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Gott erschuf die Erde. Wie Sie sicher selbst schon bemerkt haben, geht es auf der Erde drunter und drüber. Die Menschen kommen immer mehr in Not und Bedrängnis. Und hier setzt das Buch an. Gott erschuf seine Erzengel, um den Menschen auf Erden zu helfen. Zuerst wird von ihnen einzelnen Menschen in ihrer Not geholfen. Aber als dann noch Mutter Maria ins Spiel kommt, werden nicht nur einzelne Personen, sondern die ganze Welt gerettet. Das alles wird in nachdenklichen Episoden, aber auch vergnüglichen Geschichten geschildert. Spaß und Freude sind beim Lesen ebenfalls integriert.
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Seitenzahl: 483
Veröffentlichungsjahr: 2022
Gott erschuf die Erde.
Die Arbeit dort wurde ihm aber im Laufe der Zeit zu viel. Deshalb brauchte er jemanden, der ihm half, da nach dem Rechten zu schauen.
Diese Helfer waren die Erzengel Jophiel, Chamuel, Gabriel, Raphael, Uriel, Zadkiel und Michael, die sich um die Sorgen und Schwierigkeiten der Erdenmenschen kümmern sollten.
Letztendlich sollte auch noch die Welt gerettet werden.
Hier trifft man auf Nachdenkliches, Vergnügliches und Weisheiten, die im Leben und im Beruf weiterhelfen können.
Klaus-Peter Kuhlmey
Eine Woche mit den Erzengeln
Lassen Sie Himmlisches geschehen.
Ob man die Engel sieht, oder nicht,
sie sind überall.
Sprechen Sie mit ihnen.
Laden Sie die himmlischen Wesen
in ihr Leben ein.
Wunder können geschehen.
Autor
Der Autor Klaus-Peter Kuhlmey hat seine schriftstellerische Laufbahn mit Kriminalromanen begonnen. Es folgte ein Engelbuch für Kinder, sowie eine Geschichte über Heilung mit Delfinen. Als Feng-Shui- Berater war es ihm ein Bedürfnis, einen Leitfaden für Feng Shui zu schreiben. Nun schließt sich ein vergnügliches, aber auch wissenswertes Erzengelbuch an. Der Autor möchte nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Spaß und Freude beim Lesen bereiten.
© 2022 Klaus-Peter Kuhlmey
ISBN Softcover: 978-3-347-60585-5
ISBN Hardcover: 978-3-347-60586-2
ISBN E-Book: 978-3-347-60592-3
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Wie alles begann
Montag – Jophiel
Christian der Briefträger
Fiete der Seemann
Pierre der Goldschmid
Dienstag – Chamuel
Kunzang und Sönam tibetische Mönche
Michel der Bierbrauer
Mittwoch – Gabriel
Jaques der Chefkoch
Peter der Friseur
Donnerstag – Raphael
Prof. Dr. Meier der Klinikchef
Rosa Endlich die Hebamme
Freitag – Uriel
Ferdinand der Feuerwehrkommandant
Robert der Zoodirektor
Maximilian der Förster
Samstag – Zadkiel
Nathan der Hellseher und Wahrsager
Manuel der Bestatter
Sonntag – Michael
Volker der Bundeswehrpilot
Karl der Polizist
Ludwig der Richter
Betrachtungen
Rückschau der Erzengel
Mutter Maria
Rettung der Erde
Wie alles begann
Gott sprach: „Es werde Licht!“
Und es ward Licht. Doch für was braucht man Licht, wenn sonst nichts da ist. Also erschuf ER die Erdkugel. Das war ein wirklich einmaliges Gebilde. Doch zu was sollte denn diese Kugel nun gut sein? Sie war so, wie sie war, einfach langweilig.
So fertigte ER nacheinander Bäume, Berge, Flüsse, Seen und die Meere. Für was sollte das Ganze denn jetzt gut sein? Es würde allergrößte Eintönigkeit auf dieser Kugel herrschen. Also musste noch etwas geschaffen werden, aber was? Gott überlegte, und erschuf die Menschen, sein Meisterstück.
Nach einer Weile sagte er zu sich „So geht das nicht weiter. Das ist mir einfach zu anstrengend. Warum soll ich die ganze Arbeit allein machen? Irgendwas müsste ich mir einfallen lassen, was mir mein Leben leichter macht.“
Gott überlegte eine ganze Weile, und erschuf nach reifer Überlegung einen Erzengel. Dieser sollte ihm die Arbeit abnehmen, damit er endlich seine Ruhepause bekam, die er sich redlich verdient habe, wie er meinte.
Der Erzengel schuftete und schaffte den ganzen Tag, und die Nacht noch dazu. Nach ein paar Tagen meinte er, „Chef, so geht das nicht weiter. Ich bin fix und fertig. Ich kann nicht mehr. Allein schaffe ich das nicht. Entweder musst du mir helfen, oder noch ein paar Mitarbeiter besorgen.“
„Na gut, mein Lieber. Ich will ja nicht so sein. Ich gebe dir noch sechs Mitarbeiter. Wir schaffen damit eine neue Zeitrechnung, die 7-Tage-Woche. Dann könnt ihr euch täglich abwechseln und Pause machen. Das werdet ihr dann ja wohl hinkriegen.“
So entstand die 7-Tage-Woche, wie wir sie heute noch kennen. Die sieben Erzengel verstanden sich großartig. Nach vollbrachter Arbeit tranken sie zusammen gern mal gutgelaunt ein Feierabendbier.
So war ER ganz zufrieden mit seinem Team. Doch plötzlich fingen die kleinen Menschen auf der Kugel an, sich zu beschweren. Es gab Krach und Streit. ER wurde immer öfter angerufen. Das gefiel ihm nun auch nicht mehr, und er rief seine Sieben zu sich, „Jungs, da unten ist irgendetwas nicht in Ordnung. Sie streiten sich und kommen einfach miteinander nicht mehr zurecht. Da müssen wir was machen“, dabei lachte ER laut und schallend. „Ihr werdet euch darum kümmern. Ich muss mich noch ein Weilchen ausruhen. Wie ihr das macht, überlasse ich euch. Aber schaut, dass wieder Ruhe und Frieden einkehrt. Das ist ja so nicht auszuhalten.“
So bekamen sie einen neuen Job, der sie voll und ganz in Anspruch nehmen würde. Aber das werden wir im Laufe der Geschichte noch sehen.
„Wenn wir uns abwechseln, müssten wir das hinbekommen“, meinte einer von ihnen. „Aber wir sehen alle gleich aus, und einen Namen haben wir auch nicht. Wir sind uns zum Verwechseln ähnlich. Was meint ihr, sollten wir das nicht ändern? So schicke neue modische Farben, dazu noch einen passenden Namen? Ich finde, das sollten wir machen. Sonst können die da unten uns nicht auseinanderhalten, und immer der Gleiche bekommt alles ab. Außerdem sollte jeder von uns ein spezielles Sachgebiet haben. Dann hätten wir es leichter. Wer dafür ist, Flügel hoch.“
Sieben Flügel gingen hoch. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Farbe und Namen wurden diskutiert. Nach einigen Bierchen und viel Gelächter hatten sie es endlich geschafft.
„Prima, Michael, du hast die besten Ideen, und warst als erster da. Wenn du nicht dem Chef die Meinung gesagt hättest, wären wir nicht da. So bist du unsere Nummer Eins, der Stellvertreter von IHM. Jetzt müssen wir IHM das nur noch irgendwie beibringen, was wir uns ausgedacht haben. Auf sein Gesicht bin ich gespannt“, dabei lachte Rafael meckernd.
„Hallo Chef“, rief Gabriel. „Schau mal, wie wir aussehen.“
„Das ist ja furchtbar! Wie könnt ihr euch so bunt kleiden! Seid ihr Modegecken? Schrecklich!“
„So kann man uns wenigstens auseinanderhalten. Wenn Reklamationen kommen, ist immer nachweisbar, wer dafür verantwortlich ist. Das ist doch gut. Kann sich keiner rausreden.“
„Wenn ihr das so seht, bin ich einverstanden. Namen habt ihr euch auch gegeben? Raus damit, wie ich euch künftig förmlich anreden muss“, dabei grinste ER.
Sie zählten sie ihm auf.
„Dann geht in Gottes Namen!“ Wieder erschallte sein dröhnendes Lachen, sein langer weißer Bart wehte und schaukelte dabei hin und her.
„Also, wir haben jeder immer den gleichen Wochentag, und sind immer für das Gleiche zuständig, was an diesem Tag geschieht. Das ist doch dann für alle echt einfach, oder was meinst du?“, fragte Michael. „Und noch eins, die anderen haben mich zur Nummer Eins gewählt, deiner rechten Hand.“
Wieder ertönte die dröhnende Lache, „Das ist gut. Du bist also meine Nummer Eins. Da kann ich dann ja alles an dich abtreten, was mir zu viel ist. Das habt ihr gut gemacht. Ich bin einverstanden.“
„Aber Chef, so ist das nun auch nicht gemeint. Ich will dich doch nicht von deinem Job verdrängen. Das könnte ich doch auch gar nicht“, meinte Michael zerknirscht, und errötete dabei.
