Eine Frühlingsliebe am Comer See - Un Amore Italiano - Liza Moriani - E-Book

Eine Frühlingsliebe am Comer See - Un Amore Italiano E-Book

Liza Moriani

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Beschreibung

In den letzten Wochen hat Petra verzweifelt um ihre Liebe zu Frank gekämpft, der sie nach 15 Jahren von heute auf morgen verlassen hat. Für Silvia, ein 22-jähriges Luder, das jetzt auch noch schwanger von ihm ist. Dabei wollte Frank, der erfolgreiche Architekt, nie eine Familie gründen! Petra beschließt, für einige Tage an den Comer See zu fahren, wo sie als Kind mit ihren Eltern öfter einmal Urlaub gemacht hat. In dem kleinen Örtchen Griante am Westufer möchte sie zur Ruhe kommen und den italienischen Frühling genießen. Ein wenig spazieren gehen, abends ein gutes Glas Rotwein trinken, nach mehr steht ihr der Sinn zurzeit tatsächlich nicht. Doch dann stößt sie in dem kleinen Lebensmittelladen um die Ecke ihres Hotels mit Matteo zusammen ... und an Ruhe ist fortan nicht mehr zu denken.

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Un Amore Italiano

Eine Frühlingsliebe am Comer See

Italienische Liebesgeschichten Band 1

Liza Moriani

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Impressum

Alle handelnden Personen sowie die Handlung selbst sind frei erfunden. Mögliche Ähnlichkeiten mit Orten sind allerdings nicht ausgeschlossen, doch sind sie erzählerisch verfremdet dargestellt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.herzsprung-verlag.de

© 2023 – Herzsprung-Verlag GbR

Ein Imprint von Papierfresserchens MTM-Verlag.

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchausgabe erschienen 2020

Cover erstellt unter Verwendung von Bildern mit AdobeStock-Lizenz: © simbos + © detailblick-foto

Reisen Sie mit uns in das Sehnsuchtsland Italien und erleben immer wieder neue „Un Amore Italiano – Geschichten einer Liebe in Italien“.

Bearbeitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

ISBN: 978-3-96074-090-2 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-130-5 - E-Book

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Inhalt

Eine Frühlingsliebe am Comer See

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Eine Frühlingsliebe am Comer See

Als Petra das Foyer des kleinen Hotels in Griante betrat, war sie zunächst ein wenig überrascht. Von außen sah das graue Gebäude nämlich ziemlich in die Jahre gekommen aus – und sie war beim ersten Anblick sogar ein wenig enttäuscht gewesen –, doch hier im Inneren entfaltete sich eine Behaglichkeit, die die junge Frau so nicht erwartet hatte. Ein kleines, gemütliches Sofa direkt neben dem Eingang, ein runder Tisch, auf dem eine leicht vergilbte Häkeldecke lag und ein üppiger Blumenstrauß in einer Bleikristallvase stand, eine Theke mit einer prall gefüllten Bonbonniere und einer altmodisch anmutenden Glocke, Petra fühlte sich sogleich ein wenig heimisch. Alles nicht neu, aber mit Liebe ausgesucht – fast so, wie es früher einmal bei ihrer geliebten Oma Lotta gewesen war.

Petra wartete eine Weile im Foyer, weil kein Portier zu sehen war, und rief leise „Hallo“. Als jedoch auch auf ihr Rufen niemand erschien, um ihr den Zimmerschlüssel auszuhändigen und ihre Anmeldung aufzunehmen, drückte sie die Glocke, die einen hellen, freundlichen Ton von sich gab.

