Ein Zimmer im Hotel - David Wagner - E-Book

Ein Zimmer im Hotel E-Book

David Wagner

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Beschreibung

Wo sind wir, wenn wir reisen? David Wagner, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für sein Buch «Leben», schreibt in seinem neuen Buch über Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat. Ein Mann reist von Stadt zu Stadt, quer durch Deutschland und Europa bis nach China und in den Iran, aber Augen hat er immer nur für das: Hotelzimmer. Er kann sich nicht sattsehen an ihnen, bestaunt mit nie erlahmender Neugier, was es da alles gibt: Erdbeeren in einem Schüsselchen. Liegt neben dem Telefon ein Bleistift – spricht seiner Erfahrung nach für ein besseres Hotel – oder ein Kugelschreiber? In wildgemusterte Teppichböden sind Flecken offenbar schon eingearbeitet worden. Energiesparfunzeln, er müsste Glühbirnen dabeihaben. «Zum Lesen sollte ich mich eigentlich ins Badezimmer setzen, dort, im Schminklicht, ist es hell genug.» Eine «Kulturgeschichte der Unterwäsche» mit vielen Abbildungen steht im Regal, fast hätte er das Buch geklaut. Ein kleiner Frosch, den er aus einem Eingangsbereich gerettet hat, springt in ein Farnbüschel und ist verschwunden – «oder wollte er geküsst werden?» Das Glück, in einem Turmzimmer nächtigen zu können, auf einen See zu schauen, das Licht. Das Unglück der Zierkissenpest. Und warum steht in manchen Bädern eine Waage? David Wagner, Meister der poetischen Alltagsbeobachtung und immer wieder gerühmt für seine Beschreibungskunst bei höchster stilistischer Eleganz, nimmt uns mit in mehr als einhundert Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat. Ein Buch für alle, die unterwegs sind oder anderen eine Bleibe geben. Eine aufregende, anregende Reise der Wahrnehmung von lauter Sensationen des Gewöhnlichen – eine Schule des Sehens.

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David Wagner

Ein Zimmer im Hotel

Über dieses Buch

Wo sind wir, wenn wir reisen? David Wagner, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für sein Buch «Leben», schreibt in seinem neuen Buch über Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat.

 

Ein Mann reist von Stadt zu Stadt, quer durch Deutschland und Europa bis nach China und in den Iran, aber Augen hat er immer nur für das: Hotelzimmer. Er kann sich nicht sattsehen an ihnen, bestaunt mit nie erlahmender Neugier, was es da alles gibt: Erdbeeren in einem Schüsselchen. Liegt neben dem Telefon ein Bleistift – spricht seiner Erfahrung nach für ein besseres Hotel – oder ein Kugelschreiber? In wildgemusterte Teppichböden sind Flecken offenbar schon eingearbeitet worden. Energiesparfunzeln, er müsste Glühbirnen dabeihaben. «Zum Lesen sollte ich mich eigentlich ins Badezimmer setzen, dort, im Schminklicht, ist es hell genug.» Eine «Kulturgeschichte der Unterwäsche» mit vielen Abbildungen steht im Regal, fast hätte er das Buch geklaut. Ein kleiner Frosch, den er aus einem Eingangsbereich gerettet hat, springt in ein Farnbüschel und ist verschwunden – «oder wollte er geküsst werden?» Das Glück, in einem Turmzimmer nächtigen zu können, auf einen See zu schauen, das Licht. Das Unglück der Zierkissenpest. Und warum steht in manchen Bädern eine Waage?

 

David Wagner, Meister der poetischen Alltagsbeobachtung und immer wieder gerühmt für seine Beschreibungskunst bei höchster stilistischer Eleganz, nimmt uns mit in mehr als einhundert Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat. Ein Buch für alle, die unterwegs sind oder anderen eine Bleibe geben. Eine aufregende, anregende Reise der Wahrnehmung von lauter Sensationen des Gewöhnlichen – eine Schule des Sehens.

