Ein königliches Geheimnis - Rhys Bowen - E-Book
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Ein königliches Geheimnis E-Book

Rhys Bowen

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Beschreibung

Ein Geheimnis in Ehren kann dir nicht mal der Adel verwehren – ein neuer Fall für Lady Georgie
Endlich geht die Cosy-Krimi-Reihe von Bestsellerautorin Rhys Bowen weiter

London, 1933: Lady Victoria Georgiana Charlotte Eugenie, kurz Lady Georgie, wird von der Queen mit einem geheimen Auftrag nach Nizza geschickt. Dort soll sie ohne große Aufmerksamkeit zu erwecken die unbezahlbare Schnupftabakdose der Queen wiederfinden. Vor Ort trifft Georgie auf alte Bekannte und neue Freunde, denn niemand Geringeres als Coco Chanel bittet sie um Hilfe. Doch Lady Georgie wäre nicht Lady Georgie, würde nicht plötzlich alles schief gehen, was schiefgehen kann. Als dann auch noch ein Mord geschieht und Georgies Schwarm Darcy in Begleitung einer Fremden gesichtet wird, ist das Chaos perfekt …

Erste Leserstimmen
„es gibt wieder den gleichen feinen Humor wie in den anderen Bänden“
„unter Einbeziehung von historischen Tatsachen und Gerüchten ist einen äußerst spannender und unterhaltsamer Krimi entstanden“
„der Schreibstil ist leicht zu lesen, man kann es in einem Rutsch durchschmökern“
„Rhys Browen hat es wieder geschafft, mich mit ihrem interessanten Schreibstil in eine märchenhafte Krimiwelt zu entführen“
„der Roman besitzt eine dichte Atmosphäre und die Spannung besteht aus den Höhen und Tiefen der symphatischen Prota Lady Georgie“

Weitere Titel dieser Reihe
Die königliche Spionin (ISBN: 9783960878117)
Adel verpflichtet ... zum Mord (ISBN: 9783960878124)
Königliche Verschwörung (ISBN: 9783960878131)
Adel unter Verdacht (ISBN: 9783960878148)

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Seitenzahl: 527

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Über dieses E-Book

London, 1933: Lady Victoria Georgiana Charlotte Eugenie, kurz Lady Georgie, wird von der Queen mit einem geheimen Auftrag nach Nizza geschickt. Dort soll sie ohne große Aufmerksamkeit zu erwecken die unbezahlbare Schnupftabakdose der Queen wiederfinden. Vor Ort trifft Georgie auf alte Bekannte und neue Freunde, denn niemand Geringeres als Coco Chanel bittet sie um Hilfe. Doch Lady Georgie wäre nicht Lady Georgie, würde nicht plötzlich alles schief gehen, was schiefgehen kann. Als dann auch noch ein Mord geschieht und Georgies Schwarm Darcy in Begleitung einer Fremden gesichtet wird, ist das Chaos perfekt …

Impressum

Deutsche Erstausgabe Februar 2020

Copyright © 2022 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-815-5 Hörbuch-ISBN: 978-3-98637-199-9

Copyright © September 2011 by Janet Quin-Harkin. Alle Rechte vorbehalten. Titel des englischen Originals: Naughty in Nice

Published by Arrangement with Janet Quin-Harkin. c/o JANE ROTROSEN AGENCY LLC, 318 East 51st Street, NEW YORK, NY 10022 USA.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Übersetzt von: Sarah Schemske Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © brebca stock.adobe.com: © Veronika shutterstock.com: © sakdam, © Alohaflaminggo, © Pecold, © 135pixels, © Raftel und © Vectorpocket Korrektorat: Dorothee Scheuch

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Ein königliches Geheimnis
Rhys Bowen
ISBN: 978-3-98637-199-9

Ein Geheimnis in Ehren kann dir nicht mal der Adel verwehren – ein neuer Fall für Lady GeorgieEndlich geht die Cosy-Krimi-Reihe von Bestsellerautorin Rhys Bowen weiter

Das Hörbuch wird gesprochen von Arlett Drexler.
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Dieses Buch ist Marie O’Day gewidmet,

die ich für diese Geschichte in den Adelsstand erhoben habe.

Kapitel 1

London

15. Januar 1933

Wetterbericht: Regenschauer, später Schneeregen. Ausblick: deprimierend.

Die Riviera hatte noch nie einladender ausgesehen. Die Sonne glitzerte auf dem tiefblauen Meer. Elegante Paare flanierten auf der Promenade des Anglais unter Palmen. Über allem lag der Duft von Mimosenblüten und eine Möwe glitt träge durch die Lüfte … Ich seufzte zufrieden.

„He da, pass auf, Kleine. Du verschüttest überall Suppe.“ Die verdrießliche Stimme riss mich ruckartig wieder in die Gegenwart. Ich zwang mich, meinen Blick von dem Plakat an der Wand loszureißen und ihn wieder dem zuzuwenden, was vor mir lag. Eine lange, graue Schlange schäbig gekleideter Männer, eingemummt zum Schutz gegen die bittere Kälte, wand sich durch die Victoria Station. Sie umklammerten Tassen oder Schüsseln und warteten geduldig mit gesenktem Blick oder starrten wie ich in eine Welt, die niemand sonst sehen konnte. Ich half gerade in der Suppenküche des Bahnhofs aus. Es war ein kalter, trostloser Januartag und ich fühlte mich genauso elend und durchgefroren wie die armen Schlucker, die an mir vorbeischlurften.

„Oh, du meine Güte. Tut mir leid“, murmelte ich, als ich die Suppenspur bemerkte, die auf die Wachstischdecke getropft war. „Ich habe nicht aufgepasst.“

„Schon in Ordnung, Schätzchen. Es ist sicher nicht besonders spaßig den ganzen Tag Suppe auszuteilen, nicht für eine junge Lady wie Sie.“

„Oh, das macht mir nichts aus“, sagte ich. „Nehmen Sie sich von dem Brot.“

„Herzlichen Dank, Miss.“ Halb nickte der Mann, halb verbeugte er sich. „Sie sind wirklich eine vornehme Lady.“

Damit hatte er natürlich recht. Ich bin wirklich eine vornehme Lady – genauer gesagt Lady Victoria Georgiana Charlotte Eugenie, Tochter des zweiten Duke von Glenn Garry und Rannoch, die Vierunddreißigste in der englischen Thronfolge – und ich half aus mehreren Gründen in der Suppenküche aus: Der erste war, wenig überraschend, dass ich keine richtige Anstellung finden konnte. Man hatte mir beigebracht zu knicksen, ohne hinzufallen (meistens), ich wusste, ob ein Bischof Vorrang vor einem Duke hatte (es kam darauf an, ob es ein Erzbischof oder ein königlicher Duke war), und mit welcher Gabel man Austern aß (Fangfrage: Austern schlürfte man direkt aus der Schale). Ich hatte nichts Nützliches wie Tippen oder Buchhaltung oder wenigstens Kochen gelernt. Außerdem hielt eine grässliche Wirtschaftskrise die Welt in Atem und selbst hochgebildete Leute konnten keine Arbeit finden.

Der zweite Grund, warum ich in der Suppenküche arbeitete, war, dass Ihre Majestät, die Königin, in dieser traurigen Zeit ehrenamtliche Tätigkeit für das Gemeinwohl guthieß. „Es liegt an uns, mit gutem Beispiel voranzugehen, Georgiana“, hatte sie mir mehr als einmal gesagt. Und ich musste zugeben, dass mich dieses bestimmte Ehrenamt lockte, weil ein gewisser Mr Darcy O’Mara dafür bekannt war dort auszuhelfen, wenn er in London war. Doch der wichtigste Grund dafür, dass ich selbstlos Suppe in Blechtassen schöpfte, war, dass meine Schwägerin Fig sich in unserem Londoner Haus niedergelassen hatte. Jede Ausrede vor ihr zu flüchten kam mir recht.

Nachdem ich einen Monat lang Suppe ausgeschöpft und große Töpfe voll eingebranntem Kohl geschrubbt hatte, hatte es seinen Reiz verloren. Ganz besonders weil Darcy wieder einmal verschwunden war. Ich sollte klarstellen, dass man Darcy zwar als meinen Freund bezeichnen konnte, es seine Lage aber nicht zuließ, dass er mir einen Antrag machte, da seine Familie ebenso verarmt war wie meine. Er schlug sich mit seiner Gerissenheit durch und ich hatte den Verdacht, dass er gelegentlich als eine Art Spion für die Regierung Ihrer Majestät tätig war. Letzteres hätte er allerdings niemals zugegeben. Wenn ich eine halbwegs begabte Verführungskünstlerin wie Mata Hari gewesen wäre, hätte ich ihn vielleicht in einem leidenschaftlichen Moment dazu verleiten können die Wahrheit zu verraten. Aber ich war keine und wir hatten es noch nicht getan, was an zu viel Fig und zu wenigen Gelegenheiten lag.

Mein Bruder Binky, der gegenwärtige Duke, und seine Frau verbrachten normalerweise nicht viel Zeit in unserem Londoner Haus. Binky zog das Landleben auf unserem Anwesen in Schottland vor. Aber diesen Winter war etwas Verwunderliches geschehen. Fig stand kurz davor, einen zweiten kleinen Rannoch auf die Welt zu bringen. Wie Binky den Mut gefasst hatte, mit Fig ein erstes Kind zu zeugen, war mir noch immer schleierhaft. Dass er es ein zweites Mal getan hatte, ließ auf Wahnsinn in der Familie schließen.

