EINFACH LESEN: das dotbooks-Magazin #1 - Beate Kuckertz - kostenlos E-Book

EINFACH LESEN: das dotbooks-Magazin #1 E-Book

Beate Kuckertz

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Beschreibung

Romantisch, dramatisch, bewegend – lernen Sie im kostenlosen eBook-Magazin EINFACH LESEN die schönsten Romane über große Gefühle kennen! Das schönste Geschenk für entspannte Lesestunden sind Romane und Geschichten über die ganz großen Gefühle, die aus unserem Leben ein Abenteuer machen: Liebe und Hass, Zuversicht und Furcht, Eifersucht und Freude. In der ersten Ausgabe des dotbooks-Magazins EINFACH LESEN lernen Sie zehn besondere eBooks kennen, die Sie nicht verpassen dürfen, und Autoren, die Sie bestens unterhalten werden. Mit Interviews, Leseproben und exklusiven Beiträgen von bekannten Bestsellerautoren und neuen Talenten. Jetzt als kostenloses eBook downloaden und genießen: „EINFACH LESEN – das dotbooks-Magazin #1“, herausgegeben von Beate Kuckertz und Timothy Sonderhüsken. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 443

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Über dieses Buch:

Das schönste Geschenk für entspannte Lesestunden sind Romane und Geschichten über die ganz großen Gefühle, die aus unserem Leben ein Abenteuer machen: Liebe und Hass, Zuversicht und Furcht, Eifersucht und Freude. In der ersten Ausgabe des dotbooks-Magazins EINFACH LESEN lernen Sie zehn besondere eBooks kennen, die Sie nicht verpassen dürfen, und Autoren, die Sie bestens unterhalten werden. Mit Interviews, Leseproben und exklusiven Beiträgen von bekannten Bestsellerautoren und neuen Talenten.

Über die Herausgeber:

Beate Kuckertz, geboren 1963, studierte Komparatistik, Germanistik und Buchwissenschaften. Sie arbeitete als Lektorin und Verlagsleiterin für große deutsche Publikumsverlage, bevor sie 2012 dotbooks gründete und seitdem als Verlegerin führt.

Timothy Sonderhüsken, geboren 1970, arbeitet seit über 20 Jahren als Lektor und Programmleiter in großen deutschen Publikumsverlagen und gab zahlreiche Bücher heraus. 2012 übernahm er die Programmleitung bei dotbooks.

***

Originalausgabe Mai 2014

Copyright © 2014 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen vorgestellten Bücher finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: © Ksym – Fotolia.com

ISBN 978-3-9552-712-0

***

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EINFACH LESEN

Das dotbooks-Magazin #1

Große Gefühle

herausgegeben von

Beate Kuckertz & Timothy Sonderhüsken

dotbooks.

INHALTSVERZEICHNIS

EDITORIAL

GROSSE GEFÜHLENeun Autorinnen und ein Autor über Liebe, Trauer, Hoffnung und die anderen Emotionen, die das Leben zu einem Abenteuer machen

GLÜCK

SEHNSUCHT

VERTRAUEN

LEBENSFREUDE

EIFERSUCHT

LIEBE

TRAUER

HOFFNUNG

ÜBERRASCHUNG

ZUFRIEDENHEIT

ZEHN GROSSE ROMANEüber ganz besondere Gefühle

FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN  von Daniel Oliver Bachmann

»Lag es an himmlischen Mächten?« Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks, stellt Daniel Oliver Bachmanns FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN vor

Drei Fragen an Daniel Oliver Bachmann

Leseprobe aus Daniel Oliver Bachmanns Roman FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN

EIN TAG, EIN JAHR, EIN LEBEN von Viola Alvarez

»Ich konnte nicht mehr aufhören!« Petra Förster, Lektorin bei dotbooks, stellt Viola Alvarez’ EIN TAG, EIN JAHR, EIN LEBEN vor

Drei Fragen an Viola Alvarez

Leseprobe aus Viola Alvarez’ Roman EIN TAG, EIN JAHR, EIN LEBEN

REISE FÜR ZWEI von Tanja Kinkel

»Ich wollte die beiden Rivalen in den Mittelpunkt stellen.« Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks, stellt Tanja Kinkels REISE FÜR ZWEI vor

Drei Fragen an Tanja Kinkel

Leseprobe aus Tanja Kinkels Novelle REISE FÜR ZWEI

EINE LIEBE ZWISCHEN DEN ZEITEN von Sabine Neuffer

»Ein lang gehegter Traum.« Alina Niggemann, dotbooks Vertrieb & Marketing, stellt Sabine Neuffers EINE LIEBE ZWISCHEN DEN ZEITEN vor

Drei Fragen an Sabine Neuffer

Leseprobe aus Sabine Neuffers Roman EINE LIEBE ZWISCHEN DEN ZEITEN

MÖPPELCHENSEX von Juliane Albrecht

»Schon lange habe ich mich nicht mehr so gut unterhalten gefühlt!« Petra Förster, dotbooks-Lektorin, stellt Juliane Albrechts MÖPPELCHENSEX vor

Drei Fragen an Juliane Albrecht

Leseprobe aus Juliane Albrechts Roman MÖPPELCHENSEX

DER DUFT DER SEEROSEN von Kirsten John

»So ein Buch vergisst man nicht!« Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks, über Kirsten Johns DER DUFT DER SEEROSEN

