Einfach Blitzsauber - Christoph Glauser - E-Book

Einfach Blitzsauber E-Book

Christoph Glauser

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Beschreibung

Der Staubsauger feiert seinen hundertsten Geburtstag. Zwischen den ersten monströsen Modellen und den kleinen Powerprodukten von heute liegt eine lange Entwicklungsgeschichte, die der Autor detailreich nachzeichnet. Und so fing es an: Die ersten mobilen Staubsauger waren riesig. Von Pferdefuhrwerken gezogen und mit Benzinmotoren betrieben, legte Booth's Putzservice* den Schlauch für eine vollständige Hausreinigung von der Strasse durch das offene Fenster in die Wohnung. Wem das zu teuer war, der brachte Omas Sessel auf die Strasse, wo er gegen ein geringes Entgelt vom Jahrhundertstaub befreit wurde. Dieses Putzspektakel verursachte grosse Volksaufläufe in London. Bald folgten stationäre Entstaubungssysteme. Installiert in Häusern der gehobenen Gesellschaft, in Hotels, Theatern und im Buckingham Palace, entstaubten sie Plüsch und Polster mit der zentralen Sauganlage im Keller. Das Aufkommen des Staubsaugers führte zu Unruhen unter den Dienstboten, die um ihren Arbeitsplatz fürchteten. Wegen des Gewichts der Apparate war Staubsaugen ursprünglich reine Männersache. Mit der Elektrifizierung der Privathaushalte und der Entwicklung kleiner Elektromotoren für die Massenproduktion kamen die Geräte in Frauenhand. Die Hausfrauen schätzten sich glücklich, ein solches Statussymbol zu besitzen. In Inseraten wurde ihnen zudem eingeredet, Staubsaugen eliminiere tödliche Krankheitserreger in Teppichen. Während beider Weltkriege kamen Staubsauger zum Kriegseinsatz: Im zweiten Weltkrieg wurden spezielle Staubsauger hergestellt, die hochexplosives T.N.T. wegsaugen oder Panzerfahrern den Nacken kühlen sollten. Staubsaugerfirmen spielten bei der Minenherstellung und bei der Fabrikation des englischen Radarsystems eine wichtige Rolle. Christoph Glauser hat sich mit einem fast vergessenen Teil der Technikgeschichte beschäftigt und die Emanzipation von einem skurrilen Reinigungsgerät im 19. Jahrhundert zu einem nicht weg zu denkenden Bestandteil unserer Zivilisation verfolgt.

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Christoph Glauser

Einfach blitzsauber Die Geschichte des Staubsaugers

orell Füssli

Ich widme dieses Buch meinen Töchtern Jana Glauser und Lena Reis.

© 2001 Orell Füssli Verlag AG, Zürich

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: cosmic Werbeagentur Bern AG

Das Titelbild zeigt: «Baby Daisy», eine Blasebalgpumpe ohne Strom (die Abbildung stammt aus dem Archiv des Autors), sowie die neuste Entwicklung, den Independent Cleaner «Trilobite» von Electrolux (mit freundlicher Genehmigung der Firma Electrolux).

E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH

ISBN 978-3-280-09005-3

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Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Glauser, Christoph:

Einfach blitzsauber : die Geschichte des Staubsaugers / Christoph Glauser. –

Zürich : Orell Füssli, 2001

ISBN 978-3-280-09005-3

Das erste Werbeplakat für Staubsauger der Welt. Im Science Museum in London heißt es dazu: «In 1906 the British Vacuum Cleaner Company commissioned John Hassall RI, the famous artist and cartoonist to make an advertising poster.» Der Aushang dieses Plakates führte in London zu Unruhen unter den Dienst boten, die um ihren Berufsstand fürchteten; so musste derselbe Künstler drei Jahre später ein neues Plakat anfertigen, welches die Versöhnung zwischen einem Dienstmädchen und dem Staubsauger darstellte. Interessantes Detail: Der Schlauch des Staubsaugers auf dem Bild kommt zum Fenster herein – die er wähnte Firma bot einen Putzservice an, dessen benzingetriebene Maschinen (mit zwei vorgespannten Pferden) von der Straße aus operierten, wobei die Schläuche jeweils durch das offene Fenster ins Haus gelegt wurden.

Vorwort

VIELE HISTORIKER und Historikerinnen tun sich bisweilen schwer mit ­ih­rem «verstaubten» Image in der Öffentlichkeit – ich möchte mich selbst nicht ausschließen. Dennoch soll mit der vorliegenden Arbeit zur Geschichte des Staubsaugers gleichzeitig der Versuch unternommen werden, dieses Bild etwas zu «entstauben». Erste Staub saugende Maschinen in Deutschland wurden zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts immerhin «Entstaubungspumpen» genannt. Ich muss zugeben, dass sich auf einigen Dokumenten zum Thema Staubsauger in mehreren Jahrzehnten auch einiger Staub abgelagert hatte (zum Teil sind die Akten selber schon fast zu Staub zerfallen), weil sie in den letzten achtzig bis neunzig Jahren nicht mehr benutzt worden waren.

Allerdings verbirgt sich hinter all dem staubigen Schleier eine äußerst spannende Geschichte des Alltags, die uns alle betrifft, und eine solche fast greifbare und in vielen Belangen auch begreifbare Geschichte wollte ich zu neuem Leben erwecken.