Jedenfalls schwoll sie an wie eine reife Wassermelone und verlangte danach, mehr verhätschelt zu werden als in den riesigen, höhlenartigen Hallen von Castle Rannoch möglich war, wo der Wind durch die Kamine heulte. Daher beschlossen sie den Winter im Rannoch House, unserem Londoner Zuhause, zu verbringen, in dem ich mehr oder weniger erfolgreich im vergangenen Jahr mein Lager aufgeschlagen hatte. Ich bin ein unbeschwerter Mensch, aber man müsste schon ein Heiliger sein, um es länger als drei Tage mit Fig auszuhalten.

Seufzend schöpfte ich eine weitere Portion in eine bereitgehaltene Tasse. Jeden Tag, während ich auf meinem Posten stand und meine Finger vor Kälte taub wurden, schaute dieses Poster der Riviera von der Bahnhofswand auf mich herab, als wollte es sich über meine momentane hoffnungslose Lage lustig machen. Und sie wurde dadurch verschlimmert, dass jeden Morgen Reisende auf dem Weg zum Fährzug Richtung Festland an uns vorbeikamen. Jedes Mal, wenn ich aufsah, liefen Gepäckträger mit Bergen von Koffern vor pelzgewandeten Ladys und gut angezogenen Männern her. Wundersamerweise schienen einige Leute mitten in dieser Wirtschaftskrise über Geld zu verfügen.

„Du bist also auf dem Weg an die Riviera, was?“ Eine Männerstimme drang durch die Schwaden der Dampfloks zu mir hinüber. „Du Glückspilz. Manche haben’s leicht. Ich muss jeden Tag ins Büro, bei jedem Wetter, weißt du. Harte Arbeit und all das. Vater verlangt es.“

„Tja, was erwartest du von einem Vater, der eine Privatbank besitzt?“, gab die zweite Stimme mit dem gleichen Eton-Akzent zurück. Dann kamen zwei junge Männer in Sicht. Einer trug Schirm und Melone, der andere war in Begleitung eines Gepäckträgers mit dem obligatorischen Kofferberg. Sie waren etwas älter als ich; ich glaubte sogar, einen von ihnen als meinen früheren Tanzpartner bei einem Jagdball wiederzuerkennen. Eine Sekunde lang trafen sich unsere Blicke fast, aber dann wanderten seine Augen weiter, ohne dass er mich erkannt hätte, so als könnte er unmöglich jemanden kennen, der eine Schürze mit Kohlflecken trug und Suppe ausgab.

„Nicht jeder von uns wird einmal einen Adelstitel und ein Anwesen erben, altes Haus“, sagte der erste Mann.

„Wir haben vielleicht noch den Adelstitel und das Anwesen, aber wir sind völlig abgebrannt, wie alle anderen auch heutzutage“, antwortete der andere. „Kann es mir dieses Jahr nicht mal leisten, im Negresco zu wohnen. Hätte ich keine Tante mit einer Villa, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Trotzdem, ein paar Besuche im Casino sollten den mageren Unterhalt, den mein Alter mir gibt, wettmachen. Mit ein bisschen Glück, was?“ Er lachte, ein übertriebenes Harharhar.

Sie entfernten sich und ihre Stimmen wurden vom Schnaufen einer Dampflok und den Rufen der Gepäckträger verschluckt. Während ich ihnen nachsah, drang eine andere Stimme deutlich durch das Stimmengemenge des Bahnhofs an mein Ohr. „Passen Sie auf mein Gepäck auf, Träger, oder das Ganze wird einstürzen.“

Ich drehte mich um und erblickte ein wahres Matterhorn aus Koffern, Reisetaschen und Hutschachteln auf einem Gepäckwagen, der von einem rot angelaufenen, sich abmühenden Gepäckträger in meine Richtung geschoben wurde. Hinter ihm, eine kleine Handtasche aus Krokodilleder in der einen und eine Zigarettenspitze in der anderen Hand, lief meine beste Freundin Belinda Warburton-Stoke.

„Belinda!“, rief ich, ließ die Suppenkelle fallen und wischte mir die Hände an meiner Schürze ab, bevor ich ihr entgegenrannte.

Sie schaute auf, einen Moment lang verwirrt, dann breitete sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, als sie mich erkannte. „Georgie! Du meine Güte. Was um alles in der Welt tust du hier?“

„Offensichtlich bin ich nicht unterwegs zum Festland wie du, du Glückliche“, sagte ich. „Ich würde dich umarmen, aber im Augenblick bin ich ziemlich mit Karotten bekleckert.“

„Ähm – ja, das sehe ich.“ Sie trat einen Schritt zurück und brachte ihren herrlichen Mantel aus Fuchspelz außer Gefahr. „Du vollbringst also immer noch deine guten Pfadfinderinnen-Taten in der Suppenküche. Du bist auf dem richtigen Weg, eine Heilige zu werden, Schätzchen.“

Ich schnitt eine Grimasse. „Alles ist besser als noch einen Tag im Rannoch House zu verbringen, wo Fig mir in den Ohren liegt, welche Last ich für sie bin und wie traurig es ist, dass ich noch nicht verheiratet bin.“ Ich musterte Belinda in ihrem langen Fuchspelz, mit ihrem hübschen kleinen Pillbox-Hut, der keck seitlich auf ihrem Kopf saß. Sie war der Glamour in Person, während ich mir meiner bekleckerten Schürze und meiner windzerzausten Haare nur zu bewusst war. „Ich hatte keine Ahnung, dass du zu Hause warst, sonst hätte ich dich besucht, um meine Laune aufzuheitern.“

„Ich war überhaupt nicht in London, Schätzchen“, sagte Belinda. Sie drehte sich zu dem Gepäckträger um, der ungeduldig in der Nähe wartete. „Bringen Sie mein Gepäck in mein Abteil. Ich komme in einer Minute nach“, befahl sie.

„Wie Sie meinen, Miss“, brummte er und schob den Gepäckwagen wieder an. Der Kofferberg wankte bedenklich, als er Fahrt aufnahm.

„Er wird wahrscheinlich alles auf die Gleise kippen“, kommentierte Belinda. „Ich bekomme anscheinend immer den einzigen nutzlosen Gepäckträger ab. Bei dieser Arbeitslosigkeit sollte man meinen, dass diejenigen, die eine Anstellung bekommen, die Besten der Besten wären, nicht wahr?“

„Wie ist es dir ergangen?“, fragte ich. „Warum habe ich nichts von dir gehört?“

Sie zuckte resigniert mit den Schultern. „Ich war zu Hause im Schoß meiner Familie, Schätzchen. Ich bin über Weihnachten heimgefahren, weil erwartet wird, dass man Zeit mit der Familie verbringt, nicht wahr, und ich für gewöhnlich einen großzügigen Scheck von meinem Vater im Weihnachtsstrumpf finde. Aber jetzt reise ich so schnell wie möglich zurück an die Riviera. In London ist es zu langweilig und trostlos und niemand, der unterhaltsam ist, ist noch dort. Unter uns gesagt habe ich wirklich Sex-Entzug. Ich bin seit Wochen nicht mehr auf meine Kosten gekommen.“

„Belinda!“, rief ich aus. Obwohl ich sie schon so lange kannte, schaffte sie es immer noch, mich zu schockieren.

Sie wirkte überrascht. „Wo es doch solchen Spaß macht.“

Ich versuchte mir vorzustellen, ob es so gut wäre, wie sie behauptete. Darcys Küsse waren in der Tat himmlisch, aber ich konnte nicht recht glauben, dass das, was danach kam, so großartig war wie Belinda mir weismachen wollte. Meine Mutter sah das anscheinend so. Sie hatte es mit unzähligen Männern auf jedem Kontinent außer der Antarktis getan.

„Ich glaube nicht, dass ich ohne Sex leben könnte“, fügte Belinda hinzu. „Ich könnte niemals eine Nonne werden.“

Ich lachte. „Dich würden sie niemals aufnehmen!“

„Was mehr ist, als jeder meiner männlichen Bekannten von sich behaupten kann.“ Sie lächelte mir durchtrieben zu, dann schwand ihr Lächeln. „Im Crockford’s war es wie im Leichenschauhaus, als ich letzte Nacht für eine schnelle Runde Glücksspiel vorbeigeschaut habe. Nur ein paar langweilige Geschäftsmänner. Kein vermögender Lebemann weit und breit.“

„Hast du etwas gewonnen?“

Belinda verzog das Gesicht. „Ich bin nicht lang geblieben. Weißt du, ich versuche nicht mit meinem eigenen Geld zu spielen, und konnte niemanden finden, der sympathique genug war, um mich zu finanzieren. Im Casino in Monte Carlo geht es freundlicher zu.“

„Du gehst also nach Monte?“ Ich versuchte, die Eifersucht in meinem Blick zu verbergen.