Drei Fragen an Kirsten John

Leseprobe aus Kirsten Johns Roman DER DUFT DER SEEROSEN

STERNENTOCHTER von Anna Valenti

»Es ist beeindruckend, welchen Zuspruch dieser Roman schon nach kurzer Zeit finden konnte.« Sarah Mirschinka, dotbooks-Marketing-&-Vertriebsleiterin, über Anna Valentis STERNENTOCHTER

Drei Fragen an Anna Valenti

Leseprobe aus Anna Valentis Roman STERNENTOCHTER

SCHLÜSSELFERTIG von Kirsten Rick

»Wie begann meine Liebesgeschichte mit dieser Autorin?« Timothy Sonderhüsken, dotbooks-Programmleiter, stellt Kirsten Ricks SCHLÜSSELFERTIG vor

Drei Fragen an Kirsten Rick

Leseprobe aus Kirsten Ricks Roman SCHLÜSSELFERTIG

IM GARTEN DER DER VERORENEN TRÄUME von Nadja Reinbach

»Möchten Sie einen Spaziergang durch Rom machen?« Petra Förster, dotbooks-Lektorin, stellt Nadja Reinbachs IM GARTEN DER VERLORENEN TRÄUME vor

Drei Fragen an Nadja Reinbach

Leseprobe aus Nadja Reinbachs Roman IM GARTEN DER VERLORENEN TRÄUME

BEATE RYGIERT:  EINE GANZ BESONDERE AUTORIN UND IHRE ROMANE

»Fesselndes und lebendiges Lesevergnügen!« Beate Kuckertz, dotbooks-Verlegerin, stellt Beate Rygiert und ihre Romane vor

Drei Fragen an Beate Rygiert

Leseprobe aus Beate Rygierts Roman BRONJAS ERBE

Rechtenachweis

EDITORIAL

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

»Ach, das ist so schön«, sagt eine der beiden älteren Damen, die auf der langen Bank neben uns Platz genommen haben, »so friedlich.«

»Ja«, antwortet ihre Begleiterin mit einem tiefen Seufzer, »ganz und gar wundervoll.«

Und so sitzen wir zu viert da und schauen auf den Starnberger See, der sich majestätisch groß vor uns ausbreitet – und einfach nur still daliegt. Keine noch so kleine Welle belebt die blau schimmernde Oberfläche. Nicht ein Lüftchen regt sich.

»Das ist gerade ganz toll hier, aber …«, murmelt die Verlegerin.

»… irgendwie ist es jetzt auch ein bisschen langweilig«, vervollständigt der Programmleiter den Satz.

Und dann ziehen wir gleichzeitig unsere eReader aus den Taschen und tauchen ein in aufregende Geschichten. Der See liegt immer noch still da. Die beiden Damen schwelgen noch in dem ruhigen Anblick. Aber wir – wir befinden uns in unserer ganz eigenen Welt voller Aufregung und Abenteuer.

Wir alle brauchen Pausen. Es ist wichtig, dass wir uns Auszeiten gönnen von unserem oft hektischen Alltag. Mußestunden, in denen wir – jenseits der täglichen Sorgen und ohne Sprint im »Das muss auch noch erledigt werden!«-Hamsterrad – zur Ruhe kommen und die Seele baumeln lassen können. Es gibt viele Möglichkeiten, um Körper, Geist und Seele wieder in Einklang zu bringen, von einem Waldspaziergang über Sport bis zum ausgedehnten Mittagsschläfchen. Alles schön, alles gut.

Aber für uns gibt es trotzdem keine schönere Form der Entspannung als ein gutes Buch, in dem die unterschiedlichsten Gefühle aus dem langen, ruhigen Fluss des Lebens eine Wildwasserbahn machen. Liebe und Trauer, Lebensfreude und Eifersucht – das sind die Stoffe, aus denen große Geschichten gewebt werden!

In dieser ersten Ausgabe des dotbooks-Magazins EINFACH LESEN möchten wir Ihnen zehn Romane vorstellen, die uns besonders begeistern. Unsere Autorinnen und Autoren verstehen es, mitreißend über die unterschiedlichsten Gefühle zu schreiben. Ihre Romane sind warmherzig und humorvoll, sie sind mal rasant, mal einfühlsam erzählt – und dabei immer wieder überraschend. Begleiten Sie eine Frau auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Erleben Sie mit, wie eine andere tatsächlich durch die Zeiten reist. Fiebern Sie mit einer Witwe mit, die ihr Leben nach dem Tod des wenig liebenswerten Gatten endlich selbst in die Hand nimmt, und teilen Sie den edlen Schmerz der Frau, die auch nach vielen Jahrzehnten ihre große Liebe nicht vergessen kann. Erleben Sie zehn ganz besondere Geschichten hautnah – und fühlen Sie, wie jede von ihnen Sie Seite für Seite beschenkt. Denn genau das sind Romane voller großer Gefühle für jeden von uns: Geschenke, die wir auf unserem eReader immer dann auspacken können, wenn uns gerade danach ist. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen!

Übrigens: Mit den beiden älteren Damen sind wir dann noch ins Gespräch gekommen. »Was lesen Sie denn da?«, wollte eine von beiden wissen – und schon plauderten wir über das Leben in der Provinz, eine starke Frau, die Ende des 19. Jahrhunderts mutig ihren eigenen Weg ging, und, und, und … aber das kennen Sie ja sicher: Wenn man einmal anfängt, über tolle Bücher zu sprechen, dann hört man so schnell nicht mehr auf. Und danach fühlt man sich sehr entspannt und zufrieden. Denn: wer liest, hat mehr vom Leben!