Als ich 1985 das Studium der Geschichte an der Universität Bern begann, interessierte ich mich besonders für Erfindungen. Ich hatte damals bereits selbst einige Erfinderpatente verfasst und angemeldet. Als ich mich im Kreis der Kommilitonen vorstellen musste und meine Erfin­dertätigkeit erwähnte, erwiderte die Professorin, dass ich wohl das fal­sche Studium gewählt hätte, denn in der Geschichte gäbe es nichts mehr zu erfinden, da sei alles bereits erfunden. Obwohl sie mit ihrer Feststellung sicher Recht hatte (ich habe die Geschichte des Staubsaugers auch nicht erfunden, sondern lediglich aufgearbeitet und erforscht), half mir mein «Erfindergeist» zumindest, viele scheinbar ausweglose Situationen, Theo­rie- und Methodenprobleme zu überwinden.

Ich bin nicht durch den Gebrauch des Staubsaugers auf die Idee zu dieser Arbeit gekommen, sondern dank eines Hinweises von Professor Franz Bächtiger. Anlässlich eines ikonografischen Seminars empfahl er mir das Buch von Sigfried Giedion: «Die Herrschaft der Mechanisierung», in dem ein paar Seiten zum Thema Staubsauger zu finden sind.

Giedion war gelernter Bauingenieur und später erfolgreich als Kunst- und Architekturhistoriker tätig gewesen. Der Philosoph Ernst Bloch (damals noch auf orthodox-marxistischer Linie) sprach über Giedions ­Arbeiten kritisch und widerwillig anerkennend von einer auf einem «technoid fortgeschrittenen Können» begründeten «sozialdemokratischen ‹Mo­dernität› à la Giedion». Giedions Einschätzungen in diesem Epoche machenden Werk[1] und der Giedion-Nachlass an der ETH Zürich bildeten eine gute Grundlage, und mit zahlreichen Reisen nach England und Deutschland begann ich Ende 1988 mit der Forschung, bei der ich mich auf Zeitschriften und Firmenarchive vor allem in England und Deutschland stützte. Als Hilfsmittel wurde auch die digitale Technik eingesetzt: Inserate und Werbebroschüren wurden gescannt und im Zeit­raum zwischen 1920 und 1960 nach Kernbegriffen rund um den Staubsauger durchsucht. Der größeren Übersichtlichkeit willen wurden nur wenige der daraus resultierenden Grafiken und Statistiken in dieses Buch übernommen.

All das führte unter anderem 1994 zu meiner Dissertation an der Universität Bern. Um eine verbesserte Lesbarkeit zu erzielen, wurde sie für dieses Buch noch einmal vollständig überarbeitet. Dabei wurde auf eine Vielzahl von Anmerkungen (aber nicht auf alle!), auf die Beschreibungen der jeweiligen Untersuchungsmethoden und Interpretationen sowie auf die Darstellung des immensen Quellenmaterials weitgehend verzichtet.

Pionierarbeit im Umfang, wie sie für die Arbeit nötig war, kann eine Person allein ohne fremde Hilfe nicht bewältigen. Das Korrekturlesen und damit die meisten lesbaren Sätze verdanke ich meinem Vater Max Glauser und Gertrud Meier (die trotz ihres Umzuges nach Hamburg immer wieder Zeit für die Korrektur fand). Schließlich gilt mein besonderer Dank dem Informatiker Ueli Schrag, der mir über jede technische Panne hinweghalf, meine Computeranlagen stets auf dem neuesten Stand der Technik hielt und immer gute Ideen in Bezug auf die Inhaltsanalyse hatte.

Weiterhin möchte ich dem Mann danken, der sechzig Jahre seines Lebens zuerst bei «British Vacuum Cleaners» und später bei der Firma «Goblin» dem Staubsauger gewidmet hat, Bill Sutton. Zuletzt bedanke ich mich bei Mrs. Lena Whitear, Johannes Kraner und Marianne De Loës für das großzügige Gastrecht in London, Berlin und Stockholm. Finanzielle Unterstützung erhielt ich von der Kommission für Feldforschungsbeiträge der Universität Bern. Einen Beitrag zur Überarbeitung des vorliegenden Buches erhielt ich vom Gerold-und-Niklaus-Schnitter-Fonds der ETH Zürich, bei welchem ich mich an dieser Stelle ganz besonders bedanken möchte.

Abschließend sei daran erinnert, dass mir auf meinen zahlreichen Reisen durch Europa unzählige «dienstbare Geister» in Bibliotheken, Archiven und auf Ämtern geholfen haben.

Bern, im August 2001

Christoph Glauser

Zu diesem dänischen Inserat aus dem Jahre 1926 heisst es: «Evolutionslehre (Eine Phantasie) Das eigenartige prähistorische Tier, Electrosaurus Lux, genannt ‹Staubschlucker›, ist durch Entwicklung zum besten Freund der Hausfrau geworden.»

Einleitung

DIE EVOLUTION des Staubsaugers soll in diesem Buch nicht bis zu den Dinosauriern zurückverfolgt werden, sondern sich ausschließlich auf das späte neunzehnte und das zwanzigste Jahrhundert beschränken. Dies, obschon bereits Gutenberg auf die eigentliche Idee des Staubsaugens gekommen sein soll, indem er angeblich mit einem Blasebalg aus Leder die Metallspäne von seinen gegossenen und gesetzten Lettern absaugte.