Belinda zögerte. „Na ja. Dieser Teil steht noch nicht ganz fest. Ich habe eigentlich keine feste Einladung von irgendjemandem.“

„Was willst du dann tun?“

„Ich hatte vor, im Negresco in Nizza zu bleiben und mich ein wenig umzusehen, aber ehrlich gesagt ist Vaters Scheck dieses Jahr weniger großzügig ausgefallen. Meine böse Stiefmutter ist schuld. Genau wie deine Schwägerin hat sie etwas dagegen, das Familienvermögen für die unverheiratete Tochter auszugeben. Also habe ich ungefähr genug Bargeld, um dorthin zu kommen, aber dann – wer weiß? Ich werde vielleicht dafür sorgen müssen, dass mein Wagen praktischerweise vor der Villa von jemandem den Geist aufgibt, wie in Rumänien.“

„Belinda. Du bist furchtbar.“

„Im königlichen Schloss hat es wunderbar funktioniert, oder etwa nicht?“ Belinda schenkte mir ein selbstgefälliges Lächeln. Plötzlich griff sie nach meinem Arm. „Ich habe eine geniale Idee. Komm mit mir, Georgie. Wir täuschen die praktische Autopanne zusammen vor. Es wäre ein solcher Spaß, nicht? Und es würde sich eher jemand unserer annehmen, wenn du bei mir wärst. Königliches Blut macht Eindruck und ich habe gehört, dass dein Cousin, der Prince of Wales, gerade am Mittelmeer überwintert. Du hättest also die perfekte Ausrede, um ihn zu besuchen.“

„Das kann ich nicht“, sagte ich, obwohl meine weniger vernünftige Seite mir einflüsterte, dass es in der Tat ein Riesenspaß wäre. „Abgesehen davon, dass ich nicht gerade passend für den Fährzug angezogen bin, wäre da noch die unbedeutende Tatsache, dass ich mir die Fahrkarte für die Reise nicht leisten kann. Und ganz bestimmt nicht das Negresco, bis wir unsere Einladung erhalten.“

„Ich würde mich ja bereit erklären, ein Zimmer mit dir zu teilen“, sagte Belinda, „aber es könnte meinem Plan in die Quere kommen.“ Sie beugte sich näher zu mir. „Ich habe nämlich einen bestimmten Kerl im Kopf.“

„Einen Neuen?“

„Selbstverständlich.“

„Und wer ist dieser neue Beau? Warum habe ich noch nichts von ihm gehört?“

„Noch ist er nicht mein Beau; tatsächlich haben wir nur ein paar Worte und einige sehr leidenschaftliche Blicke gewechselt. Vor Weihnachten saß er neben mir an der Roulettescheibe des Casinos und als ich gerade setzen wollte, legte er seine Hand auf meine, sagte: ‚Erlauben Sie mir‘ und übernahm meinen Einsatz. Und er gewann sogar! Er ist absolut traumhaft. Außerdem ist er ein französischer Aristokrat mit unglaublich langem Stammbaum, wie ich hörte, und entsetzlich reich. Aber wir hatten keine Gelegenheit, einander richtig kennenzulernen. Er bedauerte, dass er am nächsten Morgen nach Paris aufbrechen musste, aber hoffte, dass wir einander unter angenehmeren Umständen wiederbegegnen würden. Also habe ich vor, da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben.“

„Viel Glück“, sagte ich. „Tja, wenn du ihn heiratest, wirst du dich benehmen müssen. Die Franzosen erwarten von ihren Ehefrauen, dass sie furchtbar keusch und sittsam sind.“

„Aber nicht von ihren Mätressen“, sagte Belinda und lächelte listig.

„Belinda, ich mache mir Sorgen, dass du wie meine Mutter endest“, sagte ich.

„Ich finde, das Leben deiner Mutter ist alles andere als schlecht“, sagte Belinda nachdenklich und blickte in die triste, neblige Weite des Bahnhofs. „Sogar ziemlich spaßig.“

„Aber was ist, wenn sie älter wird und ihre Schönheit und ihren Sex-Appeal verliert?“

„Sie kann mit ihren Memoiren ein Vermögen verdienen. ‚Mein Leben – von der Schauspielerin zur Duchess zum Freigeist.‘ Daneben wird Lady Chatterley aussehen wie ein ‚Girl’s Own‘-Heft.“

„Ein solches Leben halte ich nicht für erstrebenswert“, sagte ich.

„Natürlich nicht. Du hast zu viel von Königin Victoria in dir. Du willst einen Familiensitz, einen Ehemann, der dich anbetet, und eine Horde Kinder um dich herum. Wir werden einfach einen zweiten Prinz Albert für dich auftreiben müssen.“

„Von denen habe ich bei der Hochzeit in Rumänien genug getroffen“, sagte ich. „Sie waren schrecklich öde und langweilig.“

„Das liegt daran, dass du sie mit Darcy verglichen hast. Wo ist er denn gerade?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich habe ihn an Weihnachten einmal gesehen, dann ist er heim nach Irland gefahren und ich habe nichts mehr gehört. Ich kann es ihm nicht verdenken. Fig ist so schroff zu ihm, wenn er es wagt, sich im Rannoch House zu zeigen. Sie hat noch nicht vergessen, wie sie mitten in der Nacht ankam und uns beide allein vorfand, ich nur im Nachthemd.“

Belindas Miene hellte sich auf. „Georgie, du hinterhältiges Stück. Also hast du es doch endlich getan.“

„Nicht ganz“, sagte ich. „Ich wollte es tun, aber ich bin eingeschlafen.“

„Du bist eingeschlafen? Das glaube ich nicht. Ich bin mir sicher, dass Darcys Liebeskünste nicht so langweilig sind.“

„Nein, er war wunderbar. Ich hatte wahrscheinlich zu viel Champagner getrunken. Er steigt mir immer zu Kopf. Wie auch immer, Fig und Binky kamen an und überraschten uns, daher hat sie Darcy seitdem nicht erlaubt, das Haus zu betreten.“

„Das ist einfach kein Zustand, Schätzchen. Wir werden dich irgendwie hier rausholen müssen. Ich werde versuchen, dir eine Einladung zu verschaffen, sobald ich in Nizza angekommen bin, und du versuchst an ein Zugticket zu kommen. Vielleicht fährt jemand, den wir kennen, mit dem Wagen Richtung Süden und hat einen Platz frei.“

„Ich kenne kaum jemanden in London“, sagte ich.

„Du kennst König und Königin, das ist mehr, als die meisten von uns behaupten können. Könnten sie dich nicht auf eine kleine königliche Reise schicken, um den im Ausland lebenden Engländern ihr Wohlwollen auszudrücken?“

„Wie albern du bist. Außerdem hast du erzählt, dass der Prince of Wales bereits dort ist.“

„Ich glaube nicht, dass er viel königliches Wohlwollen versprüht. Er ist zu sehr an einer gewissen Person interessiert.“

„Oh, Himmel, sie ist bei ihm?“

„Nach allem, was man hört.“

„Ich wette, Ihre Majestät ist außer sich.“

Vom anderen Ende des Bahnsteigs hörten wir ein lautes Pfeifen und den Ruf „Alles einsteigen“.

„Du gehst besser, sonst verpasst du deinen Zug“, sagte ich. Meine schlechte Laune war mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn Belinda lächelte mir mitfühlend zu. „Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, Schätzchen. Ich nehme nicht an, dass du in einen meiner Koffer passt?“

Ich lachte. Die Bahnhofsuhr schlug zehn. „Los, Belinda, sonst reist dein Gepäck ohne dich nach Frankreich.“

Sie beugte sich über meine schmutzige Schürze, um mich auf die Wange zu küssen. „Du wirst mir fehlen, altes Haus. Und ich werde einen Weg finden, dich aus deiner Gefangenschaft zu erlösen.“

„Wie Aschenputtels gute Fee?“

„Ganz genau. Mit Glasschuhen und allem, was dazugehört.“

Sie warf mir eine Kusshand zu, dann eilte sie zu ihrem Gleis. Ich sprach es nicht aus, aber insgeheim dachte ich, dass Belinda mich völlig vergessen würde, sobald sie wohlbehalten und umgeben von wunderschönen, braun gebrannten Männern an der Riviera war.

Kapitel 2

Rannoch House

Belgrave Square, London W. 1.

Noch immer der 15. Januar 1933

Als ich die Victoria Station verließ, regnete es – ein strömender, eiskalter, beinahe horizontaler Regen, der auf meiner kalten Haut wie Nadelstiche brannte. Am Belgrave Square angekommen fühlte ich mich völlig niedergeschlagen. Ich stieg die Stufen zum Rannoch House hinauf, wo ich zur gleichen Zeit wie die Nachmittagspost ankam. Ich hob zwei Briefe für Fig von der Fußmatte auf. Einer trug einen Stempel aus Derbyshire und die makellose Handschrift ihrer Mutter, der andere hatte eine ausländische Briefmarke. Letzterer weckte natürlich meine Neugier. Ich glaubte nicht, dass Fig jemals im Ausland gewesen wäre. Es gefiel ihr dort nicht einmal. Sie misstraute allem, was fremd war, was sogar so weit ging, dass sie sich weigerte, Hühner-Cordon-Bleu zu essen, selbst wenn wir ihr versicherten, dass das Huhn durch und durch englisch gewesen war.

Aber in dem Augenblick, als ich die Briefe auf das Serviertablett legte, drang Figs Stimme von irgendwo aus dem ersten Stock herunter. „Warum können wir nicht wie alle anderen auch an die Riviera fahren? Dieses Klima ist zu deprimierend und es tut mir nicht gut, wenn ich in meinem Zustand Trübsal blase.“

Ich konnte die Antwort, vermutlich von Binky, nicht verstehen, aber Figs schrilles, genervtes „Aber alle anderen sind dort! London ist so gut wie leer!“ war unüberhörbar.

Offensichtlich hatte Figs Gouvernante, anders als meine, ihr nicht eingebläut, dass eine Lady niemals ihre Stimme erhob. Oder vielleicht konnte man alle Regeln brechen, wenn man guter Hoffnung war. Jedenfalls war es leicht übertrieben, dass London so gut wie leer wäre. Fig war anscheinend noch nie zur Stoßzeit mit der U-Bahn gefahren.

Ich mühte mich mit meinem Schal ab und versuchte meine eiskalten Finger dazu zu bringen mir zu gehorchen. Zur Abwechslung war es im Flur angenehm warm. Seit Fig und Binky nach London zurückgekehrt waren, brannte in jedem Kamin ein Feuer und zu jeder Mahlzeit gab es ordentliches Essen. Kein Vergleich zu letztem Jahr, als ich versucht hatte, ohne Bedienstete, Heizung und Essensgeld auf mich allein gestellt zu überleben. Für diese Bequemlichkeiten könnte ich vielleicht sogar lernen, mich an Fig zu gewöhnen …

In diesem Augenblick tauchte unser Butler Hamilton auf, der jenen unheimlichen sechsten Sinn besaß, der Butlern sagte, dass jemand eingetroffen war, egal, wie leise man schlich.

