Eine Bohne rettet die Welt - Matthias Krön - E-Book

Eine Bohne rettet die Welt E-Book

Matthias Krön

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Beschreibung

Unsere Ernährung darf kein Klimakiller sein! Die Klimakrise ist in aller Munde. Buchstäblich. In Südamerika zerstört man wertvolle Regenwälder, damit Anbauflächen für Sojabohnen entstehen. Soja wird rund um den Erdball transportiert und dient als Futter für Tiere. Deren Fleisch landet zum Billigtarif in unseren Supermärkten, gefördert von der europäischen Agrarpolitik. Eine fatale Entwicklung, die den Klimawandel anheizt. Matthias Krön engagiert sich für einen regionalen und gentechnikfreien Anbau von Soja in Europa. In seinem Buch weist er einen Ausweg aus dem Billigfleisch-Dilemma. - Ackerbau in den Tropen: Was muss sich ändern? - Klimafreundliche statt klimaschädliche Nahrungsmittelproduktion - Regional und ökologisch: Wie gelingt Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft? - Mehr Fleischersatzprodukte statt Fleischkonsum zum Billigpreis - Fundiertes Sachbuch vom Gründer der Organisation »Donau Soja« Nachhaltig leben gegen die Klimakrise: Was wir jetzt tun können Mehr als 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit produzieren Tierfutter. Das gilt auch für den europäischen Ackerbau. Wie können Agrarpolitik und Verbraucher gegensteuern? Was können wir tun, um die Regenwälder zu bewahren und uns umweltbewusst zu ernähren? Die Sojabohne steht für Matthias Krön im Zentrum der Ernährungs- und Klimadiskussion. Wenn die wertvolle Eiweißquelle Soja Menschen statt Tiere ernährt, ist ein wichtiger Schritt zur Umkehr getan. Wir brauchen Nahrung ohne Ökozid und ohne klimaschädliche Tierfabriken. Der Autor zeigt, wie das – mit Hilfe von Soja aus europäischem Anbau – gelingen kann.

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Seitenzahl: 194

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MATTHIAS KRÖN

EINE

BOHNE

• RFTTET DIE WELT •

Warum dieBilligfleisch-Ärazu Ende geht undwas Soja damitzu tun hat

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger

Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2022 Ecowin Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Gesetzt aus der Ivar Text

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Gestaltung: wir sind artisten

Lektorat: Dr. Elisabeth Skardarasy

Illustrationen: Claudia Meitert/Agentur für visuelle Kommunikation,

NIKCOA/Shutterstock.com

Coverfotos: © StockFood/Lerner, Danny,

MRS.Siwaporn/Shutterstock.com, phive/Shutterstock.com

ISBN 978-3-7110-0314-0

eISBN 978-3-7110-5336-7

Anmerkung zum sprachlichen Gebrauch:

Sowohl für die Sojabohne als auch für alle anderen in diesem Text auftretenden Akteure wird nach ästhetischem und gesellschaftspolitischem Ermessen des Autors in Abwechslung das weibliche, sächliche oder männliche Geschlecht verwendet.

INHALT

Prolog

Kapitel 1: Salzburg – Ernährung

1Darf’s ein bisserl mehr sein

Kapitel 2: Ernährung, die umstrittenste Frage der Welt

1Wie unser Essen immer mehr von immer weniger wird

Kapitel 3: Schiffe voller Bohnen

1Kleine Bohne, große Commodity

2Soja und die Welt in Zahlen

3Was wir essen, bestimmt, wie unsere Welt aussieht

Kapitel 4: Taipei – Sojamilch zum Frühstück

1Vom Nonntal nach Taipei

2Wie ein Chinese aus mir wurde

3Der Küchengott

4Konvergenzpunkte

5Was wird in Europa gegessen und woher stammt es?

6Aminosäuren in der Sojabohne

7Das Glück des Tofus

Kapitel 5: Die Geschichte der Sojabohne und wie sie von China zum Riesenrad und vom Riesenrad in die Welt ging

1Wie die Sojabohne zur Weltausstellung nach Wien kam

2Gedanken und Übergänge

Kapitel 6: Pflanze zwischen innen und außen

1Zur Pflanze selbst

2Proteinbildung

3Photoperiodismus

4Spermidin

5Design neuer Sorten

6Wie funktioniert das Kreuzen von Pflanzen?

