Ein Mann, ein Werk - Christoph Merker - E-Book

Ein Mann, ein Werk E-Book

Christoph Merker

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Beschreibung

Selber macht glücklich

Der Duft von selbstgebackenem, frischem Brot – ganz nah am Paradies. Mit den eigenen Händen etwas gestalten – ganz bei sich. Voller Geduld und Sorgfalt ein Holzstück bearbeiten – ganz Mensch. Christoph Merker, Schreiner, Künstler und Multitalent, erzählt wundervoll und inspirierend vom Glück des Selbermachens: über den Umgang mit Werkzeugen, das Wunderwerk Hand, die Werkstatt als Refugium, den Umgang mit Scheitern und Gelingen, das Maß der Zeit und die Kunst von Genauigkeit und Geduld. Reich illustriert, mit Anleitungen, Anregungen, praktischen Tricks und Tipps zu den unterschiedlichsten handwerklichen Möglichkeiten – von einfach bis kunstvoll, von Brotbacken bis Schreinern und Vergolden… Ein liebevoll ausgestattetes, hochwertiges Buch für alle, die gerne etwas selber machen (wollen). Sehr trendig, sehr geschenkig, sehr motivierend!

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Seitenzahl: 167

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Selber macht glücklich

Der Duft von selbstgebackenem, frischem Brot – ganz nah am Paradies. Mit den eigenen Händen etwas gestalten – ganz bei sich. Voller Geduld und Sorgfalt ein Holzstück bearbeiten – ganz Mensch. Christoph Merker, Schreiner, Künstler und Multitalent, erzählt wundervoll und inspirierend vom Glück des Selbermachens: über den Umgang mit Werkzeugen, das Wunderwerk Hand, die Werkstatt als Refugium, den Umgang mit Scheitern und Gelingen, das Maß der Zeit und die Kunst von Genauigkeit und Geduld. Reich illustriert, mit Anleitungen, Anregungen, praktischen Tricks und Tipps zu den unterschiedlichsten handwerklichen Möglichkeiten – von einfach bis kunstvoll, von Brotbacken bis Schreinern und Vergolden … Ein liebevoll ausgestattetes, hochwertiges Buch für alle, die gerne etwas selber machen (wollen). Sehr trendig, sehr geschenkig, sehr motivierend!

CHRISTOPH

MERKER

EIN

MANN

EIN

WERK

KLEINEPHILOSOPHIE

DESSELBERMACHENS

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Originalausgabe 11/2022

Copyright © 2022 by Ludwig Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kerstin Lücker

Umschlaggestaltung: und -illustration: DASILLUSTRAT, München,

unter Verwendung von Motiven

von Party people studio/Shutterstock (vorne, hinten)

Josef Hanus/Shutterstock (hinten)

Nataliia K/Shutterstock (hinten)

Kay Blaschke (hinten)

Illustrationen Innenteil: DASILLUSTRAT, München,

Fotografien [>>], [>>]: Kay Blaschke

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-29808-1V001

www.Ludwig-Verlag.de

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

EINGLÜCKLICHESHÄNDCHEN

FALSCHESMACHENUNDFALSCHESMACHEN

VONDERNOTWENDIGKEITDESMACHENS

MUSENKÜSSESCHMECKENBESSER

DERHÄNDEWERK

MATERIALBITTE!

VOMMACHENINEINERHEKTISCHENZEIT

DASZEUGSZUMWERKENUNDDERRESTLICHEKRAM

DERORT, WODIEMAGIEGESCHIEHT

GESCHMACKKENNTKEINEGRENZEN

WIRREITENAUFDEMINNERENSCHWEINEHUNDVOMPLANINDIEWIRKLICHKEIT

FRUST, VERZWEIFLUNG, MISSERFOLG – HERDAMIT!

DASENDEISTDERANFANG

DIESINNESINDKEINECOUCH-POTATOES!

DASMACHENISTDERWEG, DASGLÜCKISTDASZIEL

REVOLUTIONMITDENHÄNDEN

DIENÄCHSTEIDEEISTDIEBESTE – ODERNURDIEERSTBESTE?