Vita

David Wagner, 1971 geboren, debütierte mit dem Roman «Meine nachtblaue Hose». Es folgten der Erzählungsband «Was alles fehlt», das Prosabuch «Spricht das Kind», die Essaysammlungen «Welche Farbe hat Berlin» und «Mauer Park», die Kindheitserinnerungen «Drüben und drüben» (mit Jochen Schmidt) sowie der Roman «Vier Äpfel», der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand. 2013 wurde ihm für sein Buch «Leben» der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen, 2014 erhielt er den Kranichsteiner Literaturpreis und war erster «Friedrich-Dürrenmatt-Gastprofessor für Weltliteratur» an der Universität Bern. Seine Bücher wurden in siebzehn Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.

Hotel Splendid-Dollmann, München. In der Junior-Suite steht ein weißes Porzellanschüsselchen mit Erdbeeren auf dem Couchtisch. Empire-Möbel, Nachbauten nehme ich an, helles Parkett. An den Wänden hängen italienische Architekturstiche, es gibt eine kleine Terrasse. Mir gefällt der zierliche Damenschreibtisch, leider steht er zur Wand hin, so könnte ich nie sitzen – wenn ich in Hotelzimmern schreibe, dann meist liegend, auf dem Bett. Hier hat das Bett einen Baldachin aus dem gleichen Stoff wie die Vorhänge, großzügig, geradezu üppig wurde er zugeschnitten. Ein schönes Zimmer, diese Junior-Suite, bin froh, dass ich nicht in die Senior-Suite musste. Oder gibt es die gar nicht? Ich erinnere mich, dass ich schon einmal in diesem Hotel übernachtet habe, es ist nur vier oder fünf Wochen her, allerdings in einem viel kleineren Zimmer mit Einzelbett. Das Einzelbett machte mir nichts aus, mich störte nur die Meterware Bücher auf dem Regal über dem Schreibtisch.

Das Frühstück wartet in einem geschickt ausgeleuchteten Raum im Souterrain, ich lasse mich täuschen und glaube kurz, die Sonne scheine herein. Marmelade steht auf dem Tisch, Erleichterung, ich muss also nicht auch für die zum Büfett. Eigentlich mag ich Frühstücksbüfetts nicht, die große Auswahl schüchtert mich ein, und eigentlich möchte ich morgens doch gar nicht viel essen. Erwachsen komme ich mir immer vor, wenn ich trotz reichhaltigen Angebots nur wenig frühstücke – erinnere mich an die Adoleszenz-Vollfressereien mit meinem Bruder, wer schafft mehr? Es gibt nur eine Süddeutsche Zeitung, und die wird schon gelesen, kaufe mir deshalb oben an der Rezeption eine eigene.

Später, als ich das Zimmer verlasse, nehme ich den Bleistift mit, der auf dem Nachttisch lag. Ich notiere nichts.

*

Pentahotel Leipzig, Leipzig. Großes Teppichbodenzimmer im siebten Stock, Sitzgruppe rechts, ein Couchtisch, auf ihm stehen Wasserflaschen und ein Obstkorb. Riesenbett links, breite, nicht ganz bodentiefe Fensterfront, bunte Deko-Elemente an der Wand. Und wozu sind die da? Dieser Wandschmuck verwirrt mich. Ein sehr großer Flachbildfernseher, Sky Sport frei empfangbar, ich schaue Fußball. Durch das Fenster Ausblick auf unentschiedene Flachbauten: Wurden die Häuser, die dort einmal standen, weggebombt? Grüppchen von Rauchern lungern vor den Baracken herum, dem Schüleralter entwachsen. Ein Schulungszentrum?