Kapitel 7: Die Sojapflanze in der Welt

1In China regnet es Sojabohnen

2Die Sojabohne in Mexiko und Zentralamerika

Kapitel 8: Oberwart – Wie ich Molkereidirektor wurde und herausfand, dass die Kühe im Stall standen und Soja fraßen

1Wie wurde ich Molkereidirektor?

2Die Kraft von Ideen – aus alt wird neu

3Die Welt, dieser kleine Bauernhof

4Das Tier und wir

5Alternativen zu Fleisch – Kopien sind langweilig – Barbecue Island

Kapitel 9: Nürnberg und Lan Yu – Wirtschaft verändert die Welt

1Das Paradies und die Orchideeninsel

2Transformationen

3Wie mir ein Teebauer aus Darjeeling »Bio« erklärte

4Quantität geht auf Kosten der Qualität

5Nahrung für Wildtiere

Kapitel 10: Verein Soja Österreich, Ritzlhof Gründung Donau Soja

1Die Fleischindustrie

2Das Danube-River-Basin

3Landnutzungsänderung, Sikkationsverbot, Pestizide

4Das Schwein und der Weltmarkt

5Europäische Identität – Osteuropa – Agrarkolonie

6Die Europa-Soja-Erklärung

7Die Eiweiß-Wende

Kapitel 11: Commodities vs. Beziehungssoja

1Futures

2Brasilien

3Qualität der Nähe

Kapitel 12: Wer regiert die Sojabohne?

1Das Prinzip der relativen Vorzüglichkeit

2Das Blair-House-Agreement

3Kastldenken 1

4Kastldenken 2, Gentechnikfreiheit

5Neues Schlagwort: »Entwaldungsfreie Lieferketten«

6Riesenbusiness Sojabohne

Kapitel 13: Die Sojabohne – Ein Ausblick

Danksagung

Quartin der sieben Stufen

Bohnen köcheln zu Brühe

Stängel und Hülsen knistern im Feuer

Im Topf klagen die Bohnen. Auch ich klage

Bruder, warum willst du mich rösten?

Cao Zhi

PROLOG

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Fahrrad die Donau entlang. Auf der einen Seite fließt der Ihnen vertraute Strom, auf der anderen erheben sich Weinberge, liegen Wiesen oder weite Felder. Im Sommer erkennen Sie, was dort wächst: den hochgewachsenen Mais, den gelb blühenden Raps, den wogenden Roggen. Manchmal sehen Sie aber nur ein Feld voller grüner Pflanzen und vermutlich machen Sie sich keine weiteren Gedanken. Dass es die Sojabohne ist, die da gedeiht, allseits bekannt und die große Zukunftshoffnung für die Wende hin zu einer klimafreundlichen Nahrungsmittelproduktion, daran denken Sie vermutlich nicht. Sie ist das Grundprodukt für Sojasauce oder Miso-Suppe, für Tofu und viele Alternativen zu Fleisch. Genau hinzuschauen, lohnt sich. Denn was hier entlang der Donau, aber auch an vielen anderen Orten wächst, ist gar nicht so selten Soja, das aus unserer Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken ist.

Über viele Jahre meines Berufslebens hinweg habe ich Abläufe, Entwicklungen und Zusammenhänge unserer Ernährungsweise verstehen gelernt. Es war eine Reise von tausenden Kilometern quer über den Globus, mit vielen Überraschungen und großen Entdeckungen. Ich lade Sie mit diesem Buch ein, noch einmal mit mir an diese Orte zu reisen, andere Arten des Nahrungsmittelproduzierens und der Ernährung kennenzulernen und meine Erlebnisse zu teilen. Eines vorweg: Es wird ein Abenteuer mit überraschenden Erkenntnissen, faszinierenden Begegnungen und Experimenten mit noch offenem Ausgang. In dieser Geschichte geht es um die Sojabohne, aber auch um nichts Geringeres als um unsere Welt. Da es bekanntlich keinen Planeten B gibt, beschäftigen wir uns mit dem Planeten, den wir haben. Mein Anliegen ist es, zu zeigen, dass Soja aus Europa ein wesentlicher Schlüssel zur Bewältigung des Klimawandels sein kann. Einfach wird der Weg dorthin nicht, spannend allemal …

