Eine neue Wirtschaft - Johannes Gutmann - E-Book

Eine neue Wirtschaft E-Book

Johannes Gutmann

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Beschreibung

Irgendetwas scheint mit unserer Wirtschaft nicht zu stimmen. Sie macht wenige Reiche immer reicher, während sie den Rest der Menschheit unter wachsenden Druck setzt. Sie fördert Pandemien und zerstört den Planeten. Aber wo sind die Alternativen? Was brauchen wir und was müssen wir dafür tun? Drei Unternehmer, die immer schon andere Wege gegangen sind, geben Antworten auf diese Fragen und zeigen, wie Eine neue Wirtschaft in jedem Einzelnen von uns entstehen kann.

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Johannes GutmannRobert RognerJosef Zotter:

Eine neue Wirtschaft

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 edition a, Wienwww.edition-a.at

Cover: Isabella StarowiczSatz: Sophia Stemshorn

ISBN 978-3-99001-420-2

E-Book-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

INHALT

WARUM WIR UNS GENAU JETZT DIE FRAGE NACH DEM SINN STELLEN MÜSSEN

DER SINN DER WIRTSCHAFT

DER SINN DER UNTERNEHMEN

WIE DIE WIRTSCHAFT IHREN SINN VERLOR

DER KERN IN ALLEM UND JEDEMROBERT ROGNER

DIE MONSTERWIRTSCHAFT

DAS ENDE DER MONSTERWIRTSCHAFT

DIE KREISLÄUFE DER NATURJOHANNES GUTMANN

ALTERNATIVEN ZUR MONSTERWIRTSCHAFT

WARUM DIE VERÄNDERUNGEN AUS UNS SELBST KOMMEN MÜSSEN

DER WEG IN DIE ZUKUNFTJOSEF ZOTTER

WARUM WIR UNS GENAU JETZT DIE FRAGE NACH DEM SINN STELLEN MÜSSEN

Am Beginn dieses Jahrhunderts sieht sich die Menschheit mit einer Situation konfrontiert, die völlig neu für sie ist. Der Klimawandel, die Verschmutzung der Meere, Bedrohungen durch Pandemien und eine drohende Massenmigration sind Phänomene, die wir verursacht haben und für deren Bekämpfung uns die Werkzeuge fehlen. Bislang gingen die größten Gefahren von eindeutigen Feindbildern aus. Von anderen Staaten oder faschistischen Regimen. Nachdem die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts jedoch von den zwei größten Kriegen der Geschichte geprägt wurde und die zweite von einem Wohlstand, wie er ebenfalls unvergleichlich ist, stehen wir nun vor einem verheerenden Krieg gegen die Natur. Er könnte mit dem Untergang der Menschheit enden.

Was müssen wir also tun? Wir müssen das System, das für diese Zerstörung verantwortlich ist, hinterfragen und verändern. Wir müssen uns selbst hinterfragen und verändern. Dieses Buch handelt davon, wie du die wichtigste Veränderung in deinem Leben selbst einleiten kannst. Dafür musst du dir drei Fragen stellen:

Was ist der Sinn meines Lebens?

Was empfinde ich als meinen inneren Auftrag?

Wie kann ich ihn erfüllen?

Du glaubst vielleicht, diese Fragen sind zu einfach, um wirklich etwas in deinem Leben zu verändern. Du glaubst vielleicht, für große Veränderungen ist es egal, was dir deine innere Stimme sagt. Du glaubst, für große Veränderungen musst du erfolgreich werden, viel Geld verdienen, Macht anhäufen und Karriere machen. Doch genau dieses Denken erhält unser bestehendes System aufrecht und hat uns in die Krise gebracht, der wir heute gegenüberstehen.

Es gibt ein einprägsames Zitat, das beschreibt, was passiert, wenn du die drei oben genannten Fragen für dich selbst beantwortest. Die Urheberschaft dieses Zitats ist nicht restlos geklärt. Gerne wird sie dem Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben. Manche Zitatforscher glauben hingegen, der britische Schriftsteller William Hutchison Murray habe es gesagt.

In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen.

Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und materielle Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte.

Was immer Du kannst, beginne es.Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie.Beginne jetzt.