*

Hotel Tuscolano, Bologna. Das Haus steht auf der grünen Wiese, hinter einer Umgehungsstraße, nicht weit von der Autobahn. Vor etwa fünfzig Jahren war es neu, heute sieht es ein wenig so aus wie ein Hotel, in dem ein Verbrechen passieren könnte. Vielleicht ist es eher eine Pension als ein Hotel, das Zimmer ist eng. Ja, das Zimmer ist so beengt, dass ich mir vorstelle, die Wände wären um das Doppelbett herum gemauert worden. Der Fernseher hängt an der Wand, kein Platz für einen Tisch oder eine Kommode. Liege – wo sonst – auf dem Bett, schaue fern, friere und schreibe Tagebuch. Italien kann auch das hässlichste Land sein.

Im gleichfalls kurios beengten Frühstücksraum gibt es nur plastikverpackte Nahrungsmittel. Die Frau, die das Haus führt, ist sehr nett, wir unterhalten uns. Sie erzählt, sie erzählt viel, leider verstehe ich nicht alles. Wie war noch mal ihr Name?

*

Ostello Galletti Abbiosi, Ravenna. Ein Palazzo, in der Nähe des Bahnhofs. Das Zimmer ist luxuriös, aber nur zellengroß, um das Doppelbett herum bleibt nicht viel Platz. Zum Ausgleich gibt es einen riesigen Salotto, großzügige, weite Treppenhäuser und eine eigene Hotelkapelle, wir könnten hier heiraten.

Unser Frühstückskellner heißt Francesco, er bringt einen Cappuccino nach dem anderen, wir lieben ihn. An der Rezeption lassen sich Fahrräder leihen, wir fahren Richtung Meer. Heutzutage ist es allerdings weit bis zum Meer, in der Spätantike war das noch anders, Ravenna war früher eine Hafenstadt. Einmal besuchen wir ein kleines Kino, ein Kino, in dem wir uns wie in einem älteren italienischen Film vorkommen. Der Film spielt teils in einer italienischen Kleinstadt, teils in einem Boot auf dem Amazonas. Leider ist er nicht gut, wir gehen in der Pause.

Auch am letzten Morgen bringt Francesco uns einen Cappuccino nach dem anderen. Als er wieder eine Tasse abgestellt hat, schaut er mich lange an und sagt: «Ich glaube, Sie sind ein Dichter.»

*

Hotel Cavour, Mailand. Das Zimmer der Kategorie «Camera Classic» ist wie das gesamte Hotel ein wenig überdekoriert, das Haus ein säulenbestückter Teppichbodenpalast. Im Bad liegen zwei kleine Seifen neben dem Marmorbecken; als ich die erste auspacke, bin ich hin und weg von dem Duft, wie in einer anderen Sphäre. Ist es Bergamotte? Woran erinnert mich der Geruch? Als ich auf dem Weg zum Frühstück an einem Zimmermädchenwagen vorbeikomme, stehle ich zwei Seifen. Später schäme ich mich dafür.

*

Hotel Wedina, Hamburg. In oder auf St. Georg, nicht weit vom Hauptbahnhof, habe hier schon zweimal übernachtet. Würde hier gern wohnen: Zimmer mit Sofa, es gibt sogar eine Küchenzeile, die ich allerdings nicht nutze, bin ja wieder nur eine Nacht da. Auf dem Tischchen steht ein Teller mit Brownies und Obst. Schade, dass das Wetter so schön ist, ich muss hinaus. Nehme mir einen Apfel mit, Äpfel liegen in einem Korb an der Rezeption.

