Ein Jahr Hölle - Emilia Laforge - E-Book

Ein Jahr Hölle E-Book

Emilia Laforge

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Beschreibung

Das Leben ist eine Party - keine Verpflichtungen und erst recht keine ernsthaften Beziehungen. So lautet das Motto der 23-jährigen Quinn. Ein Unbekannter, dessen Ausstrahlung sie vom ersten Moment an fasziniert, sollte nur eine Begleitung für einen Abend sein. Doch er entpuppt sich als Dämon, der sie in seine Dimension entführt, sich von ihrer Lebensenergie nährt und ihr offenbart, dass sie nur noch ein Jahr zu leben hat. Jedoch ist Quinn nicht bereit aufzugeben und aus der anfänglichen Ignoranz ihres Entführers entwickelt sich etwas, das ihr Herz höher schlagen lässt. Reicht dieser Funke, ihr Schicksal abzuwenden?

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HYBRID VERLAG

Vollständige elektronische Ausgabe

04/2023

 

Ein Jahr Hölle … mit dir

 

© by Emilia Laforge

© by Hybrid Verlag

Westring 1

66424 Homburg

 

Umschlaggestaltung: © 2023 by Magical Cover Design, Giuseppa Lo Coco

Lektorat: Julia Schoch-Daub, Barbara Dier

Korrektorat: Julia Diederichs

Buchsatz: Lena Widmann

Autorenfoto: FM Fotomanufaktur, Steinhagen

 

Coverbild › Spiel der Mächte – Erwachen‹

© 2019 by Magical Cover Design, Giuseppa Lo Coco

Coverbild ›Cataleya – Der Drache in dir‹

© 2021 by Creativ Work Design

Stock-Fotografie-ID: 1144576959, Bildnachweis: Denis-Art

Stock-Fotografie-ID: 502933463, Bildnachweis: RazoomGames

Coverbild ›Halbwesen – Diener zweier Welten‹

© 2018 by Creativ Work Design, Homburg

Coverbild ›Die Welt hinter den Zeilen‹

© 2022 by Creativ Work Design, Homburg

Shutterstock-Nr. 1554268784, Bildnachweis: titanlee

 

ISBN 978-3-96741-195-9

 

www.hybridverlag.de

www.hybridverlagshop.de

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

Printed in Germany

 

 

Emilia Laforge

 

Ein Jahr Hölle

 

… mit dir

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fantasy

 

 

 

 

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Hybrid Verlag …

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

 

Quinn

 

»Happy Halloween«, raunte ich dem Fremden im Vorbeigehen zu und läutete damit Phase zwei des Flirtens ein. Phase eins – flüchtiger Blickkontakt und ab und an ein verführerisches Lächeln – hatten wir erfolgreich abgeschlossen. Meine Mundwinkel zuckten in die Höhe, als ich quer durch den überfüllten Club zur Toilette ging und spürte, wie sein Blick meinen Rücken hinabglitt.

Meine beste Freundin Kathi packte meine Hand und zog mich hinter sich her. »Mein Gott, Quinn, kannst du es nicht sein lassen?«

Ich zwinkerte ihr zu. »Ach Süße, du kennst die Antwort doch.«

Im Flirten machte mir keiner etwas vor. Mithilfe zahlreicher Studentenpartys und unzähliger Clubbesuche perfektionierte ich diese Kompetenz. Dabei lautete meine Devise, mich nicht wirklich auf jemanden einzulassen. Meine Ziele: unverbindliches Flirten, Rumknutschen und der ein oder andere One-Night-Stand.

Kathi stellte die einzige Ausnahme dar. Die einzig beständige Konstante in meinem Leben. Meine beste Freundin. Und zwar seitdem ich ihr im Kindergarten eins mit der Sandkastenschippe übergebraten hatte. Tja, so entstanden die besten Freundschaften. Manchmal schaffte sie es, mich zu bremsen. Ab und an. Nicht immer und ganz sicher nicht heute Nacht.

Die Stimmen der anderen Mädels drangen in mein Ohr, als wir die Damentoilette betraten. Die Musik klang gedämpft durch die Tür herein. Kichernd ergatterten wir einen Platz vor einem Spiegel - Outfitcheck.

»Quinn, dein Outfit ist mal wieder der Hammer«, sagte Kathi, während ihr Blick an mir auf und ab glitt.

»Danke. Hat mich ja nur Stunden gekostet«, antwortete ich mit einem Lachen.