„Gut, dass du das einsiehst. Macht euch an die Arbeit, dann sehen wir weiter, ob und wie alles läuft.“
Sie sehen, im Himmel geht es nicht anders zu, wie auf der Erde. Aber das kennen Sie ja. Und wie es mit unseren Erzengeln weitergeht, erleben Sie jetzt.
Montag Jophiel
Montagmorgen acht Uhr. Die Sonnenstrahlen brachten Erzengel Jophiels Wecker in sanfte Schwingungen. Kleine rosa Wölkchen kitzelten seine Nase, um ihn wachzurütteln. Er nieste und gähnte, streckte sich in seinem Wolkenbett. Seine Nasenspitze schaute unter dem Federbett hervor, „Was ist denn los? Wer reißt mich aus meinen schönen Träumen?“
Langsam wurde er wach, dehnte seinen Körper samt Flügeln, „Ach ja, Montag. Heute fängt die Woche an. Da war doch etwas. Aber was? Ach ja, richtig, ich bin heute eingeteilt, den kleinen Menschen da unten zu helfen. Hoffentlich wird es nicht so stressig. Wie das Ganze wohl abläuft? Meine Mitstreiter kann ich nicht fragen, haben das ja auch noch nicht gemacht. Das bedeutet für mich, die Sache ruhig und gelassen anzugehen, obwohl ich auch ein wenig aufgeregt bin.“
Der erste Hilferuf war bereits im Himmel eingegangen. Was erwartete ihn? Er war gespannt, wie stark ihn die neue Aufgabe beanspruchen würde, oder ob diese in aller Gemütlichkeit zu erledigen war. Er nahm sich vor, gelassen diese Angelegenheit zu bewerkstelligen. Vor allem, wie kamen sie gerade auf ihn? Das würde er alles auf der Erde klären müssen. ER hatte ihnen in dieser Beziehung freie Hand gelassen.
Jophiel streckte sich, glättete noch einmal seine Federn, und ließ sich in die Wolken fallen. Dabei entfaltete er seine Flügel zu voller Größe. Sein goldgelber Anzug wurde von der Sonne angestrahlt. Wie ein Stern sauste er auf die Erde zu, glühte in einem hellen rotgelben Feuerstrahl, wie ein glitzerndes Diamantfeuerwerk. Das bereitet ihm eine so große Freude, dass er die Erdkugel noch einmal umrundete, „Das ist ja phänomenal! Das mache ich noch öfter. Ein super Kick.“
Froh gelaunt näherte er sich seinem Ziel. Mit großen Augen bewunderte er das von IHM erstellte Wunderwerk, das immer dichter kam. Eine Stadt erschien in seinem Blickfeld. Darum standen viele mächtige Bäume. Unter einem von diesen musste sein Ziel sein. Dies hatte ihm sein himmlisches Navigationsgerät angezeigt, welches auf die Zielperson ausgerichtet war. Ein wenig Aufregung hatte ihn erfasst. Wie wohl diese Menschen waren? Er würde es gleich erleben.
Auf einer alten Holzbank saß ein Mann im gelben Anzug, ein gelbes Wägelchen neben sich. Er weinte leise. Seine Schultern bebten. Um seinen Körper herum spürte man deutlich seine große Verzweiflung. Der Erzengel beobachtete ihn eine Weile, ehe er sich ihm vorsichtig näherte.
Der Erdenmensch schreckte hoch, als er die gewaltige Himmelsmacht sah, die sich ihm näherte, zuckte zusammen, und erbleichte, „Wer bist du? Wenn du mich überfallen willst, ist das sinnlos. Ich habe kein Geld bei mir.“ Er schluchzte, seine Schultern zuckten heftig. Zu seinem Schmerz kam jetzt noch die Furcht hinzu. Er schloss ergeben seine Augen, hatte kapituliert.
„Ich bin Jophiel, der Erzengel. Du hast mich gerufen.“
„Du bist ein Erzengel? Gibt es dich wirklich?“, seine Tränen versiegten langsam. Er schaute ungläubig und immer noch furchtsam sein Gegenüber an.
„Natürlich gibt es mich!“, lachte Jophiel mit seiner dröhnenden Stimme. „Du hast mich doch gerufen. Und wenn du mich sehen kannst, bin ich auch wirklich da.“
„Das ist absolut unglaublich. Ich kann es nicht fassen. Also gibt es tatsächlich eine Himmelsmacht, die man anrufen kann. Ich hoffe, du kannst mir bei meinen Problemen helfen?“
„Bestimmt. Erzähle was dich bedrückt.“
„Du bist so groß. Kannst du dich nicht kleiner machen? Ich fürchte mich ein wenig vor dir.“
Jophiel war tatsächlich gegenüber einem Menschen ein Riese. Mit seinen gewaltigen Flügeln erreichte er immerhin eine Größe von fast vier Metern. Er rollte seine Flügel zusammen, schrumpfte dadurch auf eine immer noch gigantische Gestalt von zweieinhalb Metern. „Besser so?“
Er setzte sich vorsichtig zu dem Erdenbewohner auf die Bank, dabei bedacht, mit seinen eingerollten Flügeln nicht an der Banklehne anzustoßen. „Wie heißt du eigentlich? Warum brauchst du meine Hilfe. Du bist ja fast in so eine schöne Farbe wie ich gekleidet.“
„Ich heiße Christian, und bin bei der Post als Briefträger angestellt. Dort haben wir alle so eine gelbe Uniform. Diese Farbe symbolisiert unser Unternehmen, welches im ganzen Land tätig ist.“
„Du scheinst direkt stolz auf deine Firma zu sein. Warum dann deine trüben sorgenvollen Gedanken? Ist da etwas schiefgelaufen, und du brauchst deshalb meine Hilfe? Unser Unternehmen da oben läuft ganz ausgezeichnet. Wir haben einen großartigen Chef. Unser Team hält gut zusammen. Was will man mehr. Ich glaube, da oben geht es uns ganz gut.“ Jophiel hatte in ruhigem Ton zu ihm gesprochen, dabei seine Hand auf dessen Schulter gelegt. Christian wurde zunehmend ruhiger. Seine Nervosität legte sich.
Er wurde von einem enormen Glücksgefühl erfüllt, weil endlich mal jemand zu ihm freundlich war. Bisher hatte er ziemlich viel Pech in seinem Leben gehabt. Reden war auch nicht gerade seine Stärke. Zuhören ja, aber nicht reden. Deshalb nahm sein Gesicht jetzt einen grüblerischen Ausdruck an. Kein Ton kam über seine Lippen. Dieser kurze freudige Moment war wie weggeblasen.
„Was ist los? Warum erzählst du mir nicht, was dich bedrückt, und was du von mir willst? Ich habe zwar genügend Zeit, aber schweigen hilft uns nicht weiter.“
Christian räusperte sich, „Ich bin unglücklich. Meine Kollegen haben einfach mehr Freude am Leben wie ich. Bei mir geht immer alles schief. Keiner nimmt mich ernst, niemand will etwas mit mir zu tun haben. Ich bin furchtbar allein.“ Erneut kamen ihm die Tränen.
„Jetzt trockne zuerst mal deine Tränen und beruhige dich. Dann reden wir über alles.“
Christian schnäuzte sich. Es entstand eine kurze Funkstille zwischen den beiden. Jophiel ließ ihm Zeit, damit sie über die Probleme in aller Ruhe sprechen konnten. Er sammelte sich, denn es war auch für ihn eine total neue Situation, wollte schließlich alles richtig machen. Glücklicherweise hatte Gott ihm Weisheit mit auf den Weg gegeben. Dieses Wissen wollte er nun mit Christian teilen, um ihn auf den richtigen Pfad zu führen. Sie verstanden sich auch ohne Worte, weil sie erkannten, dass sie auf der gleichen Wellenlänge waren. Schweigen drückte manchmal mehr aus wie tausend Worte.
„Ich habe dir ja gesagt, ich bin Briefträger. Mein Wägelchen ist immer mit Briefen und kleinen Päckchen gefüllt. Oft sind da schöne Briefe mit drauf geklebten Herzen oder Engelchen dabei. Das sind dann Liebesbriefe. Wenn ich sie den Leuten in den Kasten werfe, sind sie überglücklich. Ich mache ihnen eine große Freude. So schöne Briefe bekomme ich aber nie, weil ich keine Freundin habe. Und damit ziehen mich meine Kollegen immer auf. Ich bin und bleibe ein Pechvogel. Alleinsein ist nicht angenehm. Du kommst immer in deine Wohnung, niemand erwartet dich, oder nimmt dich in den Arm. Ich halte diesen Spott und die Einsamkeit nicht mehr aus. Ich würde am liebsten nicht mehr leben. Ich halte es einfach nicht mehr aus“, abermals schluchzte er deprimiert.
