Ein viel zu nacktes Mädchen Band 1-15 - Krisztina Kournikova Kournikova - E-Book

Ein viel zu nacktes Mädchen Band 1-15 E-Book

Krisztina Kournikova Kournikova

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Beschreibung

Pia versucht, hinter das Geheimnis zu kommen, was sie zu einer passionierten Exhibitionistin werden ließ. Waren es die schrecklichen Erfahrungen in ihrer Kindheit oder haben etwa doch Psychologen Recht, die ihr mangelnde soziale Kompetenz unterstellen? Allerdings kann sie sich nicht beklagen, ständig neue Verehrer zu finden, wenn sie sich vor dem Nachbarn am Fenster, in der Straßenbahn vor Ausländern, im Schwimmbad vor Rentnern, und sogar in ihrer Firma vor den Kollegen entblößt. Ist ihre außergewöhnliche Schönheit daran schuld, dass Männer alle Hemmungen verlieren, oder gibt sie etwa selber Anlass, missbraucht zu werden? Seit sie zurückdenken kann, versucht man, ihr Gewalt anzutun. Während sie sich als junges Mädchen in einem kirchlichen Waisenhaus den Übergriffen durch die Pfleger erwehren musste, verbessert sich ihre Situation nicht wirklich, als sie an eine Pflegefamilie überstellt wird. Der neue Vater scheint nur einen Gedanken zu kennen, sobald er der hübschen Pflegetochter ansichtig wird. Als sich Pia den ständigen Zudringlichkeiten zu entziehen sucht, landet sie auf der Straße. Timo, der freundliche junge Mann, der ihr selbstlos seine Hilfe anbietet, entpuppt sich schon bald als skrupelloser Mädchenhändler. Pia nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände. Aus dem geschundenen Kind wird ein Racheengel. Sie erwirbt schwarze Gürtel in verschiedenen Kampfsportarten, nicht sportlich zu glänzen, sondern ihre Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen. Als kleinem Mädchen lief ihr eine junge Katze zu, die allerdings bald entdeckt und von ihrem Vater entsorgt wurde. Den schrecklichen Missbrauch überhaupt ertragen zu können, löste Pia sich von ihrem Körper und träumte sich weit fort in das Katzenkind. Inzwischen ist aus dem niedlichen Kätzchen jedoch ein gefährliches Raubtier geworden. Begleite Pia auf ihrer Gratwanderung zwischen Voyeuren, Gewalttätern und der Polizei. Klick auf die LESEPROBE, mehr zu erfahren.

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Ein viel zu nacktes Mädchen

Band 1-15

 

Missbrauch - Voyeurismus - Tabu - Exhibitionismus

Krisztina Kournikova

Herausgegeben von Krisztina Kournikova

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2021 bei Krisztina Kournikova

Published by Krisztina Kournikova

Copyright 2021 Krisztina Kournikova

 

2. überarbeitete und erweiterte Auflage

 

[email protected]

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Unfriedhof

Begierde des Lehrers

Ein kleiner Engel kam, lächelte und kehrte um

Befriedigung

Eine erste Spur

Vorstellung

Polizei im Waisenhaus

Erlebnisse eines Lehrers

Ein unvermuteter Besucher

Enkeltrick des Missbrauchs

Meine Bestrafung

Hausbesuch beim Vergewaltiger

Skandal im Waisenhaus

Zarte Bande

Obszöne Massage

Kirchliche Kläranlage

Mutter und Tochter in Afrika

Friedhof der Lüste

Herausforderungen

Ein verbohrter Kuttenbrunzer

Neuanfang

Auskunft

Report aus der Hölle

Akt-Modell

Ermittlungen

Wiedersehen

Opfer-Täter

Erinnerungen

Hexenprozess

Überredungskünste

Weltreise zur Hölle

Reise nach Italien

Amtshilfeersuchen

Begegnung

Besprechung

Und immer wieder geht die Sonne auf

Schrei, solange du kannst

Es begann auf dem FKK-Gelände

Die Villa

Auf der Polizeistation

Eine überraschende Wendung

Glaubensbekenntnis

Intermezzo auf dem Parkplatz

Kimi

Ausgehen

Nackt im Garten

In der Falle

Kommissar Käs wundert sich

Komplizin

Abschied

Hannah

Nuri

Der Arzt

Sophie

Ivo

Christine

Lagebesprechung

Tantra Yoga

Im Krankenhaus

Die Polizistin

Der Kommissar

Krankenbesuch

Geheimgang

Shakti

Die letzte Party

In der Röhre

Dorfidylle

Alte Liebe

Heimsuchung

Kai

Teufelsaustreibung

Bescherung im Waisenhaus

Reisevorbereitung

Trivandrum

Kloster

Taubstumm

Sari Gang

Tempelhure

Rückreise

Hotel der Spanner

Heimflug

Seehotel

Willkommen in der Heimat

Am See

Chiemsee

Rundruf

Zusammenarbeit

Wochenende

Der Rumänen Clan

Wiedersehen mit Christine

Dyamanta

Familienbande

Als Bettlerin durch Europa

Besuch in einem respektablen Heim

Bessere Nutztiere

Selbsterfahrung

Besinnungszeit

Zwischenbilanz

Menschenfresser

Alte Freunde

Raubtiere

Die Schlinge zieht sich zu

Auf freier Wildbahn

Auf der Suche nach der Wahrheit

Jagdszenen

Abstand einhalten!

Auf Spurensuche

Einbruch

Geburtstagsfest

Vorbereitung zur Jagd

Fotoshooting

Gejagt

Begleichung einer alten Schuld

Sonnenstudio

Bestrafungen

Aussprache

Auftragskiller

Am Grab

Epilog

Bisher erschienene Bücher von Kris Kournikova

Krisztina Kournikova

Mein Geschenk für dich

Wie du mich erreichen kannst

Verlag

 

 

 

Zu diesem Buch

Natürlich handelt es sich bei der vorliegenden Geschichte um Fiktion. Allerdings brauchst du nur einmal im Internet nach Waisenhaus/Kinderheim/Kirche und Missbrauch suchen, um festzustellen, dass viele der hier geschilderten Verbrechen sich in Wirklichkeit noch viel schlimmer zugetragen haben.

Der Missbrauch in staatlichen Institutionen wird gegenübergestellt der sexuellen Ausbeutung auf der Straße, in der Familie und unter Freunden.

Sexuelle Freizügigkeit kann ohne Zwang zur Befreiung führen, ist aber immer mit der Gefahr verbunden, missverstanden zu werden.

Indem ich die unterschiedlichen Erfahrungen gegenüberstelle, versuche ich Grenzen aufzuzeigen, die nicht überschritten werden sollten.

 

Sozialkritischer Erotikthriller

Es handelt es sich hier um keinen normalen Erotikroman, sondern eine Darstellung menschlicher Dramen, wie sie selten bisher in all ihrer Grausamkeit niedergeschrieben wurden. Auch wenn die Realität in Wahrheit wahrscheinlich noch viel erschreckender sein wird, ist es der große Verdienst der Autorin uns einen kleinen Einblick in eine Welt zu geben, die den meisten von uns unvorstellbar erscheint.

Paul Kretzschmar

 

 

 

Einführung

Pia versucht, hinter das Geheimnis zu kommen, was sie zu einer passionierten Exhibitionistin werden ließ. Waren es die schrecklichen Erfahrungen in ihrer Kindheit oder haben etwa doch Psychologen Recht, die ihr mangelnde soziale Kompetenz unterstellen? Allerdings kann sie sich nicht beklagen, ständig neue Verehrer zu finden, wenn sie sich vor dem Nachbarn am Fenster, in der Straßenbahn vor Ausländern, im Schwimmbad vor Rentnern, und sogar in ihrer Firma vor den Kollegen entblößt.

Ist ihre außergewöhnliche Schönheit daran schuld, dass Männer alle Hemmungen verlieren, oder gibt sie etwa selbst Anlass, missbraucht zu werden? Seit sie zurückdenken kann, versucht man, ihr Gewalt anzutun.

Während sie sich als junges Mädchen in einem kirchlichen Waisenhaus den Übergriffen durch die Pfleger erwehren musste, verbessert sich ihre Situation nicht wirklich, als sie an eine Pflegefamilie überstellt wird. Der neue Vater scheint nur einen Gedanken zu kennen, sobald er der hübschen Pflegetochter ansichtig wird. Als sich Pia den ständigen Zudringlichkeiten zu entziehen sucht, landet sie auf der Straße. Timo, der freundliche junge Mann, der ihr selbstlos seine Hilfe anbietet, entpuppt sich schon bald als skrupelloser Mädchenhändler.

Pia nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände. Aus dem geschundenen Kind wird ein Racheengel. Sie erwirbt schwarze Gürtel in verschiedenen Kampfsportarten, nicht sportlich zu glänzen, sondern ihre Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen.

Als kleinem Mädchen lief ihr eine junge Katze zu, die allerdings bald entdeckt und von ihrem Vater entsorgt wurde. Den schrecklichen Missbrauch überhaupt ertragen zu können, löste Pia sich von ihrem Körper und träumte sich weit fort in das Katzenkind.

Inzwischen ist aus dem niedlichen Kätzchen jedoch ein gefährliches Raubtier geworden. Begleite Pia auf ihrer Gratwanderung zwischen Voyeuren, Gewalttätern und der Polizei.

***

An die Reihe Ein viel zu nacktes Mädchen schließt sich die Reihe Minderjährige Marionetten an.

 

 

 

Unfriedhof

Wer wohl die Stiefmütterchen gepflanzt haben mochte? Aus der Entfernung erscheinen sie wie ein kleiner Blütenteppich. Erst wenn man näher herantritt, erinnert die Zeichnung jeder einzelnen Blume an getrocknete Blutspuren, die damals den Unterleib ihrer besten Freundin bedeckten.

Voller Wut hat sie mit einem Lebertritt bereits mehrmals das Holzkreuz aus der Verankerung gerissen, aber jemand hatte es wiederaufgerichtet, sobald sie das nächste Mal hierherkam. Pia wundert sich, wer außer ihr den Friedhof besucht, sich an ein Mädchen zu erinnern, das vor Jahren im Keller eines Waisenhauses verblutete. Damals kümmerte sich niemand um die Kleine. Jetzt, da sie tot ist, soll anscheinend wenigstens ihr Grabkreuz heil bleiben.

