Ein verlockend heißes Ultimatum - Shannon McKenna - E-Book

Ein verlockend heißes Ultimatum E-Book

Shannon McKenna

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Beschreibung

Heirat oder feindliche Übernahme? Tilda ist fassungslos, dass Caleb Moss ihr nur diese Wahl lässt. Entweder geht sie eine Zweckehe mit ihm ein, oder sein Familienunternehmen schluckt die Firma ihres Vaters. Wie kann Caleb ihr das nur antun? Sie waren doch vor Jahren für kurze Zeit ein Paar! Auch wenn Tilda ihn noch immer genauso anziehend findet wie früher: Sie kann sich auf keinen Fall wieder auf ihn einlassen, denn Caleb wollte ihre Liebe schon damals nicht!

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Seitenzahl: 203

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Shannon McKenna Originaltitel: „Their Marriage Bargain“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2300 08/2023 Übersetzung: Maike Claußnitzer

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751515719

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“ Caleb Moss starrte seine Großmutter an. „Ich finde das nicht witzig.“

Elaine Moss trug einen eleganten weißen Hosenanzug. Kerzengerade stand sie am Fenster von Calebs Eckbüro und sah hinaus auf die Innenstadt von Seattle.

„Es ist mein voller Ernst“, erwiderte sie. „Ich habe keine Angst davor, unpopuläre Entscheidungen zu fällen. Eine Fähigkeit, die du dir als CEO aneignen musst, junger Mann.“

„Ich bin vierunddreißig, Gran.“

„Das weiß ich, mein Schatz. Genau deshalb tue ich es ja.“

„Was? Darauf bestehen, dass ich vor meinem Geburtstag in zwei Monaten heirate? Das kann ich nicht, Gran, selbst wenn ich wollte. Es gibt da nämlich ein kleines Problem: Ich habe keine Verlobte.“

„Dann such dir eine“, gab seine Großmutter leichthin zurück. „Du kannst dich auch weigern. Dann gratuliere ich dir herzlich zu deinem Geburtstag und reiche die Anteilsmehrheit von MossTech an deinen Onkel Jerome weiter. Der wird dich sofort feuern und seine Speichellecker und Jasager einstellen. Er wird auch Marcus und Maddie feuern. Aber ihr drei seid sehr begabt. Daher mache ich mir keine Sorgen um eure langfristigen Karrierechancen.“

„Und was wird aus MossTech? Ist dir Grandpa Bertrams Vermächtnis egal?“

Elaine warf ihm einen scharfen Blick zu. Die Spitze hatte sie getroffen. Seine Großmutter nahm sich alles, was ihr Familienunternehmen, das auf hochmoderne Lebensmittel- und Landwirtschaftstechnologie spezialisiert war, sehr zu Herzen. „Natürlich ist es mir nicht egal. Aber seine drei Enkel sind auch sein Vermächtnis. Und wenn man in mein Alter kommt, beginnt man allmählich, die Dinge anders zu sehen.“

„So geht das aber nicht. Wir sind hier nicht am Hof von Heinrich dem Achten.“

„Gott sei Dank“, murmelte Gran. „Die Art von harmonischer Ehe, die mir vorschwebt, hat er ja nicht gerade vorgelebt.“

„Das ist kein Witz“, stieß Caleb zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Da stimme ich dir hundertprozentig zu.“ Gran nickte. „Ihr alle müsst heiraten. Ihr Jungs, bevor ihr fünfunddreißig werdet, Maddie, bevor sie dreißig wird. Unfair, ich weiß, aber Männer können sich diesbezüglich etwas mehr Zeit lassen.“

„Dazu hat Maddie bestimmt auch etwas zu sagen.“

„Das kann sie gern tun“, meinte Gran. „Aber es ändert nichts an den Tatsachen.“

Grans Blick verriet Caleb, dass weiterer Widerstand zwecklos war. Entweder spielte er mit oder es herrschte Krieg. Und bei Gran musste man sehr gut darüber nachdenken, sich auf einen Krieg einzulassen. Sie war einem immer drei Schritte voraus.