KAPITEL 1

SALZBURG – ERNÄHRUNG

1. Darf’s ein bisserl mehr sein?

Was ich mit hundert Schilling einkaufen konnte

In meiner Salzburger Wiege lag gewiss keine Sojabohne. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, denke ich oft an meine Großmutter väterlicherseits, die in unserem Haus die untere Wohnung bewohnte. In ihrer Generation gab es noch diese Angst vor einem Mangel an Nahrung und Hunger. Vorratshaltung und sorgsame Planung der Ressourcen waren wichtige Prinzipien eines guten Haushalts, und die Beschaffung der Nahrungsmittel verbrauchte einen Großteil des Budgets. Meine Großmutter hatte eine große Speisekammer voller Töpfe, Krüge, Gläser und Besonderheiten. Sie hatte viele Gerätschaften, die man in heutigen Küchen meist nicht mehr findet. Manchmal werde ich durch Gerüche an diesen Raum erinnert – im Winter roch es erdig, nach kalten Kartoffeln, oder, wenn sich gerade Weihnachtsbäckereien in Dosen übereinanderschichteten, nach Zimt und Orangen. Im Frühling duftete es nach Tannenwipfeln, die sie abwechselnd mit Zucker in Einmachgläser schichtete, um nach einigen Wochen den entstandenen Sirup abzufüllen, welchen meine Schwestern und ich im nächsten Winter bei Erkältung und Husten löffelweise verabreicht bekamen. Im Hochsommer verströmten Petersilie und frische Äpfel ihren Duft. Meine Großmutter wusste genau, zu welcher Jahreszeit man welche Lebensmittel günstig kaufen konnte. Die Kosten trug sie in einen Marktkalender ein.

In den Salzburger Nachrichten war damals jede Woche ein Bericht über die aktuellen Marktpreise und anhand dieser Zahlen aktualisierte sie ihren Kalender regelmäßig. Wenn die Eier billig waren, dann kaufte sie 48 Stück und kochte sie ein. Ich erinnere mich noch an die vielen Gläser in verschiedenen Formen und Größen, die sich in ihrer »Speis« stapelten, besonders an die darin eingelegten Eier, die im Prozess der Konservierung durch den beigefügten Essig eine bräunliche Farbe annahmen. Oder an die Marmeladen und Kompotte aus Kirschen und anderem Steinobst, die alle genau beschriftet und fein säuberlich sortiert waren. Wir haben zusammen Quittenkäse, Kekse und Lebkuchen gebacken. In ihrer großen, lauten Mühle mahlten wir Mandeln und Nüsse. Als sie starb, mussten meine Eltern viele der eingekochten Kostbarkeiten entsorgen. In dem Wissen, wie viel Liebe und Sorgfalt in den bunt gefüllten Töpfchen steckte, fiel es schwer, sich von ihnen zu trennen.

Als Kind naschte ich gerne vom rohen Kuchenteig und war dann oft von Geschmack und Konsistenz des Fertiggebackenen enttäuscht. Auch bei Semmelknödelteig ging es mir so. Was ging da vor sich? Wenn man kocht oder bäckt, dann verändern die verwendeten Zutaten ihren Zustand, ihre Aromen und ihre Form. Diese Transformation faszinierte mich schon damals.

Am Wochenende wurde in meiner Familie meist der klassische Sonntagsbraten aufgetragen. Gulasch oder gekochtes Schweinefleisch kamen unter der Woche nur manchmal auf den Tisch, hauptsächlich kochten meine Mutter oder unser Kindermädchen Gemüsesuppen, nach denen es als Hauptgang warme, süße Mehlspeisen aus Ei, einen Grießschmarren oder einen Reisauflauf mit Kompott und Röster gab. Im Herbst waren frische Zwetschken im Auflauf mitgebacken. Auch Gemüsespeisen und Eintöpfe mit Linsen oder Bohnen durften nicht fehlen. Diese traditionelle Art zu kochen und zu essen, kennt man heute fast nicht mehr. Der Anteil von Fleisch an der Ernährung betrug damals maximal ein Drittel des heute üblichen.