„Willkommen zu Hause, Mylady. Höchst unfreundliches Wetter, wie ich höre.“ Er half mir aus meinem durchnässten Mantel. „Soll ich Ihr Dienstmädchen anweisen, Ihnen ein Bad einzulassen? Der Tee wird in Kürze serviert.“

Wie aufs Stichwort erschien Fig auf dem oberen Treppenabsatz.

„Ich dachte, ich hätte Stimmen aus dem Flur gehört“, sagte sie und stieg vorsichtig mit einer Hand am Geländer die Treppe hinunter, wobei sie versuchte, so zerbrechlich wie die Kameliendame auszusehen. Das gelang ihr nicht ganz, da sie so robust gebaut war wie ein Pferd und ihre Haut von langen Aufenthalten an der frischen Luft gerötet war. „Ich glaube, wir nehmen den Tee heute im Morgensalon, Hamilton. Dort ist es so viel gemütlicher.“

„Ich weiß noch, dass du einmal unseren amerikanischen Gästen gesagt hast, dass niemand jemals den Morgensalon nach dem Mittagessen betreten würde.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen, sie daran zu erinnern.

„Sparsamkeit, Georgiana. In einem kleinen Zimmer verbraucht man weniger Kohlen. Leider muss man die Regeln anpassen. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde, aber so ist es nun einmal.“ Sie warf mir einen finsteren Blick zu. „Du siehst aus wie eine nasse Katze, Georgiana“, kritisierte sie. „Geh und nimm um Himmels willen ein Bad – wenn dein Dienstmädchen es schafft eines einzulassen, ohne wieder alles unter Wasser zu setzen. Also wirklich, bei diesem Mädchen ist jede Hoffnung verloren. Sag Lady Georgiana, wobei du sie heute Morgen ertappt hast, Hamilton.“

Hamilton hustete peinlich berührt. Es war gegen den Dienstbotenkodex, sich gegenseitig anzuschwärzen. „Es war wirklich nicht wichtig, Euer Gnaden, und ich habe mit dem Mädchen gesprochen.“

„Er hat sie gebeten ihm dabei zu helfen das Silber zu putzen. Und weißt du, was sie getan hat?“ Figs schneidende Stimme schallte durch die Treppe und bis zum Balkon darüber. „Sie hat ihren Rock angehoben und angefangen, die Salzdose mit ihrem Flannelunterrock zu polieren. Kannst du dir das vorstellen?“

Ich fand das ziemlich lustig, versuchte aber, ein ernstes Gesicht zu machen. „Damit spart man Putzlappen, schätze ich“, sagte ich.

„Sie hat behauptet, dass ihre ‚alte Mutti‘ es immer so gemacht hätte“, fuhr Fig fort und beobachtete mich triumphierend, als wäre ich diejenige, die erwischt worden war. „Hoffnungslos, Georgiana, einfach hoffnungslos. Du kannst doch sicher jemand Besseren finden?“

„Mit einem Unterhalt, der gleich null ist, kann man es sich nicht leisten, ein erstklassiges Dienstmädchen zu bezahlen“, sagte ich liebenswürdig. „Was genau der Betrag ist, den ich gerade von dem Konto der Rannochs bekomme.“

Fig lief rot an. „Binky ist nicht verpflichtet, weibliche Verwandte über ihr einundzwanzigstes Lebensjahr hinaus zu unterstützen“, sagte sie, „selbst, wenn er das Geld dafür hätte, was nicht der Fall ist. Die Zeiten sind sehr hart, Georgiana. Wir sparen ohnehin an allen Ecken und Enden und ich halte es für ausgesprochen großzügig von Binky dir zu erlauben, bei uns im Rannoch House zu leben.“

„Das wird sich Aschenputtel auch gedacht haben“, sagte ich.

Hamilton hüstelte wieder, um dieses Gespräch nicht mithören zu müssen. „Ich werde das Mädchen anweisen Ihr Bad einzulassen, in Ordnung, Mylady?“

„Mach dir keine Mühe, Hamilton, ich gehe sowieso nach oben. Ich kann es selbst einlassen.“

„Selbst, Mylady?“ Sein Tonfall deutete an, dass ich vorhatte, im East End Fisch von einem Karren zu verkaufen.

„Es ist wirklich nicht so schwer. Man dreht zwei Wasserhähne auf und steckt einen Stöpsel ein“, sagte ich. „Ich habe es schon mal gemacht.“

„Wie Sie wünschen, Mylady.“ Hamilton verbeugte sich und zog sich hinter die mit Fries bespannte Tür zum Dienstbotentrakt zurück.

„Also wirklich, Georgiana, du musst lernen etwas vernünftiger zu werden“, sagte Fig. „Man muss Bediensteten erlauben ihrer Arbeit nachzugehen. Sie werden faul, wenn man ihnen nicht ständig Aufgaben gibt. Und dein Mädchen ist ohnehin fauler als die meisten anderen. Du musst ein ernstes Wörtchen mit ihr reden und wenn du es nicht tust, werde ich das übernehmen.“

Ich seufzte und schleppte meine erschöpften Beine die Treppe hinauf. Man unterschätzt, wie ermüdend es ist stundenlang zu stehen. Gehen ist kein Problem. Ich konnte den ganzen Tag durch das Heidekraut marschieren, aber mit kalten Füßen an Ort und Stelle zu stehen war verflixt unbequem. Ich legte einen Zwischenstopp im Badezimmer im zweiten Stock ein und drehte das Wasser voll auf, dann ging ich in mein Schlafzimmer. Die Vorhänge waren zugezogen und das Zimmer lag im Halbdunkel. Ich warf meine Jacke auf das Bett.

Ein Schrei ertönte. Ich glaube, ich schrie im selben Augenblick, denn eine Gestalt erhob sich aus meinen Bettlaken. Mein Herz raste noch, als ich Queenies rundes, geistesabwesendes Gesicht erkannte.

„Queenie. Warum liegst du in meinem Bett?“

Sie erhob sich gemächlich und streckte sich wie eine Katze. „Entschuldigung, Miss. Ich muss eingenickt sein. Nach meinem Abendessen werd’ ich immer ’n bisschen schläfrig, besonders wenn es Pampe gibt. Sie wissen schon, Steak-and-Kidney-Pudding. Und in letzter Zeit gab es oft Pampe, das können Sie mir glauben.“

„Das liegt daran, dass Ihre Gnaden, die Duchess, versucht zu sparen“, sagte ich.

„Wenn sie meint“, gab Queenie zurück. „Mir ist aufgefallen, dass sie sich heute Morgen ein halbes Glas Cooper’s Oxford Marmelade auf ihren Frühstückstoast gestrichen hat, als sie dachte, niemand würde hinsehen.“

„Queenie, es steht dir nicht zu deine Arbeitgeber zu kritisieren“, antwortete ich, obwohl ich mich insgeheim freute das gegen Fig verwenden zu können, wenn es nötig war. „Die Zeiten sind hart und Ihre Gnaden spart, wie sie es für richtig hält. Du hast Glück, dass du in diesem Haus Essen und Kleidung erhältst. Es gibt genügend Mädchen, die darauf warten deinen Platz einnehmen zu können, weißt du.“

„Tut mir leid, Miss. Mein alter Paps hat immer gesagt, wenn er das Geld hätte, würd’ er jemandem tausend Mäuse bezahlen, um mich loszuwerden.“

„Und zum millionsten Mal, Queenie, lass uns bitte versuchen eine Sache klarzustellen. Ich bin Lady Georgiana Rannoch, daher bin ich keine Miss. Ich bin eine Lady. Also solltest du mich mit ‚Mylady‘ und nicht mit ‚Miss‘ ansprechen. Kannst du nicht wenigstens versuchen es richtig zu machen?“

„Ich geb’ mir Mühe, Miss – da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt, ich hab’s schon wieder getan, was? Mein alter Paps hat immer gesagt, ich müsste Zwillinge sein, weil eine Person allein gar nicht so blöd sein kann. Ich geb’ mir Mühe … M’lady … aber es rutscht mir einfach raus. Ich meine, Sie sehen wie ’ne Miss aus, nich’? Sie haben keine Krone auf dem Kopf oder gucken überheblich oder so. Nich’ wie die da unten, die mich anschaut, als wär’ ich ein Straßenköter.“

„Queenie, das reicht. Geh und kümmere dich darum, dass mein Bad nicht überläuft, dann komm zurück und leg mir etwas Passendes zum Dinner heraus – ein Dinnerkleid, Queenie. Keinen Tweedrock. Nicht meinen Ski-Pullover. Das grüne Samtkleid ist in Ordnung.“

„Ähm, Entschuldigung, Miss, aber ich hab’s nich’ ganz geschafft, den kleinen Fleck aus dem Rock zu entfernen. Erinnern Sie sich dran, dass Sie ein bisschen Bratensoße drauf gekleckert und mich gebeten haben sie zu entfernen?“

„Das ist schon in Ordnung. Ich denke nicht, dass es etwas ausmacht, wenn noch ein oder zwei Tropfen darauf sind.“

Queenie zog ihre kleine Stupsnase kraus. „Es ist ’n bisschen mehr als ein Tropfen, wie Sie sehen werden.“

Mit einer düsteren Vorahnung öffnete ich den Kleiderschrank. Auf einer Seite des grünen Samtrocks war ein Kreis von etwa sechs Zoll Durchmesser, in dem der Samt völlig abgerieben war. Es sah aus wie ein Labrador, der eine Hautirritation bekommen und den man stellenweise kahlrasiert hatte.