„Jerome wird MossTech an die Börse bringen“, sagte Caleb. „Dann verlieren wir die Kontrolle über den moralischen Kompass des Unternehmens. Das wollte Grandpa Bertram nicht.“

„Nein. Aber manchmal muss man die Kontrolle über eine Sache aufgeben, um die über etwas anderes in der Hand zu behalten.“

„Jetzt hör schon auf mit den kryptischen Plattitüden“, erwiderte er. „Du kannst mich nicht zwingen.“

„Nein, aber selbst wenn ich noch heute an einem Herzinfarkt sterben würde, würde das nichts ändern. Die Sache ist abgemacht, mein Schatz. Ich habe nur darauf gewartet, dass die entsprechenden Papiere fertig werden, um euch davon zu erzählen – und darauf, dass Marcus nach Hause kommt. Aber dann hat sich seine Rückkehr zweimal verschoben. Dein Geburtstag steht bevor, also fange ich mit dir an, Caleb. Du bist der Älteste. Damit bist du als Erster dran.“

„Aber Gran, ich kann doch nicht …“

„Es stört mich, dass Marcus durch die Weltgeschichte reist. Und es zeugt von deiner mangelnden Urteilskraft als CEO, dass du deinem CTO erlaubst, sich mit einer Machete durch den Dschungel zu schlagen.“

„Es verhindert, dass er in Schwierigkeiten gerät“, meinte Caleb.

„Das gilt auch für eine Ehe“, bemerkte Gran. „Nichts hält einen energiegeladenen Mann so beschäftigt wie eine Familie.“

„Gran, sei vernünftig“, bat er. „Du hast uns dazu erzogen, MossTech wichtig zu nehmen, und jetzt wirfst du das alles weg?“

Gran kniff die Lippen zusammen. „Wenn du erst alt bist und die Strippen ziehst, um dein Vermächtnis zu bewahren, wirst du mich vielleicht verstehen.“

„So lange kann ich nicht warten“, stieß er hervor.

Sein Haustelefon summte.

„Mr. Moss?“ Es war sein Assistent Sergio. „Mr. Herbert Riley von Riley BioGen ist hier, um Sie zu sehen. Er steht zwar nicht in Ihrem Kalender, aber er sagt, dass … äh … Mrs. Moss den Termin vereinbart hat.“

„Warten Sie kurz, Sergio.“ Caleb wandte sich an Gran. „Wir hatten morgen einen Termin mit Riley. Die Situation ist schon heikel genug, weil du und Jerome versucht, seine Firma zu schlucken. Warum, um alles in der Welt, hast du ihn heute herbestellt?“

Gran fuhr sich durch ihr kurzes weißes Haar. „Du wirst schon sehen. Lass ihn nicht warten, Caleb. Ich weiß, dass ihr Männer gern das Alphatier spielt, aber ich finde so etwas einfach nur unhöflich.“

Ha. Das musste gerade seine Großmutter, die Alphatier-Königin, sagen.

Er drückte auf den Knopf des Haustelefons. „Schicken Sie ihn rein, Sergio.“

Als CEO von MossTech leitete Caleb das Unternehmen mit eiserner Hand, aber es geriet immer alles durcheinander, wenn Gran ihren Einfluss geltend machte. Sobald sie anfing, Befehle zu erteilen, vergaßen die Leute, wer wirklich das Sagen hatte. Früher war sie selbst CEO gewesen und ihr gehörte immer noch die Anteilsmehrheit. Aber jetzt machte ihm das erwartungsvolle Funkeln in ihren Augen Angst.

Sergio öffnete die Tür. „Mr. Herbert Riley“, verkündete er. „Ms. Tilda Riley.“

Caleb erstarrte. Tilda? Das konnte nicht sein. Sie war doch am anderen Ende der Welt.

Tilda und ihr Vater kamen herein, und Caleb hatte plötzlich das Gefühl, sich im freien Fall zu befinden.

