Die hatten nichts drauf, diese Schlappschwänze. Morgen lacht die halbe Welt über die.“

Im Auto sprachen die Drei über den Ablauf, der zufriedenstellend war. Walter und Thomas zeigten sich sehr euphorisch darüber, wieder einmal gewonnen zu haben. Sie bemerken kaum, dass Hans sich nicht so wie sonst an den Gesprächen nach diesen Überfällen beteiligte. Irgendwann fiel es Walter aber doch auf.

„Sag mal, Junge. Du redest ja gar nicht mehr. Was ist los, Skrupel?“

Ungläubigkeit lag in seiner Stimme, als er die Frage gestellt hatte. „Quatsch. Was soll der Scheiß. Nur weil ich mal an andere Dinge denke, muss ich doch keine Skrupel haben. Was wir tun, ist gut und ich stehe voll dahinter. Auch wenn wir dies nicht immer so machen können. Noch sind wir fit und stehen voll im Saft, aber irgendwann kommen welche, die besser sind als wir. Nein, ich habe nur gerade daran gedacht, dass ich heute eigentlich etwas Besseres hätte machen wollen. Aber ich habe es für meine Freunde verlegt.“

Walter und Thomas blickten sich sehr neugierig an.

„Was ist es? Ein Treffen mit einen Frau? Du geiler Bock!“, rief Walter belustigt.

„Ne, da liegst du falsch. Ganz falsch. Ich wollte mir heute eigentlich einen neuen Wagen ansehen und ihn Probefahren. Das mache ich dann nächste Woche“, log er seinen Freund an.

Eigentlich wollte sich Hans mit einer jungen hübschen Frau verabreden, aber sein fast schon unbezwingbarer Drang nach Gewalt gegen Muslime, der immer wieder die Oberhand über sein Handeln gewann, machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Als Walter ihn vor zwei Tagen anrief und darüber informierte, dass sie ein paar Türken von den Grauen Wölfen aufmischen wollten, da war er Feuer und Flamme. Schon vor geraumer Zeit hatten sie gemeinsam vor, diesen radikalen Islamisten, die gegen alles und jeden waren, in den Arsch zu treten. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen.

Vor ein paar Wochen ist er zufällig mit einer jungen Frau in seinem Lieblingscafé ins Gespräch gekommen. Sie saß alleine an einem Tisch und hatte eine Zeitung vor sich liegen, die sie offenbar schon gelesen hatte. Als er die Überschrift sah, wuchs das Interesse, diese Zeitung, zumindest den Leitartikel, zu lesen. Irgendwann fasste er sich ein Herz und fragte die junge Frau, ob sie die Zeitung noch lesen wolle und als sie sagte, dass er sie ruhig haben könne, freute er sich. Schnell hatte er den Leitartikel gelesen, der sich aber als kaum informativ erwies, sodass er der jungen Frau die Zeitung kurzum zurückgab. Ihr fragender Blick ermutigte ihn, sie anzusprechen.

„Die Überschrift war das Highlight, der Rest nicht. Reine Zeitverschwendung.“

In dem Artikel würde über steigenden Antisemitismus in Schulen berichtet und dass praktisch dagegen nichts unternommen wurde.

„Aber es war hoffentlich keine Zeitverschwendung, mit mir zu reden? Sagen Sie jetzt bloß nicht etwas anderes, ansonsten stürzen Sie mich in eine seelische Krise und dann könnte ich Schadenersatz von Ihnen verlangen.“

Er zögerte ein wenig mit seiner Antwort, weil er von ihrer Spontanität überrascht war. Dies war er nicht gewohnt. Sein Blick ruhte auf ihrem lächelnden Gesicht, welches sehr exotisch und verführerisch aussah.

„Also gut. Okay. Mit Ihnen zu reden ist keine Zeitverschwendung. Ich will ja nicht arm werden, wenn Sie mich verklagen. Wieviel müsste ich denn bezahlen, wird es teuer?“

Sie blickten sich an, kurz nur, aber doch ein wenig zu lang, denn Hans merkte, dass sein Interesse sprunghaft für diese Schönheit anstieg. Überrascht hatte er festgestellt, dass er während der paar Worte, die sie ausgetauscht hatten, noch nicht einmal mehr seine Umwelt wahrgenommen hatte.

Seit dieser Zeit suchte er das Café regelmäßig auf, immer an denselben Tagen, da er an drei Tagen in der Woche, Dienstag bis Donnerstag, in London die Geschäfte führen musste. Der Grund, warum er plötzlich das Verlangen hatte, so oft in dieses Café zu gehen, blieb ihm nicht verborgen. Schnell akzeptierte er, warum es ihn dorthin zog. Das erste kurze Gespräch mit dem Mädchen, dessen Name er nicht kannte, ging ihm nicht aus dem Kopf und er fragte sich selbst, ob er sich ablehnend gezeigt hatte oder ob er nur glaubte, dass er ablehnend gegenüber diesem Mädchen war. Sie sah sehr hübsch aus, exotisch irgendwie. Ihre langen Haare dufteten nach einem Shampoo oder einem Parfüm, welches ihn träumen ließ, der Geruch weckte Erinnerungen, die ihn irritierten. Erinnerungen, die er nicht einzuordnen wusste. Sie ließen ihn an seine Mutter denken und er fühlte dabei Liebe und Geborgenheit, die er so sehr vermisste, ohne es sich aber selbst einzugestehen.

Als er sie erneut im Café sitzen sah, freute er sich innerlich, sie wiederzusehen, doch zeigte er seine Freude nicht. Glücklicherweise war wieder ein Tisch in ihrer Nähe frei, den er sogleich in Beschlag nahm. Zuerst griff er zur Getränkekarte und bestellte sich einen Pfefferminztee, dann holte er aus seiner Tasche nacheinander ein Smartphone, seinen Schlüsselbund und ein Notizbuch und legte alles auf den Tisch. Mit einem Füllfederhalter machte er sich Notizen. Als der Kellner den Tee gebrachte hatte, den er sehr gerne mit Honig trank, blickte er kurz zu dem unbekannten Mädchen auf und stellte erfreut fest, dass sie zu ihm herüber sah. Ihr Blick blieb an dem Schlüsselanhänger haften.

