Eine muss die Erste sein - Doris Mayer-Frohn - E-Book

Eine muss die Erste sein E-Book

Doris Mayer-Frohn

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Beschreibung

»Wir brauchen hier keine Weiber« – von solchen Sprüchen ließ sich die junge Waltraud Mayer nicht entmutigen, als sie 1979 als eine der ersten Frauen in Deutschland in den Rettungsdienst einstieg. Aus der Perspektive der einzigen Frau auf der Rettungswache gibt sie Einblick in den Alltag im Rettungsdienst und räumt mit dem Klischee auf, Frauen seien für den Knochenjob nicht hart genug. Sie erzählt von ihren Anfängen, den Herausforderungen, die auf sie warteten, und den Hindernissen, die sie in der damals reinen Männerwelt überwinden musste. Für sie war das erste Mal am Steuer eines Rettungswagens zwar ein Sprung ins kalte Wasser, doch es fühlte sich an wie ein Sechser im Lotto. Über dreißig Jahre ist sie mit dabei, wenn im Landkreis Lindau und im Allgäu Not am Mann ist – bei Verkehrsunfällen, häuslichen Unglücken und sogar bei einem Tötungsdelikt mit internationalen Komplikationen, der später als »Im Namen meiner Tochter – Der Fall Kalinka« mit Sebastian Koch und Daniel Auteuil in den Hauptrollen verfilmt wurde. Heute steigt der Anteil an Frauen unter Notfallsanitäter*innen stetig – dank Vorreiterinnen wie Waltraud Mayer.

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Eden Books

Ein Verlag der Edel Verlagsgruppe GmbH

Copyright © 2022 Edel Verlagsgruppe GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edenbooks.de | www.edel.com

1. Auflage 2022

Einige der Personen im Text sind aus Gründen des

Persönlichkeitsschutzes anonymisiert.

Redaktion und Lektorat: Iris Rinser

Korrektorat: Rotkel. Die Textwerkstatt

Covergestaltung: zero-media.net, München

E-Pub-Konvertierung: Datagrafix GSP GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

ISBN 978-3-95910-362-6

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

Lehrjahre einer Rettungshelferin

Immer auf dem Sprung

Kinder in Not

Kalinka

Es muss nicht immer Blaulicht sein

Mehr als ein Hobby

Krisenintervention KIT

Genug ist genug

Nachwort von Doris Mayer-Frohn

Lehrjahre einerRettungshelferin

Notruf aus dem Wald

Jedes Jahr war es das Gleiche, der Sommer war vorbei, die Tage wurden kürzer und das Wetter unbeständiger. Schien dann am Wochenende die Sonne, nutzten viele Motorradfahrer die schönen Tage für die letzten Ausfahrten des Jahres. Doch gerade im Herbst drohten zahlreiche Gefahren auf den Straßen. Früh einsetzende Dämmerung, nasses Laub und Wildwechsel ließen die Zahl der Motorradunfälle regelmäßig ansteigen. Die letzte Tour des Jahres konnte manchem Biker zum Verhängnis werden – für den Rettungsdienst war das Berufsalltag und Herausforderung zugleich.

Es war ein sonniger Oktobertag, früher Nachmittag und bestes Motorradwetter. Ein Mann war mit seinem Motorrad auf einer Landstraße unterwegs, hinter einem Waldstück gab er Gas. Als plötzlich auf freier Strecke Rehe über die Straße hetzten, versuchte er noch zu bremsen, doch da knallte es schon. Vorbeikommende Autofahrer hielten an, kümmerten sich um den Verletzten und wählten vom nächsten Telefon die Notrufnummer.

Für uns war der Notruf nur einer von vielen, der an diesem Tag bei uns einging. Für den jungen Motorradfahrer war der Einsatz jedoch die rettende Hilfe in größter Not. Um vier Uhr schrillte auf der Rettungswache das Telefon: »Schwerer Verkehrsunfall mit Motorrad und Wildschaden in Esseratsweiler«, war die kurze Meldung der Disponentin von der Rettungsleitstelle. »Christoph 45 alarmiert.«

Weil der Mann notärztlich versorgt werden musste, hatte sich die Leitstelle für den Hubschrauber entschieden, vor allem in der ländlichen Region war das der schnellste Notarztzubringer.

»Okay, wir sind unterwegs«, antwortete ich und warf den Hörer auf die Gabel. »Motorradfahrer«, rief ich Rainer zu und schnappte mir meine rote Jacke, auf der groß das Logo des Roten Kreuzes zu sehen war. Die musste stets mit, man sollte genau erkennen können, mit wem man es zu tun hatte.

So eine Meldung bedeutete immer Stress, denn man wusste nie so genau, was auf einen zukam. Auch nach etlichen Berufsjahren stieg mein Adrenalinspiegel noch an, dennoch geriet ich nicht in Hektik. Keine drei Minuten nach Eingang des Notrufs rollten Rainer und ich im Rettungswagen vom Parkplatz auf die Zwanzigerstraße.