Was ist denn eigentlich ein Staubsauger? Ein moderner Staubsauger entwickelt eine Saugwirkung bzw. ein Vakuum am Ende eines Gehäuses mit Hilfe eines Propellers, der im Sinne eines Gebläses die Luft aus dem Staubsauger hinausbefördert. Bei den frühen Modellen wurde der gleiche Effekt mit Kolbenpumpen erzielt. Weil die Luft wieder in den Unterdruckraum nachströmt, entsteht eine Luftströmung, die alle Staubpartikel vom Teppich, Boden oder von wo auch immer mitreißt. Der Propeller wird gewöhnlich durch einen kleinen hochtourigen elektrischen Universalmotor angetrieben und hat zahlreiche angewinkelte Lamellen. Durch seine Rotation wird ein Luftstrom in axialer Richtung erzeugt.

Die Wirkungsweise des Gebläses besteht darin, dass ein Flügelrad die Luftteilchen unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft durch das Gebläsesystem beschleunigt. Zwischen Vorder- und Rückseite des Flügelrades entsteht eine Konzentrations- und damit eine Druckdifferenz, welche die Luftströmung verursacht. Man spricht vom so genannten Vakuumprinzip. Der Luftstrom wird danach durch einen Filter geleitet, in welchem der Staub zurückgehalten und gesammelt wird, möglichst ohne dabei den Luftstrom zu unterbrechen oder zu behindern. Die meisten Staubsauger enthalten deshalb sackähnliche Filter, durch welche die Luft von innen her nach draußen hindurchgelenkt wird, während sich der Staub im Innern des Sacks ansammelt, weshalb dieser dann auch von Zeit zu Zeit geleert werden muss. Die Mundstücke müssen den Luftstrom derart regulieren, dass Luftstrom und Saugwirkung in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen. Die meisten Staubsauger werden zu Reinigungszwecken in privaten Haushalten verwendet und heute mehrheitlich von Frauen bedient.

Der Staubsauger ist zur Banalität geworden, er ist so alltäglich, dass er von uns nicht mehr als ein Gerät wahrgenommen wird, welches unsere Umwelt, unsere Handlungen prägt, als ein Gerät, welches seine eigene Geschichte hat.

Auch die Geschichte des Staubsaugers ist zum Teil nur noch fragmentarisch überliefert und (noch) nicht als «historische Explosion» in die Geschichtsbücher eingegangen. Der Apparat hat sich gleichwohl «explosionsartig» in die privaten Haushaltungen des zwanzigsten Jahrhunderts verbreitet. Dazu bemerkt Sigfried Giedion: «Die langsame Ausformung des täglichen Lebens ist ebenso wichtig wie die geschichtlichen Explosionen, denn ihr Zündstoff hat sich im anonymen Leben aufgespeichert. Werkzeuge und Gegenstände sind Ausdruck grundsätzlicher Einstellungen zur Welt. Diese Einstellungen bestimmen die Richtung, in der gedacht und gehandelt wird. Jedem Problem, jedem Bild, jeder Erfindung liegt eine bestimmte Einstellung zur Welt zugrunde, ohne die sie niemals entstanden wären. Der Handelnde folgt äußeren Antrieben – Gelderwerb, Ruhm, Macht –, dahinter jedoch steht unbewusst die Einstellung seiner Zeit, sich gerade diesem Problem und dieser Form zuzuwenden.»

Konkreter: So wie sich die moderne Industriegesellschaft in der Frühzeit ihrer Entwicklung die Welt mit dem Bau von Eisenbahnlinien, Eisenbrücken, Motorschiffen und Kanälen neu schafft und neu ordnet, so soll auch der Mikrokosmos des Alltagslebens geordnet und «gesäubert» werden. Wenn die mittelalterlichen Reste der Armutssiedlungen in den Großstädten nicht durch schreckliche Feuersbrünste vernichtet werden, dann werden sie einfach abgerissen. Ganze Stadtteile werden mit Kanalisation und mit neuen Gebäuden versorgt. Innerhalb von nur 50 bis 60 Jahren verändern die europäischen Weltstädte ihr Bild. Nicht zuletzt das Militär erkennt an seinen rachitischen Wehrpflichtigen, dass eine durch Krankheiten geschwächte Bevölkerung die staatstragenden Aufgaben nicht wahrnehmen kann.

Insofern zeigt eine tiefere innere Logik, wie die epochalen Umwälzungsprozesse auch im Alltagsleben ihre Auswirkungen hatten. Von der Reinigung der Straße bis zur Reinigung der Wohnung ist es im wahrsten Sinne des Wortes nur ein kurzer Weg.

Unter den Begriff Vorboten des heute gebräuchlichen Staubsaugers fallen sehr heterogene Maschinen und Geräte. Welche Werkzeuge/Maschinen bildeten gewissermaßen den Ideenvorrat für den später erfundenen oder entwickelten Staubsauger? Könnte man es als Erfindung des Staubsaugerprinzips bezeichnen, wenn jemand mit einem gewöhnlichen Blasebalg Staub wegsaugt? Und welche Rolle spielte die Luft als wichtigstes Element bei der Erfindung?

Der sicherste, weil systematisch erfassbare Weg durch die wirre technische Geschichte der Mechanisierung des Reinigens führt über die Erfor­schung der Patente.

Die Aktenlage zeigt, dass sich Patentämter und Gerichte sehr viel häufiger mit dem Staubsauger befasst haben als beispielsweise Forscherinnen und Forscher. Die Fragen, welche Erfinder in welchen Quellen welche Patente bezeichnen, um ihre eigene Invention zu stützen, verteidigen oder zu rechtfertigen, welche Richter welche Patente für die Urteilsbegründung in den Anhang ihrer Akten aufnehmen und in welchen Firmenarchiven welche Patente zu finden sind, ist mindestens ebenso interessant wie die Frage: «Welche Patente werden von den jeweiligen erwähnten Personen oder Institutionen gerade nicht erwähnt?»