Es dauerte noch einmal eine kleine Ewigkeit, dann aber erschien er, der Rezeptionist, ein Mann um die 70 mit schlohweißem Haar. „Buon giorno, signora, buon giorno. Come sta?“, begrüßte er sie überschwänglich. „Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen, ich musste erst noch meine Frau versorgen.“

„Buon giorno“, erwiderte Petra. „Ich habe ein Zimmer bei Ihnen bestellt. Für zehn Tage. Ich würde sehr gerne einchecken, mein Name ist Petra Weißenburger.“

„Aber sicherlich, Signora.“ Der alte Herr strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe Sie schon erwartet und freue mich, dass Sie gut bei uns in Griante angekommen sind. Herzlich willkommen! Hatten Sie eine gute Fahrt?“

Petra wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, doch mehr als ein „Ja“ kam nicht über ihre Lippen, denn der Alte fiel ihr sogleich ins Wort: „Pietro, sagen Sie Pietro zu mir. Das sagen hier alle. Ich habe ein wunderschönes Zimmer für Sie reserviert – mit Blick auf unseren wundervollen Comer See. Folgen Sie mir doch, den Rest der Anmeldung können wir auch morgen noch erledigen. Sie möchten sich doch sicherlich erst ein wenig frisch machen?“

„Aber gerne doch“, antwortete Petra und ihr ging gleich durch den Kopf, dass man sich hier sicherlich recht wohlfühlen konnte. In dieser Annahme fühlte sich die junge Frau auch gleich bestätigt, als Pietro hinter seinem Tresen hervortrat, ohne eine weitere Aufforderung Petras Koffer nahm und ihr zuwinkte, ihm zu folgen.

Im Aufzug drückte er Petra den Zimmerschlüssel in die Hand und den Knopf, der den Aufzug in den zweiten Stock bringen sollte. „Der große hier“, Pietro zeigte auf den antiquierten Bartschlüssel, „der ist für Ihr Zimmer. Und dieser hier unten, der ist für die Eingangstür an der Rezeption. Die ist von morgens 6 bis abends 23 Uhr durchgängig besetzt. Es sei denn, ich bin gerade bei meiner lieben Frau.“ Er schmunzelte. „Und nur wenn Sie später kommen oder vor 6 Uhr das Haus verlassen möchten, benötigen Sie den Schlüssel wirklich. Frühstück servieren wir Ihnen unten in unserem kleinen Speiseraum oder auch auf der Terrasse vor dem Restaurant. Und wenn Sie gerne einmal ausschlafen möchten“, er zwinkerte ihr vielsagend zu und seine Augen, denen man ansah, dass sie einem wahren Charmeur gehörten, blitzten dabei freundlich auf, „dann kann ich Ihnen das Frühstück auch schon einmal per Zimmerservice oben in Ihrem Zimmer servieren lassen.“

Auch der Aufzug gehörte nicht mehr der neuesten Generation an, denn es dauerte sicherlich zwei Minuten, bis der zweite Stock erreicht war. „So, da sind wir“, kommentierte Pietro, als der Aufzug endlich stoppte.

Nur einen Augenblick später befand sich Petra in einem wunderschönen, mit einem Himmelbett ausgestatteten Zimmer. Pietro hatte sich, nachdem er ihren Koffer mit einer Leichtigkeit, die man ihm in seinem Alter gar nicht mehr zugetraut hätte, auf die Kofferablage bugsiert hatte, alsbald mit einer Verbeugung verabschiedet und ihr noch einen wunderschönen Tag gewünscht. Sollte sie einen besonderen Wunsch haben, so möge sie sich stets vertrauensvoll an ihn wenden. Dann hatte er mit dem Satz „Pietro und Petra, wie schön“ die Tür hinter sich ins Schloss gezogen und Petra allein zurückgelassen – mit einem Ungetüm an Koffer, einer Leihgabe ihrer Mutter, der ihre Habe für die nächsten Tage barg.