Als ich noch klein war, begleitete ich meine Mutter regelmäßig beim Einkaufen. Später bat sie mich, die Einkäufe für sie zu erledigen. Ich machte es gern und weiß deshalb, wie teuer Fleisch und Milchprodukte früher waren und wie günstig im Gegenzug Gemüse.

Zum Einkaufen ging ich ins Zentrum des Nonntals, einem Stadtteil von Salzburg. Es gab noch keinen Supermarkt in unserer Nähe. Meine Mutter gab mir in ihrer Zweitgeldbörse meist hundert Schilling mit, einen Korb und einen Jutesack. Im Nonntal gab es alles, was man brauchte: Einen Bäcker, einen Fleischhauer, den Herrn Stocker, einen Milch- und Käseladen, die Frau Etter, ein Radgeschäft und mehrere Gemüseläden. Den Fleisch- und Selchladen Walter Stocker gibt es heute noch, auch die Bäckerei. In der Auslage des früheren Käseladens von Frau Etter hingegen türmt sich anstelle der gelben, duftenden Laibe nur mehr Gerümpel.

Die Erfahrung hatte mich gelehrt, wie ich mir das Geld am besten einteilen musste, damit sich mit meinen hundert Schilling alles ausging, denn ich musste sehr viel einkaufen. Zuerst besorgte ich die teuersten Sachen – die Fleischwaren und Milchprodukte. Wenn Herr Stocker mich fragte, ob es von der Wurst oder vom Fleisch ein bisschen mehr sein dürfe, musste ich manchmal verneinen, denn ein paar Dekagramm mehr oder weniger machten damals keinen geringen Unterschied. Die geschenkte Scheibe Extrawurst nahm ich aber gern.

Im nächsten Geschäft ging es ein paar Stufen hinab, schon war man in einem kühlen Raum mit Terrazzoboden, in dem es nach frischem Topfen und Emmentaler roch. Das Geschäft von Frau Etter mochte ich besonders. Meist kaufte ich Butter, Milch und inländischen Käse. Die Sorten aus Frankreich oder der Schweiz waren beinah unbezahlbar. Aber auch Butter und Schlagobers hatten im Vergleich zu heute einen viel höheren Preis. Wenn mir von den hundert nach dem Einkauf von Fleisch- und Milchprodukten noch zwanzig Schilling übrigblieben, war ich froh, denn dafür konnte ich im Gemüseladen sehr viel bekommen. Am Ende ging sich vielleicht sogar noch ein Eis für mich aus.

Heute ist es umgekehrt. Ein Kilogramm Huhn im Supermarkt ist günstiger als ein Kilogramm Bio-Kohlrabi. Gemüse und Brot stiegen im Preis in den letzten Jahrzehnten stark an, Brot um 800 Prozent, Gemüse um 500 Prozent. Fleisch, Fett und Zucker, die eigentlich nicht in hohem Maß verzehrt werden sollten, sind verhältnismäßig spottbillig. Der Anteil des Getreides am Brotpreis ist sehr gering, er setzt sich hauptsächlich aus Faktoren wie Arbeitszeit und Logistik zusammen. Das Getreide selbst macht nur ungefähr acht Prozent des Gesamtpreises aus. Bei Gemüse und Obst sind die Arbeitskosten entscheidend geworden. Die Ernährungspyramide steht also auf dem Kopf – alles, wovon wir mehr essen sollten, wird immer teurer, und das weniger Gesunde wird immer billiger. Warum ist das so?

KAPITEL 2

ERNÄHRUNG, DIE UMSTRITTENSTE FRAGE DER WELT

1. Wie unser Essen immer mehr von immer weniger wird

Unsere Masttiere fressen Pflanzen. Sie erhalten durch das Futter jene Energie, die sie brauchen, um schnell zu wachsen. Die Aufnahme von Eiweiß fördert das Muskelwachstum, die Aufnahme von Kohlehydraten erhöht den Fettanteil im Körper. Die Tiere fressen große Mengen Futter in kurzer Zeit. Ein Mastschwein nimmt pro Tag etwa 800 Gramm zu. Um ein Kilogramm zuzunehmen, muss es etwas mehr als zweieinhalb Kilogramm Futter fressen. Dieses Futter ist sehr energiereich und besteht aus einer Mischung aus Mais, Getreide und Sojaschrot.