MACHEN, JETZT!

für Gernot

VORWORT

Hören wir das Wort Handwerker, haben wir ein bestimmtes Bild vor Augen. Klassisch den Schreiner, den Elektriker, den Fliesenleger oder den Zimmermann. In Letzterem steckt sogar der Mann, der handwerklich tätig wird. Doch ich glaube, dass Handwerk so viel mehr bedeutet. Darum werde ich in diesem Buch vom Hand-Werker und von der Hand-Werkerin sprechen. Es ist eine sprachliche Krücke, um deutlich zu machen, dass Hand-Werk uns alle angeht und mehr ist als das, woran wir im ersten Augenblick dabei denken. Vieles, was wir mit unseren Händen machen, ist Hand-Werk, jenseits der üblichen Handwerksberufe. Um uns das bewusst zu machen, habe ich diese Schreibweise gewählt.

Das Buch widme ich allen, die Freude am Machen mit ihren Händen haben, und besonders meinem Vater, der sein Leben lang ein Fürsprecher des Hand-Werks war.

Königssee, den 13. April 2022

Christoph Merker

EINGLÜCKLICHESHÄNDCHEN

Eine ganze Viertelstunde muss man den Teig kneten. Erst fühlt er sich trocken an, doch je länger ich ihn mit den Händen bearbeite, umso klebriger wird er. Er pappt an den Händen und auf dem Küchenbrett. Das ist ein wenig nervig, und sollte jetzt das Telefon läuten, habe ich keine Chance, den Anruf entgegenzunehmen, ohne auf dem Hörer Teigspuren zu hinterlassen. Ich bin in die entscheidende Phase beim Brotbacken gekommen. Bis jetzt hat alles Spaß gemacht – das duftende Mehl, das ich mit etwas handwarmem Wasser, Hefe, Salz und einer Prise Zucker vermischt habe, war eine schöne Vorarbeit. Das Kneten macht die ersten drei Minuten noch Spaß, dann wird es richtig anstrengend. Der klebrige Teig entwickelt ein störrisches Eigenleben, mit dem Messer muss ich immer öfter ganze Teigbatzen vom Brett kratzen. Durchhalten ist gefragt.

Das Durchhaltevermögen kommt bei Handarbeit fast zwangsweise ins Spiel. Denn mit den Händen zu arbeiten dauert lange und ist durchaus mühsam. So wie beim Teigkneten. Die Unterarme fangen das Ziehen an, außer man ist Sportkletterer, der genau diese Muskeln trainiert, wenn er an drei Fingern in der Wand hängt. Alle Übrigen sollten es als eine kleine Trainingseinheit ansehen, ganz kostenlos und ohne Fitnessgeräte. Zugegeben, die sehnsüchtigen Blicke auf die Wanduhr nehmen zu, aber das Ergebnis des Knetens fühlt man bald zwischen den Fingern. Die Handwärme hat die Hefe zum Leben erweckt, und man spürt, dass sie zu arbeiten anfängt. Immer geschmeidiger wird der Teig, und er klebt nun nicht mehr an den Händen, sondern sammelt sich ganz von selbst zusammen. Das ist faszinierend zu erleben, als wären die Teigmoleküle magnetisch geworden und würden sich gegenseitig anziehen. Es ist die Belohnung fürs Durchhalten. Noch eine Minute, und weil sich der Teig nun wunderbar anfühlt, hänge ich noch eine dran. Ein Brotteig lebt, und der leicht säuerliche Geruch zeigt mir an, dass er bereit zum Gehen ist. Meine Hände dürfen sich inzwischen ausruhen, während der Teig an der Reihe ist zu arbeiten.

Nach einer halben Stunde im Warmen ist er blasig aufgegangen. Jetzt muss er noch einmal kurz geknetet werden. Ich zögere, den fluffigen Teig mit meinen Händen zu zerstören. Doch das ist nötig, schließlich soll das Brot locker, aber dennoch fest genug werden, damit es hinterher nicht auf dem Teller auseinanderbröselt. Endlich wird es gebacken, und bald zieht ein unwiderstehlicher Duft aus dem Ofen. Ob das Brot wohl schon fertig ist, frage ich mich und schaue konzentriert in das Backrohr. Hier ist Erfahrung gefragt. Jeder Ofen heizt anders, und bei den Zeitangaben ist Vorsicht gefragt. Vielleicht klappt es nicht beim ersten Mal, aber irgendwann hat man es im Gefühl, wann das Brot fertig ist.