Dieses Buch zeigt dir, was der eigentliche Sinn der Wirtschaft ist und wie eng er mit deinem Lebenssinn zusammenhängt. Die folgenden Kapitel beschreiben, wie die Wirtschaft im Laufe der Jahre ihren eigentlichen Sinn immer mehr verloren hat, und zu einer hypertrophen, also überfressenen und übersättigten, Monsterwirtschaft geworden ist. Du wirst erfahren, wie sich das Ende dieser Monsterwirtschaft schon lange angekündigt hat, dass Menschen immer schon nach Alternativen zu ihr gesucht haben und warum es genau jetzt Zeit ist, dir die oben genannten Fragen zu stellen. Es ist heute wichtiger denn je, diese Fragen gründlich zu beantworten.

In diesem Buch lernst du auch, wie du die richtigen Antworten findest. Wie durch die kollektive Beantwortung dieser Fragen eine neue Wirtschaft entsteht, die endlich das schafft, wozu sie da sein sollte: Für uns, für einen gesunden Planeten und für ein gutes Leben in Sicherheit und Wohlstand.

DER SINN DER WIRTSCHAFT

Was ist der eigentliche Sinn der Wirtschaft?

Bevor wir darüber nachdenken, wie wir unser System verändern können, müssen wir verstehen, was die Aufgabe des Wirtschaftskreislaufes ist. Warum haben Menschen aufgehört, ihre eigene Nahrung herzustellen, und sind zu einem Tauschhandel übergegangen? Warum bezahlen wir heute mit bedruckten Papierscheinen? Und woher stammt das vielfach uneingelöste Versprechen, dass es uns allen besser gehen wird, wenn die Wirtschaft floriert?

Um das zu verstehen, müssen wir weit zurückgehen. Vor mehr als zwei Jahrtausenden wandelte sich der menschliche Lebensstil radikal. Menschen hörten auf, von einem Ort zum anderen zu ziehen und fingen an, Siedlungen zu gründen, Acker zu bestellen und effektive Werkzeuge herzustellen. Diese Wende vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, die neolithische Revolution, ist für viele Wissenschaftler die zentrale Wende der Menschheitsgeschichte.

Warum? Weil dort alles begann. Es war die Geburt der Wirtschaft. Es bildeten sich unterschiedliche Berufe heraus, die mit der Zeit immer vielfältiger wurden. Neue Entdeckungen und Möglichkeiten schafften eine Nachfrage, und neue Berufe sicherten das Angebot.

Während sich die Menschen vor der neolithischen Revolution alles selbst besorgen mussten, was sie zum Leben brauchten, fußte die neu entstandene Wirtschaft auf der Arbeitsteilung. Heute musst du die Schuhe, die du an den Füßen trägst, nicht mehr selbst schustern. Du musst deine Lebensmittel nicht selbst anbauen und hast trotzdem genug zu essen. Du musst in deinem ganzen Leben keinen Hammer in die Hand nehmen, und kannst trotzdem in einem Haus wohnen. Du kannst von den Leistungen von Schustern, Bauern und Tischlern profitieren. Die Arbeitsteilung hat einen großen Vorteil: Dinge, die du nicht kannst, überlässt du anderen. Du stellst im Gegenzug das zur Verfügung, was du kannst. Reisen planen, Daten verarbeiten oder Flugzeuge fliegen. Nur wer sich auf eine Sache konzentriert, voller Hingabe, kann darin wirklich gut werden.

Ohne Arbeitsteilung kann jeder gerade so das Wichtigste für sein Leben besorgen. Durch Arbeitsteilung bilden sich unzählige Berufe heraus, unter denen du einen wählen kannst, für den du talentiert bist und der dir Spaß macht. Du profitierst von den Fähigkeiten der anderen, und die anderen profitieren von deinen. Es ist ein Kreislauf, der unser Leben erleichtert. Wenn du in diesen Kreislauf der Wirtschaft einsteigst, solltest du dich zunächst fragen:

Welche Leistung kann ich erbringen?

Worin bin ich gut?

Was tue ich gerne?

Was macht mir Spaß?

Was weckt meine Kreativität?

Wobei kann ich mich entwickeln?

Wie kann ich das in den Dienst der Gesellschaft stellen?

Vielleicht hast du dich bis jetzt nicht gerne mit wirtschaftlichen Themen auseinandergesetzt. Aktien, Zinsen, Investments und andere komplizierte Begriffe haben dich abgeschreckt. Dabei ist Wirtschaft etwas ganz Einfaches, ein elementarer Grundbaustein unseres Lebens.