»Wo gehts hin, Waldi«, fragte Rainer in den Lärm des Martinshorns hinein.

Ich war innerlich so mit dem Notruf beschäftigt, dass ich Rainer nicht auch noch erklären konnte, wo das war. Also sagte ich nur: »Frag nicht, ich weiß genau, wo das ist, ich verspreche dir, ich fahre punktgenau hin.«

Dann herrschte im Rettungswagen konzentrierte Stille, jeder bereitete sich gedanklich auf das Kommende vor. Das war wichtig in solchen Situationen, um einen klaren Kopf zu behalten. Wir überquerten die Seebrücke, die die Insel Lindau mit dem Festland verbindet. Kaum hatten wir die Stadt hinter uns gelassen, trat ich voll aufs Gas. Während ich die Augen fest auf die Straße gerichtet hatte, zog sich Rainer neben mir bereits die Gummihandschuhe an.

Wenige Minuten später erreichten wir die Unfallstelle. Wir sprangen aus dem Wagen und packten unsere Ausrüstung: Ich nahm den Notfallkoffer und Rainer griff sich das EKG. Mit schnellen Schritten bewegten wir uns auf das Geschehen zu.

Der erste Eindruck war katastrophal. Ein Mensch lag im Graben neben der Straße, mit verrenkten Gliedern, das zerstörte Motorrad weit entfernt auf dem Seitenstreifen. Aus den Augenwinkeln nahm ich ein Reh wahr. Es lag halb aufgerichtet auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite, mit gebrochenen Läufen. Bei den vergeblichen Versuchen aufzustehen, gab es wimmernde Laute von sich. Viele Leute standen herum, einige sogar mit kleinen Kindern, um zu sehen, was da vor sich ging. Zwei Polizeibeamte befanden sich in unmittelbarer Nähe, einer sicherte die Straße ab, der andere kniete beim Verletzten.

Wir lenkten unsere Aufmerksamkeit sofort auf den Verunglückten. Uns war klar, welche Fragen wir schnellstmöglich zu klären hatten: Wie schwer waren die Verletzungen? Bestand Lebensgefahr?

Als ich die Wunde am Bein des Mannes sah, verwandelte sich meine Ruhe in große Besorgnis. Damit hatte ich nicht gerechnet. Der Unterschenkel des Mannes war auf voller Länge mehrere Zentimeter tief eingeschnitten. Die Wunde blutete zwar nicht stark, aber es offenbarten sich uns Knochensplitter, Muskeln und Sehnen. Darum würden wir uns später kümmern, zunächst mussten wir die wichtigsten Vitalwerte überprüfen, also Blutdruck, Herzfrequenz und Atmung. Vorsichtig nahmen wir dem Motorradfahrer den Helm ab, und ein kindliches Gesicht, eingerahmt von hellbraunen Haaren, kam zum Vorschein. Der junge Mann war höchstens Anfang zwanzig.

»Hallo«, rief ich, »können Sie mich hören?«

Der Patient war schlecht ansprechbar, die Augen klappten nur kurz auf, er stöhnte leise, atmete aber selbstständig.

»Wir sind jetzt da und kümmern uns um Sie, bleiben Sie ganz ruhig.« Nebenbei fühlte ich schon mal den Puls, der schlug zum Glück kräftig.

In dem Moment hörten wir ein lautes Brummen. Ich atmete auf, der Rettungshubschrauber war im Anflug!

»Wir werden Ihnen jetzt den Hals stabilisieren«, erklärte ich dem Patienten. Rainer stützte den Kopf, während ich eine Cervicalstütze – auch Halskrause genannt – anlegte. Dies war wichtig, um die Halsstruktur zu entlasten und sie vor weiteren Verletzungen zu schützen. Auch die Wirbelsäule konnte bei dem Aufprall verletzt worden sein.

Rainer öffnete die schwere Lederjacke und tastete dem Patienten den Bauch ab. »Weich«, sagte er.

Das war eine gute Nachricht, denn das bedeutete, dass vermutlich nicht mit inneren Verletzungen zu rechnen war. Auch der Blutdruck war in Ordnung.

»Können Sie das spüren?«, fragte Rainer und berührte mit beiden Händen das Bein des Patienten.

Der Mann begann zu stöhnen, er musste höllische Schmerzen haben. Leider konnten wir sie im Augenblick nicht lindern, denn Medikamente durften nur Notärzte verabreichen.

»Der Arzt ist bereits im Landeanflug, nicht bewegen«, versuchte ich, ihm Trost zuzusprechen. »Er wird Ihnen gleich etwas gegen die Schmerzen geben.«

Nicht weit entfernt ging der Rettungshubschrauber auf einer Wiese runter. Noch während wir das Bein verbanden, erreichten uns der Notarzt und ein mitfliegender Sanitäter.