*

Hotel Maingau, Frankfurt. Der Weg in das kleine Zimmer führt durch einen labyrinthischen Verbindungsgang und einen Hinterhof in ein enges Treppenhaus mit einem Aufzug aus den fünfziger Jahren, seine schwere, laut ins Schloss fallende Metalltür lässt mich an eine Bunkertür denken. Das Zimmer hat ein Fenster zur Sachsenhausener Brückenstraße hin und ein Waschbecken neben dem Bett. Offenbar befindet es sich dort, nur einen Meter vom Fußende entfernt, weil es nicht mehr in die kabuffkleine Badekabine passte. Mir fällt ein, dass ich als Kind ein Zimmer mit Waschbecken hatte, was ein Vorteil war, so musste ich mich morgens nicht mit meinen Geschwistern im Bad drängeln. Seltsame Dusche: Der Schlauch beginnt kurz unter der Decke, reicht aber nur bis auf Nabelhöhe hinunter. So prüde habe ich noch nie geduscht. Der Zugang zum Internet soll eine Extra-Gebühr kosten, ich verstehe das nicht. Wieso wird dann nicht auch fürs Fernsehen Geld verlangt? Sehr schmales Bett, egal. Immerhin, es gibt richtige Bügel und nicht solche, die an einem Bügelring auf der Kleiderstange ein- und ausgehakt werden müssen, ich hasse diese Fummelbügel. Sagt die Konstruktion mir nicht: Eigentlich verdächtigen wir dich, unsere Hotelbügel klauen zu wollen?

*

Bayrisches Haus, Potsdam. Wieder eine Junior-Suite. Hinter der Tür erst ein Vorzimmer mit Schränken, dahinter ein Raum mit Sitzgruppe und breitem Doppelbett. Schwarze Bleistifte liegen auf dem Schreibtisch sowie auf dem Nachttisch. Es gibt eine Nespresso-Espressomaschine, einen Wasserkocher, Äpfel in einer Obstschale auf dem Couchtisch, flauschige Bademäntel und Schlappen mit dem Wappen und dem Schriftzug «Bayrisches Haus». Es ist ein Blockhaus im Alpenstil; Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ließ es im Jahre 1847 in der brandenburgischen Taiga für seine Gattin Elisabeth Ludovika von Bayern errichten, weil sie Heimweh nach dem Tegernsee hatte. Das freundliche Personal muss Trachtenanzug oder Dirndl tragen, zum Lachen. Es ist Anfang Mai und warm, wir können jedoch trotz der milden Temperatur nicht draußen sitzen: Die Stechmückensaison hat bereits begonnen, wir werden angegriffen. Ist die Gegend zu dieser Jahreszeit unbewohnbar? Jetzt verstehe ich auch, wieso all die schönen großen Fenster unserer Suite mit Fliegengittern ausgestattet sind – der Blick in den Wald ist leicht verschleiert.

Nachts, zurück im Zimmer, sind die Vorhänge zugezogen und die Betten so aufgeschlagen, dass wir gleich hineinschlüpfen können. Auf den Kopfkissen liegen zwei Betthupferl-Pralinen. Hätte ich doch mal die herumliegenden Unterhosen weggeräumt.

*

Hotel Altera, Oldenburg. Im Zimmer steht ein Ventilator, weiß, steht da wie ein Versprechen – es könnte also heiß werden. Unter dem Fernseher, auf einem rollbaren TV-Möbel aus Metall, hat ein DVD-Spieler Platz, DVDs lassen sich an der Rezeption ausleihen. Auf der Fensterbank eine giacomettihafte Giraffe, eine Skulptur, aha, vom Bett aus gut zu sehen. An der Wand hängt eine Arbeit von Franz Radziwill, letztes und jüngstes Mitglied der Freien Secession, er lebte später als Einzelgänger im Land Oldenburg: ein größerer, hochkant an der Wand hängender Kasten, in dem sich Stuka-Modelle, bemalte Muscheln, ein rundes Porträt, das an einem fast unsichtbaren Faden baumelt, und ein Kalenderblatt vor einem gemalten Hintergrund versammeln. Muss ich das nun interpretieren? Auf dem Boden wurde Stabparkett verlegt. Es gibt auch einen begehbaren Schrank, obgleich das Zimmer nicht groß ist, es ist vor allem tief. Die Fenster haben, so eher selten zu sehen, zwei waagerechte Sprossen. Im Bad warten Wattebäusche in einem Glasbehälter, zum Glück muss ich mich nicht abschminken. Die Duscharmaturen gefallen mir, aus Stahl, sie wirken sehr stabil.