Herzliche Grüße

Beate Kuckertz | dotbooks-Verlegerin

Timothy Sonderhüsken | dotbooks-Programmleiter

GROSSE GEFÜHLE

GLÜCK

Sabine Neuffer über ein flüchtiges Gefühl

Über das Glück zu schreiben, kann ja immer nur ein Versuch sein. Ein Versuch, der an jedem Tag des Lebens ein wenig anders ausfällt.

Weil es kleines und großes Glück gibt. Und ein mittleres – auch das ist nicht zu verachten!

Das kleine Glück ist das, das im Zauber eines Anblicks liegt. Ein Zimmer, in Kerzenlicht getaucht; das erste Schneeglöckchen nach dem Winter; die erste Kastanie, die man bei einem Herbstspaziergang aufsammelt, die sich jahrelang immer wieder in die Hand schmiegt, wenn man die Winterjacke anzieht.

Das mittlere Glück, das ist vielleicht, an einem Ort zu sein, von dem man immer geträumt hat. Tatsächlich im Indischen Ozean zu schwimmen, schwerelos, das grüne Wasser, den weißen Strand, die Palmen, die ungetrübte Sonne … all das, was die Bilder versprachen, wirklich zu erleben. Es kann ein Haus sein, das man sich lange gewünscht hat, das man sich endlich leisten kann; ein Auto, das man so gern haben wollte, mit dem man nun über eine Küstenstraße braust.

Das große Glück, das ist kaum zu fassen. Das berührt das Innerste. Liebe, die man heimlich empfindet, wird erwidert. Versöhnung, die unmöglich schien, wird durch offene Worte erreicht. Freundschaft trägt, wenn man sich ganz am Boden fühlt. Unerwartete Möglichkeiten eröffnen sich, wenn einen die Hoffnungslosigkeit zu verschlingen droht.

Doch alles Glück ist flüchtig. Wenn meine beste Freundin mich verraten hat – was nützt mir da der Kerzenschimmer auf einer wunderschön polierten Tischplatte? Wenn ich mich mit meinem Partner zu Tode langweile, was nützt mir dann unser Traumhaus? Was der gemeinsame Urlaub auf den Malediven? Da kann ich dann zwar sicher ein paar hübsche Blüten sammeln, ein flüchtiges Glück, das für Momente reicht. Mehr jedoch nicht.

Und welches ist nun das richtige, wirkliche Glück?

Das gibt es nicht. Es gibt nur Glücksmomente.

Aber: Es gibt da noch etwas! Eine – wie soll ich es nennen? – Art Beziehung zum Glück. Man kann Glück lernen, man kann Glück kultivieren. Vielleicht nicht unbedingt das mittlere Glück, zu dem vor allem Geld nötig ist, aber das kleine und das große Glück. Das ist beides kostenlos. Das kleine Glück kann man erleben, wenn man die Dinge um sich herum mit Liebe gestaltet oder wenn man hinausgeht in die Natur. Da sprüht es nur so von Schönheit, von Lebensfreude, von Überfluss, man muss nur schauen.

Und das große Glück, das stellt sich ein, wenn man bewusst und liebevoll und behutsam mit den Menschen umgeht, die einen umgeben. Wenn man hinschaut, hinhört, aufnimmt, was einem da tagtäglich begegnet. Die Zeichen von Zuneigung, die Angebote von Nähe, die Hilferufe, die Bedürftigkeit von anderen wahrnimmt und darauf reagiert – dann tut sich da ein unendliches Feld auf, auf dem ganz viel großes Glück gedeihen kann.

Doch bleiben wir bescheiden. Beschränken wir uns darauf, uns um das kleine Glück zu bemühen, denn erzwingen lässt sich das mittlere Glück nur schwer und das große schon gar nicht.

Es ist auch nicht nötig. Denn wer in der Lage ist, das kleine Glück zu sehen, der wird glücklich, der strahlt … und der zieht das große Glück an! Ganz von selbst.

Die anderen, die müssen sich halt abrackern und genug Geld verdienen, und dann können sie sich wenigstens das mittlere Glück leisten. Auch schön. Doch mir nicht genug!

SEHNSUCHT

Tanja Kinkel über die Schokolade des Lebens

Es ist eine Binsenweisheit, aber wahr: Menschen, die in jeder Hinsicht vollkommen zufrieden sind, schreiben nicht. Was nicht heißen soll, dass man todunglücklich sein muss, um kreativ zu sein, oder dass nur Elend die Phantasie beflügelt, ganz und gar nicht. Aber um glaubwürdig die Welt eines Buches zu erschaffen, muss man Sehnsucht in sich tragen, Sehnsucht nach mehr als den eigenen vier Wänden, nach mehr als der eigenen Persönlichkeit.