Der große Moment ist gekommen. Ich öffne die Ofentür, und ein Schwall heißer Luft, getränkt mit leckerem Duft, kommt mir entgegen. Vorsichtig nehme ich das Brot heraus und kippe es um. Mit dem Fingerknöchel klopfe ich auf den Boden. Klingt es hohl, dann ist das Brot fertig. Wahrscheinlich klopft man noch ein paar Mal drauf, nur um sicher zu sein und weil es sich so befriedigend anhört. Nun heißt es geduldig sein, denn zunächst muss es abkühlen. Ganz ehrlich, ich habe noch kein einziges Brot abkühlen lassen. Ich bin einfach neugierig, ob es etwas geworden ist, und schneide es sofort an. Gut schaut es aus, eine gleichmäßige Konsistenz und eine feste Kruste. Natürlich muss ich sofort probieren. Es schmeckt himmlisch. Auch wenn alle Großmütter der Welt warnen, man bekäme Bauchweh von warmem Brot, schlage ich den sonst so wahren großmütterlichen Rat in den Wind. Denn so ein frisches, selbst gebackenes Brot ist das Beste, was es gibt.

Während ich genüsslich im Stehen eine Scheibe und noch eine esse, breitet sich ein unglaubliches Glücksgefühl im Körper aus. Alle Sinne freuen sich. Ich fühle das Brot, ich rieche das Brot und ich schmecke es. Beim Anschneiden höre ich das Krachen der Kruste, und in meinem Gehirn explodiert ein kleines Freudenfeuerwerk. Ich bin stolz, dass ich ein eigenes Brot gebacken habe, erfreue mich an seinem Geschmack und bin rund herum glücklich.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht es ist, sich selbst glücklich zu machen. Man muss nur ein Brot backen, und schon hält man das Glück buchstäblich in den Händen. Dieses intensive Gefühl bekommt man nicht, wenn man ein Brot in der Bäckerei kauft, selbst wenn es dort liebevoll hergestellt wurde. Es selbst mit den eigenen Händen zu machen ist der Garant für das Glück.

Beim Brotbacken lernen wir viel über die Arbeit mit unseren Händen. Die Höhen und Tiefen, die Anstrengungen, aber auch die Freude. Am Anfang stehen die Ausgangsmaterialien, die man braucht. Es macht keinen Sinn, ein Brot zu backen ohne ein Gramm Salz im Haus. Ein wenig Planung muss sein, darum wird das Material vorbereitet. Das ist das Wunderbare beim Arbeiten mit den Händen. Wir wählen selbst unser Material, mit dem wir arbeiten wollen. Wir haben von Anfang an alles im Griff, und die Entscheidungsgewalt liegt bei uns. Beim Zusammenfügen der Einzelteile sind Fingerspitzengefühl und Aufmerksamkeit nötig, Gedankenlosigkeit darf man sich nicht leisten. Hand-Werk verzeiht nicht so schnell.

Mit unseren Händen nehmen wir Kontakt zu dem Material, in dem Fall zum Teig, auf. Tausende von Daten liefern unsere Hände an das Gehirn. Temperatur, Feuchtigkeit und Konsistenz prüfen sie, und unser Kopf verarbeitet die Informationen und sagt uns, ob wir noch etwas Mehl über den Teig streuen sollten. Hier spielt die Erfahrung eine wichtige Rolle. Unser Gehirn ist gierig nach Erfahrungen, denn sie helfen ihm, mit der Welt da draußen zurechtzukommen. Sein eigenes Brot zu backen ist dabei eine archaische und fundamentale Erfahrung. Deswegen hinterlässt es einen intensiven Eindruck bei uns. Essen herzustellen ist mit sehr elementaren Gefühlen verbunden, und Brot ist in besonderer Weise emotional aufgeladen.

Weniger Spaß macht das Kneten. Das ist ebenfalls ganz grundlegend bei der Handarbeit. Irgendwann kommt man unweigerlich an den Punkt, an dem es anstrengend wird. Das braucht man gar nicht zu beschönigen. Das ist eine Durststrecke, da unsere Hände keine Maschinen sind, verlangt jedes Arbeiten mit ihnen Kraft. Ein Bodybuilder würde den Teig zwar mühelos bearbeiten, alle anderen aber bekommen nach drei Minuten Krämpfe. Handarbeit ist anstrengend!