»Aber es hat sich gelohnt.«

Oh ja, das fand ich auch. Mein schwarzes Kleid endete unterhalb des Pos. Heiß, aber nicht zu freizügig. Genau wie mein Ausschnitt. Er brachte meine Oberweite zur Geltung, ohne zu viel preiszugeben. Dazu High Heels, Flügel und einen Heiligenschein. Alles in Schwarz. Ich griff mir in die Haare und knetete sie durch, um die Locken meiner blonden Mähne in Form zu bringen.

»Du schaust süß aus«, sagte ich in Kathis Richtung. Sie trug ein knielanges weißes Kleid, das bei Weitem nicht so tailliert saß wie meins, verziert mit einer ordentlichen Portion Kunstblut. Eine Zombiebraut.

Sie lachte. »Danke, Quinn. Ich kann deine Gedanken bis hierhin hören: Niedlich und ziemlich unspektakulär. Aber na ja, sie will ja auch keine Männer aufreißen.«

Ich biss mir auf die Lippen. Ja gut, so etwas in der Art entsprach in der Tat meinen Gedanken. »Sei doch froh, dass zuhause dein Mirko auf dich wartet. Ihr beide führt eine Bilderbuchbeziehung und du willst es doch gar nicht anders haben.« Seit einer gefühlten Ewigkeit waren die beiden zusammen. Sie wollten sich nach dem Studium ein Haus kaufen und eine Familie gründen. Definitiv nichts für mich. Ich liebte meine Freiheit.

Ich zwinkerte ihr zu. »Solltest du aber nächstes Mal etwas Aufregenderes tragen wollen, kannst du dich gerne vertrauensvoll an mich wenden.«

»Vielen Dank für das Angebot, aber ich fühle mich eigentlich ganz wohl in meinen Klamotten«, antwortete sie mit einem Lächeln.

Synchron griffen wir in unsere Handtaschen und holten Schminksachen hervor.

»Ich habe übrigens noch etwas in meiner Tasche. Wir wollen ja nicht, dass der Pegel abfällt, oder?« Ich beugte mich in Richtung Spiegel, um den Lidstrich nachzuziehen. Schwarze Schminke verwandelte meine Augen in Smokey-Eyes und weißes Make-Up verlieh meinem Gesicht die nötige Blässe.

»Echt, wie hast du das denn geschafft?«, fragte Kathi, während sie das Gleiche vor ihrem Spiegel tat.

»Meine Handtasche bietet so einige Möglichkeiten.« Mit einem Grinsen auf den Lippen ließ ich die Schminkutensilien wieder verschwinden. »Also komm!« Ich griff Kathis Hand und zog sie hinter mir her, in eine der freien Klokabinen.

Sie schloss die Tür und ich öffnete den Reißverschluss zu dem versteckten Fach meiner Handtasche. Sie bot exakt Platz für zwei kleine Fläschchen – eines davon reichte ich Kathi. Meines hielt ich in ihre Richtung, um anzustoßen. »Na dann auf einen unvergesslichen Abend!«

Sie schüttelte den Kopf. »Oh mein Gott, Quinn. Du bist einfach unglaublich.«

»Und dafür liebst du mich«, entgegnete ich mit einem Grinsen.

»Ich liebe dich mindestens genauso sehr, wie ich dich hasse.« Ihr Lächeln verriet sie. Nicht selten fragte ich mich, warum sie mit mir befreundet war. Doch es funktionierte, trotz unserer Unterschiedlichkeit.

Immer noch kopfschüttelnd stieß sie mit mir an. Dann öffneten wir die Shots, stürzten sie in einem Zug herunter und verzogen im Anschluss die Gesichter.

»Einfach widerlich.« Kathi schmiss die kleine leere Flasche in den Mülleimer und ich tat es ihr gleich.

Ich fiel ihr um den Hals und drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange. »Ich liebe dich auch, meine kleine, süße Zombiebraut.«

 

Meine Augen scannten den Raum nach dem unbekannten, schwarzhaarigen Typen ab. Lange musste ich nicht suchen. Er stand an der gleichen Stelle wie schon den gesamten Abend. An die Theke gelehnt, am Rande der Tanzfläche. Sehen und gesehen werden, das verkörperte er in Perfektion. Die um zwei Stufen erhöhte Bar verstärkte den Effekt. Nötig hatte er das allerdings nicht. Selbst mitten in der Menschenmenge wäre er mir aufgefallen. Ein großer Typ und sportlich gebaut. Süß, keine Frage. Aber nicht nur sein Aussehen faszinierte mich. Seinen Blick ließ er gelassen durch den Raum schweifen. Irgendwie … arrogant. Ja, er strahlte Arroganz aus. Mit verschränkten Armen stand er einfach nur da und beobachtete die Menschen um sich herum. Verharrte fast regungslos. Als würde er über den Dingen stehen. Aber auch diese elitäre und abgehobene Ausstrahlung definierte nicht zur Gänze den Eindruck seiner Person. Seiner Anziehungskraft konnte ich mich nicht entziehen.