»Was haben wir?«, fragte der Notarzt noch etwas außer Atem, er hatte den ganzen Weg vom Hubschrauber zu uns im straffen Laufschritt zurückgelegt.

Während Rainer schilderte, was wir bei der Erstversorgung herausgefunden hatten, zog ich mich zurück, um Platz zu schaffen. Mittlerweile wimmelte es an der Unglücksstelle von Einsatzkräften: die Hubschrauberbesatzung, wir zwei vom Rettungsdienst und die Polizeibeamten, die damit beschäftigt waren, den Unfall aufzunehmen und Spuren zu sichern. Vor wenigen Minuten war auch ein Mann von der örtlichen Jägerschaft hinzugekommen, um sich dem verletzten Reh anzunehmen. Trotz des geschäftigen Hin und Her arbeiteten wir alle routiniert Hand in Hand. Jeder hatte seine Aufgabe.

Nach und nach drängten immer mehr Spaziergänger und Ausflügler heran. Neugierig oder teilnahmsvoll verfolgten sie das Geschehen. Ich versuchte, sie wegzuschicken. »Bitte gehen Sie weiter!«, forderte ich die Menschenmenge auf. »Sie behindern die Rettungsmaßnahmen.«

Absolut unbeeindruckt von meinen Worten blieben die Leute stehen. Sogar der Vater mit dem kleinen Kind rührte sich nicht vom Fleck. Da bemerkte ich, wie der Jagdpächter sein Messer zückte, um das Reh von seinem Leiden zu erlösen. Mir tat das arme Tier auch leid, trotzdem dachte ich, dass man vor den Augen der Kinder kein Reh abstechen sollte. Ich ging zu ihm hinüber und sagte: »Sie werden doch für das arme Tier eine Kugel übrighaben!«

»Meinen Sie?« Unschlüssig sah er mich an.

Ich hatte mich gerade umgedreht, da ertönte ein furchtbarer Knall, und alle zuckten zusammen. Auch mir blieb fast das Herz stehen.

»Scheiße!«, hörten wir den Notarzt lautstark fluchen. Genau in dem Moment, als er für einen Zugang eine Vene punktieren wollte, war er durch den Schuss so sehr erschrocken, dass er danebengestochen hatte.

Ach du Schreck, das hatte ich nicht bedacht. Sofort bereute ich meine unüberlegte Aktion. Ich hätte den Notarzt unbedingt vorwarnen müssen, das war wirklich dumm von mir. Schuldbewusst beobachtete ich, wie der Arzt die Nadel zum zweiten Mal ansetzte. Schließlich ging es darum, dem Patienten schnellstmöglich die Schmerzen zu nehmen. Erleichtert registrierte ich, wie es diesmal sofort klappte.

Nachdem der Patient für den Flug stabilisiert war, wurde er vorsichtig auf die Trage gehoben und an den Gaffern vorbei zur Maschine gebracht. Kurz darauf bewegten sich die Rotoren, und der Hubschrauber hob ab. Ich schaute hinterher, wie er über die Ortschaft schwebte, Richtung Friedrichshafen ins dortige Krankenhaus.

Wie es mit dem jungen Mann weiterging, erfuhren wir nicht. Das war einer der Nachteile im Rettungsdienst, der Kontakt zu den Patienten war immer kurz, nur selten wurde uns mitgeteilt, ob sie wieder gesund geworden waren. Auch wenn es den Motorradfahrer übel erwischt hatte – ich hatte ein gutes Gefühl, es sah so aus, als ob es für ihn halbwegs glimpflich verlaufen wäre. In seinem Alter konnte man so einen Unfall noch gut wegstecken.

Unser erster Handgriff – der Notfallkoffer

Die Menschentraube löste sich langsam auf, und wir räumten unsere Utensilien ein. Am schönsten war das Aufräumen, wenn ein Unfall gerade noch mal gut gegangen war, wie in diesem Fall.

»Das erlebt man nicht jeden Tag, so eine Verletzung«, meinte Rainer und fuhr sich mit der rechten Hand durch die Haare.