Es war neun Jahre, drei Monate, drei Wochen und zwei Tage her. Unbarmherzig listete sein Gehirn sogar die Stunden, Minuten und Sekunden auf.

Sie war neunzehn gewesen, als er sie zuletzt gesehen hatte. Kurvig, aber klein, sogar mit hohen Absätzen. Ihr blonder Schopf hatte ihm nur bis unter das Kinn gereicht. Herzförmiges Gesicht. Bezaubernde grüne Augen, die alles enthüllten, was sie dachte oder empfand.

Das Letzte, was er in ihren Augen gelesen hatte, waren Panik, Kränkung und Verletzlichkeit gewesen.

Jetzt hingegen sah sie ihn ohne jede Emotion an. Ihr dichtes blondes Haar war elegant hochgesteckt. Keine einzige Strähne fiel ihr ins Gesicht. Sie trug auch keinen rosafarbenen Lipgloss mehr. Ihre sinnlichen Lippen waren in einem heißen Rot geschminkt, als würde sie keine Gefangenen machen. Sie lächelte nicht. Aber er hatte auch kein Lächeln verdient.

Wie durch einen Nebel nahm er wahr, was Gran gerade sagte.

„… kennen Sie natürlich meinen Enkel, Caleb Moss, unseren CEO?“

„Natürlich.“ Herbert Riley, Tildas Vater, Besitzer und CEO von Riley BioGen, schüttelte Caleb die Hand.

„Tilda“, murmelte Gran. „Schön wie eh und je. Es freut mich, dass Sie wieder in diesem Teil der Welt sind. Ich habe Sie vor ein paar Wochen bei Ava Maddox’ Verlobungsbrunch gesehen.“

„Ja, es war schön, nach so langer Zeit alte Freunde wiederzutreffen.“ Tilda begrüßte Gran, bevor sie Caleb die Hand hinstreckte. Sie war eiskalt.

„Wo waren Sie doch gleich?“, fuhr Gran fort. „Singapur? Südkorea? Taiwan?“

„Überall in Asien“, antwortete Tilda lächelnd. „Wohin auch immer mich die Arbeit geführt hat.“

Gran schnalzte mit der Zunge. „Weit weg.“

Herbert brummelte: „Zu weit.“

„Sie müssen begeistert sein, Ihre Enkelin wieder hierzuhaben, sodass Sie sie verwöhnen können.“

„Das bin ich auch“, stimmte Herbert ihr zu.

Ein Ruck ging durch Caleb. Dann wandte er sich an Tilda. „Du bist verheiratet?“

Ihr Blick richtete sich auf ihn. „Nein“, gab sie kühl zurück.

Das peinliche Schweigen, das daraufhin eintrat, wurde von Herbert Riley unterbrochen. „Also, Elaine … Wir sind auf Ihre Bitte hin hergekommen und haben nicht viel Zeit. Warum haben Sie darauf bestanden, dass Tilda und ich Sie heute besuchen?“

„Setzen Sie sich.“ Gran deutete auf das Sofa und die Sessel. „Soll ich Sergio bitten, Kaffee oder Tee zu bringen? Espresso? Scotch?“

Gran war es gewohnt, Befehle zu erteilen, aber es ärgerte Caleb, dass sie vor Tilda in aller Selbstverständlichkeit über sein Büro, seinen Assistenten und seinen Alkohol verfügte.

Außerdem sah er Belustigung in ihren Augen aufblitzen.

„Für Scotch ist es noch zu früh.“ Herbert schüttelte den Kopf. „Kommen wir bitte zum Geschäftlichen.“

Erst jetzt fiel Caleb auf, dass sie alle noch standen und darauf warteten, dass er sich zu ihnen gesellte, bevor sie sich setzten. Verdammt. Er murmelte eine Entschuldigung und ging zur Sitzgruppe hinüber.