Man muss sich motivieren durchzuhalten. Welche Strategie man dabei befolgt, ist Typsache. Ich gönne mir bei der Hälfte der Zeit eine Pause und freue mich ungemein, wenn ich sie mir dann doch nicht nehme und durchknete. Singen kann eine gute Ablenkung sein. Vier Mal Stille Nacht mit allen Strophen gesungen und schon ist die halbe Zeit um.

Man kann die Viertelstunde auch zum Nachdenken benutzen. Die Hände sind beschäftigt, das freut unser Gehirn, und darum arbeitet es überaus konzentriert. Von tagesaktuellen Problemen wie Was koche ich heute? bis zu tiefgründigen Fragen nach dem Sinn des Lebens, wobei beides mitunter zusammengehört, lassen sich im Kopf alle möglichen Dinge in aller Ruhe erörtern. Eine klassische Win-win-Situation. Die Zeit wird doppelt genutzt.

Oder man gibt sich ganz dem Kneten hin, sieht, wie der Teig zwischen den Fingern hervorquillt, wie er mit jeder Bewegung seine Form verändert. Man spürt bewusst, wie der Teig von den Händen bearbeitet wird. Man blendet alles andere aus, ist nur Hand und Teig und vertieft sich in den Moment. Handarbeit wird zur Meditation. Da unsere Hände in der uns angemessenen Geschwindigkeit arbeiten und die Bewegungen in einem gleichmäßigen Rhythmus wiederholt werden, gleitet man hinüber in einen meditativen Zustand. Aus diesem Grund empfinden wir Handarbeit als entspannend.

Arbeitet man mit einer Maschine, ist eine andere Form der Konzentration gefragt. Maschinen sind viel schneller als wir Menschen, deswegen müssen wir auf sie aufpassen. Das Halten eines Handrührgerätes verlangt zwar weniger Konzentration als das Arbeiten mit einer Stichsäge, aber in beiden Fällen muss die Maschine beherrscht werden, sonst beherrscht sie uns mit allen unangenehmen Nebeneffekten. Ich möchte meine Finger nicht in den Handrührer bekommen und erst recht keine Bekanntschaft mit dem Sägeblatt machen.

Darum sind bei sich wiederholenden Bewegungen der Hände unsere Gehirnkapazitäten in einem angeregten und arbeitsbereiten Zustand. Die tätige Hand wird zum Konzentrationspunkt, der zur Meditation im weitesten Sinne führt. Diese kleinen Auszeiten im Alltag sind bereichernd, wir dürfen sie uns nicht aus den Händen nehmen lassen.

Unterbrechungen beim Teigkneten und allen anderen derartigen Tätigkeiten sind unerwünscht. Wie gesagt, ans Telefon gehen geht nicht, und schnell mal über das Smartphone wischen macht man mit Teigfingern auch nur ein einziges Mal. Daher besser erst gar keine technischen Geräte in der Nähe haben. Sonst muss man hinterher den Teig aus dem Notebook pulen.

Hat man genug geknetet, will der Teig im Warmen in aller Ruhe gehen. Da ist Geduld gefragt. Bei vielen handwerklichen Tätigkeiten gibt es Wartezeiten, die lästig sind. Farbe oder Kleber müssen trocknen, Weiden einweichen oder Samen keimen. Das finde ich schwer auszuhalten. Ich habe schon oft Bilder ruiniert, weil ich beim Malen nicht lange genug gewartet habe, bis die untere Farbschicht getrocknet war. Ganze Papierarbeiten fielen auseinander, weil der Kleber noch feucht war, beim Flechten eines einfachen Weidenzaunes um ein Beet herum sind mir alle Äste abgebrochen, weil ich sie nicht die vorgeschriebene Zeit hatte einweichen lassen, damit sie biegsam wurden. Im Frühling habe ich schon bei etlichen Samen und Blumenzwiebeln den ersten Keim abgebrochen, weil ich ungeduldig gegraben habe, um zu sehen, ob sie endlich wachsen.

Das Hand-Werk bestraft Ungeduld sofort. In einer Zeit, in der alles jetzt und sofort, Lieferung am besten noch am gleichen Tag, 24-Stunden-Service und alles mit nur einem Klick möglich ist, wird unsere Ungeduld gewinnbringend vermarktet. Wir müssen Geduld erst wieder lernen. Das passt so gar nicht zu unserem Zeitgeist, in dem ein »immer schneller« als Maxime ausgegeben wurde. Sich dagegen zu stemmen verlangt Disziplin und Wachsamkeit. Unsere Hände sind dabei gute Lehrmeister.