„So, so, Sie mögen also England?“

Überrascht schaute er auf, als er ihre Stimme hörte. Sein Notizbuch klappte leise zu, mit leicht amüsierten Blick schaute er sie interessiert an. Wieder sah er ein freundliches und aufgeschlossenes Lächeln.

„Wie kommen Sie darauf?“ antwortete er kurz zurück, erfreut, mit ihr sprechen zu können.

„Ihr Schlüsselanhänger!“

Ein Zeigefinger war auf den Schlüsselbund gerichtet, an dem ein metallener Anhänger mit dem Union Jack hing.

„Hey, beobachten Sie mich etwa?“, lächelte er zurück. „Aber Sie haben Recht, ich mag England nicht nur, ich arbeite auch dort. Zumindest an einigen Tagen in der Woche.“

„Wollen Sie mir davon erzählen?“

„Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte. Nennen Sie mir einen Grund, warum ich Ihnen das erzählen sollte.“

Schnell gewann er seine Selbstsicherheit wieder, die er in den letzten Minuten fast verloren hatte. Ein breites und freches Grinsen überzog sein Gesicht.

„Sagen wir einfach, weil ich fast krankhaft neugierig bin, wie alle Frauen. Und weil ich England mag, auch wenn ich noch nie dort war. Aber ich höre immer gerne von England. Und wenn Sie dort arbeiten, wie Sie selbst sagen und kein Aufschneider sind, dann können Sie mir von diesem Land erzählen. Oder haben Sie Angst vor einer Frau. Ich will Sie aber auf gar keinen Fall verleiten, Geheimnisse auszuplaudern, auch wenn ich mich darüber sehr freuen würde. Ich mag Geheimnisse.“

Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, dass Hans erst einmal nur ihren Worten lauschen konnte und seine Gedanken sammeln musste. Innerlich begann er zu jubeln.

„Also gut, Frau Vorwitznase. Ich heiße Hans Tetzlaff, lebe in Köln, bin unverheiratet, zurzeit auch ohne Freundin und arbeite drei Tage in der Woche, mindestens, in London und bin dort Geschäftsführer einer großen Firma, die meinem Vater gehört.“

Als Hans London erwähnte, verdrehte das Mädchen entzückt ihre Augen.

„Was?“, fragte Hans, als er die Entzückung beinahe spüren konnte.

„Na ich liebe London. London ist meine Traumstadt. Ich würde alles tun, um dorthin zu kommen.“

Sie sah in sein belustigtes Gesicht: „Wehe, wenn Sie nun eine dumme Bemerkung machen, wehe! Dann rede ich nie wieder mit Ihnen.“

Beinahe hätte sie selbst lachen müssen, konnte sich dies aber noch verkneifen.

„Wie können Sie das sagen, dass London Ihre Traumstadt ist, wenn Sie sie nicht kennen?“

„Hans Tetzlaff“, sagte sie bestimmend, „ich weiß, dass ich London liebe. Ich habe unzählige Berichte gesehen und unzählige Bücher gelesen und wenn ich Geld übrig habe, fahre ich da hin. Es ist mir völlig egal, ob ich das alleine tue oder mit einem Freund.“ Erschrocken über sich selbst, blickte sie ihn mit großen Augen an, ihr Gesicht nahm eine leicht rötliche Färbung an.

„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, Frau Vorwitznase?“, fragte er nun seinerseits amüsiert.

„Nein, nein!“, antwortete sie leicht irritiert.

Hätte in diesem Augenblick jemand in Hans hineinhören können, wären ihm die Trommelfelle geplatzt, so laut war der Jubelschrei, den er innerlich ausstieß. Aus ihm unerklärlichen Gründen hatte diese unbekannte Schönheit Interesse für ihn entwickelt, doch war Hans sehr vorsichtig, denn eine seelische Verletzung war das Letzte, was er in seinem Leben gebrauchen konnte. Noch mehr hätte er nicht verkraften können.

„Also Sie arbeiten in London und leben in Köln. Das ist doch aufregend. Wieso London?“

„Aufregend ja, Frau Vorwitznase.“

Sie hob eine Hand zum Zeichen der Unterbrechung und grinste breit. Hans ließ sich jedoch gerne unterbrechen, da er seinerseits gemerkt hatte, dass ihr erst jetzt bewusst wurde, wie er sie angesprochen hatte.

„Herr Hans Tetzlaff“, sagte sie mit einem lustigen Tonfall, „darf ich mich kurz vorstellen?“

Hans nickte zustimmend und deutete mit einem frechen Grinsen eine huldvolle Verbeugung an: „Sie dürfen, Durchlaucht, Sie dürfen.“

„Mein Name ist nicht Frau Vorwitznase, auch wenn ich Ähnlichkeit mit der mir völlig unbekannten Person haben könnte, aber ich höre gewöhnlich auf den Namen Leyla.“

Der Name traf ihn wie einen Hammerschlag. Hans hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, dass ihm irgendeine fremde Macht den Boden unter den Füßen wegreißen würde. Langsam griff er zu seinem Teeglas, um sich gedanklich zu sammeln. Offenbar hatte sich unbeabsichtigt sein Gesichtsausdruck verändert. „Gefällt Ihnen der Name nicht? Haben Sie einen anderen Namen erwartet?“

„Nein, erwartet habe ich keinen besonderen Namen. Grundsätzlich ist es mir egal, welchen Namen die Menschen haben. Ich habe einen typisch deutschen Vornamen, den kaum noch jemand hat und ich mag ihn nicht besonders. Ihr Name klingt exotisch?“ „Meinten Sie exotisch oder ausländisch?“, fragte sie unsicher. „Warum erwähnen Sie ausländisch?“

„Es ist mir spontan eingefallen, ohne Hintergedanken. Nehmen Sie bitte nicht alle meine Reden so bitter ernst!“

„Leider scheint es so zu sein, dass wenn man sagt einen Namen exotisch zu finden, man schnell als ausländerfeindlich abgestempelt wird. Diese pauschalen Verurteilungen sind grausam.“

Hans war über ihre Frage sehr überrascht, aber er ließ sich nichts anmerken. Ihre Frage hatte gar keinen Hintergrund, denn auch sie wollte einfach nur Zeit gewinnen, um das Gespräch in Gang zu halten. Hans gefiel ihr, er war nicht aufdringlich, wirkte fast ein wenig schüchtern, was sich aber nicht bestätigte, war höflich und er hatte irgendetwas Besonderes, von dem sie nicht sagen konnte, was es war. Ihr Interesse an ihn wurde verstärkt, als sie erfuhr, dass er häufig in London war. Sie wollte einfach so viel als möglich von dieser Stadt hören, die sie nicht kannte, aber trotzdem liebte, deshalb empfand sie es als Glück, jemanden kennenzulernen, der ihr Informationen quasi aus erster Hand liefern konnte und der darüber hinaus auch noch so nett war, dass man sich in ihn verlieben konnte.