Seit sie Kickboxen gelernt hat, kann sie sich ihrer Angreifer meist erwehren. Aber nicht immer führt selbst ein tödlicher Stoß zum Ziel. All die Verzweiflung über den sinnlosen Tod Silkes, die sie in den Tritt legt, scheint nicht zu verhindern, dass bei ihrem nächsten Besuch das Kreuz wieder aufrecht steht.

Die Neunzehnjährige nimmt die Überwachungskamera aus der Verpackung und befestigt das kleine Plastikgehäuse hinter dem Loch, das sie in die Holzplanke gebohrt hat. Sie ist gespannt, wen das Gerät aufzeichnen wird. Wahrscheinlich nur einen harmlosen Friedhofsgärtner. Doch seit wann kümmern sich Behörden um das Grab einer Zehnjährigen, die sie vor Jahren nicht in Schutz nahmen, vor die Hunde zu gehen? Von Kirche und Jugendamt war das Mädchen einer Meute perverser Pfleger ausgeliefert worden, die sich an Minderjährigen vergingen. Am liebsten würde sie das Holz mit dieser verlogenen Inschrift erneut umtreten, aber dann könnte sie sich den Aufwand mit der Kamera sparen.

Langsam beruhigt sie sich wieder und beginnt, die Stille um die Toten wahrzunehmen. Es ist erstaunlich, wie wenige Menschen Friedhofsruhe dem Lärm der Großstadt vorziehen. Die alten Bäume könnten auch in einem Park stehen. Aber vermutlich gingen die Leute lieber in den Zoo, Tiere bestaunen, die man ihres Lebens beraubt hatte, als die letzte Heimstatt eigener Vorfahren aufzusuchen. Der Kickboxerin erscheint der Friedhof wie die Ruhe nach dem Sturm. Wie viele Träume lagen hier begraben, längst beerdigt bereits zu Lebzeiten.

Sie überprüft auf ihrem Handy, ob die Kamera tatsächlich jede Bewegung vor dem Kreuz aufzeichnet. Es ist ein Modell mit Bewegungsmelder und WiFi, das die Bilder auf einem Chip speichert und zu ihr überträgt. Bei der Internetsuche stieß sie auf eine Firma, die Überwachungskameras, Richtmikrophone, und winzige Aufnahmegeräte anbietet. Sicherlich wird sie in Zukunft erneut auf deren Sortiment zurückgreifen.

Nicht weit entfernt stehen einige Bänke, von denen aus sie die Umgebung im Auge behalten kann. Kleine Metallplaketten erinnern in dem rissigen Holz an bekannte Banken und Versicherungskonzerne als die großzügigen Spender. Pia läuft hinüber und bezieht ihren Beobachtungsposten. Allerdings wäre es ein Wunder, sollte ihr Widerpart gerade heute nach dem Rechten schauen. Die Stiefmütterchen scheinen vor noch nicht allzu langer Zeit gepflanzt und sicherlich will der unbekannte Grabpfleger sie nicht vertrocknen lassen. Doch sie glaubt nicht an Zufälle, alles hat eine Bedeutung. Wie anders hätte sie sonst diese schrecklichen Erfahrungen überstanden?

Silkes Grabstätte erinnert Pia nicht nur an die gemeinsame Zeit im Waisenhaus, sondern auch an die eigene Vergänglichkeit. Nicht, dass ihr Leben bisher viel Anlass gegeben hätte, sich darüber zu freuen, aber das lag vor allem daran, dass Erwachsene ihr ständig in die Quere kamen. Lange bevor sie volljährig wurde, musste sie bereits für sich selber sorgen, ihre Geschicke in die eigene Hand nehmen. Nicht umsonst trainierte sie jahrelang Kickboxen. Sollte es hart auf hart gehen, hätte sie immer noch zwei Jahre, die sie nach dem Jugendstrafrecht verurteilt würde. Aber bisher ließ sie sich nie erwischen, und es gab keinen Grund, daran in Zukunft etwas zu ändern.

Pia ist sich nicht sicher, wie viele ihrer vorgeblich neun Leben bereits aufgebraucht sind. Hatte Mama tatsächlich versucht, sie mit einer Stricknadel abzutreiben, kaum dass sie gezeugt worden war? Oder erfolgte der erste Angriff durch ein Sofakissen, das sie ihr aufs Gesicht drückte? Und gab es vielleicht noch andere mütterliche Bemühungen, von denen sie gar nichts wusste, die aber gleichwohl in die Bilanz miteingingen?

Eine ältere Frau kommt mit ihrer Gießkanne den Weg entlang, doch sie läuft an Silkes Grab vorüber, ohne es auch nur eines Blickes zu würdigen.

Angeblich hatte Mutters Lebensgefährte sie dann gerettet. Während die Kleinfamilie darüber in die Brüche ging, war sie reanimiert worden. Ständig ist etwas kaputt gegangen, wohingegen sie weiterleben durfte. Zuweilen scheint ihr, als ob die Erwachsenen alles daransetzten, sie ebenfalls zu zerstören. Dabei war sie damals doch nur ein Kind, das niemandem Böses wollte, anscheinend aber niedrigste Instinkte weckte. Pia weiß, dass sie für außergewöhnlich hübsch gehalten wird. Manchmal erscheint es ihr wie ein Fluch, so viel Aufsehen zu erregen, nur weil man sie für schön hält. Eine Zeit lang glaubte sie sogar, Menschen stellten ihr nur wegen ihres Aussehens nach. Schließlich schnitt man ja auch Blumen ab oder ersäufte kleine Kätzchen.

Nur bei Mama weiß sie, dass ihr Äußeres keine Rolle spielte. Wahrscheinlich war sie eher als Belastung für einen anderen Lebensentwurf, als dafür entbehrlich und überflüssig betrachtet worden. Bis auf ihre Mutter waren es dann vor allem Männer, die ihr nachstellten. Allerdings scheint, als hätte sie bislang unverschämtes Glück, beziehungsweise ihr Vorrat an Leben war einfach noch nicht aufgebraucht. Erfreulicherweise gingen ihre Widersacher aber auch eher dilettantisch zu Werk.

Seit sie denken kann, konditionierte man sie darauf, Gefühle zu unterdrücken, jedenfalls nicht nach außen dringen zu lassen. Alles, was man ihr antut oder anzutun gedenkt, soll sie hinnehmen, es als Normalität abtun. Erwachsene dagegen scheinen wenig Kontrolle zu kennen, ließen sich eher von Emotionen hinreißen, denn von ihrem Verstand leiten.

Pia hat noch immer die wutverzerrte Fratze ihres Pflegevaters vor Augen, als der sie mit einem Messer bedrohte, nachdem er herausfand, dass sie seine pädophilen Neigungen auf der Polizeiwache zu Protokoll gegeben hatte. Während ihr Erziehungsberechtigter damals im Affekt handelte, trainierte sie wochenlang, einen Angreifer durch Elektroschocks handlungsunfähig zu machen. Noch bevor der rasende Mann auf sie einzustechen vermochte, hatte sie ihn bereits außer Gefecht gesetzt. Bis die Polizei eintraf, stellte sie ihn in regelmäßigen Abständen ruhig. Langsam zählte sie bis zehn, ehe sie ihm erneut einen Stromschlag mit dem Gerät versetzte. Der Kerl konnte von Glück reden, dass die Polizisten so schnell kamen. Wesentlich länger hätte sein Herz die Tortur wohl nicht überstanden, meinte später der Arzt.

Da es sich um Notwehr handelte und sie minderjährig war, beließ man es dabei, nur die Waffe zu konfiszieren, sie aber nicht anzuklagen. Die Erwachsenen waren damals keineswegs von ihrer Kaltblütigkeit angetan, unterstellten ihr gar, das Leben des Pflegevaters bewusst aufs Spiel gesetzt zu haben. Dabei hatte er überlebt, wenn auch lebenslang geschädigt von ihren so harmonisch verabreichten Stromstößen. Vom Rollstuhl aus konnte er jedenfalls keine kleinen Mädchen mehr belästigen.

Ein älteres Paar kommt vorbei. Der Mann stützt sich auf einen Stock, während die Frau seinen Arm umklammert hält. Wen die beiden hier wohl begraben hatten? Ein Elternteil, Geschwister oder vielleicht doch nur ein Kind?

Nach dem Zwischenfall mit ihrem Vormund hatte sie begonnen, regelmäßig Martial Arts zu trainieren. Nur zu gut war ihr bewusst, dass im entscheidenden Moment weder der Griff unters Bett noch in die Handtasche Rettung versprach. Von jetzt an wollte sie sich eher auf eigene Fingerfertigkeit, denn fremde Hilfsmittel verlassen. Allerdings hält sie das nicht davon ab, immer eine Rasierklinge griffbereit zu haben. Das Instrument, mit dem traditionelle Beschneiderinnen in Afrika Mädchen verstümmeln, scheint ebenfalls gut geeignet, Vergewaltiger zu entmannen.

Was hätte sie dereinst im Waisenhaus, wenn es die Pfleger mal wieder auf die niedliche Kleine abgesehen hatten, dafür gegeben, überhaupt eine Waffe zu besitzen? Erst Jahre später vermochte sie ihren größten Widersacher in der kirchlichen Einrichtung, den göttlichen Willi, zwar nicht ins Gefängnis zu bringen, aber dennoch aus dem Verkehr zu ziehen.

Aus der Entfernung nähert sich ein Friedhofsarbeiter, der einen Karren mit Abfällen vor sich herschiebt. Ob sie ihn danach fragen soll, wer für den Blumenschmuck auf den Gräbern verantwortlich ist? Wahrscheinlich wird er sie nur erstaunt anschauen:

Die Angehörigen selbstverständlich. Sie selber kümmerten sich nur um die freigewordenen Stellplätze. Sobald Grabnutzungsrechte abgelaufen wären, richteten sie die Grabstätten erneut für zukünftige Untermieter her.