Wo viele Patente sind, gab es Streit um die Frage: «Wer war der Erste?» Sie führte über verschiedene Fährten aus den Firmenarchiven hi­naus an die Gerichtshöfe und von dort zu der jeweils nächsthöheren Instanz, bis schließlich vor dem House of Lords in England definitiv ent­schieden wurde, wer als Erfinder des Staubsaugers zu gelten hat.

Wenn die Erfindung des Staubsaugers als «die erste kommerziell einsetzbare Form einer durch einen Motor angetriebenen Pumpmaschine, welche ein Vakuum zum Zweck der Reinigung von Haushaltsgegenständen erzeugt» definiert würde, so kommen nur noch zwei Personen in Frage: der Brite Hubert Cecil Booth und der Amerikaner David Thomas Kenney. Beide erfüllten fast zur gleichen Zeit unabhängig voneinander auf technisch unterschiedliche Art die Bedingungen der oben erwähnten Definition. Booth hatte bereits die erste patentierte Maschine auf Rädern gezeichnet, während Kenney von einer fest installierten Anlage ausging. Auch der Antrieb der beiden Maschinen ist dementsprechend unter­schied­lich: Bei Booth war es ein Benzinmotor und bei Kenney eine Dampfmaschine.

Diese britisch-amerikanische Erfinderfreude hat verschiedene nationalistische Blüten getrieben und die Forschung in beiden Ländern dazu animiert, Nachweise dafür zu liefern, dass die Erfindung Resultat des Innovationsgeistes der alten respektive der neuen Welt sei.

Aber darum soll es hier nicht gehen, denn eigentlich interessiert ja etwas anderes: Wie ist es möglich, dass sich ein Haushaltgerät wie der Staubsauger innerhalb weniger Jahrzehnte in den industrialisierten Ländern zu nahezu hundert Prozent verbreiten konnte? Obwohl wenig «harte» Daten zu seiner Verbreitung vorliegen, gibt es zahlreiche qualitative Informationen zu den besonderen Voraussetzungen, Umständen und Trägern dieser Verbreitung.

Welchen Einfluss haben die technischen Entwicklungen, die ökonomischen Faktoren und die verbreitungsspezifischen Vorgänge auf das soziale System, auf den Menschen? Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse und Theorien in Bezug auf den Haushalt können am Beispiel des Staubsaugers gestützt werden, welche nicht? Weshalb blieb die «Entstau­bungspumpe»[2] nicht Männersache, oder wie kam es, dass der Staubsauger den Frauen in die Hand gelegt wurde? Welche Rolle spielten die Kinder? In welchem sozialen Zusammenhang spielte sich die technische Entwicklung ab? Das sind Fragen, die im sozialgeschichtlichen Teil aufgegriffen werden. Zum Schluss bleibt auch die Geschichte des Staubsaugers immer fragmentarisch, um die einleitenden Gedanken von Giedion wieder aufzunehmen. Trotzdem ermöglicht die Inhaltsanalyse der Anzeigen in der Kombination mit qualitativen Studien, die «historische Nacht» zumindest schlaglichtartig etwas zu erhellen, so dass bisweilen sogar eine historische Morgenröte am Himmel aufzieht.

Die Geschichte des Staubsaugers ohne zugehörige Firmengeschichte zu verfassen, wäre dasselbe, wie einen Staubsauger ohne Vakuum zu bauen. Andererseits würde es den Rahmen dieses Buches bei weitem sprengen, wenn jede Firma bis ins Detail besprochen werden sollte. Deshalb be­schränken sich die Firmengeschichten ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf wichtigste historische Persönlichkeiten und national ­festlegbare Entwicklungsschritte. Die Gewichtung ist aufgrund der Häufigkeit des Firmennamens in den analysierten Inseraten und in Ab­hän­gig­keit von der Verfügbarkeit firmenspezifischer Unterlagen vorgenommen worden. Die alphabetische Reihenfolge ist bewusst gewählt. Firmen, welche die Forschungsarbeiten durch großzügige Öffnung ihrer Archive oder gar durch aktive Mithilfe und Gewährung der Kopierrechte gefördert haben, werden gegebenenfalls häufiger genannt.

Eine besonders wirkungsvolle Methode, die natürliche kindliche Motorik in den Dienst der Haushaltsreinigung zu stellen. Patent Nº. 23462 vom 14. August 1906, aus dem königlichen Patent- und Registrierbüro Stockholm. Die Baupläne können beim Autor eingesehen werden.

1. Die Geschichte der Staubsaugertechnik

WAR DER ERSTE STAUBSAUGER ein eigentlicher Hurrikan oder vielleicht sogar ein Zyklon? Solche Fragen drängen sich bei der Suche nach den Vorboten und vor allem nach den Vorbedingungen für das Entstehen des Staubsaugers deshalb auf, weil Luft, respektive Wind, die entscheidende Voraussetzung für den Betrieb dieses Gerätes ist und weil die Erfahrung der Gewalt jenes Elementes den Menschen (theoretisch jedenfalls) auf den Gedanken gebracht haben könnte, sich diese Gewalt oder Kraft zunutze zu machen.