Wenn Goethes Iphigenie »das Land der Griechen mit der Seele sucht«, dann sehnt sie sich danach, und ihr Autor tut es erst recht; nach einem Griechenland, das gleichzeitig für viel mehr als nur für den geographischen Ort steht. (Apropos: Tauris, wo sich die mykenische Königstochter Iphigenie in Goethes Bühnenstück aufhält, ist heute die Krim.) Sie imaginiert eine Welt, die nicht mehr die ihre ist. Keine ideale Welt – ein paar Verse später erzählt sie dem König von Tauris von der grausamen Geschichte ihrer Familie, die von Menschenopfern, Verwandtenverrat und Inzest nur so birst. Aber eine Welt, die sie vor ihrem geistigen Auge erschafft, weil sie sich sehnt, fort aus ihrer derzeitigen Realität, hinaus in eine andere.

Nichts anderes tun wir Autoren, ob wir nun unsere Inspiration aus der Geschichte beziehen, sie in der Gegenwart finden oder von dem, was die Zukunft bereithalten mag, herausgefordert werden. Wenn wir unsere Leser unterhalten wollen, schildern wir keine idealen Welten, denn nichts ist langweiliger als Perfektion. Was mir immer Antrieb gibt, wonach ich mich in meiner Arbeit sehne: die Wirklichkeit eines anderen Lebens zu erfassen und in eine Form zu bringen, die andere diese Wirklichkeit erfahren lässt. Dabei setze ich durchaus auch darauf, dass die Leser ihr eigenes Sehnen mit einbringen; das Geschriebene ist immer nur eine Skizze, die erst durch die Phantasie des Lesers zu einem Gemälde wird.

Schreiben bedeutet auch immer Ringen um Verstehen. Gerade, wenn man historische Charaktere beschreibt, die manchmal Dinge tun, Entscheidungen treffen, die sie – wäre der Autor ihr Erfinder –nie gewählt hätten. Aber auch frei erfundene Figuren dürfen es Schreibenden nicht leichtmachen, sie müssen sich ebenfalls sperrig zeigen und in die falsche Richtung laufen. Nur so werden sie lebendig, nur so können sie dem Leser Emotionen abringen und den Wunsch, ihnen ein »Nein, mach das nicht« zurufen zu wollen. Was gleichfalls Ausdruck einer Sehnsucht ist – und gleichzeitig ihre Befriedigung.

Leser meiner Novelle Reise für Zwei fragen mich manchmal, für welchen der drei Protagonisten mein Herz schlägt. Für Andreas, den wütenden Trauernden? B, die Unmögliche? Oder doch für Lion, den Verführer? Die Antwort darauf ist einfach: für alle drei.

»Aber stört dich nicht selbst auch dieses und jenes an ihm oder ihr«, geht es dann meistens weiter.

Darauf kann ich nur mit einem »Ja« antworten – und einem »Und genau deswegen«.

Wenn ich mitten in einer Geschichte stecke, ist es oft, als stünde ich vor einem Gebirge. Schreiben ist dann wie Bergsteigen – sehr anstrengend. Ich erkenne immer nur Bruchstücke auf dem Weg, der vor mir liegt, aber die Sehnsucht nach dem Ganzen treibt mich trotzdem höher, bis zum Gipfel, und von dort aus ist die grandiose Aussicht die Erfüllung des Sehnens, das mich hochgetrieben hat.

Das heißt: Für eine Weile, nur für eine Weile.

Nur ganz wenige Autoren sind mit einem einzigen Buch zufrieden. Ich nicht. Berufsmäßig auf Wolken spazieren zu gehen bedeutet auch, immer wieder dorthin zurückkehren zu wollen. Selbst, wenn ich gelegentlich etwas abrutsche. Gerade, wenn ich Blessuren zu pflegen habe, gibt es nur ein Gefühl, das mich antreibt, trotz aller blauer Flecken sofort mit dem nächsten Anstieg zu beginnen: die Sehnsucht nach mehr. Schreiben ist nicht immer das Brot des Lebens, aber die Schokolade ist es ganz gewiss.

Kann ich ohne sie leben?

Vielleicht.

Aber was für ein Leben wäre das?

Eines, in dem die Sehnsucht nach der süßen, nicht immer gesunden Schokolade einen schließlich dazu treibt, sie wenigstens in Gedanken neu zu erschaffen.

VERTRAUEN

Beate Rygiert über die Kunst, die Dreijährige beherrschen

Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, der Schnee ein Traum. Die Welt ist ein Bilderbuch, nur ich stehe unsicher auf diesen geliehenen Brettern und versuche mich verzweifelt daran zu erinnern, was mir jener attraktive Skilehrer im letzten Winter beigebracht hat. Wie war das mit dem Tal-Ski? Da – wusch! – sausen sie an mir vorüber: Zwerge mit von Windelpaketen ausgestopften Hintern, keinen Meter groß. Neid macht sich breit, denn eines scheinen diese gerade mal Dreijährigen nicht zu kennen: Angst.

Stattdessen sind sie von jenem unendlichen Vertrauen in die Welt und in sich selbst angefüllt bis in die Haarspitzen, das uns leider im Lauf des Erwachsenwerdens zunehmend abhandenkommt. Keine Bedenken, keine Zweifel, keine Einwände. Fallen sie hin, stehen sie wieder auf, und weiter geht’s. Hätte ich damals gewusst, dass alles so kompliziert werden würde – ich wäre einfach nicht älter geworden!

Picasso soll einmal gesagt haben, dass er ein Leben lang brauchte, um so malen zu können wie ein Kind. Das Vertrauen in uns selbst ist gewiss eines der höchsten Güter und ein sicheres Mittel zum Erfolg. Sein Gegenteil ist der Zweifel.