Bevor Petra dieses Ungetüm auspacken wollte, schaute sie sich erst einmal um. Das Zimmer war nett hergerichtet worden. Wie schon unten im Foyer war das Mobiliar nicht mehr ganz neu, doch alles wirkte sauber und sehr gemütlich: Neben dem Himmelbett gab es einen Ohrensessel, einen kleinen Tisch, auf dem eine Schale, gefüllt mit leckeren Südfrüchten, stand, und einen alten Bauernschrank, der die junge Frau an den Schrank in der Diele ihrer Großmutter erinnerte. Wie oft hatte sie sich dahinein als Kind beim Versteckspiel vor ihren Cousinen und Cousins bei Familienfeiern geflüchtet! Das waren tolle Zeiten gewesen, doch Lotta, Petras Großmutter, war schon viele Jahre tot.

Ihr Blick ging weiter durch das Zimmer: Ein Fernseher an der Wand und ein altes Röhrenradio auf der Fensterbank komplettierten die Einrichtung. Petra musste schmunzeln, als sie das Radio ein wenig näher in Augenschein nahm. Ob dieses alte Teil wohl überhaupt noch funktionierte? Sicherlich spielte das Radio nur Lieder aus den 50er-Jahren, denn jünger war es mit Sicherheit nicht. Allerdings würde sie wohl weder den Fernseher benötigen noch das Radio, verstand sie doch gar kein Italienisch. Und außer einem freundlichen Buon giorno, einem kräftig r-gerollten Arrividerci und einem netten Ciao sprach sie auch kein Wort, was ihr übrigens in Bezug auf ihre bevorstehenden Urlaubstage sehr leidtat, aber eben nicht zu ändern war.

Dabei waren dies hier eigentlich gar keine richtigen Urlaubstage, überlegte Petra, eigentlich glich das Ganze – ihr überstürzter Aufbruch von zu Hause, die Fahrt von Memmingen hierher an den Comer See – eher einer Flucht. Ja, das war es tatsächlich, eine Flucht. Eine Flucht aus ihrem alten Leben, eine Flucht aus der Traurigkeit, die sie in den letzten Wochen und Monaten so oft verspürt und die sie gefangen gehalten hatte. Nun aber hatte sie einen Zufluchtsort gefunden, einen Ort, an dem sie Kraft schöpfen und sich auf ihr neues Leben einrichten konnte, so hoffte Petra jedenfalls.

Die junge Frau ging zur Balkontür, öffnete diese und die dahinter liegenden Fensterläden und ihr Blick erfasste genau das, was sie zu sehen erhofft hatte – den Comer See in seiner vollen Schönheit, und das direkt von ihrem Hotelzimmer aus. Der Alte von der Rezeption hatte also tatsächlich nicht zu viel versprochen – dieses Zimmer mit seinem Blick auf den See war tatsächlich wunderschön.

Petra atmete tief durch und genoss die nachmittäglichen Sonnenstrahlen, die auch jetzt schon, Ende Mai, sehr kräftig waren. Das blaue Wasser, das sich fast bis zum Horizont erstreckte, die kleine Stadt am anderen Ende des Ufers, die Berge – Petra fühlte sich in diesem Moment so glücklich wie schon lange nicht mehr. Wenn sie sich die Landkarte, die sie gestern Abend studiert hatte, um zu sehen, wie sie von Memmingen aus fahren musste, in Erinnerung rief, dann musste die kleine Stadt am gegenüberliegenden Seeufer Bellagio sein. Hier hatte sie als junges Mädchen von zehn oder elf Jahren mit ihren Eltern zwei- oder dreimal Urlaub gemacht und schon damals die gelassene Heiterkeit der Italiener bewundert.

Genau aus diesem Kindheitsgefühl heraus hatte sich Petra jetzt wieder für einen Urlaub am Comer See entschieden. Sie hoffte so sehr, hier ihre eigene Leichtigkeit wiederentdecken zu können. Eine Leichtigkeit, die sie in den letzten Jahren einfach verloren hatte.