Auch wenn viele Menschen versuchen, dir etwas anderes einzureden: Wirtschaft ist kein abstraktes Phänomen. Wirtschaft ist von den Menschen für die Menschen gemacht. Sie soll unseren Bedarf an Dienstleistungen und Gütern decken. Sie soll dafür sorgen, dass niemand hungern oder frieren muss. Sie soll eine Verbindung schaffen zwischen Menschen innerhalb einer Stadt, einer Region, eines Landes oder eines Kontinents. Letztlich eine Verbindung zwischen Menschen auf der ganzen Welt. Ein System, in dem jeder und jede von der Leistung des anderen profitieren kann.

Was bedeutet Wirtschaft?

Wer Wirtschaft betreibt, als Unternehmer oder Manager, muss ein Egoist sein, lautet ein weit verbreiteter Irrglaube. Er ist nicht ganz unbegründet, hat sich doch unsere Wirtschaft heute von ihren Ursprüngen weit entfernt. Umso mehr müssen wir den Blick darauf richten, was »Wirtschaft« im ursprünglichen Sinne bedeutet. Fangen wir mit der Phonetik an. Sprachgeschichtlich kommt der Begriff »Wirtschaft« vom althochdeutschen Wort »wirtscaft«, das die Tätigkeit des Wirts oder Hausherren meinte. Seine Aufgabe war es, Gäste zu beherbergen und zu bewirten.

Noch eindeutiger ist die Herkunft des Begriffs »Ökonomie«. Im Altgriechischen bedeutet oikos das Haus und die oikonomia bedeutete das Bewirtschaften des eigenen Hauses. Dazu gehörte es, sich um die Familie und um Gäste gut zu kümmern.

Das Wort oikonomia stand eigentlich immer für etwas Einfaches: für das Instandhalten des eigenen Hauses, für die Hilfeleistung gegenüber anderen und für die Rücksichtnahme auf das, was jemand selbst hat.

Ob wir es nun Ökonomie oder Wirtschaft nennen, der Sinn dieses Systems liegt darin, einen Kreislauf zu schaffen, der Wohlstand und Sicherheit für alle erzeugt. Einen Kreislauf, der auf natürliche Weise dafür sorgt, dass Kranke und Schwache geschützt sind. Einen Kreislauf, der Chancengleichheit garantiert.

Die Wirtschaft soll im besten Fall eine Welt schaffen, die gegen Ungerechtigkeiten vorgeht und es den Menschen ermöglicht, ihre Potentiale auszuschöpfen.

Wenn die Wirtschaft diesem Sinn entspricht, wird sie auf natürliche Weise florieren und sich einen Sozialstaat leisten können. Es gibt Errungenschaften wie das Gesundheits-, das Renten- und das Bildungssystem. Die Wirtschaft ist das Fundament einer funktionierenden Rechtstaatlichkeit, die in den vergangenen Jahrzehnten in den westlichen Demokratien für einen einzigartigen Frieden gesorgt hat.

Die tragende Kraft der modernen Wirtschaft aber sind Unternehmen. Was ist ein Unternehmen? Und wem soll es eigentlich dienen?

DER SINN DER UNTERNEHMEN

Genau diese Frage stellte sich eines Tages der Fleisch-Industrielle Karl Ludwig Schweisfurth. Sein Großvater hatte als Metzger gearbeitet und sein Vater sich mit der familieneigenen Landmetzgerei langsam, aber sicher in die Bürgerlichkeit vorgearbeitet. Der kleine Karl Ludwig lernte das Familienhandwerk aus den Augen eines Kindes kennen. Seine Lehr- und Wanderjahre verbrachte er in den 1950er-Jahren in Amerika. Was er dort sah, und zu diesem Zeitpunkt aus Europa nicht kannte, beeindruckte den jungen Mann: die industrielle Fleischverarbeitung. In Amerika zerlegte man Fleisch maschinell. Die moderne Technik war schnell, effizient und sie erforderte weniger Krafteinsatz. Kaum zurückgekehrt in den elterlichen Betrieb, schmiedete Schweisfurth deshalb große Pläne. Er übernahm die elterliche Landmetzgerei, stellte Fließbänder, Verpackungsautomaten und Datenverarbeitungsmaschinen in die Werkshallen und trimmte den Betrieb auf amerikanische Effizienz. Schweisfurth war ein Pionier seiner Branche, einer, der den technischen Fortschritt klug nutzte und sich von den Errungenschaften in Übersee anstecken ließ.