Jophiel legte seinen Arm um Christians Schulter. Er musste das Gehörte erst verdauen und verarbeiten. Mitleid machte sich in ihm breit. Das war schon traurig, was er gehört hatte. Da musste er unbedingt helfen. Gott sollte stolz auf ihn sein. Die Aufgabe spornte ihn an. Mitgefühl gehörte zu seinen Stärken. Die Weisheit, die er von Gott erhalten hatte, wollte er jetzt anwenden, um diesem kleinen Menschlein zu helfen.
„Pass auf, Christian, ich will ehrlich zu dir sein. Dies ist mein erster Einsatz auf der Erde. Ich möchte aber nur das Beste für dich. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen. Ich glaube, das werde ich ganz gut hinbekommen. Lasse uns alles langsam angehen, und keine übereilten Sachen machen.“
„Dein erster Einsatz auf der Erde? Und mich hast du ausgesucht? Da bin ich völlig überrascht. Das hätte ich nicht gedacht. Wie bist du denn auf mich gekommen?“
„Dein Hilferuf ist als erster im Himmel eingegangen. Da muss ich mich doch drum kümmern. Ich kann euch Menschen doch nicht im Stich lassen, wenn ihr um unsere Hilfe bittet. Meine Kollegen und ich werden uns euch annehmen, wenn ihr das Bedürfnis habt. Natürlich kann nicht alles prompt erledigt werden, und nicht jeder kann unseren Beistand bekommen, doch wir geben uns Mühe, alles zu eurer Zufriedenheit zu erledigen.“
Christian war ob dieser Offenheit erstaunt. Er konnte sein Glück nicht fassen. Er sollte der erste Auserwählte sein? Kaum zu glauben. Wenn er dies seinen Kollegen berichtete, würden diese sagen, so ein Spinner. Also, was war zu tun? Er wollte dem Erzengel in aller Ruhe zuhören. Hoffentlich konnte dieser ihm helfen. Dieses Pech, was ihm an den Schuhen klebte, wollte er endlich abstreifen. Er verlangte doch nicht zu viel, nur ein bisschen Glück. Endlich ein gemütliches Zuhause, eine nette kleine Frau an seiner Seite. Die Kollegen sollten ihn akzeptieren und nicht verspotten. Dies ging ihm in Sekundenschnelle durch den Kopf. Jophiel war ihm fast schon vertraut. Auf seine Ratschläge und Anleitungen wollte er hören. Am liebsten hätte er sich angekuschelt wie ein Kind, und dadurch herrlich geborgen gefühlt. Doch das traute er sich nicht. Er bekam ein warmes Gefühl, welches immer stärker wurde. Die Hitze stieg ihm vom Herz bis in den Kopf. Seine Gedanken jagten wie wild durcheinander. Das Karussell drehte sich immer schneller. Er hielt es kaum noch aus, rutschte unruhig auf der Bank hin und her.
„Ist dir nicht gut?“, lächelte Jophiel seinen Nebensitzer an. „Wie ich sehe, steigt dir die Hitze in den Kopf. Das ist gut so. Da tritt bereits eine erste Reaktion auf meine Anwesenheit ein. Aber jetzt machen wir noch etwas anderes. Drehe deinen Oberkörper in meine Richtung. Dann lege ich dir meine Hand auf deinen Solarplexus. Das dauert nur ungefähr eine Minute. Dann sehen wir weiter.“
In Christians ganzem Körper stieg die Hitze weiter auf. Sein Gesicht, der Nacken, Hals, Arme und Hände glühten förmlich. Er meinte, innerlich zu verbrennen. Er schwitzte alles, was sich bisher Negatives in ihm gesammelt hatte, aus. Leichtigkeit war sein nächstes Gefühl, als schwebe er. Jophiel legte ihm den Zeigefinger auf das Stirn Chakra, welches sich zwischen den Augenbrauen befindet. Augenblicklich waren seine schlechten Erinnerungen wie weggeblasen. Die entstandene Leere wurde mit neuem Gedankengut gefüllt. Völlige Erleichterung überkam ihn. Er fühlte sich getröstet und wie neugeboren.
Christian schüttelte sich, schien aus einer Trance zu erwachen, „Was ist los? Was ist gerade mit mir passiert?“
„Du bist jetzt auf einem guten Weg. Ich habe dir ein wenig auf die Sprünge geholfen. Deinen bisherigen Lebensweg gibt es ab jetzt nicht mehr. Momentan hast du keine trüben Gedanken, und wirst auf deinem weiteren Lebensweg mehr Glück und Freude haben.“
„Ist das wirklich wahr? Ich kann es kaum glauben. Wie hast du das angestellt? Hast du deine himmlischen Kräfte eingesetzt? Erzähle mir bitte alles. Ich will mein neues Leben genießen können, und möchte mit offenen Augen durch die Welt gehen.“
„Ich habe dir zu einer kleinen Erleuchtung verholfen. Natürlich habe ich meine himmlischen Kräfte dazu benutzt. Sonst wäre diese Veränderung nicht möglich. Du musst nur an das Gute im Menschen glauben. Ebenso wirst du recht schnell merken, wer es gut mit dir meint, und wer nicht. Deine Gefühle haben sich ebenfalls geändert. Wenn du ein wenig an dir arbeitest, wirst du noch viel in deinem Leben erreichen, ob im Beruf oder in der Partnerschaft. Lasse alles auf dich zukommen, packe im richtigen Moment zu.“
Christian staunte bei dieser Aussage nicht schlecht. Er konnte diesen Göttlichen Beistand immer noch nicht fassen. Das zu verdauen, würde noch eine ganze Weile dauern. Glück sollte er haben, in der Liebe und im Beruf? Er wäre der überglücklichste Mensch, vom Himmel und seinem Erzengel begünstigt. Jophiel würde er sein ganzes Leben nicht vergessen. Dankbar wollte er ihm sein. Doch wie konnte er dies zeigen? Täglich ins Gebet einbeziehen? Wie sah die künftige Gemeinsamkeit mit Jophiel aus? Viele weitere Fragen gingen ihm durch den Kopf. Nachdenklich saß er auf der Bank, sah den Erzengel an.
„Wie ich sehe, kannst du das alles nicht fassen. Deine Zukunft geht ab jetzt in neuen Bahnen. Stelle dich ihr und sei glücklich. Nimm das Geschenk von mir an. Grübele nicht so viel. Warte ab, wie sich dein Leben zum Positiven verändert. Du hast den Himmel um Beistand gebeten. Ich bin dir geschickt worden, um dir zu helfen. Das ist geschehen.“ Er legte ihm den Arm um seine Schultern.
Nachdenklich legte Christian seinen Kopf nun doch an dessen Schulter. Weinen ging genauso wenig wie lachen. Dieser Zustand müsste ewig sein. Schwerelos. Ohne Komplikationen. Einfach nur sein.
„Bleibst du jetzt immer bei mir, oder in meiner Nähe? Falls nicht, wie kann ich mit dir Kontakt aufnehmen? Soll ich beten, damit du wieder zu mir kommst?“ Nach einer kurzen Pause fragte er, „Können uns die Leute dahinten eigentlich sehen?“
„Natürlich nicht!“, lachte Jophiel mit seiner dröhnenden Stimme. „Sonst wären sie doch alle schon längst hier, um das Weltwunder zu besichtigen. Nein, sie können nur dich auf dieser Bank sitzen sehen. Ich bin für sie unsichtbar. Das ist auch besser so. Selbstverständlich bleiben wir in Kontakt, wenn du es dir wünscht. Beten schadet natürlich nicht, da freut sich Gott. Er hört sich alles an, wenn jemand um Hilfe bittet. Jetzt hat er ja uns, die Erzengel, die er dann auf die Erde schickt, um alles zu richten.“
„Aber wie können wir denn in Verbindung bleiben?“
„Das ist ganz einfach.“ Er zog etwas aus seiner unsichtbaren Westentasche, und legte es Christian in die Hand.