Der Sojaanteil ist in der heutigen Zeit der Haupteiweißlieferant und liegt bei etwa fünfzehn Prozent der jeweiligen Futterration. Allein Österreichs Masttiere fressen 670.000 Tonnen Sojaschrot pro Jahr, ein Großteil davon muss aus Südamerika importiert werden, die Schweiz importiert 300.000 Tonnen, Deutschland fast vier Millionen Tonnen. Bei 70–90 Prozent der Importe handelt es sich um gentechnisch manipuliertes Soja.

Man stelle sich vor, wie so ein Hausschwein vor hundert Jahren ausgesehen hat. Es war viel dicker, weil es anders ernährt wurde. Schweinefutter bestand früher aus Küchenabfällen und Getreide, Sojaschrot gab es in Europa noch nicht. Die Tiere waren fett. Das mochte man, denn Fett hat Energie und schmeckt gut. Schweineschmalz, Schweinespeck und Bauchfleisch sind zwar zwischendurch aus der Mode gekommen, doch feiern sie gerade auf allen Küchenniveaus eine Renaissance. Großteils bekommen wir heute jedoch immer noch mageres Fleisch angeboten. Nur das hat sehr wenig Geschmack.

In den 1960er- und 70er-Jahren begann sich die Ernährungsweise zu verändern. Es entstanden verschiedene Richtungen. Viele Menschen begannen, Fett zu vermeiden. Es sollen die Aktivitäten der Zuckerlobby gewesen sein, die den Zuckerkonsum steigern wollte, indem sie Fett in ein schlechtes Licht rückte. Zwei Harvard-Professoren ließen sich von einem berühmten Zucker-Lobbyisten kaufen. Sie interpretierten in seinem Auftrag Studien dahingehend, dass nicht Zucker, sondern Fett die Ursache für die massiv ansteigenden Herz-Kreislauf- Erkrankungen sei.

Die Professoren waren renommiert, die Studie wurde in einem angesehenen Journal veröffentlicht und hatte großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Essgewohnheiten. Zur gleichen Zeit entstand der Trend der »Light-Produkte«, zu dem sich noch die Angst vor dem »bösen« Cholesterin gesellte. Mittlerweile weiß man, dass das Fett und Cholesterin, das man mit dem Essen aufnimmt, nicht unbedingt einen Bezug zum Cholesterinspiegel im Blut hat. Cholesterin ist für den menschlichen Körper lebensnotwendig. Er kann es selbst erzeugen, nimmt es aber auch zusätzlich mit der Nahrung auf. Es ist für die Membranfluidität verantwortlich, dient als Ausgangsstoff für die Biosynthese zahlreicher Steroide im Körper, etwa der Geschlechtshormone, des Vitamin Ds in der Haut und ist an der Steuerung embryonaler Entwicklungsfunktionen beteiligt.

Eigentlich wäre es an der Zeit, »das Fett an sich« wieder zu entdecken. Ein fettes Schwein braucht weniger Sojaschrot als ein mageres und weniger Soja zu importieren, ist eines meiner Hauptziele. Derzeit gilt die Formel: Mageres Fleisch ist gleich mehr Soja-Fütterung. Dieser folgend begann die Fleischindustrie, Tiere für mageres Fleisch zu züchten. Heute wird ein Schwein wie ein Hochleistungssportler ernährt, es erhält volle Energiezufuhr in kürzester Zeit. Auch ein Huhn lebt von der Geburt bis zur Schlachtung nur 30 Tage. Ein normales Supermarkthuhn ist eine Hochleistungssportlerin, die in kürzester Zeit hochgezüchtet wurde.

Über die letzten Jahrzehnte hinweg wurde häufig und heftig debattiert, was man essen und wie welche Lebensmittel zubereitet werden sollten, was »gesund« ist und was »traditionell«. Menschen können sich auf viele verschiedene Arten ernähren. In Island wurde 800 Jahre lang weder Gemüse noch Getreide gegessen, weil sie auf der kalten, stürmischen Insel nicht gedeihen. Mittlerweile produziert das Land einen Großteil seines Gemüse- und Obstbedarfs selbst. Es nutzt die in großem Ausmaß vorhandene Erdwärme zum Heizen von Gewächshäusern.