Was hat »Vertrauen« mit meinen Romanen zu tun? Nehmen wir als Besispiel PERLEN DER MACHT. Samuel, dem Helden des Buchs, geschieht etwas Wunderbares: Seine Welt wird auf den Kopf gestellt, und während er eine atemberaubend spannende Geschichte durchlebt, beginnt er, seiner inneren Stimme, die so lange verstummt war, wieder zu vertrauen. Er lernt, welchen Menschen er vertrauen kann und wem besser nicht. Seiner eigenen Ehefrau zum Beispiel – was für ein Schock!

Ein anderer Gegenspieler des Vertrauens ist die Eifersucht. Man zweifelt am Partner, und schon ist sie da, wie ein Gift breitet sie sich langsam in Psyche und Körper aus. Plötzlich erscheint alles in einem anderen Licht: War er wirklich dort, wo er sagte? Mit wem hat sie eben so vertraut am Telefon gelacht? Steckt hinter der Begeisterung für den neuen Kollegen vielleicht mehr? »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.« Wenn das so einfach wäre. Wenn man doch auch die Gedanken und Gefühle eines anderen kontrollieren könnte.

Jetzt hätte mich ein jugendlicher Snowboardfahrer beinahe umgenietet. Was stehe ich auch so blöd mitten auf der Piste herum und mache mir solche Gedanken? Ich atme kurz durch und versuche, mich zu fühlen wie eine Dreijährige. Das bringt mich zum Lachen, und schon fühlt sich alles leichter an. Der Schnee ist phantastisch. Die Sonne strahlt, und der Himmel, ja, der Himmel lacht. Und schon fällt mir – nein, meinem Körper fällt alles wieder ein: Tal-Ski belasten, und los geht’s, hinein in die fast unerträgliche Leichtigkeit dieses Tages. Sollen andere die Kontrolle bewahren. Ich gebe mich jetzt dem Vertrauen hin, dass der Schnee weich ist und ich noch nicht ganz verlernt habe, wie man fällt, wenn’s drauf ankommt. Und siehe da: Mein Vertrauen schenkt mir Flügel, in eleganten Schwüngen gleite ich den Hang hinab, nur dem Hier und Jetzt hingegeben, scheinbar schwerelos und leicht.

LEBENSFREUDE

Juliane Albrecht über ihren Weg ins Glück

Letzte Woche hat mein Mann mir ein tolles Kompliment gemacht. »Ich liebe dich«, hat er gesagt, »dafür, dass du dir keine Gedanken darüber machst, was andere Leute über dich denken.«

Ich sah an mir runter: Pyjama, darüber eine Strickjacke, dicke Wollsocken und Birkenstocks. Und meine Haare hatten an dem Tag auch noch keine Haarbürste gesehen.

»Ich bin Schriftstellerin, ich darf das«, antwortete ich grinsend. Es war morgens, etwa acht Uhr, wir waren mit unserer blonden Labradordame im Park unterwegs. Unser Nachbar mit dem kleinen kläffenden Terrier lief an uns vorbei, hob grüßend die Hand. »Außerdem«, bemerkte ich, »wir wohnen im Ruhrpott, hier ist den Leuten eh egal, wie man rumläuft.«

Noch vor ein paar Jahren habe ich in einer Bank gearbeitet. Jeden Morgen bin ich in Rock, Bluse und hohen Schuhen zur Filiale gefahren, habe einen Job ausgeübt, der mir nie Spaß gemacht hat. Sonntags trübte sich meine Stimmung regelmäßig, weil ich daran dachte, dass ich am nächsten Tag zur Arbeit musste. Donnerstags besserte sich die Stimmung. Nur noch morgen, dann ist Wochenende. Ich hatte einen schicken Wagen, teure Klamotten und oft schlechte Laune.

Und dann fing ich an zu schreiben! Ich fand eine gute Literaturagentur – und die einen Verlag für mein erstes Buch. Ich kündigte von einem Tag auf den anderen meinen Bankjob, versteigerte meine Klamotten bei eBay, verkaufte mein Auto.

Das ist jetzt fünf Jahre her. Im März ist mein sechstes Buch erschienen, Nummer sieben ist schon geschrieben, Nummer acht in Arbeit.

Schreiben bedeutet für mich Lebensfreude pur! Ich weiß es zu schätzen, dass ich meinen Traumjob ausüben darf, kann es manchmal immer noch nicht glauben. Und wenn es mir dann bewusst wird, huscht ein Lächeln über mein Gesicht, und ich denke, ach, was geht es mir gut!

Eine große Schale Milchkaffee mit einem Hauch Zimtzucker auf dem Schaum, mein Laptop, mit den Gedanken bei Mona, Anna, Marina oder Mia sein, bei den Figuren, die ich in meinen Büchern zum Leben erweckt habe, und dann in die Tasten hauen, immer noch im Pyjama … Das ist für mich die pure Lebensfreude!

EIFERSUCHT

Daniel Oliver Bachmann über das ungeschminkte Leben

Ich war 18 Jahre alt, als ich in München meine erste große Liebe traf. Davor gab es Freundinnen, Liebschaften, nichts Ernstes.