Ich musste ihn unbedingt kennenlernen.

Verwundert über meine eigenen Gedanken schüttelte ich innerlich den Kopf.

Als ob. Ich will nur das eine von ihm.

Ich ging so nah an ihm vorbei, dass mein Arm seinen streifte. Eine kleine, wie zufällig erscheinende Berührung und dann, als wäre nichts gewesen, weitergehen. Wie schon so oft bei anderen Männern. Die Berührung durchzuckte mich wie ein Stromschlag und in meinem Kopf drehte sich alles – und zwar nicht vom Alkohol. Für einen kurzen Moment verlor ich die Orientierung, strauchelte.

Ich schnappte nach Luft und zwang mich, weiterzugehen. Seine Hand schnellte vor, hielt mich am Arm zurück und ich blieb wie angewurzelt stehen.

Er stellte sich mir in den Weg. Um in seine Augen zu schauen, musste ich den Kopf in den Nacken legen. Dunkel, fast schwarz. Wie ein Onyx. Faszinierend. Meine Haut prickelte dort, wo seine Finger lagen. Er roch unglaublich verführerisch, nach Sandelholz, Minze und etwas, das ich nicht benennen konnte, das mich jedoch beinahe um den Verstand brachte. Unter seinem T-Shirt zeichnete sich sein durchtrainierter Oberkörper ab. Muskulös, ohne dabei unnatürlich aufgepumpt zu wirken. Ich biss mir auf die Lippen und musste mich beherrschen, nicht meine Hände auszustrecken, um ihn zu berühren.

Reiß dich zusammen.

Es gefiel mir nicht, dass ein Kerl es schaffte, mich so durcheinanderzubringen. Ich behielt immer die Kontrolle. Niemand stellte meine Welt auf den Kopf.

Von oben bis unten musterte ich ihn, zog eine Augenbraue hoch und beugte mich zu ihm vor. »Kein Kostüm?« Der Fremde trug als Einziger im gesamten Club lediglich ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Der dunkle Ton passte zu seinen Haaren, bildete jedoch einen auffälligen Kontrast zu seiner blassen Haut.

»Das ist mein Kostüm.« Seine angenehm tiefe Stimme ließ mich erschaudern.

»Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.« Immerhin verriet mein Tonfall nichts über den Aufruhr in mir.

»Willst du mich ausfragen oder wollen wir tanzen?« Er erhob kaum seine Stimme und doch schien sie den ganzen Raum auszufüllen und alle anderen Geräusche verstummen zu lassen. Verdammt, Quinn.

Ja, er sah gut aus, letztendlich war er aber nicht mehr als irgendein Typ. Absolut nichts Besonderes, also sollte ich aufhören, mich wie eine Teenagerin zu fühlen, die ihrem Schwarm gegenüberstand.

Seine Finger wanderten meinen Arm herunter und strichen dabei federleicht über die Haut. Eine unschuldige Berührung und doch loderte ein knisterndes Feuerwerk in mir auf. Er nahm meine Hand, drehte sich um und zog mich hinter sich her.

»Quinn!« Lediglich am Rande nahm ich Kathis empörten Ausruf wahr. Nur einen Meter stand sie von mir entfernt und dennoch hätte der Abstand zu ihr nicht größer sein können. Ich wusste, dass ich reagieren sollte, konnte es aber nicht. Das schlechte Gewissen regte sich, doch der Wunsch, mit ihm zu tanzen, siegte.

Mitten auf der Tanzfläche blieben wir stehen. Ich legte die Hände in seinen Nacken und er seine auf meinen Rücken. Er zog mich an sich und bewegte sich im Takt der Musik. Seinen Geruch nahm ich so intensiv wahr, dass ich unwillkürlich tief einatmete. Seine Lippen streiften meine Wange und seine Fingerspitzen wanderten die Wirbelsäule herunter. Jede meiner Fasern forderte, sich ihm entgegenzudrängen. Abwarten konnte ich nicht. Heiße und kalte Schauer liefen meinen Rücken hinunter und verursachten eine Gänsehaut. Ich wollte ihn spüren. Überall und am besten gleichzeitig.