„Was ist das für ein Stein? Welche Bedeutung hat der? Hilft der mir, wenn ich dich brauche?“
„Das ist unser Kontaktstein, ein Goldtopas. Wenn du ihn in die Hand nimmst, und sachte streichelst, sind wir miteinander verbunden. Aber dieser Stein hat noch ganz andere Wirkungen. Er gibt eine positive Lebenseinstellung, steigert dein Selbstwertgefühl, fördert Zuversicht, Mut und Erfolg. Natürlich gibt es diese Steine auch in Fachgeschäften hier auf der Erde zu kaufen, aber dieser ist von mir für dich gesegnet worden. Einfach unser Glücksstein. Trage ihn immer bei dir, verliere ihn nicht. Behandle ihn zärtlich und mit Ehrfurcht. Gebe oder verschenke ihn nicht. So etwas bekommst du nur einmal in deinem Leben.“
„Ich passe hundertprozentig gut darauf auf. Ich gebe doch mein Lebensglück nicht aus den Händen, kann kommen, was da wolle. Das verspreche ich dir.“
Schmunzelnd gab Jophiel zurück, „So dumm wäre ich auch nicht. Aber langsam wird es Zeit für mich, dich in deinem neuen Leben allein zu lassen. Gerade ist ein neuer Hilferuf eingegangen.“
„Wie hast du denn einen Hilferuf bekommen? Ich habe nichts gehört.“
„Ich habe so einen kleinen Piepser, der mich darauf aufmerksam macht. Genauso wie es bei euch im Krankenhaus üblich ist“, damit zog er einen kleinen leuchtenden Stern aus seiner Westentasche. „Siehst du wie er blinkt? Da sind dann auch genau die Koordinaten drauf gespeichert. So war es auch bei dir?“
„Bei mir hat auch so ein Stern geblinkt? Das ist ja sensationell! So was hätte ich auch gern. Dann könnte ich dich an piepsen“, lachte jetzt Christian. „Da wären wir immer zusammen. Das Erlebnis mit dir, ist bisher das Schönste in meinem Leben. Ich bin dir ja so dankbar.“
„Das freut mich geht aber leider nicht, obwohl ich dich gut leiden kann. Ich behalte dich im Auge. Schließlich bist du auch meine Nummer Eins. Aber jetzt muss ich wirklich los.“
„Ich würde dich gern zum Abschied noch einmal umarmen. Ist das möglich?“
„Gern mein Kleiner. Musst nur vorsichtig mit meinen Flügeln sein.“
Sie umarmten sich, dann fuhr der Erzengel wie ein Blitz in den Himmel. Sein Goldgelb flammte noch einmal auf. Dann war er verschwunden.
Christian saß wie ein Häufchen Elend auf seiner Bank. Am liebsten hätte er geweint. Aber so nicht, dachte er, mein neues Leben fängt jetzt an. Er betrachtete noch einmal seinen Stein liebevoll, dachte fast zärtlich an Jophiel, und steckte ihn in seine Jackentasche. Auf meinen Schatz muss ich jetzt gut aufpassen.
Plötzlich schnüffelte etwas an seinem Hosenbein. Er blickte überrascht auf. Ein kleiner Hund. Das gibt´s doch gar nicht, überlegte er. Hunde sind schließlich die natürlichen Feinde der Postboten. Sollte es plötzlich anders sein. Augenblicklich dachte er an Jophiel. So schnell soll sich mein Leben ändern?
Am anderen Ende der Hundeleine war eine junge blonde Frau. Sie lächelte ihn an, „Mein Schnuffi scheint Sie zu mögen. Das kommt sonst sehr selten vor. Es dauert normalerweise immer eine gewisse Zeit, bis er zutraulich wird. Sie scheinen da eine Ausnahme zu sein. Vor allem kommt noch hinzu, dass Sie Briefträger sind.“ Sie errötete, „Nicht das Sie meinen, ich hätte etwas gegen diesen Beruf. Ist aber doch seltsam, weil Hunde fast immer bellen, wenn sie einen sehen.“
„Das kenne ich. Erlebe ich leider täglich. Umso mehr bin ich selbst erstaunt, dass er mich scheinbar mag.“ Er schaute die junge Frau noch einmal an. Sie gefiel ihm. „Möchten Sie sich nicht setzen?“
„Gern“, gab sie schüchtern zurück. „Haben Sie gerade Pause?“
„Nein, ich bin mit meiner Runde schon fertig. Ich bin von der schnellen Truppe.“
Verlegen schwiegen beide, betrachteten ihre Hände. Der Hund schaute sie beide an, als wenn er überlegen wollte, was ist denn jetzt los. Er rollte sich zusammen, und legte sich Christian vor die Füße, als wenn es schon immer so gewesen wäre. Nach einer Weile sahen die beiden sich an. Es entstand augenblicklich eine Vertrautheit zwischen ihnen.
„Ich heiße Christine.“
„Dann passen wir beide super zusammen. Ich bin Christian.“
Sie lachten. Das Eis war gebrochen. Eine lebhafte Unterhaltung entstand. Sie mochten sich auf Anhieb, hatten scheinbar auch gleiche Interessen. Die Zeit verging wie im Fluge. Hier hatten sich zwei gefunden.
Für beide war es wie ein Sechser im Lotto, hatten bisher nicht viel Glück im Leben gehabt. In dieser kurzen Zeit so ein herzliches Verständnis zu bekommen, konnte nur von den Himmelsmächten gestiftet worden sein. Dies wollten sie festhalten.
Die anderen Erzengel hatten auf einer großen rosa Wolke gelümmelt, und das Geschehen mitverfolgt. Sie waren fasziniert, wie gut das auf der Erde mit diesem kleinen Menschlein gelaufen war. „Ist fabelhaft, wie der Jophiel seinen ersten Einsatz gemeistert hat“, meinte Chamuel. „Morgen bin ich dran. Hoffentlich funktioniert es bei mir auch so gut.“ Seine Zuversicht stieg. Würde schon alles gut gehen.
Auch Gott schaute nach seinem Erzengel Jophiel. Was er sah, erfreute sein Herz. Der Junge macht ja wirklich großartige Arbeit, dachte ER. Er kann stolz auf seine Leistung sein. Vor allem ist dies der erste Erdeneinsatz. Da können sich seine Kollegen eine Scheibe abschneiden. Er hat wirklich ein wenig von meiner Weisheit und Güte mitgenommen, und diese eingebracht. Wie Jophiel die beiden zusammengebracht hat, ist eine meisterhafte Leistung. Wenn es so weitergeht, wird aus diesen kleinen Menschen noch mal eine schöne Einheit, und es gibt weniger Streit und Ärger auf der Erde. Daran müssen meine Jungs arbeiten. Ich werde sie heute Abend entsprechend instruieren. Da hatte mein erster Engel eine gute Idee, sich Mitarbeiter zu wünschen. Ihre modischen Farben sind ja Geschmacksache, aber wenn es ihnen gefällt. Na ja. Wenn ich mich in meiner weißen Toga dagegen anschaue, doch ein wenig konservativ. Die Einteilung mit den Wochentagen und der entsprechenden Mission ist auch nicht schlecht. Ich kann doch recht zufrieden sein, und mich noch ein wenig mehr ausruhen, und muss nicht alles allein machen. Ich glaube, ich werde jetzt mein Mittagsschläfchen halten. Er gähnte, und legte sich in sein goldenes Wolkenbett.
Die Arbeit von Erzengel Jophiel hatte bereits jetzt schon Früchte getragen. Er hatte exzellente Arbeit geleistet, und konnte sich seiner nächsten Aufgabe widmen.
Jophiel setzte zu einer großen Kurve um die Erdkugel an, weil er dieses prickelnde Gefühl der absoluten Freiheit noch einmal spüren wollte. Sein himmlisches Navigationsgerät hatte zwar einen kürzeren direkteren Weg zu seinem nächsten Hilfesuchenden angezeigt, aber was soll´s. Er war auf der Erde, konnte schalten und walten, wie er wollte. Die Hauptsache war, dass er seine Arbeit ordentlich erledigte. Der Chef würde da schon mal ein Auge zudrücken. Wenn es bei diesem ersten Einsatz so prima funktioniert hatte, konnte kaum noch etwas geschehen, was ihn aus der Bahn warf. Das Lampenfieber war wie fortgeblasen. Ran an den nächsten Auftrag. Die Pirouette, die er drehte, war exzellent. Seine Mitstreiter wären sicher begeistert, wenn sie das gesehen hätten.
Doch wo war die Stadt, die Bäume? Weit und breit war davon nichts zu sehen. Oben blau, unten blau, dazwischen ziemlich grau und stürmisch. Keine Häuser, keine Bäume. Wo war er hier? Ach, richtig, das war das Meer. Da gab es solche Dinge nicht. Aber was sollte er hier? Mit den Möwen singen? Hier sollte es Menschen geben, die seine Hilfe brauchten? Schon seltsam. Da kam ein großes dunkles Objekt in sein Blickfeld. Ein riesiges Containerschiff, welches viele Behälter geladen hatte. Kalter Regen und Sturm zogen auf. Seine Federn stellten sich, wurden durcheinander geweht. Das behagte ihm nicht. Er fröstelte und schüttelte sich. So ein Mistwetter, dachte Jophiel. Da habe ich es oben aber gemütlicher. Schlotternd flog er langsam das Schiff an.
Sacht segelte er auf das Deck des stark schaukelnden Schiffes. Dort entdeckte der Erzengel ein Menschenwesen in einer glatten gelben Jacke, an welcher der Regen herunterlief. Darunter blinkten eine ebenso gelbe Hose, sowie blaue Gummistiefel hervor. Das Gesicht blickte missmutig in die Welt. In den Händen hielt er grobe Seile, die er mithilfe einer Winde festzog. Ihm schien zwar das Wetter nichts auszumachen, weil er es wohl gewohnt war, machte trotzdem ein griesgrämiges Gesicht. Seine schlechte Laune schien durch etwas anderes herbeigeführt worden zu sein. Was das wohl war? Er würde es schon herausfinden.