»Ja«, stimmte ich ihm zu, »für einen Augenblick war ich wirklich entsetzt.«

Ich zog den aufgeklappten Notfallkoffer heran, rollte die Blutdruckmanschette zusammen und verstaute sie neben dem Stethoskop. Dieser Koffer konnte Leben retten, aber nur wenn alles akribisch an Ort und Stelle verstaut war. Im Einsatz durfte nicht die große Sucherei losgehen – nach dem Motto: »Verdammt, wo ist nur das Blutzuckermessgerät?« Die Gegenstände brauchten einen festen Platz, an dem jeder der Kollegen immer alles zu finden hatte, und darum musste der Koffer regelmäßig überprüft werden. Vor Schichtbeginn und sofort nach jedem Einsatz hatten wir den Inhalt zu kontrollieren und wieder aufzufüllen, für den nächsten Notfall, der manchmal schneller kam, als man es sich wünschte oder glaubte. Diese Aufgabe wurde in einem Handbuch festgehalten und dokumentiert. Nach langjähriger Erfahrung bemerkte ich auf dem ersten Blick, wenn etwas fehlte. Größere Gerätschaften wie Absaugpumpe, Sauerstoffflasche oder der Beatmungsbeutel lagen stets im richtigen Fach, aber ein Stauschlauch konnte schnell mal abhandenkommen.

Obwohl damals ein Rettungssanitäter keine Medikamente verabreichen durfte, enthielt der Notfallkoffer die wichtigsten Notfallmedikamente, und zwar für den Notarzt. Denn alle Koffer waren gleich bestückt, sowohl der Notarztkoffer als auch unserer vom Rettungsdienst. Traf der Notarzt nach uns am Einsatzort ein, konnte er sich darauf verlassen, dass wir unseren schon geöffnet hatten, das sparte wertvolle Zeit und konnte manchmal entscheidend sein.

Kleiner Nebeneffekt, den alle Notärzte begrüßten: Sie freuten sich, wenn sie den Koffer nicht neu bestücken mussten.

Ich klappte den robusten Aluminiumkoffer zu, und Rainer und ich schlenderten zum Rettungswagen.

»Jetzt noch Wagen reinigen und Verbrauchsmaterialien auffüllen, und wir können nach Hause«, sagte Rainer zufrieden.

»Ja«, antwortete ich, »mit etwas Glück wars das für heute.«

Etwas ausgelaugt aber zufrieden, dass alles noch mal gut ausgegangen war, traten wir die Rückfahrt an. Der Einsatz war, bis auf meinen kleinen Fauxpas, planmäßig und routiniert verlaufen. Dennoch war er anstrengend, weil man jede Sekunde konzentriert sein musste. Mit Rainer hatte ich in den letzten Jahren manchen Dienst verrichtet. Zwischen den Einsätzen verbrachten wir etliche Stunden des Wartens mit Kartenspielen oder einfach nur damit, die Zeit totzuschlagen. Rainer war wie ich aus Österreich, und wir waren uns auf Anhieb sympathisch gewesen. Er war erfahren und kompetent, auf sein Urteil konnte man sich immer verlassen.

Behutsam lenkte ich den Rettungswagen über die Seebrücke. Ein malerisches Panorama bot sich uns. Die untergehende Sonne tauchte den Bodensee in ein rötliches Licht.

Ich genoss das Abendrot. Dabei dachte ich über mein Leben nach. Endlich hatte ich erreicht, was ich immer wollte – ich saß hinter dem Steuer eines Rettungswagens. Vom ersten Augenblick an war ich von meiner Arbeit fasziniert. Mir machte sie so viel Freude, dass ich mich gern freiwillig zum Dienst meldete.

Ich erinnere mich noch gut an all die wunderbaren, aber auch schweren Stunden und ich habe meinen Entschluss, mich ehrenamtlich zu engagieren, nie bereut.

Helferinnen gesucht – auch ohne Vorkenntnisse

Im Alter von 25 Jahren war ich Mutter von drei Kindern, Hausfrau und fuhr nebenbei Taxi. Trotzdem hatte ich etwas, was viele Frauen heute nicht mehr haben: Zeit für mich selbst. Ich genoss es, daheim bei den Kindern zu sein und alles ohne Hektik erledigen zu können. Was mir jedoch fehlte, war eine Aufgabe, die mich forderte. Ich suchte aber kein Hobby, ich wollte etwas Sinnvolles tun und anderen Menschen helfen. Es sollte mir Spaß machen, und ich wollte herausfinden, was ich wirklich gut kann. Schließlich war es ein Zufall, der mich zum Roten Kreuz führte. An einem Abend im Spätsommer 1969 änderte sich einiges in meinem Leben, und ein Abenteuer bahnte sich an, von dem ich zunächst dachte, es würde vielleicht nur eine begrenzte Zeit dauern. Doch das Helfen sollte mich nicht mehr loslassen und mich mein ganzes Leben lang begleiten.

Zu dieser Zeit waren wir neu in der Stadt. Zuvor hatten wir in Hergensweiler gelebt, einem Dorf zwischen den Ausläufern des Allgäus und dem Bodenseegebiet. Dann hatte sich mein Mann Armin auf eine Stelle bei den Lindauer Stadtwerken beworben und mit dem neuen Arbeitsplatz auch eine Werkswohnung angeboten bekommen.