Die verschiedenen Ernährungsweisen, Trends und Diäten sind im steten Wandel begriffen. Einig ist man sich selten. Gefühlt halbjährlich werden neue Empfehlungen propagiert, die oft sogar in einem Widerspruch zueinander stehen. Einmal wird die Paleo-Diät gepriesen, die sich an einer steinzeitlichen Ernährung orientieren will und Fleisch, Fisch, Beeren und Nüsse als Hauptnahrungsmittel empfiehlt. Andere ernähren sich vegan, verzichten also auf alles Tierische. Was nun richtig ist und was falsch, ist schwer festzustellen. Aber eines ist klar: Durch die Ideologisierung bestimmter Ernährungsweisen bei gleichzeitig beschränktem Wissen ging viel Wissen und Erfahrung unserer Vorfahren über traditionelle Ernährung, Produktion und Konservierung von Nahrungsmitteln verloren.

Ein Beispiel hierfür ist die Lehre des Ernährungswissenschaftlers Justus von Liebig in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Liebig postulierte, es reiche aus, eine Mischung aus Fetten, Kohlehydraten und Eiweißen zu sich zu nehmen, denn mehr brauche der Mensch nicht:

»Das Bestehen aller lebenden Wesen ist an die Aufnahme gewisser Materien geknüpft, die man Nahrungsmittel nennt; sie werden in dem Organismus zu seiner eigenen Ausbildung und Reproduction verwendet. Die Kenntniß der Bedingung ihres Lebens und Wachsthums umfaßt demnach die Ausmittlung der Stoffe, welche zur Nahrung dienen, die Erforschung der Quellen, woraus diese Nahrung entspringt, und die Untersuchung der Veränderungen, die sie bei ihrer Assimilation erleiden.«1

Demgemäß »wären« Fette, Kohlehydrate und Eiweiße alles, was der Mensch brauche. Justus von Liebig hätte besser daran getan zu sagen, dies seien die drei Stoffe, die man auch brauche, denn später fand man Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe, die ebenfalls wichtig sind. Diese neuen Denkansätze stehen jedoch an der Wiege der Lebensmittelindustrie. Konservenmilch und Fertigmehl führten im positiven Sinn dazu, dass mehr Menschen als früher ernährt werden konnten. Die Lebenserwartung stieg, die Mangelernährung ging zurück. Zugleich ging aber auch das traditionelle Wissen um Ernährungsweisen verloren, wie die, die meine Großmutter mich lehrte, die viele Großeltern weitergaben, aber auch die Verbindung zwischen Ernährung, Land und Bevölkerung verschwand im Nebel dieser Entwicklungen.

Dabei geriet in den Hintergrund, wie eine traditionelle Ernährung nach dem Wissen unserer Urgroßeltern aussieht. Dieses Wissen wurde uns buchstäblich ausgetrieben. Auch das Wissen um die Heilkräfte heimischer Kräuter und Pflanzen ist nicht mehr verbreitet.

Die Antwort auf die Frage, was gutes Essen ist, ist aber eigentlich ganz einfach: Gutes Essen besteht aus möglichst naturbelassenen, unveränderten Nahrungsmitteln. Es gilt als gesichert, dass Fertiggerichte, industriell stark bearbeitete und veränderte Rohstoffe den Stempel »nicht gesund« verdienen.

Gutes Essen, und das gilt überall auf der Welt, ist einfaches Essen. Es besteht aus Rohstoffen, die aus der Natur kommen.

Die Situation ist deshalb so kompliziert, weil mit einfachen, natürlichen Lebensmitteln kein Geld zu verdienen ist. Sie können weder patentiert, noch als Marken aufgebaut werden. Es ist schwierig, konventionelle Tomaten oder Walnüsse schützen zu lassen, obwohl an dieser Regel seitens der Saatgut-Unternehmen heftig gerüttelt wird. Mit Produkten, die jeder erzeugen und vertreiben kann, können keine großen Gewinne erzielt werden. Konzerne möchten Waren anbieten, die sie schützen lassen können, sie wollen Marken aufbauen und hohe Margen erzielen. Dieses Spannungsfeld führt zu einer Vielzahl von Produkten, die keine »guten« Produkte sind. Weder sind sie gesund, noch umweltfreundlich produziert. Sie sind in erster Linie profitabel.