Im Frühstücksraum sitzen, verteilt an verschiedenen Tischen, zwölf Männer, alle im Hemd ohne Jackett, ausnahmslos Anzugshemden. Eine einzige Frau ist im Raum – die Bedienung. Sie bringt Kaffee, der Kaffee schmeckt gut. Auf den breiten Fensterbänken liegen und stehen Bildbände, ich blättere in einem über Venedigs Luxusunterkünfte und höre dabei Gesprächsfetzen über Öltanker und den Jade-Weser-Port, «bei uns im Vorstand», «umtriebig» und «Mallorca». Ich lausche auch einer längeren Ausführung, einem Impuls-Referat über Kühllogistik und die Firmen, die sie in Deutschland betreiben, der Ortsname Meckenheim fällt häufiger.

Auf dem Weg zurück in mein Zimmer komme ich an einem Scrabble-Spiel vorbei. Einem Hinweisschild entnehme ich, dass hier die Gäste gegen die Mitarbeiter des Hotels spielen. Wer vorbeikommt, darf ziehen. Welches Wort soll ich legen aus UJXLAHI?

*

Hotel Königshof, Köln. Überall ist das Signet des Hauses, eine Krone, zu sehen: auf den Türen, eingewebt im Teppichboden, auf dem Notizblock, dem Kugelschreiber und den Handtüchern, es fehlt nur auf dem Toilettenpapier. Bin in einem sehr kleinen Hinterhofzimmer einquartiert worden, Tauben gurren zwischen Lüftungsanlagen. War wohl mal ein Raucherzimmer, ich rieche es, als ich nachts zurückkomme, bin aber zu müde, um mich zu beschweren. Monets Seerosen blühen über dem Bett. Ein Gerät wie den herausklappbaren wandmontierten Hosenbügler möchte ich eines Tages mal ausprobieren.

An den Wänden des Frühstücksraums klebt weiß überstrichene Glasfasertapete, an der Decke sind Messinglampen angebracht. Kaffee kommt in Porzellankännchen, schmeckt. Weiße Gardinen vor den Fenstern, fast blickdicht, sie erinnern mich an die Goldkantenwerbung. Weiße und rote Gerbera stehen in einer Glasvase, auf deren Boden sich eine Schicht Glaskügelchen befindet, das Blumenwasser sieht aus wie Bubble-Tea. «Für den sauberen Tisch» lese ich auf dem Tischmülleimer aus Kunststoff, eine Krone, ja, der Königshof, auch auf den Servietten. Eine italienische und eine chinesische Reisegruppe umringen mich, die Italiener sind, für Italiener, ziemlich salopp gekleidet.

*

Hotel Domizil, Tübingen. Schöne Lage, ich sehe den Neckar aus meinem Zimmer, sein Wasser so grün. Neben dem Bett steht ein sonderbarer Nachttisch quer zum Bett, hat etwas von einem angeschrägten Kommandopult, eine Lampe ragt heraus. Steuerhebel? Mikrophon? Auf den Schranktüren und an den Wänden wurden, postmoderne Gestaltung, einige salbeigrüne und türkisfarbene Deko-Dreiecke aufgemalt. Die Begrüßungswasserflasche soll 2,50 € kosten, kleinlich. Gute Matratze, möchte weiterschlafen. Im Bad ist das Waschbecken sehr hoch montiert – oder bin ich über Nacht geschrumpft? Grauer, wildgemusterter Teppichboden liegt im Zimmer und auf dem Flur, die Flecken sind schon eingearbeitet, neue fallen nicht weiter auf.

Im Frühstücksraum höre ich Phil Collins, dann Italo Disco. Das Büfett liegt kurz vor acht geplündert da, eine Reisegruppe hat gefrühstückt. Die Bedienung, blond, sehr freundlich, spricht mit einem russischen Akzent. Überall in Tübingen, in fast jedem Lokal hängt ein solches Schild, werden Servicekräfte gesucht. Könnte gleich anfangen, ich überlege zu bleiben.