Gran ließ sich auf einem Sessel nieder. „Ich wollte, dass wir uns allein treffen, weil das hier mit der Person besprochen werden muss, die davon am stärksten betroffen ist.“

„Wenn MossTech Riley BioGen übernimmt, ist jeder in meiner Firma davon betroffen“, erklärte Herbert. „Damit meine ich: arbeitslos. Über achthundert Menschen.“

„Das ist mir bewusst“, sagte Gran. „Ich schlage eine Lösung vor. Bei der spielen die beiden jungen Leute hier eine Rolle.“ Sie zeigte auf Tilda und Caleb.

„Gran, komm auf den Punkt“, bat Caleb ungeduldig.

„Sei nicht unhöflich“, raunte Gran. „Ich schlage hiermit etwas anderes als Jeromes Idee vor. Eine freundliche Fusion, bei der die Arbeitsplätze bei Riley BioGen erhalten bleiben.“

„Ihre Angebote sind aber nicht freundlich“, warf Tilda ein. „Sie wussten, dass Dad gesundheitliche Probleme hatte, und haben das ausgenutzt, um sich heimlich bei uns einzukaufen. Jetzt manipulieren Sie unsere Aktionäre.“

„Das ist Jeromes Werk, meine Liebe“, widersprach Elaine.

Tildas Augen funkelten. „Sie haben es zumindest billigend in Kauf genommen.“

„Wir wissen, wie viele Schulden Sie haben“, sagte Gran. „Wenn Sie unser Angebot nicht annehmen, geht Riley BioGen bankrott.“

„Das bekommen wir schon in den Griff“, gab Tilda zurück.

„Ich weiß eine andere Lösung. Vielleicht lassen Sie mich einfach ausreden“, sagte Gran. „Sie sind ein kluges Mädchen. Uns wäre es lieber, mit vereinten Kräften weiterzumachen, statt Ihre Firma zu zerstören.“

Tilda schlug die Beine übereinander und gewährte Caleb einen Blick auf ihren wohlgeformten Unterschenkel. „Warum so plötzlich? Was wollen Sie, Mrs. Moss?“

„Das Allernatürlichste“, antwortete Gran leise. „Eine Eheschließung.“

Zum Teufel. Nein. Caleb wurde übel, während Tilda nur verwirrt dreinsah.

Herbert runzelte die Stirn. „Im übertragenen Sinne natürlich.“

„Nein. Nicht im übertragenen Sinne“, sagte Gran.

In dem Schweigen, das darauf folgte, riss Tilda die Augen auf. „Kommt nicht infrage. Soll das ein Witz sein?“

Nun weiteten sich Herbert Rileys ebenfalls. „Mein Gott, Elaine. Lassen Sie mal Ihre Medikamente neu einstellen.“

„Dafür sorge ich schon“, sagte Caleb. „Ich entschuldige mich hiermit. Ich …“

„Entschuldige dich nicht für mich, Caleb.“ Grans Tonfall war scharf. „Ich übernehme die Verantwortung für jedes Wort, das ich sage.“

Tilda lachte verlegen. „Wow. Danke, Mrs. Moss. Das ist ein sehr romantisches Angebot, und ich bin zutiefst geschmeichelt, aber ich muss leider ablehnen.“

„Dann machen wir mit der feindlichen Übernahme weiter“, erklärte Gran entschlossen.

Tilda und ihr Vater tauschten bestürzte Blicke.

„Gran“, sagte Caleb, „es ist eine Sache, mich unter Druck zu setzen. Aber das kannst du Tilda nicht antun.“

„Nein?“, fragte Gran. „Das würde doch auch dein Problem lösen, oder?“

„Welches Problem?“ Tilda kniff die Augen zusammen.