Allerdings hatte sie sich von ihrem kleinen Gehalt und aufgrund der vielen teuren Ausgaben der letzten Monate kein Hotelzimmer in Bellagio leisten können und deshalb über ein Online-Buchungsportal dieses hübsche Zimmer in Griante gebucht. Wenn sie es jetzt so recht überlegte, war es schon etwas erstaunlich, dass sich der alte Pietro tatsächlich noch auf so eine neumodische Buchungsmöglichkeit wie dieses Onlineportal eingelassen hatte. Zumal der Computer, den Petra hinter dem Tresen an der Rezeption gesehen hatte, ähnlich alt wie Methusalem sein mochte – zumindest aber sicherlich aus dem letzten Jahrtausend stammte. Dass Pietro damit tatsächlich ins World Wide Web gelangen konnte, bezweifelte Petra arg.

Jetzt aber hatte sie nur noch einen Wunsch: ab unter die Dusche, das herrlich erfrischende Wasser auf der Haut spüren und dann einen Happen essen. Sie war seit den frühen Morgenstunden unterwegs und hatte nur an einer der Autobahnraststätten kurz hinter Bellinzona einen Espresso im Stehen getrunken. Zum Essen war sie noch gar nicht gekommen, der Appetit fehlte, Petra war viel zu aufgeregt gewesen – schließlich war das hier ihr erster Urlaub als Singlefrau seit vielen Jahren und sie hatte sich schon vor der Abreise in Memmingen eingestehen müssen, dass sie ziemlich nervös war. Obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gab. Sie fuhr weder alleine nach Thailand noch hatte sie eine Dschungelexpedition geplant – ihr Ziel war ein kleines Hotel in Italien ...

***

Eine halbe Stunde später stand Petra frisch geduscht und umgezogen im Foyer des Hotels, von Pietro war wieder nichts zu sehen. „So sieht es also aus, wenn die Rezeption rund um die Uhr besetzt ist“, schmunzelte sie leise vor sich hin, war aber andererseits auch nicht sehr traurig darüber, jetzt gerade kein Gespräch mit ihm führen zu müssen.

Als sie aus der Hoteltür trat, zog die erste leichte Abenddämmerung über den See. Die Sonne senkte sich am Horizont über dem Wasser und es war längst nicht mehr so warm draußen wie noch am Nachmittag, als Petra angekommen war. So war sie froh, nun eine leichte Strickjacke dabeizuhaben, ein Mitbringsel von der letzten Reise, die sie mit Frank unternommen hatte.

Petra seufzte leise. „Frank.“ Nein, an den wollte sie gerade heute Abend beim besten Willen nicht denken. Der Urlaub sollte einen schönen Auftakt haben ... und dazu würden die Gedanken an ihren Ex sicherlich nicht beitragen.

Bei der Ankunft hatte Petra bereits aus dem Augenwinkel heraus das kleine Restaurant auf der gegenüberliegenden Seite des Hotels wahrgenommen. Hinter einer alten Steinmauer waren in einem Gastgarten kleine Tische eingedeckt und die ersten Gäste hatten Platz genommen. Alles wirkte hier unter den alten Platanen, die ihre ersten sattgrünen Blätter wie einen Schirm bereits ausgebreitet hatten, sehr gemütlich und verströmte das südländische Flair, das Petra sich für ihre paar freien Tage erhofft hatte – sogar so weit oben im Norden Italiens.

Gerade als sie auf einen der freien Tische zusteuern wollte, stellte sich Petra ein junger Kellner in den Weg. „Buona sera, meine Dame“, sagte er galant. „Kommen Sie bitte mit, ich habe einen ganz besonderen Tisch für Sie.“

Petra nickte dankbar und folgte dem jungen Mann, der ihr einen Platz direkt an der Ufermauer mit Blick auf das Wasser zuwies.

„Hier haben Sie einen schönen Blick über den See“, ergänzte er, nachdem sie sich gesetzt und er ihr die Speisekarte überreicht hatte. „Darf ich Ihnen bereits ein Getränk servieren?“

„Bitte bringen Sie mir ein Glas Vino della casa und eine Karaffe Wasser“, antwortete Petra.

Der Kellner nickte und verschwand.