Und tatsächlich hat der britische Designer James Dysan, allerdings erst 1975, einen Staubsauger entworfen, welcher das System des Zyklons ausnützt, um die aufgesaugten Staubteilchen im Innern des Gerätes bei Wind­geschwindigkeiten von 300km/h mit Hilfe der Zentrifugalkraft aus­zu­schei­den. Dysans Erfindung hat den bestechenden Vorteil, dass alle, auch die kleinsten Staubteilchen, im Innern des Behälters zurückbleiben und nicht durch einen Filter wieder ins Zimmer zurückfliegen können. Seine Erfindung wird übrigens tatsächlich unter dem Namen «Cyclon» be­kannt.

Auch unsere Wälder können ohne weiteres als «Großentstaubungsanlagen» der Natur bezeichnet werden. Oder muss gar der Mensch selbst als Staubsauger betrachtet werden; seine Lunge dann entsprechend als Staubsack oder Filter?

Luft spielt auch bei der Verbreitung des Staubsaugers eine wichtige Rolle. Ein besonders fantasievolles Beispiel ist eine Anzeige aus der «Illustration» vom 6. Dezember 1924: Eine Electrolux-Fee fliegt auf einem Staubsauger als eine Art moderne Hexe durch die Lüfte und durch das Weltall und wirft aus einer Korbtrage auf ihrem Rücken viele Staubsauger auf die Erde hinunter, wo eine Menschenmenge ihrem Geschenk entgegenjubelt. Dieses Motiv wurde in zahlreichen Electrolux-Inseraten immer wieder eingesetzt.

Im wahrscheinlich ersten Staubsauger-Prospekt der Welt von British Vacuum Cleaner Co. Ltd., vermutlich aus dem Jahr 1904, mit dem Titel: «House Cleaning by Vacuum», steht zum Thema Luft: «Die Reinigung erfolgt durch Luft – es werden keine Chemikalien und keine Waschmittel benötigt. Ein hoher Unterdruck (vacuum) wird durch eine Luftpumpe erzeugt, die sich in einem tragbaren Behältnis befindet. Die so erzeugte Absaugung von Luft wird durch einen flexiblen Gummischlauch auf Teppich oder Möbel übertragen, mit dem Ergebnis, dass der auf oder unter dem Teppich angesammelte Staub durch den Unterdruck entfernt, indem mit dem Reinigungsgerät über den Boden gefahren wird. Mit Hilfe eines Filters wird der Staub im Behältnis gesammelt und aufgehoben.»

Oder sollte man eine Geschichte des Staubsaugers doch mit dem allerersten Werkzeug zum Zweck der Reinigung des Fußbodens im Haus, mit dem Besen, beginnen? Aber Besen sind inzwischen derart alltäglich geworden, dass sie historisch wenig dokumentiert sind, aber sie waren zweifellos bereits den alten Griechen, den Römern und den alten Ägyptern bekannt. Die Besenherstellung von Hand hatte sich während Jahrhunderten bis 1870 nicht geändert.

Aber wenn nicht Besen, dann Blasebalg? Wie im Vorwort erwähnt, soll bereits Johannes Gutenberg (ca. 1397–1468) im fünfzehnten Jahrhundert einen gewöhnlichen Blasebalg, der zum Entfachen des Feuers eingesetzt worden wurde, benutzt haben, um Metallspäne und den Staub von seinen Drucklettern wegzusaugen. Der Erfinder der Buchdruckerkunst wird in einem Artikel in der Zeitschrift «Inköparen» (Der Einkäufer) gleichzeitig als Erfinder des Staubsaugers dargestellt. Ob das stimmt? Wer weiß – trotzdem ist die Idee faszinierend, die Erfindung des Staubsaugers mit der Erfindung des Buchdrucks in Verbindung zu bringen. Zudem erhielte die Geschichte des Staubsaugers durch Gutenberg eine fast literarische Note.

Aus technischer Sicht spricht gegen die Gutenberg-These, insbesondere wenn man die zahlreichen Blasebalgstaubsaugermodelle des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts betrachtet, dass nur eine be­schränk­te Saugwirkung oder ein geringes Vakuum mit dieser Anwendungsweise hätte erzeugt werden können. Der Buchdruck wurde dann allerdings seinerseits ein Gewerbe, in dem der Staubsauger systematisch eingesetzt wurde: Um 1908 ist in einer Siemens-Werbeunterlage das «Reinigen der Setzkästen in einer Druckerei» abgebildet, um 1923 führte auch die Firma AEG zum Vampyr-Staubsaugermodell eine spezielle Buchdruckerdüse für Setzkästen ein, und in den Dreißigern treffen wir die Buchdruckdüse auch bei den Vorwerk-Staubsaugern an.

Betrachtet man den Staubsauger nur von seiner äußeren Gestaltung, von seiner Form oder vom Design her, muss hier das Patent McGaffey von 1869 als Vorbote des heutigen Staubsaugers unbedingt aufgeführt werden. Von diesem, durch eine Kurbel mit der Hand angetriebenen «Werk­zeug» ist nicht bekannt, dass es je umgesetzt oder gar produziert oder verkauft worden wäre. Dennoch sieht die gezeichnete Figur in der Pa­tent­schrift dem modernen Staubsauger verblüffend ähnlich.

Aber Dinosaurier, Hurrikan, Zyklon, Luft, Gutenberg oder Formgebung sind im Zusammenhang mit der Geschichte des Staubsaugers nicht von entscheidender Bedeutung – oder höchstens dahingehend, dass sie uns einen weiten Blickwinkel offen lassen für die zahlreichen Ideen, die einer Erfindung vorausgehen können.