»Gute Ernährung« ist einfache Ernährung. Sie besteht aus natürlichen Rohstoffen. Die exakte Zusammensetzung ist unterschiedlich und individuell. Je nach Land, Klimazone und Verträglichkeit unterscheiden sich die Ernährungsweisen. Konzerne können sich dieser Gegebenheit nicht anpassen. Sie wollen Gerichte entwickeln und Marken bilden, die überregional vermarktbar sind, die also europa- oder weltweit gut ankommen. Konsumenten sind verführbar und haben weitgehend die Verbindung zur traditionellen Ernährung und ihrer Bedeutung für Umwelt und Gesundheit verloren. Die Wurzeln wurden ausgerissen. Dabei wäre es so einfach: Man müsste nur viele verschiedene, möglichst unverarbeitete Produkte, frisch gekocht, einen großen Anteil an pflanzlichen Zutaten und wenige Fertiggerichte verzehren – und die Küche, nein, die ganze Welt sähe anders aus.

Eindeutige Definitionen und Ernährungsempfehlungen sind immer vor ihrem kulturellen Hintergrund zu beurteilen. Eine indische Ärztin wird eine andere Ernährungsempfehlung abgeben als eine chinesische. Beide würden vermutlich auf ihre Weise recht haben, nur lassen sich ihre Formen und Empfehlungen kaum kombinieren.

Die neue Mobilität, das Wort »Globalisierung« war noch nicht in aller Munde, ermöglichte es, Ackergüter rund um den Erdball zu transportieren, sie von der Scholle, wo sie gewachsen waren, loszulösen. Plötzlich konnte man Tiere an Orten ohne entsprechende Ressourcen halten, wie Schweine auf Schiffen auf dem Meer. Der ursprüngliche Kreislauf der Landwirtschaft wurde durch solche Veränderungen und neue Rahmenbedingungen zerstört. Entscheidend dafür war auch das Aufstreben einer neuen Industrie, die den Landwirten Dünger und weitere Helferlein verkaufte – insbesondere den Stickstoffdünger, durch den die traditionelle Fruchtfolge auf den Feldern ersetzt werden konnte.

Der amerikanische Publizist und Verteidiger einer Menschen- und Planeten-gerechten Landwirtschaft und Esskultur, Michael Pollan, stellt in seinem Bestseller Das Omnivoren-Dilemma eine simple Formel auf: »Eat food, not too much, mostly plants.« (Esst Essen, nicht zu viel, hauptsächlich Pflanzen.)2

»Food« ist das, spezifiziert er, was unsere Großeltern als Mahlzeit erkannt hätten, keine Astronautennahrung, keine Pillen, keine Fertiggerichte. »Food« ist der Gegenpol zur Industrie, die nichts anderes als hochvermarktete Produkte verkaufen will.

Geht man heute durch einen Supermarkt, durch Gänge voll wohlgefüllter Regale, könnte man den Eindruck einer großen Vielfalt gewinnen. Doch das Bild trügt: Die anscheinende Vielfalt ist eine oberflächliche, traurige Illusion. Tatsächlich bestehen die meisten Produkte aus nur sehr wenigen Rohstoffen, nämlich Weizen, Mais, Reis, Zucker und Fleisch. Bei genauerem Hinsehen findet man viele Produkte in Variationen des ewig Gleichen, in unterschiedlichen Größen, unterschiedlich aromatisiert und verpackt.