Der Mann macht einen erschöpften Eindruck. Kein Wunder bei all den Toten. Selbst sie verfällt jedes Mal in Schwermut, wenn sie Silke besucht. Wie viele gescheiterte Lebensentwürfe hier wohl unter der Erde lagen?

Zusammen mit ihrer Freundin hatte sie sich zuweilen die Zukunft ausgemalt. Gemeinsam wollten sie auf Weltreise, so weit wie möglich weg von dem Keller und ihren Pflegern, endlich keine Angst mehr haben zu müssen. Sehnsüchtig schauten sie immer wieder auf die Berge, die bei klarer Sicht zum Greifen nahe schienen. Silke hatte es nur bis hier unter dieses Scheißkreuz geschafft und sie selber war eingestandenermaßen ebenfalls nicht viel weiter gekommen.

Der bisher erfolgversprechendste Versuch, sie aus dem Weg zu räumen, ging vermutlich auf das Konto eines Mädchenhändlers. Timo wurde danach allerdings auch nicht mehr recht seines Daseins froh. Die Männer und Frauen, die ihr bislang nach dem Leben trachteten, hatten erfreulicherweise immer den Kürzeren gezogen. Aber Pia will ihr Glück nicht herausfordern. Vielleicht stimmte es ja doch, dass man als Katze nur über neun Leben verfügte.

Das erste Lebewesen, das sie vorbehaltlos liebhatte, war ein Kätzchen, das sie hungrig im Vorgarten gefunden hatte. Pia nahm das hilflose Geschöpf mit in die Wohnung und versteckte es wochenlang, bis sie schließlich entdeckt wurden. Das Tier hatte sie zuweilen angeschaut, als könne es das kleine Mädchen tatsächlich verstehen. Dann leckte sie mit der Zunge über ihr Gesicht, seine Zuneigung zu beweisen. Nie wieder hatte Pia ein so zärtliches, ein so liebevolles Gefühl kennengelernt. Ihre Mutter hatte einen Tobsuchtsanfall bekommen, als sie die Katze bei ihr im Kinderbett erblickte. Trotz inständigen Bittens durfte sie Mia, wie sie ihr Katzenkind genannt hatte, nicht behalten. Bereits damals ahnte sie, was ihrem kleinen Freund bevorstand, als Vater das schreiende Knäul wegbrachte.

Pia verwandelte sich dann selbst in die Katze und tröstete sich so über deren Verlust hinweg. Sobald es ihr schlecht ging, versetzte sie sich in ein Kätzchen, dem niemand etwas anhaben konnte. Sie und Mia wurden eins, innige Freunde, unzertrennbar. Jedes Mal, wenn sie missbraucht wurde, löste sie sich von ihrem Körper, und beobachtete das schreckliche Geschehen aus der Distanz. Ohne diese Aufspaltung ihrer Persönlichkeit hätte sie die Vergewaltigungen kaum ertragen. Allerdings war aus der niedlichen Pussycat im Laufe der Zeit eine gefährliche Raubkatze geworden, die ihrer Beute auch Jahre später noch nachstellte.

Pia blinzelt in die Herbstsonne. Statt sich dauernd an die Vergangenheit zu erinnern, sollte sie sich lieber Gedanken um die Zukunft machen. Sie hatte sich bei einer Werbeagentur beworben. Kommende Woche darf sie zum Interview vorsprechen. Sie hofft inständig, die Stelle zu erhalten, endlich so viel Geld zu verdienen, sich einen Urlaub leisten zu können. Allerdings hat sie der Personalchef beim ersten Treffen so merkwürdig gemustert. Ob der sie nur wegen ihres Aussehens einstellte? Sie nimmt sich vor, auf der Hut zu sein. Mochte der Kerl sie ruhig mit den Augen ausziehen, solange er seine Finger bei sich behielt. Bereits seit ein paar Jahren lässt sie sich nichts mehr gefallen.

Wenn schon die eigene Mutter immer wieder versuchte, ihr Kind loszuwerden, das sich kaum dagegen wehren konnte, ist die Kleine gut beraten, sich möglichst bald in Selbstverteidigung zu üben. Bis auf den Anschlag mit dem Sofakissen hat Pia meist bei vollem Bewusstsein die Angriffe abgewehrt und ihren Angreifern entkommen können. Während Mama beinahe ungeschoren davonkam, büßten die Anderen ihre Gesundheit, wenn nicht gar das Leben ein.

Soweit sie sich erinnern kann, hatten Gefühle bei all den Versuchen, sie aus dem Weg zu räumen, kaum eine Rolle gespielt. In der Regel ging es darum, einen Zustand zu bewahren. Und selbst ihrem Boyfriend, der sie lieber sterben, denn gehen lassen wollte, war es eher um Eigenliebe gegangen, als sie so zu akzeptieren, wie sie sich entfaltet hatte.

Pia musste frühzeitig erkennen, dass es sich meist nur um Besitzansprüche handelte, was Menschen unter Liebe verstanden. Vielleicht hätte man sie ja dafür geliebt, wäre sie damals der ihr zugedachten Aufgabe gerecht geworden, das zerrüttete Verhältnis ihrer Eltern zu retten. Stattdessen war es über sie vollends zerbrochen.

Auch ihrer Berufung, sich in den Liebling des Pflegevaters zu verwandeln, hatte sie sich entzogen. Wer sich seinem Schicksal ständig widersetzte, dieses nicht einmal begriff, hatte vielleicht jedes Anrecht auf Zuneigung verspielt. Doch Pia will sich nicht mehr von anderen Menschen bestimmen lassen. Lieber verwandelt sie sich in das kleine Kätzchen, das unverwundbar wurde und über neun Leben verfügt. Sie hat keine Ahnung, wie viel Liebe ihr zustand, vermutet aber, dass die anscheinend noch schwieriger zu erhalten ist, als ein Leben, das nur ihr selber gehört.

Bereits bei ihrem Zuhälter hatte sie das ungute Gefühl beschlichen, Liebesentzug werde vornehmlich als Druckmittel eingesetzt, denn bedeute einen tatsächlichen Verlust an Liebe. Zuneigung erschien ihr eher Ausdruck von Abhängigkeit zu sein, als gegenseitige Akzeptanz zu beinhalten. Offen gestanden ist ihr das, was ihre Umwelt unter Nähe versteht, ziemlich fremd. Wie Menschen, die keine Nahtoderfahrung erlebt haben, damit wenig anfangen können, kommt ihr Liebe wie aus einer unbekannten Erfahrungswelt vor, fast wie aus einem anderen Universum. Möglicherweise existierte sie ja tatsächlich, auch wenn sie ihr noch kaum begegnet war.

„Entschuldigen Sie. Wissen Sie vielleicht, ob es einen Belegungsplan für den Friedhof gibt. Ich suche ein bestimmtes Grab, finde es jedoch nicht.“

Der Mann hat sein Kind vom Arm genommen, das sie jetzt neugierig mustert.

„Sie müssen sich an die Friedhofsverwaltung in dem Hauptgebäude am Eingang wenden. Die haben aber nur vormittags Sprechstunde. Wenn sie das Todesjahr und den Namen wissen, kann man in einem Register die Grabstelle für Sie herausfinden. So habe ich letztes Jahr auch das Grab meiner Freundin gefunden.“

„Vielen Dank, dann muss ich wohl morgen früh wiederkommen.“

Unschlüssig bleibt der ältere Herr vor ihr stehen, während das Enkelkind ihn am Arm zieht. Fragend blickt Pia ihn an, ob er noch weitere Fragen hat. Erst jetzt bemerkt sie seinen Blick auf ihren Ausschnitt. Wahrscheinlich hat sich bei der Kamerainstallation ein Knopf geöffnet, da ihre Bluse vorne weit offensteht. Sie beugt sich zu dem Kleinen vor:

„Wie heißt du denn?“

Ihr ist bewusst, dass der Alte jetzt ungeniert auf ihre halbnackten Brüste schauen kann.

„Julian.“

„Das ist aber ein schöner Name. Ist das dein Opa?“

„Ja“, der Kleine schaut sie misstrauisch an.

Als habe die Erwähnung der Verwandtschaftsbeziehung den Großvater zur Ordnung gerufen, verabschiedet er sich schnell mit einem letzten Blick auf ihren Busen:

„Auf Wiedersehen und vielen Dank. Sie haben mir wirklich weitergeholfen.“

Einer der zahlreichen Psychologen, der sie zu analysieren suchte, war auf die kühne These verfallen, ihr Hang, sich zu entblößen, sei dem Bedürfnis geschuldet, ihr Inneres nach außen zu kehren. Durch Ausziehen befriedige sie sich quasi selber, da es an Vertrauen zum anderen Geschlecht mangele. Eigenliebe sei ihr Antrieb, sich fremden Personen zu offenbaren. Während normale Menschen sich tief in die Augen blickten, ließe sie sich lieber unter den Rock schauen.

Pia war diese Interpretation ihrer sexuellen Ausrichtung sehr fragwürdig erschienen. So wie Andere ihr Herz erschlossen, öffneten Exhibitionisten doch nicht ihre Mäntel, fremde Leute Anteil nehmen zu lassen an einem halb erigierten Schwanz oder einer nackten Schamlippe. War Liebe auf den ersten Blick wirklich vergleichbar mit dem erregenden Gefühl, sich unerwartet zu entblößen?

Natürlich war es Aufgabe der Therapeuten, für alles eine Erklärung zu finden, nur sollten sie Pia mit ihren Auffassungen verschonen. Pfarrer, die das Zölibat praktizieren, werden ja auch nicht gleich wegen ihrer unterdrückten Sexualität auf die Couch gebeten. Und selbst Gotteskrieger, die sich für ein paar ältliche Jungfrauen als Belohnung den Sprenggürtel umschnallen und ihre Umwelt in Angst und Schrecken versetzen, enden weiß Gott wo, aber nicht in der Klapsmühle. Sie dagegen hatte man in eine geschlossene Anstalt einzuweisen versucht, nur weil sie keine Hemmungen zeigte, nackt im Wald herumzulaufen.