Trotz Regen und Sturm fiel ein großer Schatten auf den Seemann. Erschrocken schaute er hoch, „Bist du der Klabautermann? Willst du mich jetzt holen?“ Entgeistert ließ er das Seil aus den Händen fahren. „Verflixt nochmal! Hat sich denn alles gegen mich verschworen?“
„Schimpfe nicht! Von einem Klabautermann weiß ich nicht. Ich bin der Erzengel Jophiel. Du hast mich gerufen, und um Hilfe gebeten.“
Der Seefahrer wurde noch blasser, was kaum noch möglich war. Stotternd meinte er mit flüsternder Stimme, „Du bist der Erzengel Jophiel? Es stimmt, ich habe dich um Hilfe ersucht. Aber dass es dich wirklich gibt, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Und jetzt bist du da.“
„Was hattest du denn erwartet? Meinst du, wir Erzengel sind nur reine Fantasie? Wir sind nach Gott die stärkste Macht im Universum. Wer uns anruft, wird erhört. Wenn es in unserer Macht steht, helfen wir demjenigen. Also, was willst du von mir? Wie kann ich dir helfen? Wie heißt du eigentlich?“
Immer noch blass, dann wieder errötend, immer im Wechsel, gab er zurück, „Ich heiße Fiete. Kann es immer noch nicht glauben, dass du da bist. Dazu so riesig. Da kann man ja auch Angst bekommen.“
Lachend gab Jophiel zurück, „Ja, wir sind euch immer zu groß. Dafür ist unsere Unterstützung auch großartig. Wenn du willst, rolle ich meine Flügel zusammen. Dann bin ich aber immer noch eine Nummer größer als du.“ Sprach es aus, und war nur noch zwei Meter fünfzig hoch. „Aber können wir nicht woanders hingehen? Hier ist es doch recht ungemütlich. Meine Federn fliegen nur so umher. Das kann ich nicht lustig finden. Das lenkt mich von meiner Aufgabe ab.“
„Komm, wir gehen unter Deck. Da ist es ruhiger und nicht so stürmisch“, gab er immer noch verunsichert zurück.
„Sind wir da auch allein und ungestört? Wir können keine Zuschauer gebrauchen. Zwar kannst nur du mich sehen und mit mir sprechen, aber sonst würden die anderen meinen, du wärst ein wenig seltsam, und würdest mit dir sprechen. Muss nicht sein.“
„Stimmt. Da hast du allerdings recht. Kannst du mit deiner Größe überhaupt in die niedrigen Gänge?“
„Das bekommen wir schon hin. Nur ruhig sollte es sein. Wir wollen uns schließlich einträchtig unterhalten.“
„Dann gehen wir am besten in meine Kajüte. Die dürfte hoch genug für dich sein. Außerdem ist es dort warm, trocken und gemütlich. Da können wir uns in Ruhe unterhalten. Ich muss mich nur noch schnell beim Kapitän abmelden.“
Unter Deck angekommen eilten sie ungesehen durch verschiedene Gänge. Mit einem Schlüssel, an dem ein kleiner Anker hing, schloss er seine Kabinentür auf. Es war wirklich eine kleine behaglich eingerichtete Kabine. Alles war ordentlich aufgeräumt, hatte seinen festen Platz. Einige Bilder von Schiffen und den Weltmeeren hingen an den Wänden. Neben dem Bett stand eine große Truhe, die wohl seine Kleidung enthielt. Zwei klobige Sessel standen um einen runden Tisch. Die beiden Bullaugen ließen den Blick auf die raue See zu. Alles in allem sauber und behaglich. Vor allem hatte er die Kajüte für sich allein. Das war auf seinen Rang als erster Offizier zurückzuführen. Sonst gab es auf dem Schiff meist Schlafräume für mehrere Matrosen. Fiete konnte zufrieden sein.
„Gemütlich hast du es hier. Aber nun erzähle mir von deinen Sorgen und Problemen. Du hast mich sicher nicht umsonst angerufen.“
Verlegen rieb Fiete sich seine Hände, sein Gesicht rötete sich. Er brachte kein Wort raus.
Der Erzengel ermunterte ihn mit einer auffordernden Geste zu beginnen, lächelte dabei. Zuneigung war in seinem Blick, der Wärme ausstrahlte. Eine rosa Herzenswolke erleuchtete den Raum. Friede und Harmonie erfüllten den Raum mit einer solchen Intensität, dass man es förmlich spüren konnte.
Endlich war der Seefahrer so weit, räusperte sich, und begann, „Weißt du, mir geht es hier auf dem Schiff eigentlich recht gut. Aber zufrieden bin ich mit meinem Leben trotzdem nicht. Das Schiff hier wurde zuerst von meinem Großvater über die Weltmeere gefahren. Als er starb, hat mein Vater es übernommen. Und nun soll ich es befehligen, weil er sich auf sein Altenteil zurückziehen will. Das wäre dann das Ende meiner Träume.“
„Das ist doch gar nicht so schlecht, ein eigenes Schiff zu führen. Viele Seeleute wären froh darüber, wenn sie diese Möglichkeit hätten. Was passt dir daran nicht? Du musst mir schon einen einleuchtenden Grund nennen, damit ich es besser verstehe und beurteilen kann.“
„Immer auf dem alten rostigen Kahn. Jeden Containerhafen anfahren, ausladen, einladen, fertig. Das ist so öde und langweilig. Das kannst du dir gar nicht vorstellen. Du kommst zwar fast in der ganzen Welt rum, siehst aber immer nur den Hafen, weil du mit der Ladung beschäftigt bist. Weiter geht’s. Das machst du eine Weile mit, aber dann wird es stumpfsinnig. Überall anderes Wetter, mal heiß, mal kalt oder so stürmisch wie jetzt. Findest du das etwa gut?“
„Da muss ich dir leider zustimmen. So ein Wetter haben wir im Himmel nicht. Das würden wir ganz schnell von unserem Chef ändern lassen. Du weißt, Gott ist unser Chef. ER hat uns alles beigebracht, und erteilt die Aufträge. Auf IHN kann man sich verlassen. So, wie ER es uns erklärt hat, sind wir gut geeignet, den Menschen zu helfen. Das ist doch wunderbar, oder?“
„Gott ist euer Chef? Das ist ja wunderbar!“, strahlte er. „So einen Chef hätte ich auch gern. Über meinen kann ich mich auch nicht beklagen. Aber das ist natürlich was ganz Besonderes. Und das stimmt wirklich?“, fragte er ungläubig.
„Meinst du, ich schwindele? Wenn ER nicht wäre, würde es uns auch nicht geben. Und siehst du mich? Ich bin schließlich jetzt in diesem Augenblick bei dir. Ohne IHN würde hier nichts existieren. Das wäre für euch doch schrecklich.“
„Entschuldige bitte. Ich wollte nicht an deinen Worten zweifeln. Aber das ist für mich einfach unfassbar. Und ich bin wirklich ausgewählt worden? Das ist eine große Ehre für mich. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
Mit seiner dröhnenden Lache gab Jophiel zurück, „Natürlich ist es keine alltägliche Sache, die in diesem Augenblick hier geschieht. Trotzdem sollst du endlich sagen, warum du mich gerufen hast.“
„Das hätte ich vor lauter Aufregung beinahe vergessen. Mit schlechtem Wetter, hohem Seegang und meinen Leuten kann ich gut umgehen. Da haut mich so schnell nichts um. Aber die Sache mit dir ist eine ganz andere Angelegenheit. Sie macht mich einigermaßen sprachlos. Aber du hast recht. Ich sollte tatsächlich mal mit meinem Problem rausrücken. Du lachst vielleicht drüber, aber für mich ist das wichtig. Der Gedanke geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, ist einfach meine Bestimmung. Das habe ich im Gefühl. Es ist mein sehnlichster Wunsch. Ich hoffe, du kannst ihn mir erfüllen. Das Leben ist kein Wunschkonzert, das weiß ich, aber vielleicht funktioniert es doch.“
„So, so, das Leben ist kein Wunschkonzert, und du weißt es“, gab Jophiel amüsiert zurück. „Trotzdem rufst du mich. Du meinst, dann kommt ein Erzengel mit seinem Zauberstab, und erfüllt dir jeden Wunsch. Wie praktisch“, Jophiel trieb Schabernack mit Fiete.
Sein Gesicht verfärbte sich. Er wurde puterrot. Der Schweiß lief ihm aus allen Poren. Der Seemann merkte nicht, dass Jophiel ihn neckte, wurde verlegen, „Entschuldige bitte. So hatte ich es nicht gedacht, wo doch jeder sagt, rufe die Engel an, und dir wird geholfen. Du musst nur fest daran glauben.“
„So einfach macht ihr Menschen euch das? Prima, Fingerschnippen, und wir kommen. Schon erhalte ich das, was ich will. Das muss ich unbedingt meinen Kollegen und dem Chef erzählen. Die werden die Flügel über dem Kopf zusammenschlagen“, einerseits war er verärgert, andererseits machte es ihm Spaß, Fiete ein wenig auf den Arm zu nehmen, und zappeln zu lassen. Seine Anwesenheit auf der Erde bereitete ihm zunehmend mehr Vergnügen. Er lernte schnell von den Menschen, wie sie tickten.