Anna war sieben Jahre älter und das, was man einen Gegenpol nennt: Ich kam vom Land, sie aus der Stadt. Ich hatte mein Abi in der Tasche, sie war bereits mit dem Studium der Volkswirtschaft durch. Ich fuhr einen Autobianchi aus dritter Hand, sie einen nagelneuen Golf. Ich wohnte in einer Absteige, sie in einer Eigentumswohnung im Glockenbachviertel. Das alles störte nicht, denn Gegensätze schaffen Reibung, und an Reibung, sofern sie körperlich war, hatten wir größtes Interesse. Wir waren glücklich, und wenn eins für mich klar war, dann das: Es würde ewig so weitergehen.

Die Ewigkeit dauerte zwei Wochen.

Dann sagte Anna: »Du bist nicht der Einzige.«

Ich brauchte einige Zeit, bis ich den Satz verstand, und alles, was danach kam. Anna war Nymphomanin. Damals wusste ich nicht wirklich, was das bedeutet. Doch ich sollte schnell lernen.

Ich war tatsächlich nicht der Einzige, es gab andere, viele andere, häufig am selben Tag, sobald sich die Tür hinter mir schloss. Das wusste ich, weil ich im Café gegenüber auf Beobachtungsposten ging. Das wusste ich, weil ich ihr folgte, wenn sie das Haus verließ. Das wusste ich, weil ich die Nummern fremder Autos in der Tiefgarage notierte. Es riss mir das Herz heraus, wenn dort unten ein Mittvierziger in seinen BMW stieg, der gerade zwei Stunden und 28 Minuten bei ihr verbracht hatte. Ich hatte die Zeit gestoppt, ich wollte mich geißeln, ein Schlag für jede Minute, die sie mit ihm vögelte; macht 148 Schläge, eine gerechte Strafe, denn ich gab mir die Schuld an der Sache. Dass Anna nicht nur mich lieben konnte, musste doch an mir liegen, oder?

Unten in der Tiefgarage warf ich den Männern mein Herz vor den Wagen; sie fuhren beim Ausparken ungerührt darüber.

Es folgte eine Zeit, in der ich rund um die Uhr bei Anna war und mich zwang, nicht zu schlafen, damit sie keine Gelegenheit bekam, sich anderen hinzugeben. Das forderte seinen Tribut, nicht nur vor Müdigkeit. Ich war paralysiert, war wie ein Zombie.

Die Geschichte meiner ersten großen Liebe endete, als ich ging und nicht zurückkehrte. Erst Jahre später – ich hatte längst meine ersten Erzählungen und Romane geschrieben, in denen die Eifersucht immer wieder eine tragende Rolle spielt – wurde mir Eigenartiges klar: Nie hatte ich mich so himmelhoch jauchzend und traurig gefühlt wie damals, so energiegeladen und gleichzeitig tot. Eifersucht ist das ungeschminkte Leben ohne Fassade, Verkleidung und Maskerade. Sie führt uns zum innersten Selbst, erspart Jahre der Selbsterfahrung in Seminaren, ist die reine Erleuchtung.

Klagen heute Freunde und Bekannte über Eintönigkeit in ihrem Leben, rate ich zu einem meiner Bücher, weil sich damit der Alltag risikolos aufpeppen lässt. Insbesondere Freiheit für Anfängerinnen leistet hier wunderbare Erste Hilfe. Natürlich gibt es aber auch eine andere Möglichkeit, sich das Leben in seiner pursten Form zuzumuten. Da ist der Ausgang allerdings ungewiss.

LIEBE

Nadja Reinbach über ein Gefühl und seine unterschiedlichen Varianten

Ewig dein … Ewig mein … Ewig uns …, schrieb der Komponist Ludwig van Beethoven an seine Angebetete Bettina Brentano/von Arnim. Viele von uns kennen diese Worte aus der amerikanischen Fernsehserie: Sex and the City.

Sofort sehen wir Mister Big und Carrie im Bett liegend vor uns. Carrie liest sie ihrem Traummann vor. Haben wir da nicht mit den beiden mitgefühlt, die sich nach so langer Zeit gefunden haben? Ist das nicht endlich das Happy End für die beiden? Große Liebe? Wir waren zu Tränen gerührt.

Und … sagen diese Worte von Beethoven nicht alles aus, was Liebe meint, Liebe ist?

Über die Liebe wurde viel geredet, gestritten, diskutiert und geschrieben, kein berühmter Dichter, Philosoph oder Schriftsteller, der nicht kluge Worte dazu gesagt hat. So auch Goethe, Heinrich Heine oder Konfuzius.

Doch es finden sich auch Zitate, die die Liebe nicht ganz so ernst nehmen. Wenn einem die Treue Spaß macht, dann ist es Liebe.

Das sagt die amerikanische Schauspielerin Julie Andrews. Oder:

Schach ist wie die Liebe – allein macht es weniger Spaß. Ein Zitat des Dichters Stefan Zweig.

Von unterschiedlichen Varianten der Liebe handelt mein Roman IM GARTEN DER VERLORENEN TRÄUME.

Emilia, die schöne Römerin, verliebt sich in den hübschen Ettore und zieht für ihn von Rom nach Azzano, ein Bergdorf oberhalb des Comer Sees.