Beim Brotbacken sollte der Teig sogar zweimal gehen. Noch mehr Geduld, die aber mit einem sich langsam intensivierenden Geruch belohnt wird. Das ist das Wunderbare beim Hand-Werk. Wir sehen, was entsteht, und dass etwas entsteht. Diese Belohnung liefert ein unmittelbares Erleben und befriedigt sofort. Also genau richtig für alle, die so ungeduldig sind wie ich.

Back- und Kochzeiten sind immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Ein wenig Erfahrung gehört dazu. Oft kann man gar nicht sagen, wie lange genau etwas braucht. Ein Hand-Werker oder eine Hand-Werkerin haben das im Gefühl. Sie wissen intuitiv, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Das betrifft alle handwerklichen Vorgänge, und ein großer Teil des Lernens besteht darin, den richtigen Zeitpunkt für einen bestimmten Schritt zu erfühlen. Beim Vergolden zum Beispiel muss man am besten die Anlegemilch über Nacht antrocknen lassen, bevor man das Blattgold anschließen kann. Das ist eine sehr ungenaue Zeitangabe. Hier ist die Erfahrung gefragt, die Anlegemilch muss sich trocken, aber immer noch ein wenig feucht anfühlen. Klingt das widersprüchlich? Natürlich. Die Finger des Vergolders oder der Vergolderin wissen aber genau, was damit gemeint ist.

Man kann noch so viel darüber lesen, Anleitungsvideos anschauen und es erklärt bekommen – viele handwerkliche Tätigkeiten kann man nur durch das eigene Tun lernen. Das braucht Zeit, und schon ist die Geduld wieder gefragt. Vor dem Hintergrund unserer schnelllebigen Zeit wird der Unterschied und zugleich das Potenzial von der Arbeit mit unseren Händen sichtbar. Es ist ein Gegenentwurf, ein Ausweg und eine Chance, vielleicht die einzige, in einer digitalen Welt ganz Mensch zu bleiben. Wenn ich nun die Ofentür öffne und den ersten Bissen des frisch gebackenen Brotes probiere, weiß ich, wie das Paradies schmeckt.

FALSCHESMACHENUNDFALSCHESMACHEN

Die goldglänzenden Bälle fallen langsam nach unten, federn in Zeitlupentempo ab und springen aus dem Bild. Das wiederholt sich, und ein Ball fällt nach dem anderen, ohne jemals zu einem Ende zu kommen. Fasziniert schaue ich dieser 3-D-Animation zu. Es hat etwas Befriedigendes, wie die goldenen Bälle weich auf dem Boden landen, wie sie eingedellt werden, um dann wieder ihre perfekt runde Form anzunehmen. Minutenlang starre ich auf das Video, kann meinen Blick gar nicht davon lösen. Als ich endlich aufblicke, bin ich bestürzt, wie viel Zeit gerade vergangen ist. Das Internet und die sozialen Medien sind voll derartiger Filme. Sie sind faszinierend, unterhaltsam und in unendlich scheinender Zahl verfügbar. Ihre Sogwirkung ist erstaunlich, man kann sich ihnen nur schwer entziehen. Durch ihre Kürze merken wir gar nicht, wie sie in der Summe unsere Zeit stehlen.

An dieser gut gemachten 3-D-Animation wird das Dilemma der modernen Bilderwelt deutlich. Das trifft genauso auf unsere Lieblingsserie zu wie auf Seifenopern, soziale Medien oder Videospiele. Ständig wird uns darin scheinbar Neues präsentiert. Unaufhörlich und ohne jemals zu einem Ende zu kommen. Genau darin liegt der Sinn. Wir Menschen sind neugierig, das ist eine wunderbare Eigenschaft von uns. Doch gleichzeitig ist es ein wunder Punkt, eine Achillesferse, die uns wertvolle Zeit kostet. Wir wollen wissen, wie es weitergeht, was auf dem nächsten Level auf uns wartet, was in der nächsten Folge passiert oder welche Bilder von schönen Landschaften oder ihrem Essen Menschen noch gepostet haben. Täglich tappen wir in die Cliffhangerfalle. Wir verschwenden deswegen so gerne unsere Zeit mit den elektronischen Medien, weil sie uns in eine ständige Erwartungshaltung versetzen. Uns wird versprochen, dass gleich etwas ganz Besonderes kommen wird. Das kommt aber nie, denn ihr eigentlicher Sinn liegt in der Endlosschleife. Anfang und Ende verschmelzen miteinander, und die digitale Schlange beißt sich selbst in den Schwanz, während sie uns verführerisch den digitalen Apfel der Erkenntnis vor die Nase hält. Abbeißen können wir nicht davon. Als Folge werden wir aus dem Paradies vertrieben, ohne dass wir es merken. Das ist das Perfide an den Medien. Sie gaukeln uns ein paradiesisches Leben vor, ein mediales Schlaraffenland, aber wir Menschen brauchen mehr als nur Bits und Bytes.