Um mich fit zu halten und neue Leute kennenzulernen, besuchte ich einmal wöchentlich die Gymnastikgruppe im örtlichen Turnverein. Eines Abends hielt die Frau des Oberbürgermeisters einen Vortrag vor uns Sportlerinnen. »Meine Damen, viele von Ihnen werden mich bereits kennen. Mein Name ist Inge Huber, und ich bin die Vorsitzende der Frauenbereitschaft des Bayerischen Roten Kreuzes in Lindau. Ob Seniorenbetreuung, Dienste in der Kleiderkammer oder der Suppenküche, Sanitätsdienste bei Veranstaltungen oder bei der Blutspende – Sie werden gebraucht. Wenn Sie nicht berufstätig und zeitweise von der Familie abkömmlich sind, wären wir über neue Helferinnen sehr erfreut. Mitmachen kann jeder, niemand braucht Vorkenntnisse, denn wir schulen alle, die sich engagieren möchten.«

Das sprach mich spontan an. »Da könnte ich mich vielleicht einbringen«, meldete ich mich prompt.

Frau Huber lächelte herzlich. »Kommen Sie doch gleich nächste Woche zu unserem Übungsabend«, meinte sie, »es wird Ihnen bestimmt gefallen.«

Gut gelaunt und zufrieden ging ich nach Hause. Mein Mann, dem ich gleich davon erzählte, war zwar nicht begeistert von der Idee, hatte aber auch nichts dagegen.

»Hast du dir das gut überlegt?«, fragte er. »Das ist ein Ehrenamt, du wirst nichts dafür bekommen.«

»Ich weiß«, antwortete ich, »ich möchte es trotzdem gern machen.«

»Also gut«, lenkte er ein, »vielleicht kannst du dich für eine Sache entscheiden. An zwei Abenden in der Woche auf die Kinder aufzupassen, wird mir zu viel.«

Natürlich konnte ich nachvollziehen, dass mein Mann abends erschöpft war, wenn er von der Arbeit kam. Unsere lebhaften Kinder waren ja noch klein, die Älteste war acht, der Mittlere vier und unsere Jüngste erst eineinhalb Jahre alt. Schweren Herzens gab ich die Gymnastik daraufhin auf. Einerseits war das zwar schade, denn das Turnen hatte mir viel Freude gemacht, andererseits habe ich diese Entscheidung nie bedauert.

So trat ich der Frauenbereitschaft bei. Heutzutage gibt es nur noch wenige reine Frauenbereitschaften im Roten Kreuz. Aber damals war dies eine eingeschworene Gruppe, an deren Spitze die Leiterin Inge Huber stand. Ich war eine der Jüngsten, wurde freundlich aufgenommen und half, wo immer ich gebraucht wurde. Über Arbeitsmangel konnte man sich nicht beklagen. Wir kochten für bedürftige Menschen oder bei Veranstaltungen, kümmerten uns um behinderte Menschen oder leisteten bei Sportereignissen den sogenannten Pflasterdienst, so nannten wir intern den Sanitätsdienst.

Das nötige Know-how lernte ich in Kursen. Erste Hilfe- und Sanitätskenntnisse gehörten natürlich auch dazu, und das war es, was mir am meisten Spaß machte. Von Verband anlegen über Knochenbrüche erkennen bis hin zur Herzdruckmassage, wir übten alles, was man als Ersthelfer brauchte.

Zunächst war ich mit Eifer dabei, dann merkte ich: Sozialdienst war nicht ganz meine Sache. Die Tätigkeiten waren zwar vielfältig, aber es war wie zu Hause: Kochen, Spülen, Aufräumen, Betreuen. Das erfüllte mich nicht, mein Platz war der Sanitätsdienst, da fühlte ich mich wohl.

Ob bei Sportveranstaltungen, im Theater, beim Lindauer Kinderfest oder anderen Events, dort wo viele Menschen zusammenkamen, gab es kleine und größere Verletzungen. Wir stellten sicher, dass Teilnehmer und Besucher im Falle eines Unfalls oder einer akuten Erkrankung schnelle und fachgerechte Hilfe erhielten. Das konnte je nach Veranstaltung seinen Reiz haben. Wer durfte bei einem Konzert schon in der ersten Reihe sitzen, und das ohne Kosten. Man wurde auch sofort überall durchgelassen und musste nicht warten.

Meistens waren wir zu zweit und an unserer Rot-Kreuz-Schwesterntracht gut zu erkennen. Dienstkleidung war Pflicht. Wir Helferinnen trugen ein blau-weiß gestreiftes Kleid, eine weiße gestärkte Schürze und ein Häubchen. So standen wir im Notfall bereit, klebten Pflaster auf aufgeschürfte Knie, kühlten Prellungen, und wenn es notwendig war, koordinierten wir auch den Transport ins Krankenhaus. Das war viel spannender, als Eintopf und Erbsensuppe zu kochen oder Senioren Kaffee einzuschenken.