Die scheinbar einfachste Art der Liebe: Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander und heiraten. Sie bekommen zwei Söhne, die Emilia zur »typisch italienischen Mama« werden lassen: Sie liebt sie leidenschaftlich. Doch immer stärker wächst in ihr der Wunsch nach einem besseren Leben für die beiden. Und sie sieht auch eine Chance: Ettore entwirft und fertigt in seiner Schuhwerkstatt schöne Taschen, doch er hat keine Energie, sie zu vermarkten. So fährt Emilia nach Rom, dort sieht sie eine große Zukunft für Ettores Entwürfe.

Und tatsächlich: Der reiche Unternehmer Benedetto Preminger will ihren Mann nur fördern. Doch er verlangt einen hohen Preis: Emilia muss seine Geliebte werden. Sie geht auf das Angebot ein, für ihren Mann, für ihre Söhne.

Immer noch liebt sie ihren Ettore, doch sie beginnt mit dem alternden, unattraktiven Benedetto eine aufregende Affäre. Er versteht es, ihre geheimen sexuellen Wünsche zu erfüllen, und so erlebt sie eine andere Variante der Liebe: sexuelle Leidenschaft ohne jegliche Gefühle, ohne Liebe.

Auch wenn der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sie zwingt, ins Dorf Azzano zurückzukehren, und Ettore an die Front muss, verliert sie ihr Ziel nicht aus den Augen: ein besseres Leben für ihre geliebten Söhne, und zwar in Rom.

Sie versucht alles, um Geld für eine Rückkehr aufzutreiben, und übersieht dabei, wie sehr sich ihr vierzehnjähriger Sohn Horatio verändert. Immer mehr gerät er unter den Einfluss einer brutalen Jugendbande, die behauptet, der Ideologie der Partisanen zu folgen, aber nichts anderes ist als eine Gruppe von Mördern und Schlägern. Hat die Bande etwas mit dem Mord an dem Bürgermeister, einem Faschisten und Freund Benito Mussolinis, zu tun?

Emilia kehrt nach Ende des Krieges 1945 mit ihren beiden Söhnen nach Rom zurück, und während Ettore noch als vermisst gilt, baut sie eine Firma mit seinem Design auf, wieder mit der finanziellen Hilfe eines reichen Mannes. Endlich hat sie es geschafft: Emilia Conti, die erfolgreiche Frau, lebt mit ihren Söhnen in einer Villa und kann ihnen beste Zukunftsaussichten bieten.

Doch als der ernste Horatio, der einen geistlichen Weg gewählt hat und die Liebe zu Gott sucht und predigt, erkennt, dass er weder sich noch Gott lieben kann, nimmt er sich das Leben.

Und Emilia muss eine furchtbare Wahrheit erkennen: Aus dem Wunsch heraus, ein gesellschaftlich und finanziell gutes Leben für ihre geliebten Söhne zu schaffen, hat sie eines vergessen: sich wirklich um sie zu kümmern, ihre Entwicklung zu beobachten und für sie da zu sein, wenn sie gebraucht wurde.

Ließ ihre Mutterliebe sie einen so falschen Weg gehen? In dieser tiefen Verzweiflung findet sie zu Ettore zurück.

Sie erkennt, wie sehr sie ihn liebt, ihn, den schweigsamen, dickköpfigen Mann, der sich erst nach Jahren endlich öffnen kann: Emilia, mein Leben, meine Liebe …, spricht er die Worte aus, nach denen sich Emilia viele Jahre gesehnt hatte.

Du brauchst nur zu lieben, und alles ist Freude … Das wiederum sagt der russische Dichter Leo Tolstoi.

Doch entspricht das wirklich der Wahrheit?

Soll es so einfach sein?

Ich glaube nicht …

TRAUER

Viola Alvarez über »Ich« und »Wir«

Trauer, wie Liebe, ist für mich sowohl eines der privatesten Gefühle und gleichzeitig ein öffentliches.

Wie die Liebe lässt sich Trauer weder erzwingen noch abstellen noch kontrollieren.

Und letzten Endes trauern wir ja auch nur wirklich da, wo wir vorher liebten.

Wenn wir uns verlieben, wirklich verlieben, dann geschieht neben dem sichtbaren, fühlbaren Glück des ersten Liebes- und Leibesrausches auch noch etwas Leises, Langsames. Unser »Ich« macht sich auf, Teil eines »Wir« zu werden.

Wenn der Rausch diesbezüglich mal vorbei ist, ist das nicht immer lustig. Das Ego holt sich Beulen, die Persona pendelt hin und her zwischen beseligter Selbstaufgabe und kleinlicher Selbstverteidigung (dies natürlich nicht im kampfsportlichen Sinne …).

Wenn wir Glück haben, dann schaffen wir es aber, dass das »Ich« auch ein »Wir« ist.

Und bei der Trauer dreht sich dieser Prozess dann um. Das ist stiller, weniger teilbar und unendlich schmerzhaft. Abgesehen davon, dass wir nie wieder den berühren können, den wir verloren haben, nie wieder seine Stimme hören, sein Lachen, nie wieder seine Alltäglichkeit benörgeln oder seine Außergewöhnlichkeit genießen können, verlieren wir unser »Wir«.

Mit jedem Menschen, den wir wirklich lieben, sind wir selbst jemand, den es nur in dieser »Wir«-Kombination gibt. Und wenn dieser Mensch verschwindet, dann verschwindet auch dieses »Wir«.

Plötzlich muss unser »Ich« sich neu daran gewöhnen, wieder alleine zu sein.