Nicht weit von ihr entfernt picken Vögel auf einer Grabstätte. Ob die hier besonders reichhaltiges Futter finden? Es muss auf dem Friedhof ja nur so von Würmern wimmeln. Aber ob die sich überhaupt an die Oberfläche trauen? Der ältere Herr mit dem Jungen fällt ihr wieder ein. Wäre der alleine gekommen, er hätte sicherlich neben ihr Platz genommen. Stattdessen schämte er sich vor seinem Enkelkind, sie mit den Blicken auszuziehen. Sie dagegen kennt selbst auf dem Friedhof keine Scheu, wildfremden Spaziergängern ihre Nippel zu offenbaren.

Pia ist bereit, sich einzugestehen, dass die Vielzahl der Versuche, ihr junges Leben vorzeitig zu beenden, vielleicht auf die eine oder andere Weise mit ihrer sexuellen Unbekümmertheit, wie sie ihre Zeigefreudigkeit nennt, zu tun haben mag. Nur sie deshalb gleich für abartig zu erklären und ihr krankhaftes, widernatürliches Verhalten zu unterstellen, erscheint ihr dann doch eher Ausdruck einer verklemmten Sexualmoral, denn wissenschaftlicher Erkenntnis. Eingeborene, die nackt herumliefen, wurden ob ihrer natürlichen Lebensweise bewundert, während ihr die Polizei auf den Hals geschickt wird, sobald sie sich vor ein paar Rentnern im Park entblößt.

Man findet es nicht anstößig, wenn auf einer Plakatwand an der Bushaltestelle ein kaum bekleidetes Model lasziv auf einer Parfümflasche reitet. Ihr dagegen wird ungebührliches Verhalten vorgeworfen, sobald sie die Füße auf den Sitz stellt und Vorbeikommende ihre Furche zwischen den nackten Oberschenkeln erblicken. Man akzeptiert sie einfach nicht als zeigefreudigen Teenager und Nacktheit nur dann, wenn dafür bezahlt wird. Wie oft hatte man ihr Geld oder Süßigkeiten angeboten, als sie noch kleiner war, das Unterhöschen über die Knie zu ziehen und den netten Onkel Hand anlegen zu lassen. Dagegen hatte sich keiner empört!

Wann immer sie sich im Freibad auf der Wiese umzieht, ruft man nicht die Spanner zur Ordnung, sondern das nackige Mädchen. Dabei sieht sie sich eher als begnadete Schaustellerin, denn Anlass zur Erregung öffentlichen Ärgernisses. Die Menschenmassen auf der Liegewiese sind ihr Publikum und nicht potenzielle Vergewaltiger, wie ihr gutmeinende Ordnungshüter einzureden suchen. Wo es keine Bedrohung gibt, macht man sie selbst zu einer. Noch nie ist sie im Schwimmbad belästigt oder gegen ihren Willen angegriffen worden. Die Gefahr lauerte eher hinter verschlossenen Türen denn auf dem Badetuch. Aber ihre bigotte Umwelt scheint ein entblößtes Mädchen genauso abzulehnen, wie tief verschleierte Musliminnen.

Um Gotteswillen. Was ihr auf dem Friedhof immer alles durch den Kopf geht!

Pia steht auf und macht sich auf den Heimweg. Normalerweise neigt sie nicht dazu, sich derart viele Gedanken über ihre Person geschweige denn ihre Umwelt zu machen. Ob es an den vielen Gräbern liegt, alte Erinnerungen wachzurufen oder sich selbst in Frage zu stellen?

Vielleicht soll sie tatsächlich öfters hier vorbeischauen, sich klar zu werden, was sie umtreibt. Allerdings ist Pia sich nicht sicher, ob der Blick in ihre Abgründe wirklich so befreiend ist. Von erfreulich einmal ganz zu schweigen.

 

 

 

Begierde des Lehrers

Natürlich ist sich Pia bewusst, dass sie außergewöhnlich schön ist, und allein deshalb viel Aufsehen erregt. Betrachtet sie sich im Spiegel, fasziniert selbst sie der eigene Anblick. Während sie ihr ovales Gesicht mit den schräg stehenden, mandelförmigen Augen, den hohen Wangenknochen und ihren vollen Lippen attraktiv findet, weiß sie, dass Männer eher auf ihren vorstehenden Busen, die schlanken Oberschenkel und ihren knackigen Po abfahren. Ihr hübsches Antlitz scheint dabei so nebensächlich wie das Armaturenbrett eines Sportwagens.

Zu Beginn ihrer Liebschaft mit Timo, der sich dann leider als Zuhälter entpuppte, gerieten sie einmal über seinen Porsche aneinander. Während er auf die lange Motorhaube, den Spoiler am Heck und die überdimensionierten Radkästen abfuhr, bemäkelte sie mangelnde Rundumsicht und den beengten Innenraum. Nicht zum ersten Mal ist ihr damals aufgefallen, dass Äußerlichkeiten eher selektiv wahrgenommen werden. Für eine schnittige Linie wird eben der Kofferraum geopfert. Auch bei inneren Werten schieden sich die Geister. Irrsinnige Beschleunigung und aberwitzige Pferdestärken erschienen ihr genauso wenig alltagstauglich wie die eigenen sexuellen Vorlieben. Timo war es mehr darum gegangen, sie vor Freunden bloßzustellen, als ihre exhibitionistische Art wertzuschätzen. Wie bei seinem Auto waren ihm Doppelvergaser und Diffusoren wichtiger, als sich Gedanken um die Pflege der sieben Ölpumpen des Porsche zu machen.

Nicht nur von ihm fühlte sie sich missverstanden. Wo andere bloß ihre Schamlosigkeit sahen, verstanden sie nicht, dass es ihr eher darum ging, Aufmerksamkeit zu erregen und sich ob ihrer Zeigefreudigkeit bewundern zu lassen. Wer sich kaum bekleidet auf dem Straßenstrich anbot, tat dies sicherlich nicht, um sich selbst aufzugeilen. Sie hasste es, gerade von denen als Flittchen bezeichnet zu werden, die bei gleicher Betrachtungsweise schnell als Triebtäter erschienen. Die Bilder, die sich Leute von ihr machten, entsprachen in der Regel eher der Vorstellung, was man in ihr sehen wollte, statt dem, was sie tatsächlich darstellte.

Nur Voyeure, wie der Lehrer von Gegenüber, der sie bereits seit einer Viertelstunde dabei beobachtet, wie sie hier nackt vor dem Spiegel posiert, hatten sich ein Faible für ihr zeigefreudiges Naturell bewahrt. Manchmal besucht sie den Alten in seiner Mansarde, lässt sich mit Blicken ausziehen oder entblößt sich sogar vor ihm. Sie beide sind ein eingespieltes Team, wo es keiner Worte bedarf, dem anderen Grenzen aufzuzeigen. Nur in besonderen Ausnahmefällen darf er sie berühren. Meist spielen sie einfach ihre Rollen, und die beschränken sich auf Sehen und Gesehenwerden. Der ehemalige Studienrat lässt sie Bücher aus den oberen Regalen seines Arbeitszimmers herunterholen und erregt sich daran, wie sie sich zur Decke streckt und ihr dabei der Rock über den Po rutscht.

Sie kamen sich näher, als Pia sich ein Herz fasste und eines Tages an seiner Wohnungstür klingelte. Überrascht hatte er sie hereingebeten und ins Wohnzimmer geführt. Er fragte nicht einmal, warum sie ihn besucht. Als sei es die natürlichste Sache der Welt, dass sich zwei Nachbarn zum Tee treffen, lässt er sie auf dem Sofa Platz nehmen. Pia hängt ihren Mantel an der Garderobe auf und folgt ihm, nur mit einem Unterrock bekleidet, ins Zimmer. Sie ahnt, dass es auf den Spanner mehr Eindruck macht, dass sich ihre Brustwarzen unter dem dünnen Stoff abzeichnen, als wenn sie nackt gekommen wäre. Außerdem ist ihr bewusst, dass er bereits jede Pore ihres Körpers kennt, seitdem er sie allnächtlich durch seine Okulare beobachtet. Allerdings hat er sie bislang nur aus der Ferne in Augenschein nehmen können, jetzt sitzt sie ihm mit durchgedrücktem Rücken und nach vorne gestreckter Brust beinahe auf Armeslänge gegenüber.

Verwundert betrachtet sie die eigenartige Einrichtung. Vor der mit gelbem Samt bezogenen Couchgarnitur steht ein Nierentisch aus hellem Holz und auch die dazugehörigen Sessel vermitteln den Eindruck, als sei die Zeit vor Jahrzehnten stehengeblieben.

Später berichtet Herr Rosenbaum, wie er sich ihr vorgestellt hat, dass er in Antiquitätengeschäften und bei Wohnungsauflösungen ständig Ausschau hält nach Möbeln aus den Siebzigern. Anscheinend hat er ein Faible für kräftige Farben, Ikea Schick und wohl auch seine zeigefreudige Nachbarin.

Mit dem stabilen Esszimmertisch aus Teakholz und den skandinavischen Stühlen mit ihren schwarzen Lederbezügen schließt sie bald selbst Bekanntschaft. Bei einem ihrer nächsten Besuche bittet sie ein aufgeregt durch seine Brillengläser blinzelnder Studienrat, doch bitte einmal für ihn auf der Tischplatte zu posieren. Siebziger Jahre Design und ein junges Mädchen, das gerade achtzehn geworden war, schienen nicht nur sein Herz in Wallung zu versetzen.

Bei ihrem ersten Kennenlernen vor knapp zwei Jahren bemühten sich beide Seiten, die zarte Bande zwischen ihnen nicht zu gefährden. Sie hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig bloßgestellt und keiner wollte den Zauber zerstören, der sich vom Objekt der Begierde zum Bewunderer spann.

Bereits kurz nach ihrem Einzug hatte sie bemerkt, dass der ältere Herr auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht nur ein flüchtiges Interesse an seiner neuen Nachbarin hatte. Pia hatte einen sechsten Sinn dafür, sofort zu erkennen, wenn sie jemand mehr als nur gewohnheitsmäßig mit den Blicken auszog. Als sie dann mitbekam, dass sie der Spanner allabendlich mit dem Fernglas beobachtete, fühlte sie sich in ihrem Verdacht bestätigt, dass der Alte die Augen nicht von ihr lassen konnte.