„Sorry. Ich wollte Sie nicht kränken. Natürlich denke ich das nicht. Wie könnten Sie auch ausländerfeindlich sein, wenn Sie jede Woche im Ausland arbeiten und somit dort selbst der Ausländer sind.“

Er schaute sie nur fragend an, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Innerlich versteifte sich sein Körper, er spürte eine erste leichte Ablehnung gegen diese ungewöhnlich hübsche Frau.

„Mit exotisch verbinde ich etwas Außergewöhnliches, einfach nur einen Namen, den es hier nicht oder kaum gibt. Mehr nicht.“

Die Ruhe gewann wieder die Oberhand und Hans konnte von London und seiner Arbeit dort erzählen. Hans vermied es, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen, da er es unhöflich empfand, jemanden mit dem Vornamen anzusprechen, wenn man sich nicht gegenseitig das du angeboten hatte. Dieses kleine Hindernis beseitigte Leyla aber kurzerhand: „Also um der Einfachheit halber schlage ich vor, dass wir uns duzen. Übrigens heiße ich mit Nachnamen Voigt. Leyla Voigt klingt zwar sonderbar, aber das lässt sich erklären. Mein Vater war Boxfan und er konnte gar nicht genug bekommen, wenn sich erwachsene Männer mit Freude immer ins Gesicht schlugen. Damals hatte er immer Muhammed Ali geguckt. Er wusste alles über diesen Mann, natürlich auch, dass er eine Tochter mit Namen Leyla hatte. So bin ich zu meinem Namen gekommen. Meine Mutter konnte es nicht fassen.“

Den Blick zum Kellner gewandt, unterbrach er den Redefluss von Leyla, um neuen Tee zu bestellen. Er fragte sie, ob sie auch einen Tee haben möchte, sie lehnte ab. Als der Kellner am Tisch war, bestellte Hans sich einen Tee und Leyla rief dem sich abwendeten Kellner hinterher, dass sie auch noch einen möchte. Hans schaute sie überrascht und fragend an.

„Ich habe dir ja gesagt, dass ich mir London nicht leisten kann. Ich bekomme nur ganz wenig Unterstützung und muss mir das Studium finanzieren, mit Arbeit. An drei Tagen in der Woche arbeite ich hier und habe, wenn ich hier bin, keine Kosten. Deshalb sollst du mich auch nicht einladen. Spare dein Geld für ein Bier in einem Pub. Erzähl bitte weiter.“

Nach diesem zweiten Treffen folgten weitere Treffen, immer an denselben Tagen und fast zur selben Uhrzeit. Es war schon ein liebgewonnenes Ritual, welches beide sehr gerne pflegten. So verwundert es nicht, dass sich das Paar immer näher kam. Beide bemerkten, dass diese gegenseitige Annäherung schnell ging. Sie erzählten immer unbeschwerter teils lustige Geschichten aus ihren sehr unterschiedlichen Leben. Hans erzählte viel von seiner Arbeit und wenig von seinem Vater, denn er hatte Sorge, dass sie Fragen zu ihrem Vater stellen würde. Auch lief er Gefahr, dass wenn er auf seinen Vater zu sprechen kam, er seine Abscheu gegen Ausländer zufällig erwähnen würde. Dies deshalb, weil er Leyla als Freundin nicht verlieren wollte. Geschickt konnte er die gemeinsamen Gespräche auf seine Schwester lenken. Nur einmal hatte Leyla ihn nach seiner Mutter gefragt und er hatte geantwortet, dass er darüber nicht sprechen wolle, noch nicht sprechen könne, da die Erinnerung an sie ihn bedrücken würde. Hans fiel auf, dass Leyla nur von ihrem Vater erzählte und nie von der Mutter. Diesen bedeutenden Umstand respektierte er so wie sie es respektierte, wenn er nicht von seiner Mutter sprach. Beide wussten, dass der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen war, um über intime familiäre Verhältnisse zu sprechen. Schnell hatte Hans bemerkt, dass auch Leyla eine Meisterin des Redens war. Das hatte sie mehrfach bewiesen und es gelang ihr mit scheinbarer Leichtigkeit, immer wieder die Gespräche nach London zu lenken. Hans bemerkte diese Ablenkungsmanöver natürlich, aber es war ihm lieb, von Dingen zu sprechen, die ihm angenehm waren. So musste er nicht erklären oder erzählen, was er in seiner knappen Freizeit in Köln macht. Für ihn war klar, dass Leyla sofort den Kontakt zu ihm abbrechen würde, wenn er sagen würde, dass er sich als Freizeitnazi in der Szene einen Namen gemacht hatte und Türken aus Hass zusammenschlägt. Das Paar hatte jeder für sich Geheimnisse, die sie noch nicht erzählen wollten oder konnten.