„Das hier ist noch nicht mal die verrückteste Idee, die meine Großmutter heute hatte“, stieß er hervor. „Sie hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass ich heiraten muss, bevor ich fünfunddreißig werde. Sonst erlebe ich mein blaues Wunder.“

„Elaine, Sie machen sich lächerlich“, sagte Herbert. „Die beiden kennen sich kaum.“

Nachdenklich sah die alte Dame Caleb und Tilda an. „Ich glaube, die beiden kennen sich sehr gut.“

Tilda sprang auf. Ihr Gesicht war rot angelaufen. „Gehen wir, Dad.“ Sie schaute zu Caleb hoch. „Beruf ein Familientreffen ein, Caleb. Es wird Zeit, deiner Großmutter die Autoschlüssel wegzunehmen, bevor noch jemand zu Schaden kommt.“

„Hüten Sie Ihre Zunge“, blaffte Elaine. „Überlegen Sie es sich. Sehen Sie sich Ihre Bilanzen an und denken Sie an Ihre Angestellten.“

Caleb kam gerade noch rechtzeitig zur Tür, um sie zu öffnen, bevor Tilda es tun konnte.

„Tut mir leid“, sagte er leise. „Ich hatte keine Ahnung. Ich schwör’s.“

Aber Tilda würdigte ihn keines Blickes, als sie hoch erhobenen Hauptes hinausrauschte.

2. KAPITEL

Was war nur mit ihr los? Warum hatte sie nicht die Akte aus der Tasche gezogen? Wütend auf sich selbst, marschierte Tilda durch die riesige Lobby von MossTech. Sie besaß eine Geheimwaffe, aber sobald sie Caleb Moss’ attraktives Gesicht sah, vergaß sie, sie zu benutzen. Verdammt.

„Süße, es tut mir leid.“ Die Stimme ihres Vaters, der hinter ihr hereilte, klang atemlos und abgehackt. „Ich … Ich muss mich kurz hinsetzen. Einen Moment.“

Erschrocken drehte Tilda sich um. Sie hatte sich so auf sich selbst konzentriert, dass sie vergessen hatte, wie angegriffen ihr Dad gerade war. Sie nahm seinen Arm. „Dad, ist es dein Herz?“

„Nein“, röchelte er. „Ich brauche nur eine Pause. Das Café. Sie haben Stühle.“

Tilda führte ihren Vater zu dem kleinen Café und half ihm, sich auf einen weich gepolsterten Stuhl an einem Tisch zu setzen. Sie hasste es, ihn so zu sehen. Seine Lippen waren grau.

Sie kniete sich vor ihn. „Dad, soll ich einen Krankenwagen rufen? Wenn wir jetzt einen Fehler machen, werde ich mein Leben lang Schuldgefühle haben.“

Ihr Vater tätschelte ihr die Schulter. „Mein tapferes Mädchen. Glaub mir, ich weiß, wie sich ein Herzinfarkt anfühlt. Das hier ist keiner. Mir ist bloß schwindlig.“

„Ich hole dir einen Tee. Möchtest du auch ein Stück Kuchen?“

„Nur Tee, Süße. Danke.“

Tilda musste an der Theke nicht lange warten. Bald war sie mit einer Tasse Kaffee für sich selbst, Tee für ihren Dad und etwas Zitronenkuchen zurück. Sie hatte mit einem unangenehmen Treffen gerechnet, weil MossTech das Unternehmen ihres Vaters schon länger vor sich hertrieb wie ein Lamm zur Schlachtbank. Sie war auf Angriff, Abwehr und Gegenangriff gefasst gewesen, aber sicher nicht auf einen verkappten Heiratsantrag.

Allerdings musste sie zugeben, dass Caleb auch überrumpelt gewirkt hatte.

In seiner Familie herrschten wirklich seltsame Verhältnisse. Sie beneidete ihn nicht um seine Großmutter. Kein Wunder, dass er einen Dachschaden hatte.

Es wäre schön gewesen, festzustellen, dass sie ihn in ihrer Erinnerung verklärt hatte, aber nein: Caleb Moss war immer noch verdammt heiß.

Die neun Jahre hatten ihn nur reifer werden lassen und ein paar ausdrucksvolle Fältchen in sein wunderschönes Gesicht gemeißelt. Aber sein großer, kraftvoller Körper wirkte durchtrainierter denn je. Seine Wangenknochen waren noch so markant wie früher. Und dieser intensive Blick. Der sexy Mund. Zu sinnlich für einen Mann, der innerlich eiskalt war.