Jetzt.

Sofort.

Mit verstärktem Druck meiner Hände zog ich ihn an mich. Seine Lippen näherten sich meinen. Alles in mir schrie nach ihm.

Doch er legte sie nicht auf meinen Mund, sondern an mein Ohr. »Wollen wir rausgehen?«

Nein, schrie die Stimme in mir, die es nicht abwarten konnte.

Ja, raunte die, die wusste, dass draußen möglicherweise mehr passieren würde, als hier drin jemals möglich war.

Mein Herz klopfte wie wild und sagen konnte ich nichts. Nur ein Nicken brachte ich zustande.

Er verschränkte seine Finger mit meinen und führte mich quer über die Tanzfläche in Richtung Ausgang.

Auf einmal legte sich eine Hand auf meinem Arm. Eine, die sich im Kontrast zu seiner Berührung anfühlte, als hätte mir jemand einen toten Fisch auf die Haut gelegt. »Quinn!«

Ruckartig drehte ich mich zu Kathi herum. »Was ist?« Mein Ton war viel zu scharf, doch die Ablenkung kam zu ungelegen.

»Bist du sicher, dass du mit dem Typen mitgehen willst?« Ihr Blick schweifte zu ihm und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Ich habe kein gutes Gefühl, was ihn angeht.«

»Ja, will ich. Also lass mich einfach in Ruhe und fahr nach Hause zu deinem Freund!« Das schlechte Gewissen überrollte mich. Ich benahm mich wie eine Oberzicke. Meine Freundin machte sich schließlich nur Sorgen.

Kathi verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Na dann ist ja alles klar. Viel Spaß, Quinn.«

»Kathi!«, rief ich ihr hinterher, doch sie eilte weiter.

Instinktiv streckte ich meine Hand aus, um sie aufzuhalten. Die andere kribbelte in seiner und dieses Gefühl ließ den Gedanken an Kathi verblassen.

Morgen werde ich mich bei ihr entschuldigen.

Das Gute an Kathi – sie war nicht nachtragend.

Meine Mundwinkel schnellten in die Höhe und ich drehte mich zu dem Typen um. Heute stand etwas anderes an.

»Alles in Ordnung?«, fragte der Fremde. Sein Blick glich einer undurchdringbaren Wand.

Ich nickte. »Alles bestens.«

Ohne zu zögern, drehte er sich um und wir setzten unseren Weg fort.

Draußen angekommen, steuerte er den Hinterhof des Clubs an. Kaum ungestört, zog er mich in den Schatten der Hauswand, packte meine Handgelenke und drückte sie oberhalb meines Kopfes an die Wand. Sein Körper drängte meinen gegen die harte Mauer.

Oh mein Gott, ist das heiß.

Da war zu viel zwischen uns. Zu viele Klamotten, zu viel Luft, zu viel alles. Ich wollte meine Hände ausstrecken, ihn berühren, ihm die störende Kleidung vom Leib reißen. Doch sein Griff lockerte sich nicht.

Stattdessen verharrte er in seiner Bewegung.

Was hat er denn?

Anstatt mich zu küssen, neigte er den Kopf zur Seite und schaute mich einfach nur an. Ich versuchte, seinen Ausdruck zu deuten. Flackerte etwa Unsicherheit in ihm auf? Ja, er zögerte. Aber warum?

Sagen konnte ich jedoch nichts. Sein Blick ließ meinen Körper kribbeln, allerdings nicht vor Verlangen. Sondern vor etwas anderem. Etwas, das ich nicht kannte und das sich dennoch gut anfühlte. Als würde ich mich im Winter mit meiner Lieblingsdecke vor den Kamin kuscheln. Ein warmes Gefühl und doch ganz anders als die Hitze des Verlangens, die sonst durch meine Adern rauschte.

Wie in Zeitlupe beugte er sich vor und legte seine Lippen auf meine. Vorsichtig, langsam und sanft bewegte er sie. Fast so, als würde er zum ersten Mal eine Frau küssen und nicht wissen, ob es ihm gefiel.

Ich erwiderte den Kuss, öffnete den Mund und zögerlich berührte seine Zunge die meine. Etwas Vertrautes schwang zwischen uns, als würde ich ihn ewig kennen. Ein Teil in mir sprach auf ihn an wie auf niemanden zuvor.