Oder muss man andererseits davon ausgehen, dass Menschen «tool using animals» sind und sich nach anthropologischen Ansichten von anderen Spezies lediglich darin unterscheiden, dass sie Werkzeuge, Hilfsmittel gebrauchen und perfektionieren können? Diese These hatte ja bereits der amerikanische Computerwissenschafler Joseph Weizenbaum auf­geworfen. Da würde jedenfalls der Staubsauger auch gut hineinpassen, denn seine Geschichte zeigt, dass er laufend perfektioniert wurde. Giedion weist in seinen Ausführungen zu den «Vorstufen des Staubsaugers» auf die verschiedenen Experimente hin, die Mitte des 19. Jahrhunderts mit Luft durchgeführt worden sind: «Es ist die Zeit, die viele oft fantastische Projekte aufbrachte, wenn es galt, mit Gasen, Luftdruck oder Vakuum zu arbeiten, vom Einspritzen von Kohlensäure in den Teig bis zum Luftstrom, der im Bessemer-Verfahren in das flüssige Eisen getrieben wird, und wiederum für die ersten Apparate, die mit einem saugenden Luftstrom arbeiteten, um Teppiche zu reinigen.»

Es stellt sich zumindest die Frage nach den handfesteren technischen Vorformen dieses Gerätes zur Staubentfernung. Das wichtigste Werkzeug vor der Mechanisierung des Reinigens war mit Sicherheit der gewöhnliche Besen, und an diesem wurden ab Mitte des vorletzten Jahrhunderts zahlreiche Verbesserungen vorgenommen. Der Versuch, Reinigungsarbeit mit dem Besen zu mechanisieren oder gar zu automatisieren, musste sich zuerst in einem öffentlichen Bereich abspielen. Denn bei einem Aneinanderreihen von Besen entsteht unweigerlich eine relativ große Maschine, die ihrerseits nur durch öffentliche Gelder finanziert werden konnte, weil wiederum nur die öffentliche Hand Reinigungsarbeiten in derart großem Umfang auszuführen hatte.

Erst musste sich also die Mechanisierung des Reinigens außerhalb des Hauses bewähren, bevor eine geeignete Methode und Größe der Maschine für den Haushalt erfunden wurde.

Hinsichtlich des technischen «Vor-Objektes» besteht weitgehend Ei­nig­­keit: Die «Urform» des Staubsaugers war die Straßenkehrmaschine, die Straßenreinigungsmaschine oder allgemein die Mechanisierung des Reinigens von öffentlichen Straßen und Plätzen.

Die Straßenkehrmaschine

Bei der Forschung nach Straßenkehrmaschinen geht wiederum Sigfried Giedion am weitesten zurück: bis zu zwei britischen Patenten aus dem siebzehnten Jahrhundert; die zweitältesten Hinweise enthält die Chronik der Firma Hoover: «Zurück bis nach 1699, als ein Engländer ein Patent für ein mechanisches Straßenreinigungsgerät anmeldete.»[3] Und die dritte Quelle besagt, dass bereits 1825 Patente für Straßenputzmaschinen an­ge­mel­det worden seien, welche ähnlich den «Paddels» der Wasserräder Besen an einem Rad montiert hatten. Giedion erwähnt zusätzlich noch vier Patente aus den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Diese Vorläufer seien noch äußerst primitiv gewesen, schreibt er[4] und beginnt sei­ne Ausführungen mit einem englischen Patent, welches er ins Zentrum der Mechanisierung des Reinigungsprozesses rückt: Joseph Whitworth’s Patent vom 2. August 1842, No. 9433;[5] mit dem Titel: «Apparatus for clea­ning streets».

Entscheidende Neuheit dieser Maschine war das Aneinanderreihen von Besen, die an Kettengliedern befestigt sind und von den Rädern an­getrieben werden. Durch die Rotation dieser Besenkette entstand eine Art «Endlosbesen», der auf die Weiterentwicklung des mechanisierten Rei­nigens einen entscheidenden Einfluss hatte. Der (hinsichtlich Staubsauger) interessante Aspekt zeigt sich dadurch, dass die Idee der rotierenden Bürs­ten sich bis heute in verschiedenen Teppichreinigern und Staubsau­gern wiederfindet, insbesondere in den (gerade dafür) berühmt ge­wor­de­nen Hoover-Staubsaugern.

Der Whitworth’sche Straßenreiniger ist übrigens im Science Museum in London im Maßstab 1 : 8 im Schaukasten zusammen mit alten Staubsaugermodellen zu sehen. Dazu steht auf einer Tafel zu lesen: «Famous Eng­lish tool maker and engineer Sir Joseph Whitworth patented this machine in 1840 and improved in his patent of 1842. (…) A ratchet allowed the cart to be moved backwards without moving the belt. Many of these machines were made and used but as they had to compete with pauper labour they could not show any considerable economy. However the mechanical principal of the rotating brush remains in all carpet sweepers since.» Dieses Modell sei von Whitworth selbst konstruiert und von ihm 1857 (dem Jahr der Eröffnung desselben) dem Science Museum vermacht worden.

Mit Whitworth fängt also die ganze Geschichte an. Seine Maschine wurde übrigens 1843 in den USA eingeführt. Allerdings war sie von vornherein nicht für Reinigungsarbeiten im Haus gedacht – sie wäre dafür auch viel zu groß gewesen.

Modell der Straßenkehrmaschine, die 1840 von Joseph Whitworth aus Manchester patentiert wurde und durch ihre aneinander gereihten Besen als das klassische Beispiel einer Mechanisierung des Reinigens gilt.