Beim ersten Mal auf seiner Couch kam sie sich wie eine Schaufensterpuppe vor, die zum Leben erwacht war. Allerdings ging es hier weniger darum, welche Kleidung sie trug, als was sich unter dem durchscheinenden Hemdchen abzeichnete. Sie wusste, dass ihr das Unterkleid bereits weit über die Schenkel gerutscht war und jedes Mal, wenn sie die Beine übereinanderschlug, ihr Gegenüber versuchte, einen schnellen Blick auf ihre nackte Scham zu werfen.

Pia schneidert fast ihre gesamte Bekleidung selbst. So kann sie die Länge des Saums oder den Ausschnitt des Dekolletees bis ins Detail den jeweiligen Anforderungen anpassen. Für den Kennenlernbesuch entschied sie sich für ein Gewand aus dünner Kunstseide, das eng am Körper anliegt und ihre Figur betont. Bevor sie Platz nimmt, zieht sie sich schnell den Stoff über den Po, sodass sie jetzt mit nacktem Hintern den Samt berührt. Wahrscheinlich wird ihr Bewunderer später den Fleck bemerken, den ihr Liebessaft auf der empfindlichen Oberfläche hinterlässt. Bei ihrem nächsten Besuch kann sie dann herausfinden, ob der Voyeur die Stelle wieder gesäubert oder im Naturzustand belassen hat.

Pia wendet sich in ihrem Sitz zur Seite, damit der alte Herr auch mitbekommt, dass ihre Schenkel jetzt bis zum Ansatz des Hinterns entblößt sind. Sie hatte mit sich gekämpft, ob sie ihm mehr von ihrem Busen zeigen, vielleicht ein tiefer ausgeschnittenes Kleid anziehen sollte, aber davon Abstand genommen. Schließlich handelt es sich ja um den ersten von hoffentlich vielen weiteren Besuchen. Sie will nicht gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus fallen beziehungsweise ihre Reize alle auf einmal präsentieren. So begnügt sie sich damit, auf ihrem Sitz herumzurutschen und dem Voyeur immer mal wieder einen Blick zu gönnen zwischen für einen kurzen Moment offen gehaltene Schenkel.

Bereits bei ihrem ersten Treffen verhalten sie sich beide wie ein vertrautes Paar. Weder versucht er, ihr nahezukommen, noch bricht er den Bann, indem er sich den Hosenlatz öffnet und womöglich seinen Schwanz herausholt.

Pia erinnert sich nur allzu gut an Luigi, einen Italiener, der ihr im Park immer näher auf den Pelz rückte, besser zwischen ihre leicht geöffneten Knie zu spähen. Dies war noch zu den Zeiten, da man im Englischen Garten ständig Nackerte antreffen konnte. Ab dem Frühsommer ging sie bald jeden Tag dorthin, sich vor den Parkbesuchern auf ihrer Decke zu entblößen. Je nach Befinden streckte sie ihren Unterleib den Spaziergängern entgegen oder legte sich hinter einen Busch, wo sie sich während des Eincremens mit Sonnenöl schnell selbst befriedigen konnte.

Obwohl sie natürlich schon nackte Männer im Park gesehen hat, ist sie doch überrascht, als sich der Sizilianer die Hose öffnet und ihr seinen Schwanz entgegenstreckt. Sie rechnet es ihrer damaligen Unerfahrenheit an, nicht sofort Reißaus, sondern stattdessen den fremden Schwengel in die Hand genommen zu haben. Alles ist so schnell gegangen, und obgleich sie sich danach immer mal wieder treffen, hat sie bis heute das Gefühl, sie beide hätten sich anfangs mehr Zurückhaltung auferlegen sollen. Wahrscheinlich war auch wegen dieses Blitzstarts das Verhältnis später aus dem Ruder gelaufen. Aber daran erinnert sie sich jetzt lieber nicht. Schließlich weiß sie nicht, wie der Besitzer der Couch darauf reagieren wird, sobald er die nasse Stelle entdeckt. Sie will ja nicht gleich beim ersten Kennenlernen das Sofa und damit womöglich ihre Beziehung versauen.

Herr Rosenbaum sitzt mit im Schoss verschränkten Händen vor ihr, den kurzen Oberkörper nach vorne gebeugt und starrt ihr unverwandt auf die Oberschenkel, während er ihr von seinen Erfahrungen an der Schule berichtet:

„Ich hatte es darauf angelegt, an einer Mädchenschule zu unterrichten, aber besonders im Sommer war es oft die reine Qual.“

Auf ihren fragenden Blick fährt er fort:

„Na ja, die frechen Dinger machten sich einen Spaß daraus, mich, den unerfahrenen Referendar, in Verlegenheit zu bringen. Ich unterrichtete Mathematik und Musik, Fächer wo man entweder in die Hausaufgabenhefte schauen oder die Notenblätter erklären muss. Einige Schülerinnen legten es geradezu darauf an, ihre kleinen Brüste herauszustrecken, wenn ich von oben auf sie herunterschaute. Manchmal bekam ich sogar den Eindruck, sie hätten sich schnell noch einen zusätzlichen Knopf an der Bluse geöffnet, mir auch wirklich ihre ganze Pracht und Herrlichkeit zu präsentieren. Ich könnte dir Geschichten erzählen, wie Mädchen versuchten, mich aus der Fassung zu bringen, du würdest es kaum glauben. Einmal hatte ich eine Klavierschülerin, die im Kimono vorbeischaute, und nichts darunter anhatte. Ach, ich darf gar nicht daran denken.“

„Wie die Schülerinnen Sie in Versuchung brachten, ist doch sehr spannend. Da würde ich gerne mehr davon hören. Ich merke schon, es war eine gute Idee, Sie aufzusuchen und näher kennenzulernen. Soll ich denn nächste Woche wiederkommen?“

„Aber natürlich. Ich freue mich jedes Mal, dich zu sehen. Du siehst so wunderschön aus.“

Pia schlüpft aus ihrer Sandale und stellt den nackten Fuß neben sich auf das Polster. Sie weiß, dass der Lehrer jetzt direkt auf die Lustknospe in ihrer leicht geöffneten Spalte blicken kann. Schnell nimmt sie den Fuß wieder herunter und schaut dem Mann in die Augen:

„Gingen Sie denn auch mal ein Verhältnis mit einer Schülerin ein?“

Herr Rosenbaum errötet. Wie sie ihn da vor sich sitzen sieht in den alten ausgebeulten Hosen und dem abgetragenen Flanellhemd, würde sie beinahe Mitleid mit ihm bekommen. Dann aber denkt sie an den Pauker, der ihr selbst einmal nachgestellt hatte. Was den Mädchen sicherlich nur als harmloser Spaß erschienen war, hatte bei dem aufgegeilten Referendar vermutlich ganz andere Absichten hervorgerufen. Mit dem schütteren Haarkranz, dem unter seinem Hemd spannenden Bauch und den geröteten Wangen sieht der Mann aus, als könne er keiner Fliege etwas zu Leide tun. Doch Pia weiß aus eigener Erfahrung, dass hinter der glatten Fassade oft ein Ungeheuer lauert, immer darauf bedacht, sich zu nehmen, wonach ihm gerade gelüstet.

Sie verabschiedet sich dann auch bald, verspricht aber, demnächst wieder vorbeizukommen. Bereits bei diesem ersten Besuch hat sie das ungute Gefühl, dass in dieser im Siebziger-Jahre-Stil eingerichteten Dachwohnung nicht alles so ist, wie es nach außen scheint. Bei weiteren Treffen hat der Mann später langsam die Maske fallen gelassen und ihr Geschichten erzählt, die selbst ihr die Schamesröte ins Gesicht trieben. Einerseits törnten sie seine schlüpfrigen Erzählungen an, andererseits ahnt sie, dass einige der Opfer wahrscheinlich noch heute unter dem Missbrauch leiden.

Nicht zum ersten Mal wird sie an ihre eigene schizophrene Haltung erinnert. Während sie die sexuelle Gier der Männer fasziniert, betreut sie in einer gemeinnützigen Organisation Missbrauchsopfer, die davor geflohen sind, was man ihnen angetan hat.

Und wie überall gibt es auch unter den Opfern einige Wölfe im Schafspelz. Oft hat sie den Eindruck, dass weniger persönliche Konditionierung den Ausschlag gab, andere zu missbrauchen, als ein vorgeblich rechtsfreier Raum, in dem sich primitivste Bedürfnisse befriedigen lassen. Sado-Maso Praktiken, die als harmlose Auswüchse der Lovestory mit einem Milliardär in Romanen verwurstet werden, sind beileibe nicht mehr so prickelnd, wenn ein Kämpfer des Kalifats sie an einem Jesiden-Mädchen praktiziert.

Eine der Frauen, die sie betreut, bezeichnet sich als eingefleischte Masochistin. Die Selbsterkenntnis, ihre Veranlagung richtig einzuschätzen, hielt sie aber keineswegs davon ab, ihre Töchter dem sadistischen Liebhaber auszuliefern. Es macht sicherlich einen Unterschied, ob man sich selbst mit einem Dildo foltert, der ans Stromnetz angeschlossen ist, oder diese Behandlung seinem eigenen Fleisch und Blut angedeihen lässt, das sich nicht wehren kann und die Vorlieben der Mutter keineswegs teilt. Wer besondere Neigungen pflegt, sollte wenigstens darauf achten, sie nicht zu verallgemeinern.

Die Gedanken an ihren Job haben die keimende Erregung in ihrem Unterleib schnell wieder abgetötet. Sie tritt einen Schritt vom Spiegel zurück und verschwindet im Dunkel der Wohnung, wohl wissend, dass auf der anderen Straßenseite jetzt der Lehrer frustriert das Fernglas sinken lässt.

 

 

 

Ein kleiner Engel kam, lächelte und kehrte um

Die meisten Mädchen, die bei ihnen Zuflucht gefunden hatten, stammen vom Balkan oder Osteuropa. Während früher vor allem Asiatinnen als Sexsklavinnen ausgebeutet wurden, suchen sich die Menschenhändler inzwischen ihre Opfer in den Armenhäusern im Kosovo, der Ukraine aber auch unter Flüchtlingsfrauen.