Er küsste mich selbstsicherer, fordernder und leidenschaftlicher. Das unbekannte Gefühl blieb, doch gleichzeitig tobten Flammen in mir, bäumten sich auf, züngelten über meine Haut und brannten lichterloh. Diese Kombination aus Verlangen und der unbekannten Vertrautheit überwältigte mich.

Das Feuer drohte mich zu verzehren. Ich brauchte mehr von ihm. Wieder versuchte ich, meine Hände zu lösen, um ihn endlich zu berühren. Er ließ es nicht zu. Im Gegenteil. Er verstärkte seinen Griff.

Und dann, innerhalb eines Herzschlags, änderte sich alles.

Eiseskälte prasselte auf meine Lippen ein. Wie tausend kleine Nadelstiche kroch sie die Kehle hinab, fuhr in meine Arme und Beine, erstickte das Feuer, das zuvor noch lichterloh gebrannt hatte, und stürzte mich in ein tiefes Loch voller Schmerz.

Was passiert hier?

Eine neuartige Droge, die mich außer Gefecht setzte? Wollte er mir etwas antun? Nein. Dieser Kuss. Ich konnte mich nicht in ihm getäuscht haben.

Die Angst, die sich wie ein Strohfeuer in mir ausbreitete, sagte etwas anderes. Auch wenn ich nicht begriff, was er machte, sprang die Gefahr mir entgegen wie ein Löwe seiner Beute.

Mein Herz fing unkontrolliert an zu rasen. Jeder einzelne Schlag dröhnte in der Brust. Kalter Schweiß überzog meinen Körper.

Ich muss weg. Sofort.

Ich wand mich unter ihm, kämpfte mit all meiner Kraft gegen ihn an und zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen, in der widersinnigen Hoffnung, mich befreien zu können. Unnachgiebig drückten seine Lippen sich auf meine. Sein Griff hielt mich fest wie ein Schraubstock. Also strampelte ich mit den Beinen, wollte ihm in die Weichteile treten, wie ich es aus Filmen kannte. Zwecklos. Er stand so dicht vor mir, dass sein Körper meinen vollkommen blockierte.

Tränen schossen mir in die Augen. Meine Chancen gegen ihn standen in etwa so schlecht wie die der Antilope gegen den Löwen. Er war zu stark und zeigte kein Erbarmen.

Trotzdem gab ich nicht auf. Mit voller Wucht rammte ich ihm den Absatz des linken Schuhs in den Fuß. Schmerz schoss mein Bein hinauf, als wäre es eingefroren auf einen Backstein getreten und würde in tausend Teile zerspringen. Ich schrie. Hören konnte mich jedoch keiner. Mein Hilferuf schien direkt von ihm verschluckt zu werden. Meine Kraft schwand und das nicht nur von den Versuchen, mich loszureißen. Die Kälte, die von seinen Lippen in meinen Körper floss, nahm mir jegliche Energie.

Was macht er mit mir?

Eine Droge, die einem allein durchs Küssen alle Kraft entzog? Was für ein absurder Gedanke, dennoch geschah genau das. Meine Lider fielen zu, als würde Blei an ihnen hängen, das sie in die Tiefe zog. Genau wie meine Gedanken. Ich wusste nicht, was hier vor sich ging, und mein Verstand konnte nicht darüber nachdenken. In dem verzweifelten Versuch, nicht aufzugeben, riss ich die Augen auf.

Ich darf nicht ohnmächtig werden. Dann bin ich ihm vollkommen ausgeliefert.

Schatten, die wie lebendig geworden erschienen, hüllten die Umgebung ein. Entzogen ihr jegliche Farben. Genau wie meine letzten Kraftreserven. Kathis Stimme erklang in meinem Bewusstsein: »Geh nicht mit unbekannten Typen mit, Quinn. Was, wenn das Vergewaltiger oder Serienkiller sind?«

Jedes einzelne Mal hatte ich sie ausgelacht. Als ob mir das passieren konnte. Das gab es nur in Filmen. Tja, sie behielt recht, ich nicht, und jetzt war es zu spät.

Meine Muskeln schienen sich in Brei zu verwandeln. Nur der Griff des Fremden verhinderte, dass ich auf dem Asphalt aufschlug. Dunkelheit hüllte mich ein. Etwas in mir zerbrach, gab den Kampf auf.

Ich sterbe. Jetzt und hier. Es gab kein Entrinnen.

Ich werde mich nie bei Kathi entschuldigen können.

Ein letzter klarer Gedanke, bevor die Finsternis mich verschlang.

2.

 

Quinn

 

Finsternis und Schmerz umgaben mich. Eisige Kälte nistete in jeder Zelle meines Körpers. Noch nie hatte ich so gefroren.