Leylas Eltern lebten in der Türkei und waren für dortige Verhältnisse wohlhabend. Als ihr leiblicher Vater gestorben war, heiratete ihre Mutter einen Türken, der in Köln lebte. Er hatte es akzeptiert, da er auch liberal war, dass seine Stieftochter sich in einem Land so verhalten muss, wie es üblich ist. Er lehnte die traditionelle türkische Lebensweise in vielen Teilen ab. Seine Tochter sollte so leben, wie sie wollte und er sagte ihr eine lebenslange finanzielle Unterstützung zu. Irgendwann kam das Heimweh, so wie es im Alter hin und wieder vorkommt. Er wollte in der Türkei, in Istanbul, in dieser pulsierenden Metropole, alt werden und dort seinen Lebensabend verbringen. Die Freude nahm kein Ende, als auch seine neue Frau sich bereit erklärte, in die alte Heimat zu ziehen. Leyla erfuhr bei Besuchen der Eltern, dass die Verwandten in der Türkei oftmals forderten, die Tochter auch in die Türkei zu holen oder sie zumindest zu verheiraten. Der Stiefvater konnte nur jedes Mal darüber lachen, doch haben ihre Eltern ihr ganz vorsichtig zu verstehen gegeben, dass sie nicht in Schande leben sollte. Sie erklärten ihr ganz offen, dass sie natürlich einen Freund haben konnte und sogar sollte, dass sie aber bitte nicht ohne verheiratet zu sein, schwanger werden sollte. Leyla musste herzhaft lachen und versprach es beim Tod der Großmutter. Die Eltern waren beruhigt und konnten ohne Sorge in die Türkei zurückfahren und die nervige Verwandtschaft beruhigen. Als Hans erfuhr, dass Leyla ausländische Wurzeln hatte, sagte er zu sich selbst, dass es ihm völlig egal ist, wer die Eltern waren oder ob sie arm oder reich sind. Für ihn zählte nur noch Leyla, die so verführerisch aussah, dass er sich kaum zurückhalten konnte, Annäherungsversuche zu machen. Er war überrascht, wie offen sie davon erzählte, dass sie bis dato noch keinen festen Freund hatte. Ein Umstand, den er weder glauben konnte noch wollte, denn er konnte sich mehr als gut vorstellen, dass es eine Vielzahl von Bewerbern geben musste.

„Na ja, es gab immer wieder Freunde, aber jedes Mal merkte ich ganz schnell, dass sie nur mit mir ins Bett wollten.“

„Das will doch jeder Mann!“, rief er spontan, stockte und starrte sie blöde an.

Leyla begann herzhaft zu lachen und es fiel ihm ein Stein von Herzen.

„Das ist auch in Ordnung. Aber ich suche mir aus, mit wem ich schlafe. Und bis jetzt habe ich noch keinen gefunden. Es muss etwas Ernstes sein.“

„Und was ist Ernst?“

„Ich muss den Eindruck haben, dass der Mann zu mir passen kann, dauerhaft. Dass er mich liebt und dass er eine feste Bindung möchte. Leider hatte ich bis jetzt nicht den Eindruck, den Richtigen gefunden zu haben.“

Leyla neigte sich ein wenig vor, ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, ihres zeigte ein freches Grinsen, welches sehr reizend wirkte. Hans wurde es langsam warm, ihre Hand legte sich auf seine.

„Mein lieber Hans, wir kennen uns nun erst ein paar Wochen und ich wundere mich, dass du mich noch immer nicht verstanden hast.“

Dann hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange. Verlegen schaute er auf seine Uhr und sagte, dass es nun langsam Zeit wäre aufzubrechen, da er wieder nach London fliegen muss. Sie nickte enttäuscht, denn der Abschied bedeutete, dass er sie erst am Freitag, also in ganzen vier Tagen, wiedersehen würde. Sie fragte sich, wie sie diese Tage, die viel zu langsam vorübergingen, überstehen sollte, denn Leyla wusste, dass Hans der Mann war, den sie suchte. Wenn sie in seiner Nähe war, verflogen die Stunden und wurden zu Minuten und die Tage ohne ihn wurden zu Monaten. Ohne ihn begann sie sich einsam zu fühlen, sie liebte seine Stimme und sein schelmisches Lachen, sie liebte einfach alles an ihm. „Leyla, ich glaube, dass ich dir sagen muss, es tut mir sehr leid, dass es so ist, aber wir werden uns am Freitag nicht sehen können, sondern erst am Samstag.“

Hans ließ seine Worte wirken, aufmerksam beobachtete er Leyla, die sofort ein trauriges Gesicht machte, einige Sekunden stutzte und dann rief: „Hey, wieso Samstag?“

„Am Freitag habe ich einen wichtigen Termin und da ich genauso wie du unter einem Mangel zu leiden beginne, wenn ich dich nicht sehe, habe ich mir überlegt, dass ich dich zum Essen einlade. Also der Mangel ist nicht so richtig groß, nur ein klein Wenig, aber es ist ein Mangel. Kein Grund, sich einzubilden, dass ich süchtig nach dir bin. Denn auch wenn es so wäre, würde ich es nicht zugeben. Nein, niemals. Das wäre ja Wasser auf die Mühlen einer Frau, für die es eine Qual ist, länger als fünf Minuten still zu sein.“ Er versuchte ein ernstes Gesicht zu machen, was ihm aber nur für einen kurzen Augenblick gelang, dann lachte er verhalten, ein wenig verunsichert, wie sie die Nachricht aufnehmen würde.

„War das jetzt eine Liebeserklärung? Das kann doch nicht dein Ernst sein, dass du einer Frau, die noch nie mit einem Mann geschlafen hat und Jungfrau ist, eine Liebeserklärung machst. Wohin soll das führen? In eine feste Beziehung?“

„Warum nicht?“ fragte Hans.

Es entstand eine kleine Pause, in der jeder seine Gedanken zu ordnen schien.

Ihre Augen lachten vor Freude: „Also ich hätte nichts dagegen. Du bist anscheinend eine gute Partie, hast Geld, Hirn und Herz.“

Das Gehörte schwirrte in seinem Kopf, vor ihm saß eine junge und sehr attraktive Frau, die ihm eindeutig zu verstehen gegeben hatte, dass sie mit ihm zusammen sein wollte, so wie er es auch wollte. Nur hatte sie den Anfang gemacht und nicht er. Die Gedanken gingen zu seinem Vater und machten ihm Sorge, denn eine Schwiegertochter mit ausländischen Wurzeln würde er niemals akzeptieren. Zum Glück hatte sie einen deutschklingenden Nachnamen, damit ließ sich ein Teil ihrer Herkunft zunächst verbergen. Trotz der aufkommenden Skepsis war er zuversichtlich, eine Lösung für das Problem zu finden.