Pflaster und Kühlpacks waren unser »täglich Brot«. Natürlich war es gut, wenn sich niemand verletzte, man freute sich aber schon, wenn man einmal sein Können unter Beweis stellen durfte.

Besonders gern erinnere ich mich an die Kinderfest-Sanitätsdienste. Das Kinderfest in Lindau ist ein regionales Event. Am letzten Mittwoch vor den Sommerferien machen sich Hunderte festlich gekleidete Kinder mit Blumenkränzen und geschmückten Fahnen auf den Weg durch die Altstadt, bis zur Nordseite des Rathauses. Begleitet von Trommlern und Spielmannszügen – und von Rot-Kreuz-Helfern. Vor dem Rathaus treffen sich die unteren Klassen aller Schulen des Stadtgebiets zu einer großen Zusammenkunft. Die Festlichkeit wird mit einer Begrüßung des Oberbürgermeisters und den Vertretern der Partnerstädte und einem vorgetragenen Gedicht über Lindau begangen. Zwischendrin ertönt der dreimalige Ruf »Lindau«, mit der Antwort »Hoch« der Schüler. Am Nachmittag geht der Festtag in den Stadtteilen in ein Volksfest mit Fahrgeschäften über.

Meistens haben wir uns an diesem Tag um Insektenstiche, Pflaster für Blasen am Fuß oder um Kreislaufschwäche wegen der Hitze gekümmert. Alles nicht dramatisch. Bis es eines Tages plötzlich hieß: »Ein Verletzter im Bereich vor dem Rathaus.« Zwei Kollegen brachten den Patienten zu mir. Er hieß Andreas, war acht Jahre alt und am Bordstein umgeknickt. Aber auch diesmal hörte es sich zunächst aufregender an, als es letztendlich war – das Schlimmste für diesen kleinen Patienten war der Schreck. Nachdem wir den Knöchel gekühlt hatten, hörten die Tränen auf zu kullern. Mit strahlendem Gesicht konnte er weiterlaufen.

Immer wenn es zeitlich passte, übernahm ich einen Sanitätsdienst. Am Wochenende, abends oder wenn zwischendurch dringend jemand benötigt wurde. Dabei war mir die Freiheit, meine Tätigkeit flexibel zu gestalten, extrem wichtig. Gelegentlich war es anstrengend, und die Tage konnten sich auch mal in die Länge ziehen, aber ich war froh, dass ich mich einbringen konnte.

Im Rahmen unserer Ausbildung besichtigten wir Frauen auch den Rettungswagen und den Krankentransportwagen. Manchmal durften wir auf einer Fernfahrt den Patienten hinten im Patientenraum betreuen. Dieser wurde meist vom Krankenhaus abgeholt und nach Hause in eine entfernte Stadt gebracht. Der Fahrer war dabei immer ein hauptamtlicher Rettungssanitäter, das ehrenamtliche Mitglied war für die Begleitung vorgesehen. Ich meldete mich oft freiwillig für solche Fahrten. Am besten gefiel mir, dass ich mit vielen unterschiedlichen Leuten zu tun hatte, denen ich sonst nie begegnet wäre und mit denen ich mich meist gut verstand.

Im Laufe der Zeit wuchs das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Tätigkeiten lagen mir, und bald kannte ich alle Kolleginnen und Kollegen. Ich hatte Anschluss gefunden, und es machte mir Freude dazuzugehören.

Irgendwann sagte ich zu meinem Mann: »Mach doch mit, die suchen immer jemanden.«

»Meinst du?«, fragte er zögernd.

»Klar, du bist doch auch gern unter Leuten, und sonntags kannst du auf dem Fußballplatz den Sanitätsdienst übernehmen, das würde dir Spaß machen.«

Armin ließ sich von meiner Begeisterung anstecken und schloss sich der Sanitätskolonne an. Schon bald war er über das Stadtgebiet hinaus als »Fußballsanitäter« bekannt, weil er jahrelang in Eigenregie diverse Sportplatzdienste verrichtete. So wurden wir beide »Rotkreuzler« durch und durch.

Um die Gemeinschaft zu stärken, wurden zusammen Feste gefeiert, Tagesausflüge unternommen oder Lehrveranstaltungen besucht. Dabei hatte ich von Anfang an einen guten Draht zu den Männern vom Rettungsdienst. Ich mochte das kameradschaftliche Verhältnis untereinander. Besonders ihre Einsatzberichte fand ich spannend. Von da an reifte in mir die Idee, bei ihnen mitzumachen. Als leidenschaftliche Autofahrerin liebäugelte ich damit, einmal den Rettungswagen zu fahren. Es gab nur ein Problem: Frauen im Rettungsdienst waren in den 1970er-Jahren undenkbar. Auch in Lindau war das eine reine Männerdomäne. Mir war klar, dass es vielleicht nicht klappen würde. Also machte ich weiter Sanitätsdienste. Das war auch toll. Und trotzdem schlummerte tief in mir drin dieser Traum. Viele Jahre lag das Ziel in weiter Ferne. Erst auf einer gemeinsamen Feier wendete sich das Blatt.