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Hotel Rainhof Scheune, Kirchzarten im Schwarzwald. Ich schlafe in einer ehemaligen Knechtkammer unter dem Dach einer riesigen Scheune. Oder in zwei zusammengelegten Knechtkammern? Alles um mich herum ist aus Holz: der Boden aus Holz, alle vier Wände aus Holz, die Decke aus Holz, es riecht nach Holz, riecht gut. Sehr helle Lampen erzeugen indirektes Licht. Das eine Fenster ist nicht gerade groß, heute bin ich Hieronymus im Gehäuse. An der Wand hängt ein großer Querformatspiegel – erst als es mir erklärt wird, verstehe ich, dass es sich um einen Fernseher handelt. Spät in der Nacht schalte ich ihn ein. Leider läuft nichts.

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Best Western Plus Hotel Steinsgarten, Gießen. Spaziere, vom Bahnhof kommend, durch die Nachkriegsbebauung, finde auch gleich zum berühmten Elefantenklo – einer riesigen, unförmigen, kantigen Betonfußgängerbrücke mit drei großen, achteckigen Aussparungen, die dem Gebilde zu seinem Namen verholfen haben. Beziehe ein Zimmer im siebten Stock, mit Aussicht. Zähle insgesamt fünf kleine Pappaufsteller mit Hinweisen auf kostenpflichtige Dienstleistungsangebote, ich sammle sie alle ein und verstecke sie im Schrank. Es riecht ein bisschen nach Teppichboden. Leider gibt es keinen Wasserkocher auf dem Zimmer wie in den amerikanischen Best-Western-Hotels. Verlasse das Haus um fünf Uhr früh, muss zum Zug, kein Frühstück. Nehme aus dem Obstkorb an der Rezeption zwei Äpfel mit.

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Hotel Stadt Hannover, Göttingen. Die Vertäfelung und das mit Teppichboden ausgelegte hölzerne Treppenhaus verraten es, ja, es ist ein altes Haus. Sein Name steht auch auf den schweren Silberkännchen, in denen der Kaffee auf den Frühstückstisch kommt. Mir gefallen diese Silberkannen. Und die Vertäfelung. Die Lokalzeitung liegt aus: Ein Betrunkener wurde auf einem Damenrad erwischt, bald endet die Anmeldefrist für den Göttinger Stadtlauf. Was war noch? Ein Fleischer und ein Bäcker eröffnen zusammen ein Geschäft.

Neben dem Aufzug hängt, eingerahmt, ein Zertifikat, das bescheinigt, dass im Leitungswasser des Hotels keine Legionellen gefunden wurden und einschlägige Grenzwerte unterschritten bzw. eingehalten werden. Diese Unbedenklichkeitserklärung macht mir Angst. Ich lasse das Wasser nun extra lange laufen und bilde mir trotzdem leichten Brechreiz ein. Putze mir mit Mineralwasser die Zähne.

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Amber Hotel Hilden/Düsseldorf, Hilden. Großformatige Tulpenbilder, Wandfarbe Apricot, hellfurnierte Einbaumöbel und wieder ein Teppichmuster, das Flecken tarnen soll. Zum Glück habe ich meine Flip Flops dabei, ich muss diesen Teppichboden also nicht mit nackten Füßen betreten. Eine Senseo-Kaffeemaschine steht im Zimmer, großes Plus; sie gleicht fast aus, dass ich für WLAN hätte bezahlen müssen. Ich befinde mich in einem Dachzimmer mit Dachschräge, die Fenster zeigen in den Himmel, Rauchmelder an der Decke blinken alle dreißig Sekunden kurz grün auf, nerven. Und überall Energiesparfunzeln, ich sollte mit Glühbirnen reisen, zum Lesen müsste ich mich ins Badezimmer setzen, dort, im Schminklicht, ist es hell genug. Für meinen Geschmack sind zu viele und zu große Spiegel im Zimmer angebracht, ich möchte mich gar nicht immer sehen. Hotels, in denen Kugelschreiber auf dem Zimmer liegen (wie hier), sind eher nicht so gute, Hotels, in denen es Bleistifte gibt, eher bessere.