Das war unfair. Wie ein falsches Versprechen.

In seiner rebellischen Zeit waren seine Haare lang und ungebändigt gewesen. Jetzt trug er sie kurz, im Nacken ausrasiert, oben kaum länger. Kurze Haare standen ihm genauso. Und diese Augen … Genau wie die ihrer Annika.

„Hier ist dein Tee, Dad. Earl Grey, Milch, Zucker.“ Sie nahm einen stärkenden Schluck von ihrem Kaffee. „Fühlst du dich schon etwas besser?“

„Ja.“ Ihr Vater schenkte ihr ein mattes Lächeln.

„Du musst Stress vermeiden“, tadelte sie ihn sanft. „Lass dein Team und mich alles regeln. Deshalb bin ich doch wieder hier.“ Sie zückte ihr Handy und rief Adam aus dem Juristenteam von Riley BioGen an.

„Hi, Tilda“, sagte Adam. „Sehen wir uns gleich bei Murray?“

„Nein, wir müssen den Termin verschieben, Adam. Dad geht’s nicht gut. Ich bringe ihn zur Kardiologin. Sie wird uns sagen, ob wir direkt in die Notaufnahme fahren sollen.“

Sie legte auf und steckte ihr Handy wieder ein. „Das wäre erledigt.“

„Ich bin kein gebrechlicher Tattergreis“, murrte ihr Vater und griff nach seiner Tasse. „Ich hätte das Meeting schon noch überstanden.“

„Ich schau mal, ob Dr. Walensky Zeit für dich hat. Schließlich bin ich nicht vom anderen Ende der Welt zurückgekommen, um dich zu verlieren. Und Annika lernt endlich ihren Großvater kennen. Also konzentrier dich darauf, wieder gesund zu werden – und auf den Kampf gegen Moss.“

Herbert Riley verschluckte sich an seinem Tee und tupfte sich den Mund mit der Serviette ab, die seine Tochter ihm reichte. Er schüttelte den Kopf. „Diese Sippschaft“, sagte er hustend. „Das war surreal.“

Tilda war gerade damit beschäftigt, telefonisch einen Termin bei der Kardiologin zu machen, musste aber daran denken, dass ihr Vater nicht wusste, dass sie früher einmal geglaubt hatte, Caleb Moss zu heiraten sei der Höhepunkt irdischen Glücks. Damals war sie noch jung und dumm gewesen.

Sie steckte ihr Handy wieder ein. „Berechnend wie immer.“

„Aber du bist kein Aktivposten, den man so einfach verschieben kann. Du bist meine kostbare, einzigartige Tochter. Das sollten diese Blutsauger nicht vergessen.“

Tilda drückte seine Hand. „Danke, Dad.“

„Wieso hat Elaine dich überhaupt auf dem Schirm?“, fragte ihr Vater. „Ich wusste gar nicht, dass du sie kennst.“

„Nur vom Sehen. Ich habe sie auf Ava Maddox’ Verlobungsparty getroffen, als du noch in der Reha warst. Ava hatte mir gesagt, dass Kinder auf der Party sein würden. Also sind Annika und ich hingegangen. Maddie, Veronica und Elaine Moss waren alle da.“

„Hast du Calebs Reaktion bemerkt? Als hätte Elaines Vorschlag auch ihn kalt erwischt. Aber sie schien zu glauben, dass ihr einander kennt.“

Tilda zögerte kurz. „Das tun wir auch. Erinnerst du dich, dass ich im Sommer nach meinem Abschluss in Stanford das Praktikum in San Francisco gemacht habe? Caleb hatte da gerade ein Start-up mit einem Freund gegründet. Ava Maddox hat uns einander vorgestellt. Wir haben eine Weile gedatet.“

Ihr Vater riss die Augen auf. „Das hast du mir nie erzählt.“

Sie zuckte die Schultern. „Es ist nichts daraus geworden, also war es nicht wichtig.“

„Das sieht Elaine Moss offenbar anders. Gibt es da noch etwas, das du mir verheimlichst?“

Der Zitronenkuchen fühlte sich trocken in ihrem Mund an. Schnell spülte sie ihn mit einem Schluck Kaffee hinunter. „Ich …“

„Wann genau warst du mit ihm zusammen?“, fragte ihr Vater mit Nachdruck.