„Sorry, aber was redest du da von Liebeserklärung. Davon kann keine Rede sein. Ich habe nur einen freien Samstag, denn ich einigermaßen sinnvoll nutzen möchte und essen gehe ich immer gerne, aber eben nicht alleine. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich einer Jungfrau einen Antrag machen würde? Niemand in meiner Position würde eine Kuh kaufen, wenn er nur ein Glas Milch will. Eine Jungfrau ohne Erfahrung ist für einen Mann eine Herausforderung, der ich mich nicht stellen möchte. Ich habe schließlich Erfahrung. Nein, das kann ich nicht tun. Es geht nur ums Essen. Ich habe einen Ruf zu verlieren.“

Leyla zog die Stirn in Falten, ein sicheres Anzeichen, dass sie zornig wurde. Es war nun an der Zeit, sich gegen diesen Mann, den sie zu lieben begann, zu behaupten. Ihr Arm schnellte in die Höhe zum Zeichen, dass sie eine Bestellung machen wollte. Der Kellner schaute sie an.

„Ein Glas Milch bitte!“

Verdutzt guckte Hans sie an, dann begann er zu grinsen.

„Okay, okay, ich nehme diese lächerliche Behauptung mit der Kuh und der Milch zurück. Einverstanden? Außerdem sehe ich, dass du zornig auf mich bist.“

„Also gut, mein sexuell erfahrener Beinahefreund. Dann essen wir eben nur. Ich werde mir halt bei Zeiten einen anderen mutigen Mann suchen, der mich in die himmlische Welt der körperlichen Lust entführt. Feigling!“

Hans griff nach ihrer Hand, hielt sie eine halbe Ewigkeit fest und sah ihr dabei in die Augen. Ganz langsam und sanft zog er sie zu sich heran und küsste sie zaghaft und scheu auf den Mund. Sie ließ es sich gefallen.

„Diesen ersten Kuss werde ich nicht vergessen.“

„Ich auch nicht. Eigentlich hätte der auch besser sein können, aber ich brauche keine Zuschauer, wenn ich Gefühle mit einer Frau austausche, die ich begehre.“

„Du tust es ja schon wieder!“

„Was?“

„Mir eine Liebeserklärung machen.“

„Ach. Habe ich gar nicht gemerkt.“

Er zeigte ein breites Lächeln.

„Doch, doch. Das war eine. Ich habe es genau gehört. Also wie war das mit Samstag? Und wie soll ich bis dahin die Tage überstehen?“

Hans zuckte mit den Schultern, um Gleichgültigkeit vorzuspielen.

„Solche Tage von innerlicher Erregung überbrücke ich immer mit Arbeit, mit viel Arbeit. Bei mir hilft das. Bedenke, dass ich bisher immer nur leidenschaftliche Beziehungen hatte, die immer nur im Bett endeten und niemals von Dauer waren. Wenn man dann als Mann seinem leider oftmals viel zu starken Drang nicht befriedigen kann, hilft entweder kaltes Wasser oder Arbeit. Und wer hat schon immer kaltes Wasser zur Verfügung?“

„Habe ich das richtig verstanden, dass du mir zwischen einer Liebeserklärung und einer Einladung zum Essen beichtest, dass du noch nie eine länger dauernde Beziehung hattest? In deinem Alter? Dann hast du ein Geheimnis und ich muss vorsichtig sein.“ „Tja, jetzt hast du mich entlarvt. Nein, bisher ging es mir so wie dir. Kurze Affären, viele Freundinnen, einige sogar sehr intelligent, aber immer wieder am Ende enttäuschend.“

„Warum enttäuschend?“

„Nun, manchmal zeigten sie ganz offen, dass sie mehr Spaß am Geld als an mir hatten. Dann habe ich immer die Reißleine gezogen.“

Endlich siegte die Neugier.

„Wie reich bist du denn?“

„Keine Ahnung. Mein Vater ist jedenfalls sehr reich, ich bin es dann wohl auch.“

„Soll ich dir was sagen, mein Lieber? Dein Geld ist mir völlig egal. Ich lege keinen Wert auf Geld. Wenn ich es habe, gebe ich es für Bücher aus. Und sobald ich mein Studium beendet habe, suche ich mir einen guten Job und kann mir das leisten, was ich möchte. Aber durch meiner Hände Arbeit. Mein Sinn des Lebens besteht nicht darin, Geld anzuhäufen, sondern zu leben. Und das gerne, aber ohne dabei zu vergessen, dass es anderen Menschen richtig schlecht geht. Ich genieße jeden Tee, den ich mit dir trinken kann und bin froh, dass ich hier in dem Lokal für mein Essen nicht bezahlen muss. Dafür arbeite ich.“

Hans sah einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck bei Leyla, der ihm eindeutig signalisierte, dass sie das auch meinte, was sie sagte.

„Ich bin dir sehr dankbar, dass du so bist. Ich muss jetzt trotzdem los. Leider. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gerne ich noch bleiben würde, aber es geht nicht. Wenn man eine große Firma führt, hat man nicht immer Zeit für die Liebe, die man gerne hätte.“

Er bezahlte beim Kellner die Getränke, ging zur Garderobe und holte ihre Jacke. Galant half er ihr beim Anziehen. Leyla wusste, dass diese Art der Aufmerksamkeit nicht üblich bei Männern war und dass Hans dies aus Überzeugung tat. Hand in Hand verließen sie schweigend das Café Schmitz und gingen ein Stück über den Hansaring. Jeder Schritt, der sie näher zum Auto von Hans brachte, wurde schwerer. In der Nähe des Cafés hatte er sich einen Stellplatz gemietet und war froh darüber, überhaupt einen gefunden zu haben. Er war zwar sündhaft teuer, aber überaus nützlich, denn er wollte keine Sekunde auf der Straße mit der Suche nach einem Parkplatz vertrödeln, die er hätte mit ihr verbringen können. Hans hatte viel Geld, aber keine Zeit.