Die Organisation, der Pia angehört, hat sich zum Ziel gesetzt, denen eine Heimstatt zu geben, die missbraucht und gequält wurden, oder einfach nicht mehr wissen wohin. Die Frauen und Mädchen kommen aus aller Herren Länder und jede trägt ein schreckliches Schicksal und immer eine grauenvolle Vergangenheit mit sich herum.

Manchmal wünscht sich Pia, ein Mann zu sein, es den Untieren heimzahlen zu können, die andere Menschen nur als Handelsware betrachten, die man eine Zeit lang benutzt und dann ihrem Schicksal überlässt. Allerdings gibt es neben dem professionellen Menschenhandel auch die hausgemachte Abhängigkeit. Häusliche Gewalt wird denen gegenüber ausgeübt, die man als seinen persönlichen Fußabtreter begreift oder dazu abrichten will. Und nicht immer trifft es nur die angeheiratete Ehefrau, zuweilen sogar die eigenen Kinder.

Erst gestern ist ein junges Mädchen eingeliefert worden, das man völlig verzweifelt in einem Park aufgegriffen hat. Die Kleine traute sich nicht mehr nachhause, nachdem ihr der Vater sein Vorhaben schilderte, sie demnächst mit einem entfernten Cousin in Anatolien verheiraten zu wollen.

Melina ist erst ein einziges Mal bei ihren Verwandten in der Türkei gewesen und froh, als sie wieder nach Deutschland zurückkehren kann. Die Familienbande und Sitten, die sie dort unten kennenlernte, stellen selbst die erzkonservativen Vorstellungen ihrer Eltern in den Schatten. Aus Leidensgeschichten einiger Cousinen erfährt sie, dass Ehefrauen oft die eigenmächtige Verfügung über Sexualität und ihren Körper entzogen wird. In dem türkischen Dorf, das sie besuchte, haben Frauen kein Recht mehr, sich dem Willen ihres Ehemanns zu widersetzen.

Hinter vorgehaltener Hand hörte die 16-Jährige von einem Mädchen, das angeblich Selbstmord begangen hat. Als deren Schwester Abschied von der Toten nimmt, muss sie entsetzt feststellen, dass der Körper des Opfers von Blutergüssen und schlecht verheilten Wunden übersät ist. Man munkelte im Dorf, der Ehegatte misshandelte seine junge Frau, weil sie nicht schwanger werden konnte. Ihr Tod wurde damit begründet, dass sie kein Kind gewollt und sich ihrem Mann böswillig verweigert hätte. So besessen sei sie davon gewesen, sich ihm zu entziehen, dass sie sich lieber selbst umbrachte, als ihm einen Sohn zu schenken.

Eine Tante erzählt Melina, dass man in der Todesnacht markerschütternde Schreie aus dem Haus gehört habe. Dann sei der Lärm erstorben und am nächsten Morgen der Leichnam entdeckt worden. Die Deutsche ahnt, dass mit der geplanten Heirat nicht nur ihre Freiheit, sondern auch das Recht dahin sein wird, sich gegen die Misshandlungen zur Wehr setzen zu können. Entweder ließe sie sich täglich vergewaltigen, oder man würde ihr unterstellen, dem Familienoberhaupt kein Kind gebären zu wollen.

Lieber will sie den Rest ihres Lebens im Frauenhaus verbringen, als jemals wieder zu ihrer Familie zurückkehren. Sie weiß sehr wohl, dass nicht nur der Vater, sondern auch ihre Brüder alles daransetzen werden, sie baldmöglichst zur Hochzeit in die Türkei zu schaffen. Eine Rückkehr nach Deutschland wäre dann ausgeschlossen. Offenkundig soll sie sich dort lokalen Bräuchen unterwerfen und den Rest ihres Lebens von den verderblichen Einflüssen des Westens fernhalten. Melina ahnt, dass man sie quasi lebendig begraben will. Ihre Lebensfreude und Unbeschwertheit würden der Angst geopfert, sich nicht genügend anzupassen, wenn nicht gar Schlimmerem.

Pia weiß, was in der Deutsch-Türkin vorgeht, musste sie doch im Waisenhaus Rechtlosigkeit am eigenen Leib erfahren. Nachdem ihre Mutter versucht hatte, die Fünfjährige mit einem Kissen zu ersticken, nahm das Jugendamt sie in ihre Obhut und brachte das unerwünschte Kind in einem von der Kirche betreuten Heim unter. Bald musste sie dort lernen, dass viele der Insassen zwar Eltern besaßen, man sie, dessen ungeachtet aber trotzdem zur Adoption freigegeben hatte.

Im Speisesaal des alten Gemäuers hing als Leitspruch der Einrichtung: Lasset die Kindlein zu mir kommen.

Der Pfarrer erklärte ihnen, dass es sich bei dem Gebäudekomplex um ein stillgelegtes Kloster handele, in dem noch heute der fromme Geist vergangener Jahrhunderte lebendig sei. Angeblich habe es sich zeitweilig sogar um ein Nonnenkloster gehandelt. Doch statt Mitgefühl und Barmherzigkeit lernte sie dort vor allem Heuchelei und Ausgeliefertsein kennen. Genauso wenig wie die Klostergebäude kindergerecht waren, diente der religiöse Drill dem Wohl der Jungen und Mädchen, die man hier untergebracht hatte. Absoluter Gehorsam gegenüber den Erwachsenen wurde den Kindern nicht nur eingebläut, sondern in den weitläufigen Kellern immer wieder auf die Probe gesellt. Für die Jugendlichen war das Anwesen ein Ort ständiger Bedrohung und selbst der ehemalige Klostergarten bot keine Zuflucht. Schutz sollte Gott ihnen geben, aber der hing entweder halb tot am Kreuz oder schien anderweitig beschäftigt. Dafür waren seine Diener auf Erden allgegenwärtig.

Als Pia später einmal eine Burg besichtigt, erinnern sie die massiven Mauern und winzigen Fenster sofort an die bedrohlichen Verliese ihrer Kindheit. Weder der abwaschbare Verputz an den pastellfarbenen Wänden noch die durchbrochenen Räume konnten darüber hinwegtäuschen, dass man ausgeliefert war. So wie die Betonfelsen, der kahle Boden, Trennscheiben und Wassergräben im Zoo allenfalls den Besuchern eine natürliche Umwelt vortäuschen, so wenig vermochten bunte Kinderzeichnungen, die man an Mauern geheftet hatte, den Insassen ein unbeschwertes Zuhause vorgaukeln.

Glücklicherweise wussten die meisten Kinder damit eh nichts anzufangen, da sie ein solches bislang nie kennengelernt hatten. So wie der ständige Küchengeruch aus dem Alltag nicht mehr fortzudenken war, so auch die gefühlte Kälte in den lieblosen Räumen. Wo Lebenslust und Lachen zum Verstummen gebracht wurden, gediehen die Begierden der Betreuer dafür umso besser. Statt einen Hort für Waisenkinder schuf man stattdessen einen Selbstbedienungsladen für Gottesdiener.

Einige der Insassen hatten Freundschaft geschlossen, sich gegenseitig beizustehen gegen den Missbrauch durch die Erwachsenen. Silke war ihre beste Freundin geworden, ein hellhäutiges Mädchen, das vorgab, sich vor nichts zu fürchten. Die Kleine bemühte sich, mit ihren kurzen Zöpfchen wie Pippi Langstrumpf auszusehen, und hatte auch deren rote Haare. Oft erträumte sie sich ihre eigene Welt wie in dem Kinderbuch, wo es keine bösen Onkels gab, sondern nur ein Pferd namens 'Kleiner Onkel'. Die Gefährtin versuchte Pia aufzumuntern, indem sie ihr von fantastischen Reisen erzählte:

„Stell dir vor, wir beide stehen dort auf dem Berg und alles liegt uns zu Füssen. Reiche Eltern haben uns adoptiert und wir bekommen jeden Tag Schokolade und können exotische Länder bereisen.“

„Ich möchte so gerne nach Afrika, mir Leoparden, Löwen und Tiger anschauen. Am liebsten wäre ich selbst eine Raubkatze, die unsere Betreuer zerfleischen würde.“

„Denke dir eher etwas Schönes aus. Wir könnten von dem vielen Geld ein Schloss bauen für alle Kinder, die keine Eltern mehr haben.“

„Und jeden Tag gäbe es Gummibärchen und Vanilleeis.“

„Mit Himbeeren und Ananasscheiben.“

„Was ist denn Ananas?“

„Ich habe mal zur Belohnung …“ weiter kam ihre Freundin nicht, dann begann sie zu schluchzen.

„Wenn ich erst mal reich bin, kaufe ich mir ganz viele Bluthunde und lasse sie auf die Pfleger los.“

Meist endeten ihre Geschichten in Tränen, aber nie gaben sie die Hoffnung auf, irgendwann ihrer Hölle zu entkommen. Silke hatte nie aufgehört, an ein anderes Leben zu glauben, doch sie wussten, dass sie die Aufseher nicht freiwillig ziehen ließen. Pia erinnerte sich noch heute ihrer Lieblingsgeschichte, die sie beide damals immer weiter ausspannen:

Alle Insassen verzaubern sich nach Sonnenuntergang in wilde Tiere, die sich auf einen Rachefeldzug begeben. Bis zum Morgen haben sie die meisten Betreuer getötet. Sobald die Sonne aufgeht, verwandelten sich die Raubtiere wieder zurück in Kinder, die wissen, dass wenn es dunkel wird, sie ihre Peiniger erneut in Angst und Schrecken versetzen können.

Das waren ihre Wunschträume gewesen, sobald sie im Keller eingesperrt wurden und die Männer sie vergewaltigten. Die Vorstellung, es den Pflegern einmal heimzahlen zu können, hatte sie die Grausamkeiten überleben lassen. Jede Nacht schliefen sie mit dem tröstlichen Gedanken ein, dass vielleicht heute die Verwandlung eintrete. So hatten sie sich von einem Tag zum nächsten gerettet.