„Queenie!“ Ich stieß ein entnervtes Seufzen aus. „Was hast du dieses Mal angestellt?“

„Ich hab’s nur ein bisschen geschrubbt, mit Ihrer Nagelbürste, wissen Sie. Die Bratensoße hat dran geklebt wie Zement.“

„Die Bratensoße war nur ein kleiner Fleck, Queenie. Du hast aus einem Fleck eine riesige Katastrophe gemacht. Wenn du nicht weißt, wie man Samt reinigt, hättest du einen der Bediensteten fragen können.“

„Die mögen mich nich’, Miss. Sie halten mich für eine stinknormale Bürgerliche.“

„Geh und kümmere dich um mein Bad“, fuhr ich sie an. „Und ich muss nachsehen, ob ich noch Kleider habe, die du noch nicht ruiniert hast.“

Ich hatte noch nie in diesem Tonfall mit ihr gesprochen. Ihre Augen öffneten sich weit und füllten sich zu meinem Entsetzen mit Tränen. „Es tut mir leid, M’lady, wirklich wahr. Ich weiß, dass ich tollpatschig bin. Ich weiß, dass ich hoffnungslos bin, aber ich geb’ mir so viel Mühe.“

Ich fühlte mich grässlich, als sie mit gesenktem Kopf wie ein geprügelter Hund davonschlich. Ich wusste, dass ich sie entlassen sollte, aber sie war mir merkwürdigerweise ans Herz gewachsen. Sie war mit mir an die Grenzen Europas gereist. Im Angesicht der Gefahr war sie ganz schön mutig gewesen und hatte selbst in den widrigsten Umständen weder geklagt noch darum gebettelt nach Hause zu dürfen. Und da war noch die Tatsache, dass sie mich nicht viel kostete – abgesehen von Schneiderrechnungen für Änderungen an meinen ruinierten Röcken.

Kapitel 3

Rannoch House

Noch immer der 15. Januar 1933

Nach einem heißen Bad fühlte ich mich weitaus besser und ging nach unten, wo Tee und Toast – und vielleicht sogar eine Scheibe Victoria-Biskuitkuchen – bereitstanden. Ich wollte gerade den Morgensalon betreten, als ich Figs Stimme vernahm.

„Es ist wie ein Wunder, nicht wahr, Binky? Eine Antwort auf unsere Gebete.“

Ich blieb vor der Tür stehen und überlegte, was das für ein Wunder sein könnte. Erwartete Fig Zwillinge? Hatte sie eine unerwartete Erbschaft gemacht?

„Ich schätze, die Reisekosten können wir irgendwie aufbringen“, antwortete Binky zögernd.

„Unsinn. Wir sparen sogar Geld. Wir werden schließlich bei ihnen essen und müssen dieses Haus nicht heizen. Wir können die Bediensteten zurück nach Schottland schicken und das Haus schließen.“ Ich wollte gerade eintreten, als sie hinzufügte: „Du lieber Himmel, was sollen wir mit Georgiana machen? Ich hoffe, sie wird nicht zu viele Probleme machen, wenn sie hinausgeworfen wird.“

„Wir können sie nicht hinauswerfen“, widersprach Binky. „Ich bin für sie verantwortlich. Wir nehmen sie mit.“

„Sie mitnehmen?“ Figs Stimme wurde so schrill, dass ich sie auch gehört hätte, wenn ich nicht mein Ohr gegen die Tür gepresst hätte.

„Es wird ihr guttun. Großartige Gelegenheit ein paar passende Burschen kennenzulernen und einen Ehemann zu finden.“

Ich blieb wie angewurzelt mit der Hand auf dem Türknauf stehen und kam vor Spannung fast um. Wohin wollten sie und würde ich mitkommen wollen, selbst wenn Fig zustimmte?

„Wir haben ihr schon genügend Möglichkeiten gegeben, sich einen Ehemann zu suchen“, sagte Fig eisig. „Wir haben ihre Saison bezahlt, oder etwa nicht? Und sie ist gerade erst von einer Reise zurückgekommen, bei der sie mit den heiratsfähigsten jungen Adligen Europas auf engstem Raum war. Sie hat den armen Prinz Siegfried abgewiesen. Bei ihr ist jede Mühe vergeblich, Binky. Sie wird als alte Jungfer oder als Mätresse enden, wie ihre Mutter.“

„Oh, das ist aber nicht nett, altes Haus.“

„Nun, sie ist noch nicht verheiratet, oder? Sie ist zweiundzwanzig. Die Blüte der Jugend lässt bereits nach. An allem ist dieser dahergelaufene O’Mara schuld.“

„Er ist nicht dahergelaufen, Fig. Er ist der Nachkomme eines Adligen, genau wie du und ich.“

„Und Ire. Dort drüben gelten andere Verhaltensregeln. Und seine Familie ist bankrott. Er hat keine Erbschaft und keinen Beruf. Er wird es sich niemals leisten können, eine Ehefrau zu unterhalten, wie ich Georgiana bereits gesagt habe. Alles ist seine Schuld. Er hat sie verführt, Binky, und jetzt denkt sie nicht einmal im Traum daran, eine passende Partie einzugehen.“

„Vielleicht wird sie an der Riviera jemanden treffen“, sagte Binky. Bei dieser Bemerkung riss ich meine Augen weit auf. „Romantische Umgebung und so, meinst du nicht?“

„Binky, so gern ich deiner Schwester dabei helfen würde, einen geeigneten Ehemann zu finden, muss ich dir widersprechen. Weißt du, wie viel eine Fahrkarte für den Train Bleu kostet? Wir werden auch für mein Dienstmädchen aufkommen müssen und du kannst nicht auf Frederick verzichten – wir schicken sie natürlich dritter Klasse in einem gewöhnlichen Zug hinterher, aber die Kosten werden dennoch beträchtlich sein.“

„Was soll denn dann mit Georgie passieren? Sie kann hier nicht mitten im Winter ohne Heizung und ohne Bedienstete wohnen.“

„Natürlich nicht“, drang Figs ungeduldige Stimme zu mir. „Das Haus muss ordentlich geschlossen werden. Sie wird wohl nach Schottland zurückgehen müssen, wenn sie weiterhin von unserer Mildtätigkeit leben will. Wir müssen Castle Rannoch ohnehin am Laufen halten. Wenn sie abreist, kann sie Klein-Podge mitnehmen und ihm Unterricht geben. Er ist beinahe vier, es ist an der Zeit, dass er lesen und schreiben lernt.“

„Du willst unseren Sohn zurück nach Schottland schicken, Fig? Glaubst du nicht, dass er mit uns die Sonne und das Meer genießen sollte?“

„Kinder gedeihen am besten bei strenger Routine, Binky. Und es würde zwei weitere Fahrkarten nach Frankreich bedeuten. Wir müssten auch die Fahrt für sein Kindermädchen zahlen.“

„Also ich finde, der Knirps sollte mitkommen“, sagte Binky nachdrücklicher als er für gewöhnlich mit Fig sprach. „Ich hatte nie viel von meinen Eltern. Meine Mutter starb, als ich ein Säugling war, wie du weißt, und mein Vater war immer unterwegs. Ich wurde in Schottland bei meinem Kindermädchen gelassen und dann bei der erstbesten Gelegenheit ins Internat verfrachtet. Ich weiß, wie einsam sich das angefühlt hat.“

„Nun gut, wenn du darauf bestehst.“ Fig seufzte. „Für ihn werden wir wohl keine weitere Fahrkarte brauchen, wenn er in unserem Zugabteil ist. Aber bei Georgiana bleibe ich standhaft. Das Geld haben wir einfach nicht, Binky. Wirklich nicht. Du musst hart sein, aber bring es ihr schonend bei. Wir würden sie liebend gern mitnehmen, aber es ist wirklich nicht machbar.“

Ich stand mit klopfendem Herzen und einem quälenden Gefühl der Unentschlossenheit vor der Tür. Natürlich wollte ich liebend gern an die Riviera, aber auch, wenn es bedeutete, auf engstem Raum mit Binky und Fig zu sein? Eines war sicher – ich wollte nicht nach Castle Rannoch verbannt werden, um den Winter allein in der schottischen Wildnis zu verbringen. Etwas musste getan werden und zwar schnell. Ich holte tief Luft und betrat das Zimmer.

Sie sahen beide auf – Binky schuldbewusst, Fig feindselig – als ich hereinkam.

„Oh, gut. Der Tee ist fertig“, sagte ich und schenkte ihnen ein, wie ich hoffte, strahlendes, harmloses Lächeln. „Ich verhungere, nachdem ich den ganzen Tag in diesem kalten Wind gestanden habe.“

„Du leistest hervorragende Arbeit, Georgie“, sagte Binky. „Absolut erstklassig. Nicht wahr, Fig?“

„Sie hat schließlich nicht viel anderes zu tun“ sagte Fig kühl.

„Aber verflixt noch mal, Fig. Nicht jeder würde den ganzen Tag in der eisigen Kälte an diesem verdammten Bahnhof stehen. Wie auch immer, wir sind stolz auf dich, altes Haus. Außerdem ist die Königin stolz auf dich. Das hat sie mir neulich gesagt. Sie meinte, du gehst mit gutem Beispiel voran und hättest mehr Pflichtbewusstsein als ihr ältester Sohn – der, wie ich höre, gerade auf Reisen ist.“

„Es tut Georgiana gut beschäftigt zu sein“, sagte Fig und verteilte großzügig Erdbeermarmelade auf einer Scheibe Toast. „Weißt du noch, was wir in der Kinderstube gelernt haben – wer rastet, der rostet!“

„Ich hätte liebend gern eine richtige Arbeit, wenn es irgendwo welche gäbe“, sagte ich. „Ihr solltet mal einige der Männer sehen, denen ich Suppe serviere – sie sehen eleganter aus als wir. Heute trug einer seine Kriegsmedaillen. Er tat mir so leid und ich war so wütend darüber, dass ich nichts tun konnte, um ihm zu helfen.“

„Jeder macht schwere Zeiten durch, Georgiana“, sagte Fig. „Schau dir an, wie wir am Hungertuch nagen.“ Mit diesen Worten schob sie sich die letzte Scheibe Toast mit einem Berg Marmelade in den Mund.