Das ist Falsches machen. Wir werden dabei zum Opfer unserer Neugier einerseits und unserer Bequemlichkeit andererseits. Denn es ist leicht, sich dem billigen Genuss der Unterhaltung hinzugeben. Das ist nur menschlich. Doch es ist wie mit dem Zucker. Wir lieben Süßes, weil das in grauer Vorzeit dazu diente, uns anzuzeigen, dass eine süße Frucht nicht giftig ist. Darum ist unser Gehirn ganz versessen auf Süßes. Nur kommt nach dem Zuckerflash der Absturz, unser Insulin sackt nach unten und wir sind hinterher hungriger und unbefriedigter als zuvor. Das Gleiche geschieht bei den digitalen Medien. Wir gieren danach wie nach Zucker, genau wie bei ihm bleibt uns dabei am Ende nichts Substanzielles übrig. Die Leere versuchen wir mit noch mehr Medienkonsum zu füllen – vergeblich. Wir vergeuden unsere Zeit mit ihnen. Punkt, aus!

Ich liebe Süßes, und ich liebe meine Lieblingsserien. Ich bin anfällig für kleine Filmchen, in denen goldene Bälle auf eine glatte Oberfläche fallen, und ich kann stundenlang im Internet surfen, ohne wirklich etwas zu suchen. Damit bin ich nicht alleine. Ein Grund für unseren Zeitmangel, für unsere Unzufriedenheit und für das Gefühl, das Leben rase an uns vorbei, liegt darin, dass wir das Falsche machen. Das laugt uns aus, macht uns müde, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Die mediale Bilderflut, die akustische Dauerberieselung und das riesige Warenangebot zu bewältigen ist Schwerstarbeit für unser Nervensystem. Dieses Falsche zu machen, läuft unseren Bedürfnissen zuwider.

Falsches zu machen, lässt sich aufdecken. Ein wenig Nachdenken, ein wenig gesunder Menschenverstand reichen dafür aus. Doch wenn es so einfach wäre, sähe die Welt anders aus. Zwischen Wissen und Tun liegt bei uns Menschen leider ein Unterschied. Falsches zu machen beschränkt sich nicht nur auf unseren Medienkonsum, obwohl hier sicher das größte Einsparpotenzial liegt. Genauso wäre tägliches Fensterputzen ein »Falsches zu machen«. Von allen anderen Dingen, die falsch sind zu machen, den Straftaten und Verbrechen, soll hier gar nicht die Rede sein. Was wir alles falsch in unserem Leben machen können, und was für Falsches wir Menschen machen und warum wir es machen, ist ein weites Feld. Darüber haben sich viele Philosophen und Glaubenslehrer ihre Köpfe zerbrochen, Juristen verdanken dem ihren Beruf. Falsches zu machen ist ein falsch verstandenes Ausnutzen unserer menschlichen Freiheit.

Deswegen beschränke ich mich hier auf unsere Hände und was sie Falsches machen können. Das eine ist, dass sie gar nichts machen, außer ab und zu auf den Knopf der Fernbedienung zu drücken. Oder in monotonem Rhythmus über den Touchscreen unseres Smartphones zu wischen. Das ist eine der häufigsten Bewegungen, die unsere Finger heute ausüben. Wenn man sich überlegt, wie viele Jahrmillionen die Evolution gebraucht hat, um unsere Hände mit ihren Möglichkeiten an Bewegung zu formen, nur damit wir heute mit den Fingern stundenlang über einen Bildschirm fahren. Das muss für die Evolution richtig deprimierend sein. Da hat sie sich angestrengt, damit wir unsere Finger, unsere Hände und nicht zu vergessen unsere Schultern koordiniert bewegen können, und nun sitzen wir da und unterfordern das alles, in dem wir Falsches machen?