Vorerst wurde aber erst einmal das Straßenkehrprinzip verbessert – und das hielt durch, auch noch zu einer Zeit, als es bereits Stra­ßen­kehr­maschinen hätte geben können. So beschreibt M. S. Cooley 1913 einen Straßenreiniger als vierrädriges Gefährt mit Pferdeantrieb. Dabei bemerkt er zu den Mechanisierungsversuchen von Handarbeit, sie stellten immer eine Imitation der Werkzeuge dar, welche vorher durch den Menschen benutzt worden seien. Die ersten mechanischen Propellermaschinen seien deshalb mechanische «Geh-Maschinen» gewesen, die ersten Dampfschiffe mechanische Ruderboote und die ersten Flugzeuge mechanische Vögel. In unserem Fall sind also gewöhnliche Besen zu einer «Besenmaschine» zusammengebaut worden.

Aber die Straßenreiniger hätten zu viel Staub aufgewirbelt, um effizient zu arbeiten. Um dem Problem mit dem Staub beizukommen, wurden in den USA und in Frankreich Maschinen entwickelt (die in ihrem Äußeren aussahen wie gewöhnliche «break»-Pferdewagen), welche die Straße vorweg kurz mit Wasser besprühten, damit der Staub gebunden und durch die rotierenden Besen danach, ohne aufgewirbelt zu werden, weggeputzt wurde.

Die Entwicklung des Straßenreinigers hat also quasi vor den Augen der Öffentlichkeit stattgefunden, da er ja auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen eingesetzt wurde. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Idee der rotierenden Bürsten sich auf diese Art und Weise zuerst bewähren und dann auch rasch verbreiten konnte; ein Indiz dafür ist die rasche Verbreitung von Whitworth’s Maschine in den Vereinigten Staaten, dies bereits ein Jahr nach der ersten Hinterlegung des zweiten Patentes 1842 in England.

Zum anderen ist die Straßenreinigung damals wie heute ausschließ­liche Männerarbeit mit einem technisch-industriellen Charakter geblie­ben; dies ganz im Gegensatz etwa zur Teppichreinigung.

Und schließlich gab es um 1910 schon Straßenstaubsauger, die in Form eines großen Lastwagens durch die Straßen von York und ab 1911 auch durch London fuhren. Ebenso findet sich ein Hinweis auf ein entsprechendes deutsches Ungetüm, welches die Aufschrift «Hygienische Kehrmaschine mit Staubsaugung» trägt. Bis heute gibt es noch direkte Nachfolger unter den neuesten Modellen für die Straßenreinigung, die «Laubsauger», welche sich gemäß dem heutigen Stand der Technik eines starken Vakuums bedienen, um Laub, Staub, Konfetti etc. von öffentlichen Straßen und Plätzen aufzusaugen.

Zwischen Straßenreinigern und Teppichreinigern sind die Grenzen bisweilen fließend. Beispielsweise heißt es im Patent von William Edward Newton aus dem Jahr 1856, die Erfindung könne zum Reinigen von Straßen, Gehsteigen und Fußböden verwendet werden. Etwas weiter unten beschreibt Newton sogar den Übergang vom männlichen Benutzer der Maschine zur weiblichen Benutzerin: «The handle is taken in one hand by the operator, who walks behind the machine and pushes it before him or her over the floor, and with the other hand turns a crank to give rotary motion to the brush cylinder, as well as the fan and dash wheels.»[6]

So bleibt der Straßenreiniger eine der «Vorratserfindungen» für alle Weiterentwicklungen bis hin zum modernen Staubsauger, wovon der Teppichreiniger die nächste Stufe darstellt.

Teppichreiniger/Teppichroller

In England ist der Teppichroller auch begriffsgeschichtlich mit dem Staubsauger eng verknüpft; «to sweep the house» unternahm die Hausfrau früher mit dem «carpet sweeper» und dann ebenfalls mit dem «vacuum-sweeper», aus welchem der heutige «vacuum cleaner» wurde.

Der Teppichreiniger, der englische «carpet sweeper», ist auch auf dem europäischen Festland allgemein noch bekannt. Wer erinnert sich nicht an die Situation, in der die Mutter noch schnell die Brotkrümel mit diesem Werkzeug, welches oft auch Teppichroller, Teppichkehrer oder Teppich­kehrmaschine genannt wurde, zusammenkehrte und aufnahm? Es ist ein kleines Gehäuse aus unterschiedlichen Materialien (im neunzehnten und noch Anfang zwanzigstes Jahrhundert aus Holz, später aus Blech und Aluminium, heute aus Plastik oder Kunststoff), das meistens zwei rollenartige Bürsten enthält, welche über zwei oder mehrere Räder zur Rotation angetrieben werden. Das Prinzip der rotierenden Bürsten wurde in den Teppichkehrmaschinen spezifisch für den Haushalt weiterentwickelt und erneut eingesetzt. Ein Stiel erspart der Hausfrau das Bü­cken. Die drehenden Bürsten streifen im Innern des Gehäuses die aufgenommenen Schmutzpartikel ab, so dass sie im Gehäuse zurückbleiben.