„Wie auch immer, Georgie“, sagte Binky. „Fig hat eben gute Neuigkeiten bekommen. Erinnerst du dich an ihre Schwester Ducky, die den alten Foggy Farquar geheiratet hat? Nun, sie haben diesen Winter ein Haus an der Riviera gemietet –“

„Für Foggys Gesundheit, musst du wissen“, warf Fig ein.

„- und sie haben uns zu sich eingeladen“, schloss Binky.

„Ich glaube, Mummy hat ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt, damit sie uns einladen“, gab Fig unumwunden zu. „Normalerweise ist Ducky nicht besonders gastfreundlich.“

Das lag offensichtlich in der Familie.

„Es ist so, Georgie, dass wir nach Südfrankreich aufbrechen, sobald wir die Fahrkarten gebucht haben.“ Er machte eine lange Pause, dann fügte er hinzu: „Und natürlich würden wir dich gern mitnehmen, nicht wahr, Fig?“

„Du meine Güte, liebend gern“, sagte ich schnell.

Fig verschluckte sich an ihrem letzten Bissen Toast. „Was Binky sagen will, ist, dass wir dich gern eingeladen hätten, uns die zusätzliche Fahrkarte aber einfach nicht leisten können. Ich weiß nicht einmal, wie wir unsere eigenen Fahrkarten bezahlen sollen, aber in meinem Zustand – nun, der Arzt meinte, Meeresluft wäre eine wahre Wohltat für mich. Also hoffe ich, dass du nicht zu enttäuscht bist.“

„Oh nein, kein bisschen“, sagte ich und bemühte mich erfreut zu klingen.

„Vielleicht kannst du nachkommen. Wenn wir von jemandem hören, der mit dem Wagen nach Südfrankreich fährt, werden wir uns erkundigen, ob du mitfahren kannst“, sagte Binky. Fig verschluckte sich wieder an einem Brösel.

„Aber der Punkt ist, dass wir dieses Haus für den Winter ordentlich schließen möchten, Georgiana“, sagte sie. „Selbst eine Person kann über den Winter eine riesige Menge Kohlen verbrauchen. Ich fürchte, du musst zurück nach Schottland fahren, es sei denn, du findest jemanden in London, bei dem du bleiben kannst.“

„Das ist kein Problem“, sagte ich. „Es gibt einen Ort, an dem ich immer willkommen bin.“

„Tatsächlich?“ Sie schauten mich beide an.

„Natürlich. Ich kann bei meinem Großvater wohnen.“

Das löste bei Fig einen beeindruckenden Hustenanfall aus.

„Dein Großvater?“, fragte sie, als sie sich erholt hatte. „Du meinst diesen alten Cockney? Der in Essex?“ Bei ihrem Tonfall hätte man meinen können, sie spräche von der Mongolei.

„Nun ja, mein anderer Großvater, der alte Duke, ist schon seit über zwanzig Jahren tot“, sagte ich. „Ich habe nicht vor, ein Lager an seinem Grab aufzuschlagen. Mein lebendiger Großvater sagt mir immer wieder, dass ich in seinem Haus jederzeit gern gesehen bin, selbst wenn es verglichen mit diesem eine bescheidene Bleibe ist.“

Ich bemerkte, dass Binky und Fig einen schnellen Blick austauschten.

„Du kannst nicht in Essex wohnen. Das ist ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse, wenn sie es herausfindet“, sagte Fig.

„Und die Königin wäre erzürnt.“ Nun wirkte Binky höchst besorgt. „Schau mal, altes Haus. Das ziemt sich einfach nicht. Ein Mitglied der Königsfamilie, selbst wenn es nur ein kleiner Zweig der Familie ist, kann nicht einfach im Cottage eines Bürgerlichen unterkommen.“

„Es ist sogar ein Reihenhaus“, sagte ich. „Außerdem habe ich keine andere Möglichkeit. Ich will nicht ganz allein in Schottland sein und ihr schließt dieses Haus. Was soll ich denn eurer Meinung nach tun – unter der Brücke schlafen und mich in der Suppenschlange einreihen?“

Binky zuckte zusammen. Er war eine gute Seele, nur hoffnungslos nachgiebig, wenn es um Fig ging. Ich beobachtete, wie er auf seiner Lippe kaute.

„Wie wäre es damit“, sagte er, „ich werde sehen, was ich tun kann. Wir finden schon eine Lösung, das verspreche ich dir.“

Meinte er damit, dass sie doch das Geld für meine Fahrkarte auftreiben würden? Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht.

***

Meine Hoffnung mit ihnen nach Frankreich zu reisen erhielt am nächsten Morgen einen Dämpfer. Als ich nach unten kam, hörte ich Binky, der anscheinend mit einer Reiseagentur telefonierte.

„Es kostet wie viel?“ Seine Stimme wurde eine Oktave höher. „Für ein Abteil? Ja, mir ist bewusst, dass der Train Bleu etwas Besonderes ist und dass er den unbequemen Zugübergang in Paris überflüssig macht. Und ja, mir ist bewusst, dass er auch Millionärszug genannt wird, aber wir sind nicht alle Millionäre, müssen Sie wissen. Und nein, ich würde niemals in Betracht ziehen einen anderen Zug zu nehmen, unverschämte Abzocke.“

Er legte den Hörer auf und kam mir auf der Treppe entgegen. „Ich hatte keine Ahnung, dass es so teuer ist. Aber in ihrem Zustand kann ich ihr doch nicht zumuten umzusteigen und mit dem Taxi durch Paris zu fahren.“ Er sah mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck an. „Verflixt und zugenäht, Georgie. Ich wünschte, die Dinge wären nicht so verflucht kompliziert. Vater und Großvater mussten nie jeden Penny zweimal umdrehen. Ich fühle mich wie ein hoffnungsloser Versager.“

„Es ist nicht deine Schuld“, sagte ich.

Binky nickte. „Aber ich kann mir nicht helfen, ich glaube, wenn ich ein geschäftstüchtigerer Bursche wäre, könnte ich unsere Lage verbessern. Ich könnte gewerblichen Ackerbau betreiben.“

„In den schottischen Highlands wächst nichts. Das weißt du. Und du hast die besten Ländereien schon verkauft. Vielleicht sollte ich einen Millionär heiraten, um uns beiden zu helfen.“

Binky legte mir eine Hand auf die Schulter. „Du bist ein guter Mensch, Georgie, aber heirate niemals aus Pflichtgefühl. Das Leben kann furchtbar lang werden, wenn man es mit jemandem verbringen muss, denn man nicht besonders leiden kann.“ Er warf einen Blick in Richtung Treppe. „Ich hatte natürlich Glück“, fügte er lautstark hinzu. „Ich wurde Fig vorgestellt und – tja …“

Ich hatte nicht gewusst, dass er ein so guter Lügner war.

Binky seufzte. „Ich schätze, ich sollte mich mit dem Bankberater unterhalten. Fig hat sich die Reise in den Kopf gesetzt, also darf ich sie nicht enttäuschen. Ich wünschte wirklich, wir könnten dich irgendwie mitnehmen.“

„Mach dir keine Gedanken“, sagte ich. „Irgendetwas wird sich finden.“

„Ich werde mein Bestes für dich geben, Georgie“, sagte er. „Tja, ich begebe mich wohl besser in die Höhle des Löwen.“

Er zog seinen Mantel über und stapfte in den Regen hinaus. Ich machte mich auf den Weg zu meiner Arbeit an der Victoria Station. An diesem Tag schienen besonders viele und besonders gutgelaunte Leute zum Festland zu reisen. Ich beobachtete sie und wagte nicht zu hoffen, dass ich ihnen bald folgen würde.

Um vier Uhr kam ich nach Hause und fand Binky und Fig im Morgensalon vor, wo sie wieder ihren Tee tranken. Fig hatte die Füße hochgelegt und eine Decke um ihre Beine gewickelt.

„Es ist alles geregelt, Georgiana“, sagte sie. „Wir reisen morgen ab. Mummy und Daddy waren so gut, uns das Geld für unsere Fahrkarten zu schicken. Sie machen sich große Sorgen um meine Gesundheit, musst du wissen. Ich habe normalerweise eine so robuste Konstitution.“

„Ihr reist morgen ab?“, fragte ich und schaute von einem zum anderen. „Aber wolltet ihr nicht das Haus schließen? Was ist mit mir?“

„Wir dachten, das könntest du für uns tun“, sagte Fig. „Da du Erfahrung damit hast. Wir können dir doch anvertrauen zu kontrollieren, ob die Bediensteten alles zusammenpacken und das Haus ordentlich geputzt hinterlassen. Dann kannst du die Schlüssel in Binkys Club abgeben.“

„Und wohin soll ich dann gehen?“

Binky lächelte. „Habe dir nicht gesagt, dass ich eine Lösung für dich finden würde? Tja, ich habe mich mit dem Sekretär Ihrer Majestät unterhalten. Famoser Bursche. Sein jüngerer Bruder ist mit mir zur Schule gegangen – und das Ergebnis ist, dass I. M. möchte, dass du sie morgen früh besuchst.“

Die Königin? Was um alles in der Welt wollte sie von mir? Sie wollte bestimmt nicht meine Fahrkarte nach Frankreich bezahlen. Binkys Stolz hätte nicht zugelassen, seine momentane Geldnot zu erwähnen, und ich war mir sicher, dass sie mich nicht im Palace aufnehmen wollte. So langsam fühlte ich mich wie Alice im Wunderland, die den Kaninchenbau hinabstürzte und zusah, wie alles verquerer und verquerer wurde.