„Dad, bitte.“

„Gleich nach dem Praktikum hast du den Job in Kuala Lumpur angenommen. Im Mai danach hast du mich angerufen und mir gesagt, dass ich Großvater geworden bin. Ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen.“

„Ja“, sagte Tilda.

„Caleb Moss ist Annikas Vater“, stellte Dad fest.

Guter Gott. Dass jemand die Wahrheit so unverblümt aussprach, konnte sie nach dem Wiedersehen mit Caleb nicht gebrauchen.

„Er weiß nichts von Annika“, erklärte sie. „Nachdem wir uns getrennt hatten, habe ich nie wieder mit ihm gesprochen. Ich habe erst in Kuala Lumpur erfahren, dass ich schwanger war.“

„Warum, zum Teufel, hast du ihm nichts gesagt? Er hat Verpflichtungen!“

„Ich wollte ihn nicht sehen“, sagte sie. „Ich wollte nicht einmal seine Stimme am Telefon hören und auch nicht, dass seine Familie mein Baby als Druckmittel einsetzt. Es ist schwer genug, alleinerziehend zu sein. Ich wollte nicht auch noch mit ihm um Annika kämpfen müssen.“

„Elaine weiß Bescheid“, sagte ihr Vater.

Tilda erschrak. „Ich habe es nie jemandem erzählt.“

„Dann hat sie es erraten. Ich kenne diese Frau seit vierzig Jahren. Sie hat einen messerscharfen Verstand.“

„Das ist nicht möglich“, sagte Tilda.

„Was war das Problem mit Caleb?“, fragte Dad. „War er grausam? Gewalttätig?“

„Oh nein, Dad. Nur ein Allerweltsarschloch. Er hat mit mir Schluss gemacht, das ist alles. Eiskalt und unerwartet.“

Düster brummelte ihr Dad etwas Unverständliches. „Undankbarer Mistkerl“, fuhr er dann fort. „Aber eins ist mir aufgefallen, Süße. Du hattest die Akte bei dir, mit der du ihnen hättest drohen können, hast sie aber nicht einmal aus der Tasche gezogen. Was war da los?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich war durcheinander“, erklärte sie. „Abgelenkt. Vielleicht benutze ich sie noch. Wir werden sehen.“

„Ich möchte eigentlich nicht, dass du dir die Hände schmutzig machst“, meinte ihr Vater. „Du kannst deine Energie besser einsetzen. Du bist eine brillante Ingenieurin und Datenanalystin. Du solltest an Innovationen forschen, an deinem KI-Algorithmus. Wie heißt er doch gleich? Far See?“

„Far Eye“, verbesserte Tilda ihren Vater. „Und ich mache mir nicht die Hände schmutzig. Ich kämpfe ums Überleben. Jetzt müssen wir aber los, wenn wir rechtzeitig in Dr. Walenskys Praxis sein wollen.“

Die Untersuchung bei der Kardiologin dauerte nicht lange. Tilda und Herbert waren beide erleichtert, als die Ärztin ihm empfahl, nach Hause zu fahren und sich zu entspannen. Nachdem er nach einer Operation am offenen Herzen wochenlang im Krankenhaus gelegen hatte und dann noch länger in der Rehaklinik gewesen war, hätte er sich nicht gefreut, auch nur in die Nähe eines Krankenhausbetts zu kommen.

Als sie zu Hause eintrafen, waren Annika und ihre Babysitterin gerade von einem Ausflug ins Naturkundemuseum zurück. Strahlend lief Annika ihnen entgegen und erzählte sofort von ihrer Virtual-Reality-Tour durch den menschlichen Blutkreislauf.