Gegenwind der Frauen

Es war Anfang 1979, als ich auf einem Fest mit Paul, dem Wachleiter der Rettungswache, ins Gespräch kam. Im großen Saal des Kolonnenhauses – heute Rot-Kreuz-Haus – auf der Lindauer Insel wurde gefeiert. Noch ahnte ich nicht, dass durch diese nette Plauderei mein lang gehegter Wunsch bald in Erfüllung gehen würde. Paul, der lieber selbst im Rettungswagen saß, als Verwaltungsaufgaben zu erledigen oder Dienstpläne zu erstellen, war ein gutmütiger Kollege, den alle sehr schätzten. In der weiteren Unterhaltung platzte es plötzlich aus mir heraus.

»Ich würde so gern bei euch mitmachen!«, hörte ich mich sagen. »Braucht ihr nicht Verstärkung am Lenkrad? Es war immer mein Traum, den Rettungswagen zu fahren.«

»Traust du dir das denn zu?«, fragte Paul schmunzelnd.

»Natürlich«, sagte ich bestimmt, »ich habe doch den Taxischein.«

»Na dann«, meinte Paul, »werden wir schon die passende Jacke für dich finden.«

Das hörte sich großartig an. Ich strahlte ihn an. »Was muss ich dafür tun?«

Mit den beiden Chefs der Lindauer Rettungswache, Paul dem Wachleiter und dem Leiter Rettungsdienst, besprach ich noch am selben Abend die weitere Vorgehensweise.

»Melde dich gleich bei der Frauenbereitschaft ab«, empfahl mir der Leiter Rettungsdienst, »um alles Weitere kümmere ich mich.«

»Aber häng es nicht an die große Glocke«, warf Paul ein, »Ulrike wird nicht begeistert sein. In solchen Dingen ist sie eher konservativ.«

Ulrike war unsere neu gewählte Vorsitzende in der Frauenbereitschaft. Ich kannte sie als freundlich, engagiert und hilfsbereit. Später sollte ich erfahren, dass sie alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um meine Aufnahme in den Rettungsdienst rückgängig zu machen.

Am 1. März 1979 wurde es offiziell, ich durfte als einzige Frau ehrenamtlich dem Rettungsdienst beitreten. Ich freute mich riesig, und wenn alles gut ging, würde ich schon bald meinen ersten Dienst verrichten.

Meine Freude erlitt jedoch einen gehörigen Dämpfer, als mir auffiel, dass meine ehemaligen Mitstreiterinnen sich mir gegenüber seltsam benahmen. Die sonst so netten Frauen warfen mir plötzlich bei den gemeinsamen Lehrabenden missbilligende Blicke zu, oder ich wurde vollkommen ignoriert und nicht einmal gegrüßt. Es wurde nichts direkt zu mir gesagt, das machte die ganze Sache auch so schwierig. Erst als Ulrike mir einen Brief schrieb, war klar, dass die Kolleginnen bei der Frauenbereitschaft meine Entscheidung, in den Rettungsdienst zu wechseln, nicht tolerierten. Der Inhalt des Schreibens brachte mich aus der Fassung: »Waltraud, du musst unverzüglich vom Rettungsdienst zurücktreten. Ich bin bitter enttäuscht von dir, Frauen haben dort nichts zu suchen, weder am Steuer eines Rettungswagens noch als Beifahrerin. Das ist ein reiner Männerberuf und für Frauen schon rein körperlich nicht zu leisten. Du kannst gern zu uns in die Frauenbereitschaft zurückkehren.«

Ich machte meinem Ärger Luft und zerriss den Brief. Trotzdem fühlte ich mich niedergeschlagen, weil Ulrike nie versucht hatte, mit mir persönlich darüber zu reden, und es machte mich traurig, dass sie mir keine Chance geben wollte. So viel Gegenwind hatte ich nicht erwartet. Ich wünschte mir einfach Toleranz und Respekt und dass ich in Ruhe meiner Tätigkeit nachgehen konnte.

Als wir beim Abendessen saßen und meine Tochter fragte, was nicht stimme, erzählte ich von dem Brief.

»Na ja, Mama«, sagte sie, »du solltest sie einfach nicht beachten!«

»Bleibt mir wohl nichts anderes übrig«, seufzte ich. »Am besten ich vergesse den Brief so schnell wie möglich.«

»Sie sträubt sich gegen Veränderungen«, meinte mein Mann.