Petra ließ den Blick über den See schweifen. Wie schön es hier war! Das Wasser, das sie leise an die Mauer plätschern hörte, der Blick auf die Stadt am anderen Ufer ... und natürlich die seichten Hügel, die sich ihrem Auge erschlossen – traumhaft.

Inzwischen war der junge Kellner mit den Getränken und einem Gruß der Küche zurückgekehrt – Bruschetta, so wie Petra sie liebte, mit frischen Tomaten, einem Hauch Knoblauch, jeder Menge Olivenöl, einigen Blättchen Basilikum und fein geschnittenem Parmesankäse. Ein wahrer Gaumenschmaus. So hatte sich Petra den Auftakt gewünscht – ein gutes Essen, ein Glas Rotwein – dieser Abend schien perfekt zu werden.

Als Petra dann die Hauptspeise – ein Risotto alla milanese – verzehrt und ein zweites Glas Rotwein bestellt hatte, da kamen sie allerdings doch, die Gedanken, die sie so sehr hatte vermeiden wollen an diesem ersten Abend. Wie dunkle Gewitterwolken nach einem schönen Sommertag schlichen sie sich in ihr Bewusstsein und holten aus den Tiefen ihrer Seele hervor, was sie in den letzten Wochen, ja, Monaten erlebt hatte.

Denn Petra hatte eine schmerzvolle Trennung hinter sich. 15 Jahre lang war sie die Frau an seiner Seite gewesen, an der Seite von Frank, einem heute erfolgreichen Architekten mit Beteiligung an einem Architekturbüro in München.

15 lange Jahre hatte sie diesem Mann, ihrer großen Liebe, den Rücken freigehalten, hatte ihr Germanistikstudium aufgegeben, um sein Studium zu finanzieren, weil sich sein Vater nach der Scheidung von seiner Mutter ins Ausland abgesetzt und fortan keinen Unterhalt mehr überwiesen hatte. Und weil seine Mutter fast mittellos war, denn sie hatte während der Ehe für die Schulden ihres Mannes gebürgt – und stand nach der Trennung und seinem Verschwinden vor einem Schuldenberg, den sie kaum alleine abtragen konnte. Damals hätte Frank sein Studium in Mainz fast schmeißen müssen. Und Petra hatte angeboten, ihr Studium für einige Zeit zu unterbrechen, damit Frank seines zu Ende bringen konnte, denn für sie hatte schon damals außer Frage gestanden, dass ihre Beziehung für die Ewigkeit sein sollte – auch ohne Trauschein.

„Mäuschen“, hatte Frank in den folgenden Jahren immer wieder gesagt, „ich mache mein Studium fertig. Und wenn ich fertig bin und richtig Geld verdiene, dann studierst du einfach weiter. Das kriegen wir schon hin!“

„Ja“, ging es Petra an diesem Frühlingsabend durch den Kopf, „das kriegen wir schon hin!“

Wie naiv sie doch gewesen war! Hatte tatsächlich viele Jahre lang daran geglaubt, dass Frank es ernst meinte mit diesem Versprechen. Doch nach seinem Studium wollte er erst einmal Berufserfahrung sammeln. „Mäuschen“, hatte er gesagt, „da müssen wir flexibel sein. Ich möchte gerne in verschiedenen Büros arbeiten und so viele Erfahrungen sammeln wie möglich. Da wäre es schön, wenn du mir noch zwei oder drei Jahre den Alltagskram abnehmen könntest. Aber wenn ich sicher im Sattel sitze, dann studierst du weiter.“

Wie dumm sie gewesen war, aber noch immer hatte sie an Franks Worte geglaubt. Er liebte sie ja und sein berufliches Streben würde auch ihr zugutekommen, wenn sie erst einmal richtig sesshaft geworden wären.