Kapitel 4

17. Januar 1933

Binky und Fig brechen an die Riviera auf. Ich soll um zehn im Buckingham Palace sein. Ich frage mich, was I. M. mit mir vorhat. Was soll ich nur anziehen? Oh je.

Als ich aufwachte, herrschte Chaos. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass Queenie vergaß mir meinen Morgentee und Kekse zu bringen, weil sie entweder verschlief oder so in ihr eigenes Frühstück vertieft war, dass sie die Zeit aus den Augen verlor. Beim Aufstehen vernahm ich merkwürdige Geräusche von unten – Stimmen wurden laut, jemand weinte und schwere Gegenstände krachten zu Boden. Hätten wir uns in unserem schottischen Schloss befunden, hätte ich den Überfall eines gegnerischen Clans oder wenigstens einen Jagdausritt vermutet, aber in London wurde selten gejagt. Ich griff nach meinem Morgenmantel, öffnete die Tür und spähte hinaus.

Ein Lakai und ein Dienstmädchen mühten sich im Erdgeschoss mit einem großen Koffer ab.

„Geht vorsichtig damit um.“ Figs schrille Stimme übertönte das Geheul, während der Koffer auf den Berg von Gepäckstücken gewuchtet wurde, der sich im Eingangsflur auftürmte. „Ist das Taxi schon da, Binky?“ Dann drehte sie sich zu Podge um. „Kindermädchen, tun Sie um Himmels willen etwas, damit er aufhört zu weinen. Das Geräusch verursacht mir Kopfschmerzen. Podge, wenn du vor den Bediensteten so weinst, bist du eine Schande für die Familie.“

Ich sah meinen Neffen Podge (dessen richtiger Name Hector Hamish Robert George, Viscount Garry lautete), der sich an seinem Kindermädchen festklammerte und heulte. In diesem Moment bemerkte er mich, machte sich von seinem Kindermädchen los und rannte mir die Treppe herauf entgegen. „Tante Georgie, ich muss mit einem Zug in ein anderes Land fahren und darf meine Spielzeugsoldaten nicht mitnehmen.“

„Du fährst an einen Strand“, sagte ich. „Du wirst keine Spielsachen brauchen. Sammelst du ein paar Muscheln für mich?“

Er sah verwirrt aus. „Kommst du nicht mit?“

„Ich fürchte nein, Podge.“ Ich wollte schon sagen, dass seine Eltern nicht für mich zahlen wollten, aber das kam mir etwas unfair vor. „Ich bin zurzeit sehr beschäftigt“, schloss ich.

„Ich will, dass du mitkommst.“ Er fing wieder an zu weinen, als Binky von der Haustür her ankündigte: „Der Wagen ist da.“

„Komm schon, Podge. Verabschiede dich von Tante Georgie“, sagte Fig ungeduldig.

Ich umarmte ihn. Er klammerte sich an mich.

„Siehst du“, sagte Fig zu Binky, der die Tür für den stetigen Strom an Bediensteten und Gepäck aufhielt, „ich habe dir doch gesagt, dass wir ihn heim nach Schottland hätten schicken sollen. Er kommt ganz durcheinander. Wahrscheinlich wird er die ganze Nacht im Zug weinen und alle stören.“

„Natürlich nicht. Du wirst doch ein großer Junge sein, nicht wahr, Podge?“

Podge nickte unter Tränen und griff nach der Hand seines Kindermädchens, als sie ihn hinausführte. Ich sah ihnen mit einem Kloß in der Kehle nach.

„Ach, Georgiana, wir können uns doch darauf verlassen, dass du kontrollierst, dass das Haus ordentlich geschlossen wird.“ Fig drehte sich zu mir um, während sie auf die Eingangstür zusteuerte.

„Macht euch keine Sorgen“, sagte ich.

Ich bemerkte, dass sie nicht zu mir kam, um mich zu umarmen. Binky versuchte, die Bediensteten und das Gepäck zu dirigieren. „Tschüs, altes Haus“, rief er mir zu. „Tut mir wirklich leid, dass du nicht mitkommen kannst. Ich hoffe, heute Vormittag bei der Königin findet sich eine Lösung.“

Und schon waren sie fort.

„Wollten Sie Ihren Tee im Bett, Miss, oder sind Sie schon wach?“ Queenie war mit dem Teetablett in der Hand erschienen.

„Du kommst ungefähr eine Stunde zu spät und wie du siehst, bin ich bereits aufgestanden“, sagte ich. „Sag der Köchin, dass ich heute Morgen gern ein richtiges Frühstück hätte.“

Wenigstens würde ich meine letzten Tage hier nutzen, um ihnen dabei zu helfen das Essen aufzubrauchen. Unsere Köchin, Mrs McPherson, die schon immer eine Schwäche für mich hatte, schickte ein perfektes Frühstück nach oben: Schinken, Nierchen, Tomaten, Pilze, gebratenes Brot und zwei Eier.

Ich langte ordentlich zu, dann ging ich nach oben, um angemessene Kleidung für meinen anstehenden Besuch im Palace herauszusuchen. Zum Glück hatte Queenie noch nicht versucht, mein gutes Tweed-Kostüm zu reinigen!

Je näher ich dem Buckingham Palace kam, desto beklommener fühlte ich mich. Geht es nicht jedem so? Zwar leben dort meine Verwandten, aber die Verwandten anderer Leute wohnen für gewöhnlich nicht in riesigen grauen Steinpalästen, die von schmiedeeisernen Toren und Wachen in roten Mänteln umgeben waren. Und die Verwandten anderer Leute waren für gewöhnlich nicht Königinnen und Kaiserinnen, die über Millionen und Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt herrschten. Ich gehörte zu den Personen, deren Gliedmaßen ihnen nicht mehr gehorchten, wenn sie nervös wurden. Im besten Fall stolperte ich über Teppiche und stieß Blumenvasen von Tischen, also könnt ihr euch vorstellen, wie das in einem Palast war. Zum Glück lebte ich nicht zu Zeiten meiner Urgroßmutter. Wahrscheinlich hätte ich sie die große Treppe hinuntergestoßen und darüber wäre sie gewiss nicht amüsiert gewesen.

Trotzdem gab ich mir Mühe, unbeschwert und selbstbewusst auszusehen, als ich den Constitution Hill hinunter auf das Eingangstor des Palace zuging. Die meisten Menschen trafen in großen schwarzen Automobilen am Palace ein, also warfen mir die Wachen an den schmiedeeisernen Toren erstaunte und misstrauische Blicke zu, als ich zu Fuß auftauchte.

„Kann ich Ihnen helfen, Miss?“, fragte einer von ihnen und versperrte mir den Weg. Er stand nicht einmal stramm oder salutierte. Das passierte, wenn man keinen vorzeigbaren Pelzmantel besaß.

„Ich bin keine Miss, ich bin Lady Georgiana, die Cousine Seiner Majestät, und Ihre Majestät erwartet mich“, sagte ich.

Der Wachposten lief so rot an wie seine Jacke. „Bitte um Verzeihung, Mylady. Ich habe nicht erwartet, dass jemand wie Sie zu Fuß herkommt.“ Sie mussten zur walisischen Wache gehören, da er einen starken, melodischen Akzent hatte.

„Ach, ich wohne um die Ecke und der Spaziergang tut mir gut“, sagte ich. „Außerdem schätzen Ihre Majestäten Spaziergänge sehr. Ich glaube, der König dreht jeden Tag seine Runde über das Anwesen, bei jedem Wetter.“

„Das tut er in der Tat, Mylady.“ Der Wachposten öffnete eine kleine Fußgängertür in dem größeren Tor und half mir hindurch – was ein Glück war, denn ich hatte die Querstange am Boden nicht bemerkt und wäre beinahe gestolpert. „Williams wird Sie begleiten, Mylady.“ Er nickte dem Wachposten neben ihm zu. Williams stand stramm und marschierte dann neben mir über den Innenhof. Ich fand das zum Brüllen komisch: Ich machte in meinem engen Rock Trippelschritte und Williams versuchte, ganz langsam zu marschieren. Wir erreichten den Eingang, Williams salutierte und marschierte zurück zu seinem Posten. Ich stieg die Treppe hinauf.

Drinnen wurde ich begrüßt und willkommen geheißen. Man führte mich nicht die große Treppe, sondern eine Seitentreppe hinauf, die zu dem persönlichen Wohnzimmer Ihrer Majestät im Privatflügel führte. Weit weniger einschüchternd als die offiziellen Empfangsräume voll mit unbezahlbarem Krimskrams, den man umstoßen konnte.

„Lady Georgiana, Ma’am“, sagte der Lakai, als er die Tür zu ihrem Wohnzimmer öffnete.

Ich holte tief Luft und versuchte selbstsicher auszusehen, während ich mir zuflüsterte: „Nicht stolpern. Nirgends anstoßen.“

In letzter Sekunde sah ich, dass der Lakai seinen Fuß bei seiner Verbeugung etwas vorgeschoben hatte. Ich schaffte es, mit einem kleinen Highland-Sprung darüber zu hüpfen, was Ihre Majestät veranlasste, eine Augenbraue zu heben. „Georgiana, meine Liebe. Komm und setz dich. Es ist bitterkalt da draußen, nicht wahr? Der König geht auf und ab wie ein im Käfig eingesperrter Bär, weil ihm sein Arzt wegen seiner empfindlichen Brust nicht erlaubt, bei diesem Wetter nach draußen zu gehen.“

„Es ist sehr unangenehm“, pflichtete ich ihr bei. „Besonders in der Victoria Station. Der Wind fegt einfach hindurch.“

„Du hast dich großartig geschlagen, meine Liebe. Gehst mit bewundernswertem Beispiel voran. Das Bild von dir im Daily Express war liebreizend. Ich hoffe, es hat andere junge Frauen dazu inspiriert, es dir nachzutun.“

„Ich fürchte, mein Einsatz wird bald beendet sein“, sagte ich.