Tilda ging rasch nach oben, um sich Leggings und einen Pullover anzuziehen und dann das Abendessen auf den Tisch zu bringen. Annika hielt ihren Großvater mit ihrem Geplapper beschäftigt. Über die Küchentheke hinweg betrachtete Tilda das Gesicht ihres kleinen Mädchens, während sie die Speisen anrichtete, die die Haushälterin bereitgestellt hatte.

Annika hatte Calebs dunkle Augen und markante Wangenknochen geerbt. Aber dennoch sah ein hübsches kleines Mädchen eben wie ein hübsches kleines Mädchen aus, nicht wie ein erwachsener Mann.

Wie war Elaine nur so schnell dahintergekommen? Caleb war nicht auf Avas Party gewesen.

Als sie mit dem Nachtisch fertig waren, warf Tilda einen Blick auf die Uhr. „Du musst ins Bett, Süße.“

„Kann ich erst noch ein Video sehen?“, bettelte Annika.

„Nein, ab ins Bett. Kämm dir die Haare und putz dir die Zähne. Ich komme und gebe dir einen Gutenachtkuss.“

Nachdem Annika ihren Großvater im Wohnzimmer umarmt hatte und nach oben gelaufen war, schloss er die Augen und lehnte sich blass und erschöpft zurück.

„Alles in Ordnung, Dad?“, fragte Tilda aus der Küche.

Er öffnete die Augen nicht. „Ich bin nur traurig, dass ich die Lücke bei Annika nicht ausfüllen kann.“

„Was für eine Lücke?“

Ihr Dad wedelte mit der Hand. „Als Vaterfigur. Ich habe einfach nicht die Kraft.“

Sie trocknete sich die Hände ab und ging ins Wohnzimmer. „Natürlich nicht. Du nimmst Betablocker, verdammt noch mal! Dein Brustbein braucht noch Monate, um zu verheilen. Aber dann kommst du wieder in Schwung.“

„Nicht genug“, sagte er schwach.

Erschüttert setzte sie sich aufs Sofa und beugte sich zu ihm. „Du musst positiv denken, Dad.“

Er nickte. „Ich versuche es, versprochen.“

Tilda hatte Annika in ihrem eigenen früheren Kinderzimmer untergebracht. Als sie dort ankam, lag das kleine Mädchen schon zusammengerollt im Bett und sah seine Mutter besorgt an. „Mom, geht es Grandpa gut?“

„Er ist nur müde, weil er starke Medikamente nimmt“, erklärte Tilda. „Aber er wird wieder gesund.“

„Hoffentlich“, sagte Annika. „Ich will wenigstens einen Grandpa haben.“

„Was soll das denn heißen?“

„Als ich mit Kaylea unterwegs war, hat sie sich über ihre Familie beschwert. Sie hat eine Mom, einen Dad, eine Schwester, zwei Brüder, zwei Onkel, drei Tanten, acht Cousins und Cousinen und sechs Großeltern.“

„Sechs? Wow!“

„Ja, sie hat mehr als andere, weil beide Grandmas zweimal geheiratet haben. Und sie beschwert sich, dass ständig das Bad besetzt ist. Aber ich finde, es klingt schön.“ Annika kuschelte sich an sie. „Kaylea ist nett, aber ich vermisse meine Schulfreunde.“

„Ich weiß, Süße. Es tut mir auch leid, dass ich dich hierher verpflanzen musste.“

„Wir mussten ja herkommen, um Grandpa zu helfen. Aber heute Abend war er so traurig. Ich konnte ihn nicht zum Lachen bringen.“

„Es ist aber lieb von dir, dass du es versucht hast“, sagte Tilda leise und gab Annika einen Gutenachtkuss.

Als sie wieder nach unten kam, setzte sie sich aufs Sofa und zog eine Mappe aus ihrer Aktentasche.

„Ist das die Akte, die MossTech ruinieren könnte?“, fragte ihr Dad.

„Ja. Sieh sie dir an.“ Sie legte ihm die Mappe auf den Schoß.

Ihr Vater schien davor zurückzuscheuen, die Akte zu berühren. „Wie bist du überhaupt dazu gekommen?“