Doch nicht nur die Idee des Fortschritts hatte von ihm Besitz ergriffen, sondern auch die amerikanische Mär vom grenzenlosen Wachstum. Bald erwirtschaftete Schweisfurth mit 5.500 Mitarbeitern mehr als eine Milliarde D-Mark (rund 500 Millionen Euro) im Jahr. Sinnfragen stellte er sich dabei nicht.

Warum tue ich eigentlich, was ich tue?

Ist das, was ich tue, wichtig?

Ist es richtig?

Warum sollte er auch? Sein Unternehmen wuchs und wuchs. Schweisfurth verdiente jedes Jahr mehr. Er war erfolgreich. Was er tat, funktionierte.

Dann kam das Jahr 1980. Mit den Schweinen, die er zur Schlachtung geliefert bekam, stimmte etwas nicht. »Sie waren verhaltensgestört«, erinnerte er sich später in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung taz. »Sie fielen bei der geringsten Anstrengung tot um. Ihr Fleisch war wässrig.«

Schweisfurth wollte dem Qualitätsmangel auf den Grund gehen. Er fuhr ins Oldenburger Land, wo die Tiere herkamen. »Ich dachte, ich würde einen Bauern antreffen«, erzählt er. »Doch ich traf einen Menschen, der einen Bungalow mit Clubgarnitur bewohnte. Er zeigte mir die Ställe. Sie hatten Spaltenböden, die das Ausmisten überflüssig machen. Damals war das die neueste Errungenschaft. Aber da waren auch dieser unglaubliche Gestank, diese Dunkelheit und diese Enge. Als ich zu den Tieren ging, sahen sie mich an, als wollten sie fragen: Was macht ihr mit uns?«

Schweisfurth wunderte sich. Erstmals hatte sein Geschäftssinn ein moralisches Preisschild bekommen. Beständiges Wachstum und unermessliche Profite hatten Lebewesen zu Waren gemacht, deren Lebensqualität nur eine Randnotiz war.

Die industrielle Fleischverarbeitung hat sich seit diesem Erlebnis weiterentwickelt. In riesigen Zuchtfabriken steuert ein einziger Mensch mit wenigen Klicks tausende von Schweinen. Die Tiere haben abgeschliffene Schwänze, sind vollgepumpt mit Medikamenten und stehen so dicht beieinander, dass sie kaum genug Platz haben, sich hinzulegen. Ein Heer moderner Arbeitssklaven, meist aus östlichen Staaten wie Bulgarien oder Rumänien, tötet und zerlegt die Tiere auf grausame Weise. Der Lohn liegt dank billiger Werksverträge bei kaum mehr als vier Euro pro Stunde. Die Tiere dienen nur einem Zweck. Sie sollen so fett werden wie möglich, die Kilozahlen in die Höhe treiben, und als kostengünstiges Mittagessen auf unseren Tellern landen.

Schweisfurth zog sich in ein Kloster zurück und dachte nach. Auch darüber, dass keines seiner Kinder in die Fußstapfen treten wollte, die er gerade hinterließ. Er war gut darin gewesen, Tiere zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten. Sein ganzes Leben hatte er das getan. Es war der Sinn seines Lebens. Doch nun erkannte er, dass es seine Pflicht war, sorgsam mit der Natur umzugehen. Sonst würde er der Gesellschaft früher oder später mehr schaden, als er ihr je genutzt hatte.

Nach seinem Aufenthalt im Kloster verkaufte er sein Unternehmen an Nestlé und rief die Hermannsdorfer Landwerkstätten ins Leben. Er wollte zeigen, wie ein Unternehmen aussehen kann, das die Natur nicht mehr ausbeutet, sondern in einer Symbiose mit ihr arbeitet. In diesem vollbiologischen Betrieb steht keiner der 200 Mitarbeiter an einem Fließband. Gelernte Fleischer arbeiten zu einem fairen Lohn. Am frühen Morgen beginnen sie damit, Tiere aus artgerechter Haltung stressfrei zu schlachten, kunstvoll zu zerlegen und sorgsam zu verarbeiten.

Viele hielten Schweisfurth für einen Spinner. Er glaubte jedoch an seine Idee. Bis zu seinem Tod im Jahr 2019 arbeitete er selbst in seinen Werkstätten mit. Für den Visionär hatten sich Arbeit und Unternehmer-Karriere in einen Auftrag verwandelt, den er im Sinne der Gesellschaft und im Sinne der Umwelt bis zuletzt erfüllte.