Es klopfte an der Kajütentür. Fiete schrak hoch, „Verstecke dich schnell! Vermutlich werde ich auf der Brücke gebraucht.“
Jophiel lachte lauthals, „Ruf deinen Kameraden ruhig herein. Er kann mich weder sehen noch hören. Außer dir kann mich niemand wahrnehmen.“
„Komm rein! Die Tür ist offen!“, rief er verunsichert Richtung Tür.
„Sag mal Erster, was ist denn mit dir los? Man hört dich die ganze Zeit brummeln. Hältst du Selbstgespräche, oder wirst du langsam komisch?“
„Alles in Ordnung. Ihr braucht euch keine Gedanken wegen mir zu machen. Ich übe nur gerade eine kleine Rede. Nichts Großes. Nichts Schlimmes. Werdet ihr demnächst von mir zu hören bekommen. Geh nur ruhig wieder auf Deck. Das Wetter ist auch etwas besser geworden. Der Sturm hat scheinbar nachgelassen. Trotzdem danke fürs Vorbeikommen. Kannst den anderen ruhig sagen, mit mir ist alles ok.“
„Siehst du“, feixte Jophiel. „Geht doch. Du hast mich gerufen, kannst mich als Einziger erblicken. Aber jetzt komme endlich zur Sache. Was willst du von mir?“
Zögernd kam es zurück, „Ich weiß nicht, ob ihr im Himmel einen Fernseher habt? Habt ihr?“
Der Erzengel schüttelte seinen Kopf und verneinte.
„Da gibt es eine wunderbare Sendereihe, „Das Traumschiff“. Da sind alles immer schöne Leute, die meistens aber ein Problem haben. Sie fahren mit dem Schiff in herrliche Gegenden mit Palmen am Strand. Dort erleben sie Abenteuer, und alles geschieht so, dass die Probleme gelöst sind. Die Besatzung und der Kapitän helfen ihnen dabei. Abenteuerlich schön. Das ist mein größter Traum. Das entsprechende Patent als Kapitän besitze ich. Nur solange ich auf diesem Schiff bin, habe ich keine Chance, so etwas in Angriff zu nehmen. Dafür sorgt schon mein Vater, der mir bald sein Schiff übergeben will. Doch ich möchte einfach nicht weiter diese tristen eintönigen Fahrten machen. Am liebsten würde ich mich bei einer Reederei auf so einen Posten bewerben. Kannst du mir nicht dabei helfen, dies meinem Vater schonend beizubringen, und einen entsprechenden Antrag zu stellen?“
„Warum soll ich dir dabei helfen? Du bist doch ein gestandener Mann, der weiß, wo es langgeht. Wie ich gesehen habe, kannst du auch mit deinen Kameraden gut umgehen. Also warum?“ Jophiel wollte es ihm nicht so einfach machen. Die Initiative sollte von Fiete ausgehen, sonst würde er auch im Leben nicht bestehen, und ein Schiff führen können.
„Ich bin schlicht und einfach gesagt, ein wenig unsicher. Meinem Vater möchte ich auch nicht wehtun. Zum anderen will ich auf diesem Kahn nicht versauern. Von meinem Leben erwarte ich mehr, Freude, Zufriedenheit und einige Abenteuer, die ich noch bestehen möchte. Mein Leben ist einfach nicht lebenswert, langweilig, ohne Perspektiven. Das muss sich ändern. Deshalb habe ich dich gerufen, und erbitte deine Hilfe.“
„Aha, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Das sind doch Argumente. Damit kann ich was anfangen. Doch eins musst du mir erklären, und zwar, wie kommt man an so einen Posten. Was musst du dafür machen?“
„Im Prinzip ist die Sache ganz einfach. Du musst eine Bewerbung an die Reederei schreiben. Da musst du deine Ausbildungsnachweise und Zeugnisse beifügen. Dann heißt es abwarten. Meistens sind es aber viele Bewerber auf so eine gute Stelle. Da ist die Chance gering, wenn du keine super Zeugnisse hast. Manchmal spielt es auch noch eine Rolle, ob du dorthin Beziehungen hast oder nicht. Du wirst es kaum glauben, aber Beziehungen spielen im Leben die allergrößte Bedeutung. Selbst mit schlechteren Zeugnissen, aber dafür mit guten Fürsprechern hast du bessere Chancen, diese Anstellung zu bekommen. So ist das bei uns. Etwas anders als bei euch, stimmt´s?“, gab er zurück, lächelte zaghaft dabei.
„Wie schreibt man so eine Bewerbung? Ist das schwierig? Wenn du mir das erklärst, kann ich dir vielleicht helfen.“
„Das wäre natürlich eine super Sache. Pass mal auf, ich erkläre und zeige es dir.“
Er setzte sich an seinen Computer. Dann legte er los, und erläuterte ausführlich, wie das Prozedere funktionierte. Er öffnete gespeicherte Ordner, die dazugehörigen Dateien mitsamt den Ausbildungsnachweisen und Zeugnissen. Genauso wie ein Bewerbungsschreiben auszusehen hatte. Das Ganze konnte er dann als Email an die suchende Reederei senden, da es von See aus keine andere Möglichkeit gab. Geduld und Hoffnung war dann angesagt.
Der Erzengel war fasziniert und schnaufte. So etwas hatte er weder gesehen noch gehört. Im Himmel gab es keine Computer. Dort funktionierte die Kommunikation entweder mündlich oder per Gedankenübertragung. Vor allem, Bewerbungen. So weit kommt es noch. Auf was sollte man sich im Himmel auch bewerben? Er lachte lautlos vor sich hin. Auf einen neuen Erzengelposten? Da würde der Chef sich totlachen, seine Kollegen würden sich dagegen freuen, wenn sie noch einen Mitarbeiter bekämen. Das hieße, weniger Arbeit für alle. Es war natürlich sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Er musste jetzt erstmal Fiete helfen. Ihm würde bestimmt eine Lösung einfallen, wozu war er schließlich ein Erzengel. Diesen Computer bekomme ich auch noch in den Griff. Wenn dieser Erdenmensch Hilfe braucht, bekommt er sie auch von mir.
Er beugte sich zu Fiete herüber, und meinte, „Zeig mir noch einmal den Text, den du als Bewerbungsschreiben gemacht hast. Den formuliere ich dir erstklassig um.“ Jophiel tat so, als wenn er sich mit der Materie auskennen würde, legte seine Stirn in Falten. Sein Zeigefinger wackelte einige Zeit über dem geschriebenen Text hin und her, bis dieser elektrisch aufgeladen war. Die Buchstaben verschwammen. Sie flirrten und flackerten über den Bildschirm. Es entstand ein neuer Text.
Fietes Augen wurden immer größer, als er sah, was da auf dem Bildschirm passierte. Einfach unglaublich. Das hatte er doch gar nicht geschrieben. Den Text erkannte er nicht wieder. Die Buchstaben waren wie in einem Kreislauf munter gelaufen, richtig auf- und abgesprungen. Ein seltsames Symbol war auf jedem Blatt hinzugefügt. Was war das? Sah aus wie eine Feder. Einfach unbegreiflich, was sich hier in den letzten Minuten abgespielt hat. Wie konnte das geschehen? Hatte der Erzengel das gemacht? Er war fassungslos.
Jophiel konnte es selbst kaum glauben, was er da gemacht hatte. Mit Computern hatte er bisher nichts zu tun gehabt. Aber seine himmlischen Kräfte verliehen ihm jede Art von Hilfe und Beistand, die benötigt wurde. Gott war in dieser Beziehung nicht sparsam gewesen. Er hatte seinen Erzengeln alles mit auf den Weg gegeben, was diese benötigten, um auf der Erde volle Hilfe leisten zu können, und zwar in jeder Beziehung. Kein Feld war da unbedeckt geblieben. Davon profitierte er jetzt natürlich. Seine Kräfte waren ungeheuer groß, so groß, wie er es selbst nicht geahnt hatte. Diese konnte er nun auf den kleinen Erdenmenschen wirken lassen, dem dadurch bedeutend geholfen war. Glücklich sollte er werden.