„Natürlich. Ich habe gehört, dass dein Bruder das Londoner Haus schließen möchte und sich um dich sorgt.“

„Ja, Ma’am. Ich kenne niemanden sonst in London und habe nicht die Mittel, mich in einem Club einzuquartieren.“

„Schreckliche Geldverschwendung, diese Clubs“, sagte die Königin. „Allerdings haben mein Sekretär und ich uns heute Morgen Gedanken gemacht und sind, wie es scheint, auf die perfekte Lösung gekommen.“

„Tatsächlich, Ma’am?“ Ich glaubte, meine Stimme zitterte ein wenig.

„Die Tante des Königs, deine Großtante Prinzessin Louise, hat sich in letzter Zeit sehr zurückgezogen. Sie ist Ende achtzig, versteht sich, und ziemlich gebrechlich geworden. Ich bin mir sicher, dass sie sich einsam fühlt, ganz allein in diesem großen Haus. Ich dachte, du könntest etwas Jugend und Frohsinn in ihr Leben bringen.“

Ich schluckte. Also gut. Mein schlimmster Albtraum würde wahr werden. Die Königin hatte bereits früher angedeutet mich als Kammerzofe zu einer alten Tante zu schicken, und nun würde es tatsächlich geschehen. Binky und Fig würden eisgekühlte Drinks nippen und Gänseleberpastete essen, während ich mit einem Pekinesen Gassi gehen und Strickwolle halten würde. Ich öffnete meinen Mund, brachte aber kein Wort heraus.

„Ich dachte, du wärst nicht begeistert davon, zu dieser Jahreszeit mit deinem Bruder zurück nach Schottland zu gehen. Ich kann es dir nicht verübeln. Im Winter ist es scheußlich kalt und abgeschnitten von der Außenwelt.“

„Oh, nein, Ma’am“, sagte ich, als mir die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. „Mein Bruder fährt nicht heim nach Schottland. Er und meine Schwägerin reisen an die Riviera.“

„An die Riviera? Davon hatte ich keine Ahnung.“

„Für die Gesundheit meiner Schwägerin. Sie fühlt sich momentan ziemlich schwächlich.“

„Ich hätte nicht gedacht, das Wort ‚schwächlich‘ jemals in Zusammenhang mit deiner Schwägerin zu hören“, sagte die Königin mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und sah auf, als ein Servierwagen mit Kaffee in den Raum geschoben wurde. „Ich habe es geschafft sechs Kinder zu bekommen, ohne viel Aufhebens zu machen. Die Devise hieß einfach weitermachen.“ Das Dienstmädchen goss Kaffee und heiße Milch in eine Tasse und stellte sie neben Ihre Majestät, dann wiederholte es das Ganze bei mir. Die Königin entließ sie mit einem Wink und wir waren wieder allein. „Also wolltest du nicht mit Ihnen an die Riviera reisen? Ich dachte, das möchten heutzutage alle jungen Leute.“

„Ich wollte mitgehen“, sagte ich. „Es ist nur, dass –“, ich zögerte. Es gehörte sich nicht über Geldprobleme zu sprechen. „Nun, meinem Bruder wurden horrende Erbschaftssteuern aufgebürdet, daher …“ Ich ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.

„Etwas so Albernes, Selbstsüchtiges“, sagte die Königin und rührte entschlossen in ihrem Kaffee. „Dein Vater, meine ich. Wir wurden stets dazu erzogen, den Tatsachen ins Auge zu blicken und keine Ausflüchte zu suchen. Weiß Gott, der König und ich haben viele schwere Prüfungen ertragen.“ Sie nahm einen winzigen Schluck Kaffee, dann sah sie mir direkt in die Augen. „Also möchtest du nach Südfrankreich, aber sie haben dich nicht eingeladen, nicht wahr?“

„Mir wurde gesagt, dass ich in der Villa, wo sie zu Gast sind, willkommen wäre.“ Ich zögerte Ihrer Majestät zu sagen, dass ich mir nicht sicher war, ob das stimmte. „Sie sahen sich nicht in der Lage meine Reisekosten zu bezahlen und mich mitzunehmen.“

Die Königin nahm einen langen Schluck Kaffee, setzte ihre Tasse ab und blickte dann aus dem Fenster auf die vorbeirasenden Wolken am Himmel. „Das wirft ein anderes Licht auf die Sache. Wenn ich es einrichten würde, dass du mit deiner Familie an die Riviera reist“, begann sie vorsichtig, „dann frage ich mich, ob du mir einen Gefallen tun könntest.“

„Selbstverständlich, Ma’am“, sagte ich zögernd. Sie hatte mir schon früher Aufträge gegeben. Diese hatten sich meist als schwierig, gefährlich oder beides herausgestellt – angefangen mit der ausländischen Prinzessin, die ich beherbergen sollte, bis hin zu der Bitte, ihrem ältesten Sohn, dem Prince of Wales, nachzuspionieren. Mir fiel ein, dass er sich gerade an der Riviera aufhielt und überlegte, ob ich wieder in die Rolle der Spionin gedrängt werden würde.

„Das hier ist absolut vertraulich, Georgiana. Kein Wort hiervon darf diesen Raum verlassen. Gibst du mir dein Wort darauf?“

Ich nickte. „Natürlich, Ma’am.“

„Ich habe großes Vertrauen in dich, Georgiana. Du hast schon schwierige Situationen gemeistert. Du hast deine Gerissenheit bewiesen.“ Sie beugte sich näher zu mir, wie um mir zuzuraunen, obwohl wir beiden die einzigen Menschen im Raum waren. „Du weißt doch, wie sehr ich meine Antiquitäten schätze, Georgiana.“

„Oh ja, Ma’am. Das weiß ich.“

„Sie sind mir eine große Quelle des Trostes. Besonders liegt mir meine Schnupftabaksdosensammlung am Herzen. So filigrane kleine Gegenstände, nicht wahr? So exquisites Handwerk.“

Wieder nickte ich.

„Eine wertvolle Schnupftabaksdose ist aus meiner Sammlung verschwunden, Georgiana.“

„Gestohlen, meint Ihr?“

„Ich fürchte schon.“

„Ist das nicht eine Angelegenheit für die Polizei?“

Sie schüttelte entschieden ihren Kopf. „Das kann ich der Polizei gegenüber nicht erwähnen. Es ist zu peinlich. Die Schnupftabaksdosen waren nämlich in einer der Nischen im Musikzimmer ausgestellt. Vor zwei Wochen haben wir dort einen großen Empfang für die Neujahrs-Würdigungen abgehalten. Kurze Zeit später fiel mir auf, dass eine der Dosen verschwunden war. Also ist der Übeltäter entweder einer der Bediensteten oder einer der Gäste bei unserem Empfang. Ich habe eine geheime Untersuchung der Bediensteten durchgeführt, aber diejenigen, die an diesem Abend anwesend waren, sind alle seit geraumer Zeit bei uns und von tadellosem Leumund. Was nur einen Schluss zulässt – einer der Teilnehmer dieser elitären Zusammenkunft hat sich mit einer meiner Schnupftabaksdosen aus dem Staub gemacht. Es wäre nicht allzu schwierig gewesen. Es ist nicht wie ein formelles Abendessen, bei dem alle am Tisch sitzen. Die Leute sind umhergelaufen. Der Zeitpunkt war günstig, da sicher aller Augen auf uns gerichtet waren, als Seine Majestät und ich uns unter die Leute mischten.“

„Wie schrecklich, Ma’am. Die Vorstellung, dass einer von uns ein gewöhnlicher Dieb ist.“

„Ich fürchte, Schwäche zeigt sich in allen Schichten, Georgiana. Deine eigenen Vorfahren pflegten nicht immer einen vorbildlichen Lebenswandel, nicht wahr? Sie hielten Mätressen und betrogen beim Kartenspiel. Aber bei diesem speziellen Anlass waren nicht nur Aristokraten anwesend. Unter ihnen waren Künstler und Industriemagnaten. Die Empfänger der Neujahrs-Würdigungen.“

Ich nickte. „Habt Ihr einen Verdacht?“

„Derjenige, der die Dose genommen hat, muss ein echter Kenner gewesen sein. In der Sammlung gab es viel auffälligere Stücke – reicher geschmückt, aber nicht annähernd so wertvoll. Die Person, die diese Dose genommen hat, hat ihren Wert erkannt und sie gestohlen, um ihre eigene Sammlung zu vervollständigen, da bin ich mir sicher.“

„Also ist es unwahrscheinlich, dass die Dose verkauft werden soll.“

„Es sei denn, sie wurde im Auftrag von jemandem gestohlen, der dafür eine große Summe geboten hat – und selbst dann würde sie nie offen angeboten werden, also hätte ich keine Chance, sie wiederzubekommen.“

„Sie glauben, sie ist an der Riviera, Ma’am?“

Sie seufzte. „Nach allem, was ich weiß, könnte sie auch auf einem Kamin in Birmingham stehen, aber die einzige Person auf dieser Gästeliste, die wirklich in Frage kommt, ist Sir Toby Groper. Er erwähnte mir gegenüber, dass er sofort nach dem Empfang zurück nach Nizza in seine Villa fahren würde.“

„Sir Toby Groper – ihm gehört Britannia Motors, nicht wahr?“