Der wichtigste Vertreter dieser Gattung ist der «Bissell». Das besonders schöne Modell «Gold Medal» mit einem Holzgehäuse aus dem Jahre 1910 ist im Science Museum in London zu sehen. Der erste brauchbare Teppichreiniger für den Haushalt war angeblich im Jahr 1876 von M. R. Bissell aus Michigan, USA, entwickelt worden. Die amerikanische und auch international bekannte Marke dominierte den Markt sehr früh. Um 1900 hat die Firma wesentliche technische Verbesserungen durch den Einbau von Kugellagern erzielt und die Modellpalette dadurch entscheidend vergrößert. Um 1910 waren über 40 verschiedene Bissells auf dem Markt. Das englische Konkurrenzprodukt ist der «Ewbank», welcher seit dem späten neunzehnten Jahrhundert, insbesondere aber über die Zeitspanne von 1920 bis 1958, immer wieder in Inseraten angeboten wurde.

Aus einer Übersicht über die verschiedenen Marken bei Teppichkehrmaschinen geht hervor, dass der «Bissell» neben der Marke «Ewbank» zumindest in England der verbreitetste Teppichroller war. Dieses Modell bestand aus einem Holzgehäuse und war mit goldener Schrift, eben «Gold Medal», versehen.

Die Auseinandersetzung, ob es sich nun um englische oder zuerst um amerikanische Patente handelt, zieht sich, wie wir noch sehen werden, durch die ganze Geschichte des Staubsaugers hindurch. Je nach Herkunft der Autorin oder des Autors werden die ersten Patente jeweils in England oder in den USA geortet.

Bei diesem Gerät handelte es sich um die erste an der Jahr­hun­dert­wen­de bereits weit verbreitete Reinigungsmaschine im Haushalt. Hier vollzieht sich ein identifizierbarer Einzug ins «traute Heim», und man kann davon ausgehen, dass sich so die ersten Hemmschwellen bei den Hausfrauen gegenüber dem Einsatz von Maschinen in der Privatsphäre abgebaut haben mögen.

Trotz des Aufkommens von Staubsaugern bleibt der Teppichroller ein wichtiges Utensil – seine Verbreitung nimmt weiterhin zu. Man muss also davon ausgehen, dass später beide Geräte nebeneinander im Haushalt benutzt worden sind, denn bis in die fünfziger Jahre stand der Teppichkehrer zusammen mit Staubsauger und Besen im Besenschrank.

Einerseits wird der Teppichroller immer wieder gerühmt, getestet und als Notwendigkeit klassiert. Andererseits wird er oft stark kritisiert; zahlreiche Biografien von Dienstmädchen spiegeln tiefe Hassgefühle gegenüber diesem Gerät wider, denn der Kraft- und Zeitaufwand zur gründli­chen Reinigung eines Teppichs muss damit wohl erheblich gewesen sein. Das belastete Verhältnis der Hausfrauen und Bediensteten einem verbreiteten Werkzeug gegenüber wurde als dankbares Thema von einigen Karikaturisten aufgegriffen und bearbeitet. Dass dieses mechanische Instrument nach langjährigem Gebrauch scheußlich quietschte, ist rück­blickend nicht erstaunlich, denn zahlreiche frühe Kehrgeräte waren nicht auf dem neuesten Stand der Technik. Beispielsweise waren die Verankerung der drehenden Bürsten im Gehäuse oder auch die Räder oft noch nicht auf Kugellager gelegt, wodurch sie häufig klemmten oder schreck­lich quietschten. «Ich musste ihn ölen (sagt das Dienstmädchen, auf den Teppichreiniger zeigend, zur Dame des Hauses), er quietscht so schreck­lich, dass mir die Zähne schmerzen», heißt es in einer Karikatur der eng­ilischen satirischen Zeitschrift «Punch» aus dem Jahre 1936.

Trotzdem leistete das Teppichkehrgerät gute Dienste, insbesondere in Haushaltungen mit beschränkten finanziellen Möglichkeiten, denn ein solches Werkzeug kostete in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zehn- bis zwanzigmal weniger als ein Staubsauger: «Soll er (der Staubsauger, d. Verf.) in einem jungen Haushalt erst noch angeschafft werden, behilft man sich mit einem Teppichkehrgerät (…)», heißt es noch 1983 in einer Enzyklopädie aus der DDR.

Man kann davon ausgehen, dass der Teppichreiniger sich gegen Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auch zu einer Art Statussymbol entwickelt hat, obwohl er sowohl vom Aussehen, vom technischen Stand her noch sehr eng mit Besen und Stielbürste verwandt gewesen war. Von den 1880er Jahren an bis nach dem Ersten Weltkrieg blieb dieses Gerät konkurrenzlos im Besenschrank, ohne dass seine Hersteller etwas in der äußeren Form oder in technischer Hinsicht wesentlich verändert hätten. Es gibt ihn in gleich bleibender Form bis 1960. Von 1920 bis 1940 machen die Teppichkehrgeräte zwischen 1,5 und 12,5 Prozent aller englischen Inserate für Trockenreinigungsapparate aus. Das ist ein recht ansehnlicher Teil in einer Zeit, von der man annehmen könnte, dass die «altmodischen» Geräte durch den Staubsauger längst verdrängt worden seien.

Zwar konnten mit ihm immer noch keine Möbel, Bilderrahmen oder Polster gereinigt werden, aber er wurde im Vergleich zu Besen oder Staubwedel als «hygienischer» bezeichnet, weil der Staub in einem Gehäuse gesammelt wurde, anstatt sonstwo herumzuwirbeln. Mit der Einführung des Teppichrollers kommt also erstmals die Dimension der Hygiene ins Spiel, die ein bestimmender Faktor für die Entwicklung und für die Verbreitung aller Reinigungsapparate im Haushalt darstellte und teilweise bis heute darstellt.