Im Gegensatz zu dem türkischen Dorf, in das man Melina verheiraten wollte, wurde im Waisenhaus überhaupt nichts infrage gestellt, noch nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Die Kinder boten ihre ganze Kraft auf, die schlimmsten Misshandlungen zu überstehen, aber eine Alternative gab es nicht und an Flucht war kaum zu denken. Der einzige Ausweg, der blieb, bestand darin, adoptiert und in eine Pflegefamilie aufgenommen zu werden.

Pia versucht meist, die Zeit in der kirchlichen Institution zu verdrängen. Zuweilen gelingt ihr dies sogar. Sie hat deswegen auch wenig Lust, sich mit allwissenden Psychologen auseinanderzusetzen, die ihre sexuellen Anwandlungen nicht auf den Drill im Waisenhaus zurückführen, sondern mangelndes Zutrauen in ihre Geschlechtspartner. Als könnte man das Eine vom Anderen trennen. Wer jahrelang als Leibeigene behandelt wird, verliert wohl tatsächlich über kurz oder lang das Vertrauen in seine Mitmenschen. Sie ist heilfroh, nicht in tiefe Depression und Selbstvorwürfe zu verfallen, wie sie es von zahlreichen kirchlichen Missbrauchsopfern gehört hatte. Solange es ihr gelang, sich mit Kickboxen selbst zu therapieren, ist sie jedenfalls beratungsresistent.

Nachdem sie die Pflegefamilie verlassen hatte und auf der Straße allein zurechtkommen musste, hatte sie begonnen Martial Arts zu trainieren. So wie die Heldinnen in den Comic Heftchen wollte auch sie sich zur Wehr setzen können, sobald man ihr wieder nachstellte. Seit sie den schwarzen Gürtel in mehreren Kampfsportarten erlangt hatte, nahm sie die Bestrafung in ihre eigenen Hände.

Wenn sie dann den Täter bestrafte, hatte sie in der Tat das Gefühl, ihr Inneres zu zeigen. Ihre Therapeuten verstanden nicht, dass für sie Rache noch vor dem Entblößen kam. Was war das Zurschaustellen einer Schamlippe im Vergleich zu der Genugtuung, mit der sie den göttlichen Willi, wie er im Waisenhaus genannt wurde, dazu gebracht hatte, seine Sünden zu beichten. Sie hatte fast zwei Stunden bei ihm ausgeharrt, bis er auspackte, Hintermänner nannte und sein Geständnis aufgezeichnet war.

***

Die meisten der Seelsorger, Pflegerinnen und Pfleger, die im Waisenhaus beschäftigt waren, lebten nicht in der Anstalt, sondern über die Stadt verteilt. Trotzdem war es für Pia ein Leichtes gewesen, die Wohnung ihres ehemaligen Peinigers zu finden. Willi hatte sicherlich viel zu verbergen, seine Anschrift gehörte glücklicherweise nicht dazu.

Als er ihr die Tür öffnet, erkennt er sie trotz der Zeit, die mittlerweile vergangen war, sofort wieder. Der Mann ist zusehends gealtert, seit sie ihm mit elf Jahren das letzte Mal begegnete.

„Die kleine Pia, was für eine Überraschung. Du bist ja noch viel hübscher geworden, als ich dich in Erinnerung hatte. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“

„Grüß Gott. Darf ich hereinkommen?“

„Natürlich, tritt nur ein. Ich habe ferngesehen, schalte das Gerät für dich aber gerne aus.“

Pia kann gerade noch eine nackte Frau erkennen, dann wird der Apparat dunkel. Wahrscheinlich hatte sich Willi einen Porno reingezogen. Das passte in das Bild, das sie sich von ihm bewahrt hatte. Im Waisenhaus zeigte er den Kindern Sex-Magazine, um daraufhin bestimmte Positionen nachstellen zu lassen.

Obwohl sie sich seit acht Jahren nicht mehr gesehen haben, hatte sich der Mann abgesehen von seinen Falten kaum verändert. Mit dem fröhlichen Gesicht und der untersetzten Figur, vermittelt er immer noch den Eindruck eines Durchschnittstypen. Doch sie weiß nur zu gut, dass sich hinter der jovialen Fassade das perverse Ansinnen eines Kinderschänders verbirgt. Jeder ihrer schlauen Psychologen würde ihm wahrscheinlich auch einen latenten Hang zu Sadismus bescheinigen. Obwohl nie offen darüber gesprochen wurde, machten die Waisenkinder ihn dafür verantwortlich, wenn wieder mal eine ihrer Spielkameradinnen sich aus dem oberen Stockwerk in den Tod gestürzt hatte.

Der Mann trägt eine Jogginghose und wohl nichts darunter. Sie hat noch immer sein monströses Glied vor Augen, wenn sie sich hinknien musste, ihn mit dem Mund zu befriedigen. Anfangs, als sie kleiner war, hatten ihre Kiefer danach mehrere Tage geschmerzt, später gewöhnte sie sich daran und schaffte, es so einzurichten, dass es weniger weh tat.

Willis Wohnung erscheint ihr typisch gutbürgerlich. Ein nussbaumfarbener Schrank bedeckt fast die gesamte Wand. Darin eingelassen ist ein riesiger Flachbildschirm. In der Zimmerecke steht eine moderne Stehlampe, die einen Bonsaibaum beleuchtet. Der Boden ist mit Parkett belegt, darüber liegt ein rostfarbener Orientteppich. Erstaunlich luxuriös für einen Pfleger kommt es ihr vor. Ob er noch über weitere Einkünfte außer dem Job im Waisenhaus verfügte? Bei der Erinnerung an ihre ehemalige Heimstatt reißt sie sich wieder zusammen und besinnt sich auf ihre Aufgabe.

Mit einem schnellen Griff zieht sie dem Göttlichen die Trainingshose herunter und schlägt ihm mit der Handkante gegen den Kehlkopf. Als sie ihn auf die Couch stößt, krümmt sich der Mann vor Schmerz zusammen. Bevor er sich versieht, fesselt sie ihm mit Kabelbindern die Handgelenke hinter den Rücken. Während der Kerl immer noch röchelt, setzt sie sich vor ihn auf den Boden. Sie drückt ihm die Knie auseinander und bemächtigt sich seiner Eier. Ein gellender Schrei hallt durch das Wohnzimmer, aber sie gibt nichts darauf. Bei ihrer wochenlangen Observation hatte sie herausgefunden, dass er das gesamte obere Stockwerk für sich alleine bewohnt und die Wohnung darunter gerade renoviert wird. Sie beide müssen also nicht befürchten, bei ihrem 'Schäferstündchen' gestört zu werden.

„Du wirst es mir vielleicht nicht zutrauen, aber ich bin Kickbox Meisterin und besitze einen schwarzen Gürtel. Wenn du die Prüfung zum ersten Dan erfolgreich absolvieren willst, musst du nachweisen, dass du einen Lehrgang in Erster-Hilfe abgelegt hast. Falls ich dir also mit dem Ellbogen den Wangenknochen zertrümmern würde, könnte ich dir danach mit einer Pinzette die Knochensplitter aus dem Augapfel ziehen.

Weißt du, ich lerne Kickboxen, nachdem ich mit 14 an einen Zuhälter geriet, und es irgendwann satthatte, jeden Tag vermöbelt zu werden. Aber ich glaube, wir können uns ganz zivilisiert unterhalten und ich brauche dir meine Ausbildung gar nicht unter Beweis zu stellen.“

Pia quetscht seine Hoden, was einen erneuten Aufschrei ihres Opfers auslöst.

„Was willst du denn von mir? Wir haben uns doch bald zehn Jahre nicht mehr gesehen“, keucht der Mann.

„Weißt du, ich denke fast jeden Tag an dich, wenn mich ein Junge in der Straßenbahn anlächelt oder ein Mädchen auf ihr Handy starrt. Dann kommt die Erinnerung hoch, wie du uns im Keller eingesperrt hast, damit du nachts deine perversen Triebe an uns befriedigen konntest. Erinnerst du dich noch an die kleine Svenja, die sich aus dem Fenster stürzte, nachdem du sie wieder einmal mehrere Tage gefangen hieltest?“

„Aber es haben sich auch andere Insassen umgebracht. Du kannst mir doch nicht die Verantwortung anlasten, für all die Selbstmorde.“

Sie überlegt, ob sie ihn an Silke erinnern soll, die nach seiner Vergewaltigung verblutet war. Nur dann wüsste er sofort, dass sie ihn nicht lebend wird entkommen lassen. Wahrscheinlich ist es klüger, ihn in Sicherheit zu wiegen. Sie streicht sich schnell eine Haarsträhne ihrer Perücke aus dem Gesicht und konzentriert sich wieder auf ihr Opfer:

„Wie habt ihr es eigentlich geschafft, dass weder das Jugendamt noch die Polizei jemals Nachforschungen anstellten, wenn erneut ein Kind zu Tode gekommen war?“

Willi überlegt fieberhaft, wie er sich befreien könnte. Zwar sind seine Hände hinter dem Rücken fixiert, aber er kann ihr das Knie ins Gesicht rammen. Allerdings hat sie sein Gemächt in schmerzhaftem Griff und kauert zwischen seinen Oberschenkeln, sodass er kaum in der Lage wäre, sie zu verletzen, ohne dabei die Eier zerquetscht zu bekommen. Am besten er stößt sie erst zurück und tritt ihr dann möglichst schnell in den Bauch oder in die Fresse. Doch dafür müsste sie zwischen seinen Beinen hervorkommen.

Mit den Fingerspitzen versucht er, das Messer zu ertasten, das er für alle Fälle in dem Spalt zwischen Sofapolster und Rückenlehne versteckt hält. Er muss aufpassen, dass sie nicht misstrauisch wird, wenn er sich auf der Couch nach hinten lehnt, um mit den Fingern besser an den Griff zu kommen. Am besten scheint ihm, sie in Sicherheit zu wiegen und ihr einige Geheimnisse zu verraten. Er ist bisher noch immer mit widerspenstigen Jugendlichen zurechtgekommen. Warum sollte ihm das jetzt nicht erneut gelingen? Wahrscheinlich blufft sie nur mit ihren angeblichen Kampfsportkenntnissen. Im Waisenhaus war sie eine der pflegeleichtesten Mädchen, die sich nie dagegen wehrte, wenn er sie im Keller vergewaltigte. Allerdings bewies sie ihm mit dem Griff an die Eier schmerzhaft, dass sie es anscheinend ernst meint. Er würde sie erst mal mit ein paar Namen füttern und versuchen, Zeit zu gewinnen.