„So, hier ist mein Auto. Soll ich dich wirklich nicht nach Hause fahren?“

Leyla sah den sehr teuer aussehenden Wagen der Luxusklasse nur kurz an, was Hans nicht entging.

„Nein, wenn du mich jetzt nach Hause fährst, dann wird es ja noch schlimmer für mich, die vielen Tage ohne dich zu überstehen. Ich gehe zu Fuß nach Hause und werde unterwegs weinen. Und gleich wenn du weg bist, werde ich mich auf unser nächstes Wiedersehen freuen.“

Mit großen Augen sah sie ihn spöttisch an, dann schlang sie spontan ihre Arme um ihn und küsste ihn innig. Auf diesen Augenblick hatten beide lange gewartet. Leidenschaftlich erwiderte er den Kuss.

„Ui, küssen kannst du aber toll“, hauchte Leyla ihm ins Ohr. „Und du brauchst auch keine Angst zu haben, dass ich noch nie mit einem Mann geschlafen habe. Es gibt viele Arten von Sex und ich kann zärtlich wie eine Elfe sein. Wenn du mich ergründen willst, habe ich nichts dagegen. Doch lass mir bitte meinen Traum von der Jungfräulichkeit bis zur Ehe. Ich habe es versprochen, auch wenn es ungeschickt war.“

„Leyla, du musst nichts tun, was du nicht tun willst. Ich respektiere Versprechen und Wünsche.“

Er machte eine kleine Pause.

„Natürlich kann es irgendwann einmal sein, dass ich großes Verlangen nach einer Frau habe, dann muss ich halt ins Bordell gehen.“

Auf seinem Gesicht erschien ein freches Grinsen.

„Untersteh dich. Ich werde dir die Zärtlichkeiten geben, die du brauchst.“

Wieder küsste sich das Paar lange, dann löste sich Hans zärtlich von ihr. Widerwillig, wie er selbst feststellte, aber unvermeidbar. Er machte einige Schritte auf sein Auto zu. Als er über die Schulter einen letzten Blick auf sie werfen wollte, sah er, wie sie ihm folgte. Hans wirbelte herum und Leyla flog beinahe in seine Arme. Wieder und wieder küssten sie sich leidenschaftlich.

„Ich spüre, dass du ein Geheimnis hast und ich hoffe, dass du es mir irgendwann einmal erzählst.“

Bevor er antwortete, schienen sich ihre Augen zu vereinen. „Jeder hat doch Geheimnisse.“

„Stimmt, aber in deinen Augen sehe ich ein Geheimnis, welches dich bedrückt. Nicht immer, aber doch oft. So, und nun mach, dass du fort kommst zu deinem Termin.“

Der Abschiedskuss war nur ein ganz kurzer, er war eher gehaucht als geküsst. Die Tür seines Wagens schloss sich fast geräuschlos, dann war Stille um ihn herum. Mit geschlossenen Augen verharrte er lange Sekunden, um seine Gedanken zu ordnen. Leyla war bezaubernd und erfrischend in ihrer Art, wie er es noch nie erlebt hatte. Immer wieder schoss ihm ihr Vorname Leyla durch den Kopf und er stellte sich vor, wie es sein würde, wenn er sie das erste Mal mit nach Hause bringen würde. Die Reaktion seines Vaters konnte er jetzt schon vorausahnen. Ganz sicher würde er sie mit Fragen bombardieren und ebenso sicher würde sie merken, merken müssen, dass sein Vater ein Rassist war, der Muslime hasst. Leyla würde dann fluchtartig das Haus verlassen und er hätte einen Menschen verloren, zu dem er sich hingezogen fühlt. Eine Frage jagte die nächste, sein Kopf glich einem Bienenkorb, Verzweiflung stieg auf. Wie sollte er eine Ausländerin und einen Rassisten zusammenbringen? Irgendjemand musste seine Ideale aufgeben. Sein Vater würde das niemals tun, das hatte er immer gesagt und auch ebenso unnachgiebig gehandelt. Noch im Auto sitzend hörte er seinen Vater sagen, dass wenn er seine Meinung und Einstellung zu Muslimen ändern würde, es wahrscheinlicher wäre, dass ihm vorher der Mount Everest auf den Schädel fällt. „Wo bekomme ich jetzt einen Berg her?“, dachte er verbissen. „Und was ist mit mir, soll ich aufhören?“ Mit seinen Zweifeln fuhr er los.

2. Kapitel

Alfred Tetzlaff saß gedankenverloren, so wie er es oft morgens tat, an dem riesigen Esstisch, der für zwölf Personen Platz bot. Er liebte diese Augenblicke der Ruhe, in denen er Kraft für den Tag schöpfen konnte. Die Haushälterin, eine treue Seele und daher schon viele Jahre im Herrenhaus anwesend, fast schon zum lebenden Inventar gehörend, bereitete ihm ein kleines Frühstück zu, welches er um diese Uhrzeit immer alleine und ohne Worte zu sich nahm. Ihm genügte Kaffee und eine Scheibe Brot belegt mit Wurst. Seine zwei Kinder schliefen an den Wochentagen nicht lange, er freute sich auf das gemeinsame Frühstück. Dies war für ihn eine wichtige Lebensgewohnheit – unterbrochen nur von den Wochenenden, an denen seine Kinder meist länger schliefen – weil er seine Kinder beinahe abgöttisch liebte. Der Kontakt zu ihnen war sehr intensiv. Doch im Augenblick schwelgte er wieder einmal in Erinnerungen. Die Haushälterin erkannte es an seinem verklärten Blick, der zurück in die Vergangenheit zu seiner Frau ging. Nur morgens konnte er die Gedanken an seine Frau ertragen, denn nach der Ruhe kam die Betriebsamkeit in das gewaltige Herrenhaus, dann kamen die Angestellten und schließlich seine Kinder. Hin und wieder war ein Rascheln zu hören, welches beim Umblättern von Unterlagen die Stille dezent unterbrach. Dies war auch eine wichtige Gewohnheit von ihm, denn er wollte auf dem aktuellen Stand sein, was in seinem gewaltigen Unternehmen vor sich ging.