Wir Menschen essen immer mehr von immer weniger. Das heißt, wir essen immer weniger verschiedene Rohstoffe, immer mehr hochverarbeitete Produkte aus immer weniger unterschiedlichen Pflanzen. Das bedeutet weiters, dass die Energiedichte der Nahrung stark zunimmt. In einem traditionellen Gericht würde man verschiedene Gemüsesorten kochen und dazu ein paar Kartoffeln essen. Von so einer Mahlzeit müsste man sehr viel zu sich nehmen, um satt zu werden. Die Biomasse, die aufgenommen wird, wenn man nur Gemüse ist, ist sehr hoch. Man isst viel, nimmt aber wenig Energie zu sich. Ein Fertigprodukt aus dem Supermarkt liefert hingegen sehr viel Energie bei sehr geringer Nährstoffdichte. Das sind die vielzitierten »leeren Kalorien«. Manchen Theorien zufolge sind viele Menschen deshalb übergewichtig, weil sie sich nährstoffarm und hochkalorisch ernähren. Daher brauchen sie mehr Volumen, um ihren absoluten Nährstoffbedarf zu decken. In unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft hat die Ernährungsgleichung keine gute Bilanz: Eine zu hohe Energiedichte bei zu geringer Vielfalt.

Vor dem Hintergrund der Evolution betrachtet ist auch der menschliche Körper herausgefordert. Er hat einen relativ langen Darm. Weder ist er so wie der eines Huhns, noch wie jener eines Wiederkäuers gestaltet. Laut heutigem Kenntnisstand ist der Mensch kein Karnivore, Fleischfresser, aber auch kein Herbivore, also kein reiner Pflanzenfresser, sondern eher ein Omnivore, ein Allesfresser, obwohl viel dafürspricht, dass er eher zum Verzehr von Pflanzen gebaut ist. Der Schluckmechanismus, die Zusammensetzung des Speichels und auch die Voraussetzungen im Darm deuten auf Letzteres hin. Unsere europäische Gesellschaft jedoch nimmt derzeit etwa drei Mal mehr tierische Nahrungsmittel zu sich als empfohlen, der Wert schwankt zwischen 30 und 40 Prozent Fleischanteil der Gesamtnahrung. Würde der Wert sich auf etwa 10 Prozent reduzieren, wie zurzeit empfohlen, sähe unsere Welt völlig anders aus und wir könnten unsere Tiere ohne Importe von Futtermitteln aus der Sojabohnenindustrieregion Mato Grosso in Brasilien ernähren.

1Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig 1840, S. 3.

2Pollan, Michael: Das Omnivoren-Dilemma. Penguin Books, 2007.

KAPITEL 3

SCHIFFE VOLLER BOHNEN

1. Kleine Bohne, große Commodity

Die Globalisierung und die damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen brachten eine weltweite Ungleichverteilung des Ackerbaus mit sich. Durch die Spezialisierung der Landwirtschaft entstanden Monokulturen und Massentierhaltung. Die dafür notwendige proteinreiche Tiernahrung wird nicht mehr regional erzeugt, sondern global gehandelt, importiert und rund um den Globus verschifft. Sojaschrot wird als anonymes Gut, als Commodity, an der Börse gehandelt. Um Futtermittel anzubauen, werden Wälder, Savannen und Moore zerstört, wodurch ungeheure Mengen an Treibhausgasen emittiert werden. Die Sojapflanze selbst ist an dieser Situation freilich unschuldig. Sie ist ein Nachhaltigkeitschampion, der keine Gentechnik, keine Pestizide und keinen Dünger benötigt, im Gegenteil, sie produziert ihren Stickstoffdünger selbst und reichert durch ihr komplexes und geheimnisvolles Wurzelwerk sogar den Boden für das Folgejahr damit an. Ihr hoher Proteingehalt eignet sich auch für den Menschen als ideales Nahrungsmittel, ohne die Nachteile des Fleischkonsums mitzubringen. Diese Bohne könnte tatsächlich die Welt verändern.

2. Soja und die Welt in Zahlen

Der Sojaimport der EU im Jahre 2020 belief sich auf 15,1 Millionen Tonnen ganzer Bohnen und 16,2 Millionen Tonnen Sojaschrot, das sind umgerechnet ca. 35 Mio. Tonnen Sojabohnenäquivalent. 6,1 Millionen Tonnen davon kamen aus den USA und Kanada, 22,8 Millionen Tonnen aus Brasilien, Argentinien und Paraguay. 66,1 Millionen Tonnen Sojabohnen importiert China aus Südamerika und 34,7 Millionen Tonnen aus den USA. Zusätzlich wandern noch 34,8 Millionen Tonnen Sojaschrot ins restliche Asien.3