„Erinnerst du dich noch an den Bischof? Er und seine Untergebenen vergehen sich an den Jungen und wir wissen davon. Deshalb decken sie uns, wenn wieder mal eine Sauerei passiert. Ich meine, falls ein Zögling zu Schaden kommt. Sie schalten sich in die Verhandlungen mit den Behörden ein und beschwichtigen die Ordnungshüter. Einige der Buben dienen an den Wochenenden ja als Messdiener. Wir fragen dann auch nicht nach, warum sie plötzlich humpeln, über Unterleibsschmerzen klagen, oder nicht mehr aus ihrem Zimmer kommen wollen.“

„Ihr unterstützt euch also gegenseitig. Ist denn das gesamte Heimpersonal eingeweiht?“

„Natürlich nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es die Anderen nicht irgendwie mitbekommen, was im Keller oder an den Wochenenden passiert. Die Heimleiterin ermahnt uns sogar zuweilen, es nicht ausarten zu lassen, da wir als kirchliche Einrichtung einen besonderen Auftrag in der Öffentlichkeit hätten.“

Pia erinnert das Schweigegelübde im Waisenhaus nicht erst jetzt an die Gräueltaten, die unter dem Naziregime verübt wurden. Auch damals verstand sich die Mehrzahl der Deutschen als unwissend oder bestenfalls Mitläufer, die ihre eigene Haut retten wollten. Es scheint immer einen Bodensatz in der Gesellschaft zu geben, der sadistische Bedürfnisse ausleben will und dabei auf das Weggucken von Mitmenschen vertrauen kann. Und was bietet einen besseren Schutz als Behörden und kirchliche Institutionen, die von Obrigkeitsdenken und hündischem Gehorsam geleitet werden?

„Im Keller mussten wir ja immer nackt sein. Wieso ist das denn keinem aufgefallen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass all die Jahre niemand mitbekommen hat, was sich da hinter verschlossenen Türen abspielte.“

„Natürlich gab es manchmal Pflegepersonal, das Fragen stellt, aber entweder wurden die schnell versetzt oder wir mobben sie so lange, bis die freiwillig kündigen. Du darfst nicht vergessen, dass Leute in den Ämtern arbeiten, die jeden Schaden von Religion und kirchlichen Einrichtungen abwenden wollen. Was sind schon ein paar Waisenkinder gegen das Ansehen, das die Kirche über Jahrhunderte aufrechterhalten konnte?“

Sein Plan scheint aufzugehen. Pia hält zwar immer noch seine Hoden umklammert, doch zumindest verstärkt sie den Druck nicht mehr. Inzwischen tut ihm alles weh, aber das ist jetzt zweitrangig. Er kann bereits den Messergriff mit den Fingern ertasten. Wenn es ihm gelingt, sich ein Stück weiter nach hinten fallen zu lassen, könnte er mit der Schneide den Kabelbinder durchtrennen und ihr später mit dem Messer die Kehle durchschneiden. Erst will er jedoch seinen Spaß haben. Sie hat sich über die Jahre von einem hübschen Kind zu einer wirklich attraktiven Schlampe entwickelt. Er kann es gar nicht abwarten, ihre Brüste zwischen den Fingern zu quetschen und ihr die Fotze aufzureißen. Es ist schon einige Monate her, dass er eine ausgewachsene Frau vögelte. Was für eine herrliche Abwechslung sich ihm da bietet. Ein saftiges Stück Fleisch statt dieser unreifen Kälbchen. Er wird sie erst von vorne und dann ihren Arsch vergewaltigen. Am besten meldet er sich morgen krank, mehr Zeit zu haben, ihr den Unterleib zu zerfetzen.

Pia bemerkt, wie sich plötzlich sein Glied versteift. Sie deutet das Signal richtig. Wenn der Kerl sich bereits daran aufgeilt, sie zu ficken, muss er einen Ausweg aus seiner misslichen Lage kennen. Es ist ihr nicht verborgen geblieben, dass Willi immer weiter in die Polster rutschte. Erst interpretierte sie es als Versuch, ihrem Zugriff zu entkommen, aber vielleicht hat es damit noch eine andere Bewandtnis. Sie kennt das Schwein aus Erfahrung am eigenen Leib. Wenn es ihm gelungen war, mehr als ein Dutzend Jahre unentdeckt seinen perversen Vorlieben nachzugehen, wird er sicherlich auch jetzt nicht aufgeben. Mit einem festen Griff an seinen Sack reißt sie ihn wieder nach vorne.

„Wir haben ja gerade erst begonnen, uns zu unterhalten, und ich sehe keinen Grund, dass du dich hier gemütlich auf der Couch zurücklehnst. Sitz aufrecht, wie es dir hoffentlich dein Vater beigebracht hat, wenn du mit einer Dame sprichst.“

Pia grinst ihn herausfordernd an. Soll der Kerl nur versuchen, sich zu wehren. Sie würde ihm schon zeigen, was es heißt, sich mit einem Dan anzulegen.

Scheiße schießt es Willi durch den Kopf. Sie hat wahrscheinlich seinen Prügel bemerkt, wie der sich in Vorfreude auf den baldigen Fick aufrichtete. Er muss erst mal sich selbst in Sicherheit bringen, bevor er daran denken kann, es ihr heimzuzahlen und sie langsam zu Tode zu bumsen. Gehorsam richtet er sich auf und sitzt kerzengerade vor ihr auf dem Polster.

„Was planst du eigentlich mit mir, nachdem ich dir Rede und Antwort gestanden habe?“

„Dasselbe, was du damals mit uns gemacht hast.“

„Du willst mich vergewaltigen? Aber da musst du wirklich keine Gewalt anwenden. Ich stehe freiwillig zur Verfügung“, lüstern grinst er sie an.

„Überleg mal, welchen Ausweg einige der Mädchen nach dem nächtlichen Missbrauch nur noch sahen.“

Ungläubig starrt sie Willi an: „Du willst, dass ich mich umbringe?“

„Nein das wäre nicht gerecht, weil du dann nicht leiden müsstest. Ich gebe dir eine Chance. Alles was wir besprochen haben, ist auf meinem Handy aufgezeichnet. Du hast die Wahl, vom Balkon zu springen, und kommst lebend davon, oder ich übergebe die Aufzeichnung morgen einem Nachrichtenmagazin und du wirst hoffentlich den Rest deiner Tage im Gefängnis verbringen. Ich bevorzuge ehrlich gesagt die zweite Alternative, da du ja nicht das einzige Schwein warst und die Kerle, die euch decken, weiterhin in Amt und Würden sind. Die sollen ebenfalls bloßgestellt und gezwungen werden, für ihre Taten zu büßen. Also, wenn du mir einen Gefallen tun willst, springst du nicht und wartest auf den Prozess. Komm, lass uns mal auf die Veranda gehen, dir deine Optionen vor Augen führen.“

Draußen ist es bereits dunkel geworden. Dichter Nebel erschwert die Sicht und Pia ahnt, dass man die Metallträger, die unten aus dem Bauschutt ragen, von hier oben kaum erkennt. Sie weiß, der schwierigste Teil liegt noch vor ihr. Was, wenn der Mann auf dem Balkon plötzlich lauthals um Hilfe schreit oder sie angreift? Sie hat sich zwar redlich bemüht, den Kerl weichzukochen, aber keine Ahnung, ob ihr Angebot verfängt. So, wie sie Willi im Keller kennengelernt hat, gab der nie auf, bevor er sein Ziel erreichte. Sie kann sich nicht vorstellen, dass er nicht mehr der Alte ist und jetzt klein beigibt.

Sie schiebt ihn vor sich her ins Freie. Der Mann setzt sich auf das schmiedeeiserne Geländer des Balkons und starrt sie hasserfüllt an:

„Vielleicht solltest du mir erst mal die Fesseln abnehmen. Es wird sicherlich Fragen aufwerfen, wenn da unten mein Körper mit auf dem Rücken gefesselten Armen gefunden wird.“

Pia ahnt, worauf es der Mann abgesehen hat. Sobald sie die Kabelbinder löst, wird er sich vom Geländer abstoßen und auf sie stürzen. Sie muss jetzt unglaublich schnell handeln, falls sie ihm keine Angriffsfläche bieten will. Sie hat zu Hause getestet, die Plastikbänder mit dem Elektroschocker aufzuschweißen, aber bald festgestellt, dass das nicht funktioniert.

„Du hast die Wahl, im Gefängnis zu verrotten oder dich mit ein paar gebrochenen Beinen aus dem Staub zu machen.“

Indem sie dem Vergewaltiger Optionen anbietet, hofft sie, ihn davon abzulenken, dass er sie ja wegen Körperverletzung und Erpressung anzeigen könnte. Allerdings stünde dann sein Wort gegen ihres, bliebe er tatsächlich schwerverletzt am Leben. Aber auch keines der Mädchen hat den Sprung aus dem vierten Stock überlebt und sie befinden sich sogar eine Etage höher. Sie muss das Risiko auf sich nehmen. Sollte er den Sturz wider Erwarten überleben, wäre immer noch Gelegenheit, sich Ausreden zu überlegen, die sie der Polizei erzählte, falls man sie überhaupt verdächtigte.

Über ihren Schuhen trägt sie weiße Plastiküberzieher. Erstaunlich, dass Willi die genauso wenig aufgefallen sind, wie ihre Lederhandschuhe, die sie anbehalten hat. Alles was ihr passieren würde, ist, dass man sie wegen unterlassener Hilfeleistung belangt. Allerdings könnte sie sich damit herausreden, dass sie der Mann bedrängte, es auf dem Balkon zu einem Handgemenge gekommen sei, und sie voller Panik das Haus verließ. Viel mehr Kopfzerbrechen bereitete ihr, wie sie unerkannt das Gesprächsprotokoll an die Presse geben kann, ohne dass man sie mit hineinzieht.

„Was überlegst du so lange. Lös endlich meine Fesseln.“