Fiete konnte es immer noch nicht fassen, was soeben geschehen war, „Was ist gerade in meinem Computer abgegangen? Wie hast du das gemacht? Mein Text ist total verändert. Und was ist das für ein Symbol, das da auf allen Blättern abgebildet ist? Erkläre mir das bitte.“
Jophiel schaute ihn mit einem sanften Lächeln an, legte seine Hand auf den Unterarm von Fiete, „Mein Kleiner, was du hier siehst, ist meine erste Erfahrung, die ich selbst mit einem Computer hatte. Ich hoffe, es ist zu deiner Zufriedenheit ausgefallen. Und das Symbol, wie du es nennst, ist eine himmlische Feder aus meiner Schwinge. Der Empfänger dieses Schreiben erkennt daran, dass es etwas Besonderes ist. Diese Feder gibt den nötigen Aufschwung. Eigentlich kann dir dadurch nichts mehr im Wege stehen.“
Fiete rollten einige Tränen über die Wangen. Das erwartete man von einem harten Seemann eigentlich nicht. Er war unendlich glücklich. Am liebsten hätte er seinen Erzengel umarmt. Das getraute er sich aber nicht. Vor allem überragte dieser ihn um mindestens fünfzig Zentimeter. Es war sowieso verwunderlich, wie dieser Riese in seine kleine Kajüte gekommen war. Aber mit der Göttlichen Hilfe war scheinbar alles möglich, sogar eine Bewerbung auf seinen Traumjob.
„Na, mein kleiner Erdenmensch, da bist du überrascht. Jetzt fehlt von dir noch, wie nennst du es, ein Mausklick. Dann wirst du sehen, was passiert. Wollen doch mal sehen, ob du dann an deinem Ziel bist, oder ob ich eine Enttäuschung für dich bin.“
Fiete sah sein Gegenüber mit großen Augen an, „Du bist doch keine Enttäuschung für mich. Das kannst du gar nicht sein. Ich werde das jetzt fortschicken. Dann werden wir sehen, ob und wie es ankommt.“ Er machte den Mausklick, und schickte seine Bewerbung fort. Natürlich braucht man Geduld, bis eine Antwort einging. Vor allem, wie sollte er es seinem Vater beibringen, wenn es funktionieren sollte? Da müsste er sich auch noch etwas Gescheites einfallen lassen. Vielleicht konnte ihm der Erzengel dabei helfen? Fragen kostet ja nichts.
„Du, Jophiel, ich hätte da noch was. Ich hoffe, du kannst mir auch bei diesem Problem helfen.“
„Raus mit der Sprache. Was hast du noch auf dem Herzen? Mal sehen, ob wir die Angelegenheit nicht auch noch lösen können. Also, was ist?“
„Falls ich wirklich genommen werde, wie bringe ich das meinem Vater bei. Er will doch, dass ich das Schiff von ihm in dritter Generation übernehme. Er hat mich dazu angehalten, dass große Schifferpatent zu machen, damit ich jedes stattliche Schiff führen kann.“
„Das sollte kein Thema sein. Der springende Punkt in dieser Angelegenheit sollte doch wohl die Annahme deiner Bewerbung sein. Aber ich glaube, da können wir guter Dinge sein. Wirst schon sehen.“
In diesem Augenblick erklang der Jingle des Postfaches. Eine E-Mail war eingegangen. Nervös, fast mit versteinerter Miene, klickte Fiete seinen Posteingang an. Dabei ballte er seine Fäuste, kniff die Augen zusammen. Seine Lippen sahen aus wie ein scharfes wie ein Messer.
„Jetzt mach schon. Sonst lese ich deine Post“, bei diesen Worten legte er Fiete einen Arm um dessen Schulter, und lächelte ihn dabei an. Seine Sätze und Nähe waren beruhigend, sollten die Anspannung nehmen. Vorsichtig führte er den stahlharten Zeigefinger seines Gegenübers auf den Button für den Posteingang.
„Warte, ich mach schon“, kam es fast schüchtern zurück. Behutsam öffnete er seinen Email-Account. Augenblicklich sprang ihnen das Emblem der großen Reederei ins Auge. „Unglaublich, dass die so schnell geantwortet haben. Das kann doch nur bedeuten, dass ich nicht in die engere Auswahl komme. Dachte ich mir fast schon.“ Resigniert drehte er sich zu Jophiel um.
„Jetzt lese doch erst einmal, was sie dir geschrieben haben.“
„Das glaube ich nicht!“, gab Fiete nach einem kurzen Blick auf den Text zurück. „Sie sind ganz begeistert von meinem Anschreiben. Vor allem sind sie überrascht von dem Symbol, welches auf jedem Blatt zu finden ist. Dein Symbol! Das glaube ich einfach nicht! Sie wollen mich sehen. Es wäre die schönste Bewerbung, die sie je gesehen haben. Sie wollen mich unbedingt sehen. Unglaublich! Das hast du wirklich super hinbekommen. Wie bringe ich das bloß meinem Vater bei? Hilfst du mir dabei?“
Wie auf Stichwort klopfte es an der Kajütentür, „Junge, bist du da? Ich wollte kurz etwas mit dir besprechen.“
„Versteck dich“, flüsterte Fiete zu dem Erzengel. „Er darf dich nicht sehen.“
„Keine Angst. Er kann mich nicht sehen. Ich bin nur für dich da. Alle anderen Menschen sehen mich nicht. Lass ihn nur herein. Das bekommen wir auch noch hin.“
Die Tür ging auf, und es kam das Ebenbild von Fiete herein. Natürlich nur älter. Die sonnenverbrannte Haut war faltig, und ein grauer struppiger Bart zierte sein Gesicht. Er zog die weiße Augenbraue hoch, „Du bist ja allein. Ich dachte, ich hätte Stimmen wahrgenommen. Du wirst doch in deinem Alter nicht schon tüttelig werden? Komm erst mal in mein Alter, dann gehört das zum guten Ton.“ Er hatte ein lautes pfiffiges Lachen. Richtig sympathisch.
„Nein Papa, komisch bin ich noch nicht. Vielleicht habe ich mal laut vor mich hin gebrummt oder gesungen. Kann schon sein. Aber was wolltest du von mir?“
„Ach, mein Junge. Langsam werde ich alt, und da mache ich mir schon Gedanken über die Zukunft. Ich werde bald das Schiff nicht mehr führen können. Irgendwie machen sich bei mir die Gicht, und noch einige andere Wehwehchen bemerkbar. Gesundheitlich steht es nicht mehr zum Besten. Und da dachte ich mal, ob du nicht bald das Schiff übernehmen willst? An der Zeit wäre es eigentlich schon vor einigen Jahren gewesen. Was meinst du? Ich weiß, du hast irgendwelche Flausen im Kopf. Von unserem Schiff hältst du nicht viel. Habe ich trotz meiner Kurzsichtigkeit gemerkt. Du wärst dann die dritte Generation. Also, geradeheraus, was denkst du?“
Fiete senkte den Kopf, konnte seinen Vater nicht ansehen. Es dauerte eine Weile, bis er seinen alten Herrn anschauen konnte, „Papa, das siehst du schon richtig. Ich bin auf unserem Kahn nicht mehr glücklich. Es ist doch immer das Gleiche. Container einladen, den nächsten Hafen ansteuern, Container ausladen. Und weiter. So geht es jahrein, jahraus. Irgendwie packe ich das nicht mehr. Ich weiß, du hättest es gern, dass ich weiter auf unserem Schiff als Kapitän tätig bin. Schließlich habe ich alle Prüfungen dafür mit Bravour bestanden. Trotzdem will ich etwas anderes machen.“
„Ist dir unser Pott nicht mehr gut genug? Ich habe schon länger bemerkt, dass du nicht mehr ganz bei der Sache bist.“
Jophiel hatte mit Interesse dem Gespräch zugehört. Aber das nahm langsam einen unguten Unterton an. Dafür war er nicht auf die Erde gekommen. Er beugte sich zu Fietes Vater vor, berührte dessen Herz und Stirn mit seinem flimmernden Zeigefinger. Augenblicklich verklärte sich dessen Blick. Er wurde umgehend ruhiger, stutzte. Was geschah gerade mit ihm? Er ahnte nicht, dass ein Erzengel ihn berührt hatte. Sein Gefühl für die Situation änderte sich schlagartig. Ihm wurde warm ums Herz. Er lächelte seinen Sohn an.
„Fiete, mein Sohn. Was wollte ich eigentlich bei dir? Irgendetwas besprechen. Nur was? Da siehst du, dass ich langsam wirklich alt werde. Aber ich weiß gar nicht, was mit mir ist. Rede ich schon dummen Zeugs? Du wolltest mir erzählen, was du für Pläne hast. Hat sich da was getan? Und was sind das für Pläne?“
„Stimmt Papa. Ich wollte mit dir besprechen, was ich in meinem Leben ändern möchte, und ob du damit einverstanden bist.“
„Jetzt mach es doch nicht so spannend. Das hört sich ja richtig aufregend an.“
„Das hast du sicher in der letzten Zeit mitbekommen, dass ich mit dem Schiff und immer dem gleichen Trott einfach nicht mehr zufrieden bin. Früher war ich mit Leib und Seele dabei. Aber irgendwie geht das nicht mehr.“
Sein Vater runzelte die Stirn, hörte aber weiterhin mit stoischer Ruhe zu.