Bin ich tot?

Falls ja, entsprach es nicht meiner Vorstellung. Sollte das Jenseits nicht leicht, friedvoll, vielleicht sogar erlösend sein? Doch der Zustand, in dem ich mich befand, stellte das komplette Gegenteil dar.

Jeder einzelne Muskel schrie und in meinem Kopf wütete ein Presslufthammer. Mein Körper schien nur noch aus Schmerz und Übelkeit zu bestehen, so dass ich fürchtete, mein Magen würde jeden Moment seinen Inhalt von sich geben. Immerhin lag ich auf dem Boden. Zumindest schloss ich das aus dem harten, unebenen Untergrund, der mich zusätzlich piesackte.

Bin ich nicht tot?

Obgleich der Großteil meines Lebens aus Partys und Alkohol bestand, hatte ich mich noch nie so miserabel gefühlt. Selbst der schlimmste Kater glich einem Spaziergang im Vergleich mit diesen Schmerzen.

In der Hoffnung, dass mir irgendein Rest eigener Körperwärme verblieb, schlang ich die Arme um mich, drehte mich auf die Seite und zog die Beine an die Brust. Es brachte nicht viel. Selbst das Atmen tat weh. Als würde mich jeder Atemzug entzweireißen.

Was ist passiert? Und wo bin ich?

Allmählich schien mein Gehirn seinen Dienst wieder aufzunehmen. Ich zwang mich dazu, die Augen zu öffnen, und erblickte zuerst den Steinboden, auf dem ich lag. Vor mir sah ich zwei Beine, die in einer schwarzen Jeanshose steckten.

Ich bin nicht allein.

Schrecken und Erleichterung durchzuckten mich gleichermaßen und verliehen meinem vor Kälte steifen Körper neue Lebensgeister. Mein Oberkörper schnellte in die Höhe und ich stützte mich mit den Armen ab. Das bereute ich augenblicklich. Presslufthammer und das Karussell, in dem mein Magen unterwegs war, liefen zu ihrer Höchstform auf. Ich atmete tief ein und aus, um den Schmerz im Zaum zu halten und nicht erneut ohnmächtig zu werden.

»Willkommen in meinem Reich.« Die Stimme des Fremden grub sich unter meine Haut.

Ich kenne ihn. Bilder prasselten auf mich ein. Der Club, der Typ, unser Kuss und dann die Todesangst. Gänsehaut überzog meinen Körper.

Ich muss hier weg. Sofort.

Doch der Gedanke fror ein, als ich in seine Augen blickte. Die Angst ließ mich erstarren. Jetzt waren sie schwarz – komplett schwarz. Auch da, wo sie normalerweise weiß sein sollten.

Er ist kein Mensch.

Ich robbte zurück. Ein paar Meter schaffte ich. Dann prallte ich gegen etwas. Meine Hände griffen nach hinten, stießen auf eine Wand. Spitze Steine bohrten sich in meinen Rücken.

Leise Schritte. In aller Seelenruhe schlenderte er auf mich zu.

»Bitte … tu mir nichts.« Meine Stimme klang erbärmlich. Das Herz in der Brust raste. Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, die Angst zu unterdrücken. Gerade fühlte ich mich wie ein winselnder Hund vor seinem Peiniger. Aber das war nicht ich! Verzweifelt riss ich den Kopf herum.

Mich umgaben Wände aus unebenen Steinbrocken, jedoch keine Decke, sodass ich in den schwarzen Nachthimmel blicken konnte. Wo sind die Sterne? Oder Wolken? Der Mond?

Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Es lag nicht nur am Himmel. Ich erkannte meine Umgebung, und das, obwohl ich keine Lichtquelle ausmachen konnte. Trotzdem schien alles farblos und dumpf zu sein, als wäre es ein wolkenverhangener, dunkler Tag.

Wo bin ich? Wer ist er? Was hat er mit mir vor?

Mein Puls raste. Da hinter ihm! Eine Tür! Ich überging meinen schmerzenden Körper und sprang auf. Stürmte los. Um ihm nicht zu nahe zu kommen, schlug ich einen Bogen. Er rührte sich nicht. Ich rüttelte an dem Knauf. Verdammt. Fest verschlossen. »Lass mich raus!«

Er kam auf mich zu. »Das würde dich nicht weiterbringen. Du bist nun in meiner Welt.«

Wie ein Hammerschlag trafen mich seine Worte. Ich erstarrte mitten in der Bewegung, den Knauf noch immer in der Hand, den Blick auf die Tür gerichtet.