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Zweibrücker Hof, Herdecke. Ich möchte mal ein Hotel-Schwimmbad nutzen, möchte schwimmen gehen – aber was als Schwimmbad angepriesen wird, entpuppt sich als größere, gekachelte Badewanne. Schwimme dann lieber doch nicht, gehe stattdessen am Ufer der Ruhr spazieren. Ein sehr hoher, gemauerter Eisenbahnviadukt führt über das Tal, sieht aus, als wäre er für ein Landschaftsgemälde dorthin gestellt worden. Als die Engländer während des Krieges die Möhnetalsperre bombardierten, habe die Flutwelle einen der Pfeiler umgerissen, erzählt mir ein älterer Herr.

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Hotel Meder, Andernach. Kleines Lieblingshotel am Rhein. Mein Zimmer geht zum Fluss, nachts höre ich die Schiffe. Und die Güterzüge. Ein freundliches Ehepaar führt das Hotel, sie stammt aus Berlin, hat die ersten zehn Jahre ihres Lebens in der Stargarder Straße, Prenzlauer Berg, gewohnt, ging kurz vor dem Mauerfall mit ihren Eltern in den Westen. Bemalte Bauernschränke stehen im Zimmer. Muss immerzu auf das Wasser und die Weinberge gegenüber schauen. Leider regnet es schon wieder.

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Hotel am Forum, Fürth. Außen auf den Zimmertüren sind Nilpferd-Zeichnungen zu sehen. Befinde ich mich auf dem Nilpferdflur? Der Schrank im Zimmer ist giftgrün. Im Bad liegen die Kosmetiktücher in der Kartonverpackung aus. Plötzlich ärgere ich mich über die Handtücher-nicht-zu-wechseln-schont-die-Umwelt-Schilder. Unter dem Wohlfühl-Deckmäntelchen Umweltschutz geht es doch eher darum, Wäschekosten zu sparen.

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Hotel am Rathaus, Ulm. Vom Fenster aus sehe ich auf eine Dachterrasse, dort liegt eine sich sonnende Frau, sie hat ihr Bikinioberteil ausgezogen. Im Zimmer, das fällt mir erst später auf, steht nichts herum: kein Minibaraufsteller, kein Faltkarton, der auf Pay-TV hinweist, kein Begrüßungskörbchen, und weder Block noch Stift fordern mich dazu auf, Notizen zu machen. Im Bad wartet keine Duschhaube, keine Nagelfeile und keine Körperlotion in kleinem Fläschchen, es gibt nur einen mit parfümierter Seife gefüllten Seifenspender und Handtücher. Nicht einmal Kosmetiktücher gibt es, aber das ist nicht schlimm, zur Not putze ich die Brille auch mit Toilettenpapier. Auf dem gut ausgeleuchteten Hotelflur stehen Bauernschränke und ein Biedermeiersofa, der Flur erscheint mir wohnlicher als manches Hotelzimmer, in dem ich übernachtet habe. Ein familiengeführtes Haus. Vermisse, als ich in der Nacht zurückkomme, nur eine Obstschale, aus der ich einen Apfel nehmen könnte.

Im Frühstückszimmer, Ölgemälde an den Wänden, flattert ein Zettelchen aus der kunstvoll gefalteten, kariert gemusterten Papierserviette. Ich lese: «Mögen Sie auf Wolke sieben schweben» – Glückskeksprosa, wie schön. Schweben möchte ich gern, irgendwo. Die Butter steht schon auf dem Tisch, keine Portionspackungen auf dem Frühstücksbüfett, Orangensaft kommt auf Bestellung aus der Küche. Zum Abschied schenkt die Frau an der Rezeption mir ein Bonbon.

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Savoy Hotel, Köln