Genau wie jeder Mensch sollte auch jedes Unternehmen einem inneren Auftrag, einer Mission, folgen. Für diese Mission sollten die Menschen ihre Kräfte mobilisieren. Davon leben Unternehmen. Es sind die unterschiedlichen Fähigkeiten und Persönlichkeiten, von denen Menschen gegenseitig profitieren können und von denen ihr Erfolg ausgeht. Der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl schrieb dazu in seinem Buch Es kommt der Tag, da bist du frei: »Nur die Gemeinschaft gewährleistet den Sinn der Individualität der Individuen; aber auch: nur die gewahrte Individualität der Individuen gewährleistet umgekehrt den Sinn von Gemeinschaft. Dies ist es auch, und nur dies allein, was Gemeinschaft vom bloßen Kollektiv oder gar von der Masse unterscheidet.«

Auf einem Schild aus Holz, das vor den Hermannsdorfer Landwerkstätten steht, ist ein Satz über den eigentlichen Sinn eines Unternehmens zu lesen. Schweisfurth war ihm während seines Aufenthaltes im Kloster auf den Grund gegangen.

Ein Unternehmen ist dem Wesen nach ein sozialer Auftrag: unterschiedliche Menschen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten, überschaubar, verstehbar und zum gemeinsamen Nutzen.

WIE DIE WIRTSCHAFT IHREN SINN VERLOR

Die Wirtschaft ist entstanden, um den Menschen das Leben zu erleichtern. Um ihnen zu dienen und ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu verwirklichen. Sie sollte ihnen Möglichkeiten und Freiheiten geben, indem sie ihnen die Last abnahm, selbst für ihr Überleben zu sorgen.

Von dieser Idee sind wir im 21. Jahrhundert weiter entfernt als je zuvor. In vielen Bereichen hat die Wirtschaft ein Eigenleben entwickelt und das Verhältnis von Geben und Nehmen umgekehrt: Wir sind die Sklaven der Wirtschaft geworden. Wir füttern sie, damit sie immer fetter und fetter wird, während sie uns langsam verschlingt. Sie ist zu einer kapitalistischen Monsterwirtschaft geworden.

Leise und unbemerkt hat sie uns zu Arbeitnehmern gemacht, die sich ihren Bedürfnissen unterwerfen, und zu Kunden, die vom Konsum leben. Niemand fragt mehr: Was möchte ich eigentlich wirklich machen? Was erfüllt mich? Brauche ich das überhaupt? Vielmehr flüstert uns die Wirtschaft ein: Befolge meine Regeln, dann wird alles gut. Ideen sind ein Luxus, den du dir nicht leisten kannst, wenn du Erfolg haben willst. Sie flüstert: Der ganze Spaß liegt doch genau darin, etwas zu kaufen, das du nicht brauchst. Ihre Stimme klingt mittlerweile so vertraut, dass wir sie für unsere eigene halten.

Diese Stimme findet sich etwa im Slogan der österreichischen Wirtschaftskammer wieder:

Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut.

Der Satz insinuiert, dass es zuvorderst der Wirtschaft gutgehen müsse. Ihr Wohlergehen steht demnach über allem anderen. Strample dich als Arbeitnehmer und Konsument in einem Hamsterrad ab. Denk nicht, sondern lauf. Strample und konsumiere. Dann rettest du die Welt. Das ist es, was uns solche Slogans verkaufen wollen.

Das Gefühl, dass an diesem Versprechen etwas nicht stimmt, schleicht sich immer mehr in unsere Gesellschaft ein. Ein Kulminationspunkt waren die Jahre nach der Weltwirtschaftskrise 2008 und 2009. Die Aktienkurse waren nach oben geschossen und die Unternehmen immer wertvoller geworden. Kein Preis war zu hoch, kein Deal zu groß, Wachstum wurde zur neuen Normalität. Die Steuersäckel von Ländern wie Deutschland und Österreich liefen über. Der Wirtschaft ging es prächtig.

Doch viele Menschen lasen von den Rekorden nur in der Zeitung. Sie fragten sich, von welcher Welt da eigentlich die Rede war. In ihrem Leben kamen die exorbitanten Gewinne nicht an. Sie spürten nur den Leistungsdruck, der ins Unendliche zu wachsen schien, und fürchteten um ihre Jobs, weil die Unternehmen auf Effizienz getrimmt, digitalisiert und automatisiert wurden. Sie fühlten sich als lästige Anhängsel einer Wirtschaft, in der sie nur Ballast waren und alles andere als systemrelevant.