Auf einmal wurde die Ruhe unterbrochen, die an einer Wand stehende Standuhr ließ den Westminsterglockenschlag ertönen. Er schaute zu ihr, sein Blick verweilte eine Zeitlang bei der Uhr, seine Augen verfolgten das schwingende Pendel und seine Ohren ergötzen sich an dem Klang des Glockenschlages. Das war einer der wenigen Genüsse, die Alfred Tetzlaff noch hatte. Seine Gedanken wanderten zu seiner Frau, mit der er gemeinsam in London war.

Immer, wenn er diesen Glockenschlag hörte, fühlte er die Anwesenheit seiner Frau, er spürte die Temperatur des Tages, als sie gemeinsam vor dem Big Ben gestanden hatten, hörte den Straßenlärm wieder, sah ihr Lachen und ihre Augen, die vor Entzückung strahlten. Der Glockenschlag war der tägliche gemeinsame Augenblick mit seiner Frau, die er so sehr vermisste. In diesen Augenblicken war er einerseits sehr einsam aber auch andererseits wieder glücklich vereint. Wenn auch nur für wenige Sekunden.

Sein Blick wanderte durch das riesige Speisezimmer, in dem der gewaltige Esstisch immer noch zierlich aussah. Das feudal eingerichtete Speisezimmer war eine Idee seiner Frau gewesen. Sie hatte es geliebt, Zimmer einzurichten. Die gesamte Einrichtung hatte ein kleines Vermögen gekostet, aber sie war jeden Preis wert, denn die zahlreichen Gäste, die in ihm fürstlich bewirtet wurden, waren immer tief beeindruckt nicht nur vom Speisezimmer, sondern vom ganzen Herrenhaus. Natürlich diente das Herrenhaus auch dazu, Eindruck zu schinden. Geschäftspartner bekamen so das Gefühl, noch wichtiger zu sein, als sie es eigentlich waren. Das Speisezimmer war Mittelpunkt bei geschäftlichen Einladungen, die großen Festlichkeiten im privaten Bereich mit Freunden und Bekannten waren eher selten, da er eine gewisse Ablehnung zeigte zu fremden Menschen. Er befürchtete außerdem, dass ihm jemand eine Frage zu seiner verstorbenen Frau stellte. Die Gespräche mit Geschäftspartnern waren hingegen nüchtern.

Um dem Gaumen einen Hochgenuss zu verschaffen, war regelmäßig ein Sternekoch Chef in der Küche, dazu einige Hilfskräfte, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Der Koch der Extraklasse ließ sich jedoch erst zu einer vertraglichen Vereinbarung überzeugen, nachdem er den Weinkeller besichtigt und begutachtet hatte. Binnen Sekunden sagte er zu, regelmäßig auf höchstem Niveau zu kochen. Allerdings war es sein gefordertes Honorar auch, was jedoch Alfred Tetzlaff nicht sehr beeindruckte. Er gönnte sich nicht mehr viele Genüsse in seinem Leben, Essen war ein wichtiger Genuss neben dem erfolgreichen Geschäftemachen. Ein weiterer Genuss war allerdings der Hass auf Muslime, was er jedoch zumeist für sich behielt.

Die Haushälterin schenkte Kaffee nach und entfernte sich dezent. Sie hielt zu Alfred Tetzlaff Blickkontakt, um bei einem plötzlich aufkommenden Wunsch sofort zu reagieren. Die Verehrung für diesen Mann war sehr groß und sie war bereit, ihm bedingungslos zu dienen, weil er sein schweres Leid so tapfer ertrug. Der Glockenschlag der Uhr verhallte, dann war wieder nur das typische Ticken einer Pendeluhr zu hören. Dieses Geräusch beruhigte ihn, denn er konnte sich von den Gedanken an seiner Frau lösen. Doch an diesem Tag war es schwer, sehr schwer. Einige Male hatte er inzwischen nach irgendetwas im Raum Ausschau gehalten. „Ja richtig. Bald ist wieder der Jahrestag. Ich habe es nicht vergessen. Wie könnte ich auch?“, dachte er betrübt.