Der Erzengel verfolgte das Geschehen aufmerksam und interessiert. Vielleicht konnte selbst er hieraus noch etwas lernen, wie die Menschen so tickten. Seinen Mitstreitern würde er Bericht erstatten, falls diese die Ereignisse vom Himmel aus nicht verfolgten. Diese sahen bestimmt zu ihm runter, denn sie waren ja in den nächsten Tagen dran, ihren Einsatz hier abzuleisten. Sie würden sich wundern, wie schwierig es doch auch für die Himmelsmacht war, hier Wunder zu vollbringen. Ja, auch Erzengel hatten ihre Grenzen.
Die Diskussion, oder besser gesagt, der Vortrag von Fiete war zwischenzeitlich weitergegangen. Dieser sprach so begeistert über seine Pläne. Sein Vater saß vor ihm, nickte des Öfteren mit dem Kopf.
„So, so, du willst also Kreuzfahrtkapitän werden? Hört sich gut an“, lachte er. „Du hast wohl genug von unserem Mief? Kann ich verstehen. Geht mir langsam auch so. Wird Zeit für mich aufs Altenteil zu gehen.“
Plötzlich ging eine Veränderung in ihm vor. Es war, als würde er aus einem Traum erwachen, schüttelte sich. Seine Wahrnehmung war durcheinandergebracht. „Junge, was erzählst du mir denn da die ganze Zeit? Traumschiff, weiße Strände, Palmen und Touristen? Was soll denn der ganze Blödsinn? Willst du in Urlaub fahren? Musst nur Bescheid sagen.“ Er erwachte vollends.
Jophiel erschrak, was sollte das denn? Er hatte ihm doch seine Hände aufgelegt. Und nun war er trotzdem bei vollem Bewusstsein. Das konnte doch nicht wahr sein. Augenblicklich beugte er sich vor, und legte ihm seine warmen himmlischen Finger erneut auf das Dritte Auge und die Region des Herzen. Diesmal jedoch länger. Es schien ihm so, als müsste er doch ein wenig üben mit seinen Gesten und Hilfestellungen. Jetzt müsste es eigentlich halten.
Fiete war ebenso erschrocken wie der Erzengel, presste seine Hände zusammen. Sein Gesichtsausdruck verriet Unsicherheit, schaute dabei Jophiel fragend an.
„Ist alles wieder in Ordnung. Diesmal sollte es funktionieren. Mein Handauflegen war wohl ein wenig zu kurz. Ich habe eben auch noch keine Übung damit“, lächelte er sein Gegenüber an. Ja, da sieht man es, auch Erzengel sind noch lernfähig, und ihnen ist auch nicht von Anfang an alles in die Flügel gelegt worden.
Langsam kam wieder etwas Farbe ins Gesicht des Seemanns. Er schnaufte durch, sah seinen Vater an. War er wieder bei sich, und verstand ihn? War er immer noch der Meinung, sein Sohn würde alles richtig machen, oder alles abblocken? Er wollte noch einmal einen Versuch unternehmen. Hoffentlich blieb das dann haften. Für seine Zukunft war ihm alles recht. Schließlich war es sein Leben, in dem er zufrieden sein wollte. Also legte er noch mal seine Pläne dar. Diesmal aber im Schnelldurchlauf.
Fietes Vater war zwar benommen, nahm aber alles auf, was gesagt wurde. Ihm kam nicht in den Sinn, dagegen etwas zu sagen, sondern nickte nur hin und wieder. Dass dies nicht alles gut für ihn war, störte ihn nicht. „Mein Junge, was du mir da erzählst, hört sich ja wunderbar an. Hast du schon Bewerbungen an die entsprechenden Reedereien geschrieben? Bis du einen Job bekommst, machen wir wie bisher weiter. Ich bin der festen Überzeugung, dass du bald abheuern kannst, hast schließlich deine Aus- und Weiterbildungen mit Bravour bestanden. Dann kann ich auch endlich den alten Kahn verkaufen, und mich aufs Altenteil zurückziehen. Ich finde bestimmt ein schönes Eiland, wo ich mich niederlassen kann. Finanziell sind wir ja durch den Verkauf abgesichert. Kannst immer fragen, wenn du mal klamm bist.“
„Papa, da bin ich erleichtert, dass du das so gefasst hinnimmst. Ich habe tatsächlich schon eine Bewerbung geschrieben. Sie haben mich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wollen mich scheinbar unbedingt anheuern.“
„Das geht ja schnell. Aber wie sagt man immer, nichts auf die lange Bank schieben. Und wo wollen sie dich sehen?“
„Da habe ich großes Glück. Schon im nächsten Hafen ist eine Außenstelle von ihnen. Sobald wir da sind, soll ich mich melden.“
„Dann kann ich dir nur noch viel Glück wünschen. Wenn wir anlegen, bekommst du von mir noch den Glücksbringer von meinem Vater. Wirst sehen, wirkt bei dir auch.“
„Danke Papa.“
Fiete drückte seinen Vater an sich, der vor Rührung heftig schlucken musste.
Alles gut. So funktionieren Wunder.
„So, mein lieber Fiete, ich glaube, das haben wir beide gut hinbekommen. Mehr kann ich für dich nicht tun. Der Rest ist deine Sache. Langsam wird es für Zeit, mich von dir zu verabschieden.“ Jophiel war zufrieden mit der Entwicklung des Gespräches, ebenso von seinen Fähigkeiten.
„Das kannst du doch nicht machen!“, jammerte Fiete. „Gerade jetzt, wo es in den Endspurt geht. Willst du mir so weit helfen, bis das Ergebnis steht? Ich fühle mich noch ein wenig unsicher.“
„Das musst du nicht. Ich habe alles für dich getan. Mit einer positiven Lebenseinstellung, und einem festen Ziel vor Augen, kann nichts mehr schief gehen. Du musst es nur wollen. Aber warte einen Augenblick, ich habe noch etwas Besonderes für dich.“
Fiete schaute ihn erstaunt an. Was konnte das wohl sein? Eine Überraschung? Das liebte er als Kind schon, wenn seine Eltern ihm etwas von ihren Reisen mitbrachten. Hatte der Erzengel ein himmlisches Andenken aus den Wolken mitgebracht? Das wäre schön. Er seufzte.
Jophiel zog aus seiner nicht sichtbaren Westentasche zwischen den Federn einen kleinen glänzenden Gegenstand hervor. Dieser blinkte und glitzerte so stark, dass man auf Anhieb nicht erkennen konnte, um was es sich handelte. Zuerst kam ein prächtiges Lederband zum Vorschein. An diesem glitzerte es noch hundertfach stärker. Ein Anhänger in Form einer filigranen Feder wurde sichtbar.
Die Augen des Seemanns wurden immer größer. Er konnte es kaum glauben, was er sah. Diese Leuchtkraft strahlte so stark, dass sein Sehvermögen darunter zu leiden schien. „Was ist das denn? So was Strahlendes habe ich ja noch nie gesehen. Ist das ein Himmelskörper? Ein Stern?“ Er war fassungslos.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Dies ist ein Anker zwischen uns beiden. Bei diesem kleinen Kunstwerk handelt es sich um eine Feder, die meinem Federkleid nachempfunden ist. Sie besteht aus einem Stein. Dieser Stein heißt Goldtopas, wurde speziell nochmal veredelt und von mir bearbeitet.“
„Das habe ich ja noch nie gehört oder gesehen.“
„Das glaube ich dir. Nimm dieses Band mit dem himmlischen Anhänger und binde ihn dir um. Verliere ihn nie, oder verschenke diesen nicht. Das ist die Verbindung zwischen dir und mir. Wenn du ihn in deiner Hand hältst, dabei fest an mich denkst, und meine Hilfe benötigst, komme ich gedanklich zu dir. Aber verwende ihn niemals sinnlos. Dann entschwindet die Himmelskraft.“
„So ein wertvolles Geschenk hast du für mich? Das kann ich doch gar nicht annehmen“, erklang Fietes Stimme. Er war gerührt, sprachlos. Das hieß schon etwas bei ihm.
„Du musst dich bei mir nicht bedanken. Das ist mein Abschiedsgeschenk für dich. Halte dich nur an das, was ich dir beigebracht und gesagt habe. Gehe deinen Weg. Die Hindernisse haben wir zusammen aus dem Weg geräumt. Ich kann dir für deinen weiteren Lebensweg nur alles Glück wünschen. Viel Spaß und Vergnügen als Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes. Dein Leben, und das deines Vaters, werden noch viele glückliche Stunden aufweisen. Glaube einfach fest an dein Ziel und deinen Erfolg, dann kann dich auch nichts mehr erschüttern. Ich muss jetzt fort. Mein himmlischer Piepser hat mir ein neues Ziel genannt. Dieser Erdenmensch braucht ebenso meine Hilfe. Und wie sagt ihr Seeleute, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Komm her mein Junge, lass dich noch einmal umarmen.“ Dabei streckte er ihm seine Flügel so hin, dass Fiete darin versank, und schon war er verschwunden.
Fiete weinte – vor Trauer, oder vor Glück? Das würde die Zukunft weisen.