»Was meinst du damit?« Kaum mehr als ein heiseres Flüstern brachte ich zustande.

Der Puls in meinen Ohren rauschte. Meine schwitzigen Hände rutschten immer wieder ab.

»Nun, ihr Menschen würdet es vielleicht als Hölle bezeichnen. Tatsächlich ist es nur eine andere Dimension.« Er blieb neben mir stehen. Seine Nähe zog mich kein Stück mehr an. Ich wollte nur weg und doch verharrte ich wie gelähmt. Seine Worte brannten sich in meinen Kopf. Andere Dimension. Hölle.

»Dann … bist du der Teufel?« Ich starrte auf die Tür. Unfähig, ihn anzusehen.

»Ich bin ein Dämon.«

Ein Dämon. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Das kann nicht sein, die gibt es nicht wirklich.

Er hob die Hand und griff nach meinem Kinn. Seine Berührung traf mich wie der Stich eines Messers. Ich zuckte zusammen, wollte zurückweichen. Doch er hielt mein Gesicht fest und zwang meinen Kopf dazu, sich in seine Richtung zu drehen. »Schlecht für dich, dass meine Welt lebensfeindlich für Menschen ist. Aber keine Sorge.« Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich habe deine Lebensenergie an meine gekoppelt. So wird sie dir nicht einfach entzogen, sondern mir zugute geführt. Ich danke dir schon mal für das Opfer, das du bringen wirst, um meine Existenz zu verlängern.«

Er strich mir über die Wange. Hatte ich mich zuvor nach seiner Berührung gesehnt, würde ich nun alles dafür tun, um ihr zu entgehen. »Dich erwartet ein Jahr in meiner Welt. Dein Leid wird mein Vergnügen sein.«

Tränen liefen mir über die Wange. Seine Worte kreisten in meinem Kopf, doch mein Verstand wollte sie nicht begreifen. Es konnte einfach nicht wahr sein.

Er ließ mich los und ich taumelte zurück. Lediglich die Tür in meinem Rücken verhinderte, dass ich hinfiel.

Ich riss die Augen auf, als er sich einfach so in Luft auflöste und verschwand.

Was? Wie?

Meine Beine quittierten ihren Dienst und ich sank an der Tür herab. Hoffentlich handelte es sich nur um einen Albtraum.

Mit leerem Blick starrte ich in den Raum hinein, wartete darauf, dass ich aufwachen würde. Die Minuten zogen sich in die Länge wie Kaugummi. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich und gleichzeitig konnte ich keinen einzigen greifen.

Die Verzweiflung wollte sich zusammenbrauen und mich in den Abgrund reißen. Nein. Nicht mit mir. Ich presste die Lippen zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Auch wenn ich nicht genau wusste, was hier abging, würde ich mich nicht kleinkriegen lassen. Stattdessen würde ich kämpfen und einen Ausweg finden.

Ich nickte mir selbst zu, rappelte mich auf und ließ meinen Blick durch meine kleine Zelle schweifen. Was war das? Hinten rechts in der Ecke? Ein Loch? Mit energischen Schritten ging ich darauf zu. In der Tat, es handelte sich um ein Loch, schätzungsweise von etwa einem halben Meter Durchmesser. Ich beugte mich darüber und musste würgen. Der Geruch, der mir entgegenschlug, verriet eindeutig den Sinn und Zweck der Grube. Glücklicherweise konnte ich nicht auf den Grund sehen. Auf den Anblick von menschlichen Exkrementen konnte ich getrost verzichten. Immerhin musste ich mein Geschäft nicht direkt in meiner Zelle verrichten. Allerdings bedeutete das auch, dass der Dämon vor mir andere Menschen hier zu sich entführt hatte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit ist noch keiner entkommen.

Mein Kinn zitterte. Die Verzweiflung bäumte sich erneut auf, wollte mich übermannen. Energisch schob ich sie an die Seite. Dann würde ich halt die Erste sein.

Mehrmals drehte ich mich im Kreis. Betrachtete die Wand, versuchte zu erfassen, wo ich am besten heraufklettern könnte. Nun, Klettern lag mir nicht besonders, also brachte mir das rein gar nichts. Da half nur eins – ausprobieren.