Die vergangene Nacht war wieder eine von diesen grausamen Nächten, in denen er kaum Schlaf gefunden hatte, die er aber doch schon oft erleben musste. Je näher der Jahrestag kam, desto weniger Schlaf fand er. Unruhig hatte er in der Nacht das Haus durchstreift, welches friedlich wirkte, blieb an einigen Gegenständen stehen, die er gemeinsam mit seiner Frau irgendwo in der weiten Welt als Andenken an einen schönen Urlaub gekauft hatte und nun waren sie Andenken an eine Tote. Fast zärtlich strich er über einige Dinge, liebkosend und nahe einer tiefen Betrübnis. Nur in der einsamen Nacht war er seiner Frau nahe, wenn er seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte, ohne gesehen zu werden. Der Ablauf dieser Nächte war immer gleich. Zuerst stieg er die große Freitreppe hinunter, dann ging er in das Wohnzimmer und setzte sich auf ihren Lieblingssessel. Es war ebenso ein Ritual und eine Liebesbezeugung wie das Streicheln über Dinge. Der Ledersessel knarrte leicht, als er sich langsam in ihn gleiten ließ. Jedes Mal hatte er Sorge, dass sein Gewicht ihn eventuell beschädigen könnte. Er lehnte sich entspannt zurück, blickte in den dunklen Raum und ließ wieder einmal seine Gedanken viele Jahre zurückgehen in eine Zeit, als das Leben für ihn und seine Frau perfekt war. Wieder hörte er das Schellen an der Tür, sah, wie zwei Polizisten die große Eingangshalle mit düsterem Blick betraten und beschämt auf den Boden starrten. Die Worte, die einer der Polizisten sagte, trafen ihn wie Hammerschläge. Der Schmerz jedes einzelnen Schlages war real. Zuerst wusste er nicht, was er tun sollte, sah verwirrt von einen zum anderen Polizisten, hörte, wie ein Polizist sagte, dass sie im Krankenhaus liegt. Das Gehörte drang wie durch Watte zu ihm, aber es machte die Nachricht nicht milder. Irgendwann rannte er wie rasend zu seinem Wagen und jagte zum Krankenhaus. Zuerst wollte man ihn nicht zu seiner geliebten Frau lassen, nach langem Betteln schließlich doch noch. Er kann sich nur noch an die wenigen Augenblicke erinnern, als er das Krankenzimmer betrat, dann verließen ihn die Kräfte und er stürzte zu Boden. Irgendwann wachte er in einem Raum auf und sah Hans vor sich stehen, der Tränen in den Augen hatte. Ein Angestellter hatte ihn zum Krankenhaus gefahren. Er war damals nur ein kleiner Junge, der wie jedes andere Kind im Alter von zehn Jahren den Halt seiner Eltern brauchte. Er konnte kein Halt geben, er war Kind. Seine Schwester Rita war noch jünger als er und war noch weniger fähig, die Eltern in einer seelischen Krise aufzufangen. Hans hatte sehr schnell verstanden, dass etwas Schreckliches mit seiner Mutter geschehen war, was sogar seinen Vater übermannte. Erst Jahre später erfuhr er, was damals geschehen war. Sein Vater sah natürlich die Tränen seines Sohnes und sagte, dass er nun ganz stark sein müsse, weil man der Mama wehgetan hatte. Alfred Tetzlaff erholte sich binnen sehr kurzer Zeit von seinem Schock, ließ seinen Sohn wieder nach Hause fahren und ging zu seiner Frau ins Krankenzimmer. Sie hatte ein Einzelzimmer. Gefasst auf den Anblick seiner Frau betrat er das Zimmer und sah ihr in die Augen, so gut es ging. Sie trug einen Kopfverband, ein Teil des Gesichtes war geschwollen, ein Auge verbunden. Doch diese äußerlichen Verletzungen machten ihm weniger Sorgen als die seelischen Verletzungen und Qualen, die seine Frau erlitten hatte. Er setzte sich sehr vorsichtig auf das Bett, um nah bei ihr zu sein und griff nach ihrer Hand. Ihre zarten Finger lagen wie Spielzeug in seiner Pranke, die trotzdem sehr zärtlich sein konnte. Sie spürte das Gewicht eines Körpers auf ihrem Bett und öffnete sehr langsam ihr unverletztes Auge. Der Blick war trübe und erst mit Verzögerung erkannte sie ihren Mann. Sofort begannen sie zu weinen, das gemeinsame Schluchzen hallte durch das Krankenzimmer. Wie lange sie gemeinsam weinten, hätte niemand mehr sagen können. Alfred presste seine Wange an die ihrige und flüsterte immer ihren Namen. Er spürte ihre Tränen und war beschämt. Beschämt, weil er ihr nicht helfen konnte, weil er ihr nicht in ihrer schwärzesten Stunde beigestanden hatte. Langsam stand er auf, als er ihren gleichmäßigen Atem hörte, seine Hand löste sich von der ihrigen und er verließ sehr leise das Krankenzimmer. Auf dem Flur traf er den Oberarzt, der ihn in sein Büro führte. Wortlos setzten sich die Männer gegenüber und Alfred Tetzlaff sah, wie der Oberarzt nach den richtigen Worten suchte.

„Wissen Sie was passiert ist?“, fragte er den Oberarzt.

„Ich glaube, dass Ihnen die Polizei gesagt hat, dass ihre Frau vergewaltigt wurde?“

Alfred Tetzlaff nickte, ihm wurde es unerträglich heiß, denn er ahnte, dass nun schreckliche Details folgen würden.

„Ihre Frau ist auch noch geschlagen und getreten worden. Die Verletzungen im Gesicht sind erheblich. Ein Auge wurde stark verletzt und wir wissen noch nicht, ob wir es retten können. Wir haben ihre Frau notoperiert und es scheint wohl so, dass wir nochmals operieren müssen. Die inneren Verletzungen sind unfassbar groß. Ihre Frau ist an Monster geraten.“

Der letzte Satz überstieg seine Kräfte, er ließ seinen Emotionen hemmungslos freien Lauf. Jeder einzelne Buchstabe war wie ein Stromschlag, eine Frage wollte aus seinem Mund, aber er schaffte es nicht, diese zu stellen. Tonlos bewegte er den Mund wie ein Fisch im Wasser, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt. Erst jetzt erkannte der Oberarzt die Tragweite seiner Worte.

„Hat man Ihnen nicht gesagt, was geschehen ist?“

Aus Verzweiflung steckte er sich ein paar Knöchel seiner Faust in den Mund und biss heftig darauf, dann schüttelte er langsam den Kopf. Der Oberarzt atmete tief durch und war fassungslos über die Nachlässigkeit der Polizei.

„Also gut, dann muss ich das jetzt tun. Sie haben ein Recht darauf zu wissen, was geschehen ist. Die Polizei sagte uns, dass ihre Frau von zwei Männern vergewaltigt wurde und dass es sich um Ausländer handeln soll, die das getan haben. Ein Zeuge sagte aus, dass er den Eindruck gehabt hätte, dass die zwei Männer, der Zeuge sprach von Türken, was nicht bewiesen ist, ihre Frau ermorden wollten. Zufällig näherte sich dem Tatort ein Streifenwagen und die Täter konnten fliehen. Die beiden Männer haben sich wie kranke Tiere verhalten. Solch einen Fall habe ich selten gesehen. Bis jetzt eigentlich gar nicht. So etwas tut kein Mensch.“

Im Büro des Oberarztes entstand eine bedrückende Stille, nur das stoßweise Atmen von Alfred Tetzlaff war zu hören. Besorgt erkannte der Oberarzt die Panik im Gesicht seines Gegenübers, aber dennoch musste er auch die letzten Worte hinnehmen wie Peitschenschläge.

„Da wäre noch etwas. Ihre Frau wurde schwer, sehr schwer misshandelt. Sie wird nie mehr Kinder bekommen können und wir können von Glück reden, wenn wir sie retten können.“

Das Gesicht von Alfred Tetzlaff wurde zu einer versteinerten Maske, in der der Schmerz deutlich abzulesen war. Seine Augen