»Wahrscheinlich ist sie eifersüchtig«, antwortete ich. »Ich frage mich nur, warum?«

»Vielleicht hat sie Angst, nicht genug Anerkennung zu bekommen.«

»Ich hätte nie gedacht«, sagte ich, »dass es die Frauen sind, die nicht wollen, dass Frauen im Rettungsdienst arbeiten.«

»Lass dich nicht unterkriegen«, tröstete mich Armin.

Gelassenheit ist die beste Verteidigung, dachte ich mir. Ich wollte meine Zeit nicht mit negativen Gefühlen vergeuden, sondern so schnell wie möglich auf den Rettungswagen. Außerdem musste ich nicht von jedem gemocht werden.

Trotzdem wurde meine Geduld übermäßig strapaziert. Einmal in der Woche hatten wir vom Rettungsdienst und die Frauenbereitschaft zusammen Unterricht. Immer wenn die Männer am Ende noch etwas besprechen wollten, hieß es: »Alle Frauen raus, bis auf Waltraud Mayer!« Da wurde mir beim Vorbeigehen schon mal eine unfreundliche Bemerkung zugeraunt. Ich nahm mir vor, Ruhe zu bewahren und über das Verhalten hinwegzusehen. Was solls, dachte ich, die sind nur neidisch. Ich wusste ja, dass Paul und die meisten meiner Kollegen hinter mir standen.

»Sie werden sich schon damit abfinden«, tröstete mich Paul. »Alles braucht eben seine Zeit.«

Damit hatte er natürlich recht – und auch wieder nicht. Tatsächlich mussten über zehn Jahre vergehen, bis auch Ulrike akzeptiert hatte, dass eine Frau durchaus auch einen »Männerjob« ausüben kann. Bis dahin ließ sie nichts unversucht, mir ein paar Steine in den Weg zu legen.

Die Zeiten änderten sich und mit ihnen das Rollenbild der Frau. Endlich erkannte auch Ulrike, dass eine Frau im Rettungsdienst doch nichts Besonderes war. Von da an verstanden wir uns wieder gut. Im Rückblick finde ich es bedauerlich, dass es ausgerechnet Frauen waren, die verhindern wollten, dass eine Frau eine Männerdomäne eroberte. Während sich Männer für ihre beruflichen Erfolge kräftig auf die Schulter klopfen, beäugen Frauen kritisch Frauen, die erfolgreicher sind als sie selbst. Ich hätte mir gewünscht, dass sie das, was sie vielleicht heimlich bewunderten, als Ansporn genommen hätten, um für sich selbst etwas zu verändern.

Inzwischen hat sich in der Berufswelt einiges geändert. Frauen im Rettungsdienst sind heute völlig normal. Sie gelten als ruhig und belastbar in schwierigen Situationen, und sie erhalten leichter Zugang zu Patienten und Kindern.

Es war ein Job, bei dem es nie langweilig wurde. Es war abwechslungsreich und spannend, und ich weiß noch, wie sehr ich mich auf meinen ersten Tag auf der Rettungswache gefreut habe.

Aller Anfang ist aufregend

Früher arbeiteten die hauptamtlichen Rettungssanitäter ausschließlich unter der Woche und hatten am Wochenende frei. Wir Ehrenamtlichen retteten nur am Wochenende, das sparte Kosten, denn wir verrichteten unseren Dienst unentgeltlich. Ich richtete mich also darauf ein, künftig die eine oder andere Samstags- oder Sonntagsschicht zu übernehmen. Bis es allerdings so weit war, brauchte es noch etwas Geduld und eine Grundausbildung: sechzig Doppelstunden Theorie, gefolgt von vier Wochen Praktikum im Krankenhaus. Der Unterricht fand in der Regel abends und am Wochenende statt. Das war durchaus eine Aufgabe, die mich forderte, denn ich war bereits 35 Jahre alt, und meine Schulzeit lag schon lange zurück. Deshalb musste ich mich ordentlich anstrengen, viel Stoff war in kurzer Zeit zu lernen, und immer wieder waren Fallbeispiele zu üben. Kein Wunder, dass mir bald der Kopf schwirrte.

Endlich begann der praktische Teil. An der Anmeldung im hiesigen Krankenhaus stellte ich mich der Empfangsmitarbeiterin vor: »Guten Morgen, ich bin Waltraud Mayer und soll hier ein Praktikum machen.«

»Ja«, sagte sie und blätterte einen Moment in ihren Papieren. »Melden Sie sich auf der Kinderstation.«

Weil mein Sohn gerade eine Mandeloperation hinter sich hatte und in der Abteilung für Kinder lag, hatte der Leiter Rettungswache dafür gesorgt, dass ich den größten Teil dort verrichten durfte. Nachdem ich die diensthabenden Schwestern auf der Station begrüßt und ihnen versichert hatte, dass ich möglichst viel lernen wollte, zog ich einen Kittel an, dann ging es los.