Denn in den Jahren nach Franks Studium ging es für das junge Paar erst einmal durch die ganze Republik – Aachen, Hamburg und zuletzt München waren die Stationen gewesen, wo Petra und Frank in den letzten neun Jahren beheimatet gewesen waren. In München hatte Frank sich schließlich in ein sehr etabliertes Architekturbüro einkaufen können. Dem Seniorchef fehlte ein Nachfolger und in Frank sah er das Potenzial, das er sich von dessen Vorgängern immer erhofft, aber nie bei ihnen gefunden hatte. Das Geld für die Teilhaberschaft hatte sich Frank bei einer Bank geliehen, sein Chef selbst war dort Kunde und hatte für den Kredit mit seinem guten Namen gebürgt.

Und Petra?

Die war nach dem Abbruch ihres Studiums durch die Berufswelt gependelt – als Bürokraft, zwischendurch auch schon einmal in einer Putzkolonne, seit fünf Jahren aber arbeitete sie als Aushilfskraft in einer Buchhandlung und konnte so wenigstens ein bisschen von ihrer Leidenschaft ausleben, die sie einst zu ihrem Germanistikstudium geführt hatte.

Petra nämlich liebte Bücher über alles – sie waren ihr Schatz, ihr Reichtum, ihr Zufluchtsort in schwierigen und traurigen Zeiten, aber auch dann, wenn sie kurzweilige Unterhaltung suchte. Mit einem guten Buch, mal anspruchsvoll, mal trivial, einen verregneten Sonntag auf der Couch zu verbringen – was gab es Schöneres?

Doch nicht nur beruflich hatte sich in den zurückliegenden Jahren viel für das Paar geändert. Von der Studentenbude aus waren sie in immer größere und schönere Wohnungen gezogen und hatten dann vor zwei Jahren in der Nähe von München, einem kleinen Ort im Ostallgäu namens Hurlach, ein wunderschönes Grundstück kaufen können.

Denn obwohl Frank inzwischen ein sehr gutes Gehalt bezog, war an ein eigenes Haus in München, der bayrischen Metropolstadt, gar nicht zu denken, selbst sein Chef hatte mit seiner Familie vor den Toren Münchens gebaut.

Klar, dass Frank auch das eigene Haus vom Feinsten und mit allen Raffinessen geplant und für Petra sogar ein eigenes lichtdurchflutetes Zimmer für ihre Lesestunden im ersten Stock vorgesehen hatte, das sie sich nach der Fertigstellung des Hauses vor einem halben Jahr ganz nach ihrem eigenen Geschmack hergerichtet hatte. Bis zum eigentlichen Umzug wären es da nur noch vier Wochen gewesen ...

„Wären!“ An diesem Wort blieben Petras Gedanken an diesem Abend hängen. „Wären ...“

Denn in diesen vier Wochen bis zum Umzug von der kleinen Münchner Stadtwohnung nach Hurlach, dem ursprünglichen Dorf im Allgäu, rund eine Fahrstunde von München entfernt, war Petras bisheriges Leben wie eine Seifenblase zerplatzt.

Peng!

Nichts war übrig geblieben. Keine Beziehung, kein Job, kein Haus. In diesen vier Wochen hatte Frank sich nicht nur von einem Tag auf den anderen von ihr getrennt, sondern ihr auch ihr Heim, ihr Zuhause, auf das sie sich so sehr gefreut hatte, genommen.

An diesem Abend, als Frank zu ihr gesagt hatte: „Mäuschen, ich denke, wir gehen jetzt getrennte Wege. Ich habe festgestellt, dass ich dich nicht mehr liebe“, da war Petra in einen Abgrund gestürzt.

Tief und immer tiefer.

Und immer wenn sie in jenem Moment gehofft hatte, aus diesem Albtraum zu erwachen, dann hatte sie feststellen müssen, dass sie nicht träumte, sondern alles um sie herum real war: Frank, der ihr gegenüber am Tisch saß, ihr mit einem aufgesetzten Lächeln erklärte, dass sie es doch sicherlich auch gespürt habe, dass ihre Beziehung eigentlich schon lange zu Ende sei.

---ENDE DER LESEPROBE---