Ich streifte meine High Heels von den Füßen, ging zu der mir nächstgelegenen Wand und tastete sie ab, um eine Stelle zu greifen, an der ich mich hochziehen konnte – zwecklos. Ab und an schaffte ich es so weit, dass ich meine Füße an der Mauer platzierten konnten. Spätestens dann rutschte ich wieder ab und schürfte mir Arme und Beine auf. Schweiß überzog innerhalb kürzester Zeit meinen Körper und die Muskeln brannten. Wie eine Besessene versuchte ich es immer wieder an unterschiedlichen Stellen. Ich konnte nicht aufgeben. Denn dann würde ich in ein Loch voller Hoffnungslosigkeit fallen.

 

Mein Körper brannte, als ich die Augen aufschlug. Die Hoffnung, in meiner Studentenwohnung aufzuwachen, zerbarst, als ich in den tiefschwarzen Himmel über mir blickte und die unüberwindbaren Steinwände registrierte, die mich in meiner Zelle einschlossen.

Wann bin ich eingeschlafen? Der Muskelkater, der jeden Bereich meines Körpers auszufüllen schien, deutete darauf hin, dass ich mich an den Wänden vollkommen verausgabt hatte. Und das ohne jeglichen Erfolg.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und Tränen schossen mir in die Augen. Nein, ich werde nicht aufgeben.

Energisch richtete ich mich auf und runzelte die Stirn, als ich neben mir eine Wasserflasche und eine Schüssel mit einem Löffel und einer weißen Pampe entdeckte. Wie auf ein Stichwort knurrte mein Magen und Durst brannte wie Säure in meinem Hals.

Ohne zu zögern, stürzte ich mich auf die Flasche, öffnete sie und trank mit gierigen Zügen. Das kühle Nass rann meine Kehle herunter und schickte neue Energie durch meinen Körper. Trotzdem riss ich mich zusammen und zwang mich, langsamer zu trinken. Anschließend griff ich nach der Schüssel. Die zähflüssige Pampe sah alles andere als appetitlich aus, dennoch knurrte mein Magen lautstark. Ich schob mir einen Löffel in den Mund.

Haferbrei? Wo hat er den denn her? Gibt es so etwas in dieser Welt?

Ich seufzte. Von allen Fragen, die durch meinen Kopf schwirrten, war diese ziemlich unbedeutend. Doch ich konnte mich mit keiner auseinandersetzen. Immer wieder schob ich sie energisch an die Seite. Besonders die an zuhause. Suchte die Polizei nach mir? Oder Kathi? Nein! Ich konnte nicht darüber nachdenken. Ließe ich meine Gedanken zu, dann würde ich durchdrehen. Also aß ich meine Schüssel leer, erhob mich und heftete meinen Blick auf die Steinwand. Aufgeben war keine Option.

 

Heiße Wut überschwemmte mich, als ich erneut von der Wand abrutschte und auf dem Boden meiner Zelle landetet. Meine Muskeln fühlten sich an wie Pudding. Seit Tagen versuchte ich meiner Zelle zu entkommen – ohne jeden Erfolg.

Tränen stiegen mir in die Augen und ich schlug mit der Faust gegen die Steine. »Du verdammte Scheißwand!«

Ich rappelte mich auf und trat gegen die Mauer. Schmerz schoss mein Bein hoch. »Fuck!« Ich durchquerte den Raum und hämmerte gegen die Tür. »Verfluchte Scheiße, ich will hier raus!«

Als wäre ein Damm in meinem Inneren gebrochen, überspülte mich der Zorn. Ich wollte nicht eingepfercht sein wie ein Hamster im Käfig. Hier drinnen gab es keine Chance, einen Ausweg zu finden.

»Du Hurensohn von einem Dämon. Lass mich sofort hier raus!« Vermutlich war es nicht sehr klug, ihn zu beleidigen. Ich sollte froh sein, dass er sich nicht mehr blicken ließ. Würde nicht nach jeder Schlafphase Wasser und Brei neben mir stehen, wäre ich mittlerweile davon überzeugt, dass der Dämon lediglich meiner Phantasie entsprang. Doch irgendwo da draußen hielt er sich auf. Vielleicht beobachtete er mich. Verhöhnte mich. Oder ich war ihm vollkommen egal. So egal wie mir eine Batterie. Wie auch immer, provozieren sollte ich ihn besser nicht.

Unglücklicherweise setzte mein Hirn aus, als ich gegen die Tür hämmerte. Wut, Hass und Verzweiflung schossen gleichermaßen durch meine Adern, während ich ihm eine Beleidigung nach der anderen entgegenschrie.

»Wenn du nicht sofort die Tür aufmachst, werde ich dich in Stücke reißen.

---ENDE DER LESEPROBE---