Für mich selbst kam die erste Trauererfahrung ein bisschen früh. Als ich acht war, verlor ich, wie es so heißt, »plötzlich und unerwartet« meinen Vater.

Es war eine Erschütterung meiner innersten und meiner äußeren Welt, unglaublich, im wahrsten Sinne, ich erinnere Tage wie im Nebel, bemüht, sosehr ich konnte, nicht daran zu denken, was passiert war, es nicht »wahr« sein zu lassen.

»Kinder werden damit so leicht fertig«, urteilten die, die so was ja immer irgendwie besser wissen.

Ich wurde damit nicht fertig. Die Trauer setzte sich, da, wo ich sie eigentlich fernhalten wollte, in mich hinein und blieb sitzen. Sie verkleidete sich, sie verbarg sich, aber sie ging lange, lange Jahre nicht weg.

Am Abend, als mein Vater starb, begann meine Mutter – eine Übersprungshandlung –, Ordnung zu schaffen, seine Hosen wegzuräumen, die er an diesem Tag getragen hatte.

Ein klingender Regen von Münzen fiel auf den Teppich, und meine Schwester und ich lachten laut auf – es war eine uns sehr vertraute Angewohnheit meines Vaters, zu viel Kleingeld in den Taschen zu haben, das dann immer irgendwohin rollte.

Wir lachten, aber es war gar nicht komisch. Erst in diesem Moment verstand ich, dass er tot war. Dass er nie wieder Kleingeld in seinen Taschen haben würde, dass er nie mehr nach Hause kommen würde. Und die Trauer machte mich stumm.

So viele Jahre später kommen nun hin und wieder Worte, die diese Trauer beschreiben können. So ließ ich in dem Roman EIN TAG, EIN JAHR, EIN LEBEN Melusine nach Wilhelms Tod ebenfalls Münzen finden, die ihm auf dem Sofa aus der Tasche gerollt waren.

Worte, die ich als Kind nicht hatte, für Gefühle, die ich nicht haben wollte, die nicht »wahr« sein sollten, kamen in dieser Szene wieder.

Und auch die tiefe Überzeugung: Wenn jemand stirbt, wenn wir unser »Ich« wieder alleine tragen müssen, dann gibt uns dieser Mensch, der gegangen ist, etwas aus dem vorherigen »Wir« als Geschenk mit. Wir dürfen dieses Geschenk behalten, und es hilft, die Wunde zu heilen, die dem »Ich« entstanden ist.

Die Melusine nach Krempe gibt es nur durch Wilhelms Tod; und durch Areks Tod.

Es sind die Vermächtnisse dieser beiden so unterschiedlichen »Wir«, die ihr Leben bestimmen werden. Das ist traurig – aber auch schön.

Wo Liebe ist, so meine tiefste Überzeugung, wird irgendwann auch Trauer sein.

Aber wo Liebe war, ist Trauer zu »schaffen«.

Das Glück der Liebe trägt bereits den Schatten der Trauer in sich.

Und in der tiefsten Dunkelheit der Trauer ist es das Vermächtnis der Liebe, das uns die Trauer irgendwann und irgendwie überwinden lässt.

Und wie die Liebe, die wir erfahren dürfen, macht uns die Trauer, die wir zu ertragen haben, einzigartig.

HOFFNUNG

Kirsten John über den kleinen Seelenvogel

»Hope is the thing with feathers

That perches in the soul,

And sings the tune without the words,

And never stops at all.«

Emily Dickinson

Hoffnung ist dies kleine Ding mit Federn: Von den vielen klugen Zitaten und den unzähligen Gedichten mag ich dieses von Emily Dickinson am liebsten. Hoffnung kommt mir nicht groß vor, nicht präsent, ist nicht dramatisch wie Liebe oder schneidend wie Eifersucht, verzehrend wie Hass.

Hoffnung ist einfach immer da.

Ohne Hoffnung ist der Mensch nichts. Nehme ich an. Denn ich kann mich nicht bewusst an einen Zustand von Hoffnungslosigkeit erinnern, zumindest keinen, der angedauert hätte. Kaum ist der Platz frei, springen gleich andere Gefühle wie Angst oder Verzweiflung, schlimmstenfalls Apathie in die Bresche. Hoffnung ist, so denke ich zumindest, ebenso sehr Teil des menschlichen Wesens wie Gesundheit: Erst wenn es zu spät ist, sind wir überhaupt imstande zu ermessen, was wir verloren haben.

Und dann, so flapsig es auch klingt, haben wir andere Probleme.

Es ist also eher der Zustand der Hoffnungslosigkeit, der sich beschreiben ließe, oder der Prozess, in dem wir Hoffnung verlieren. Oder, und davon handeln wohl die meisten Geschichten: Diese ungeheure, widersprüchliche und nicht zu erklärende Stärke, die manche von uns (nicht alle, bei weitem nicht) auch die größten Schicksalsschläge überstehen lässt.

Entsteht das aus der Hoffnung?

Oder umgekehrt: Wird dieses Durchhaltevermögen, das Sichfestbeißen, dieser Kampfgeist, der Mut, wird das alles in allem einfach Hoffnung genannt?

In meinem Roman DER DUFT DER SEEROSEN besitzt die Hauptperson Hanna diesen ungeheuren Mut, dieses verzweifelte Sichbehaupten gegen die widrigsten Umstände. Hat sie Hoffnung? Sie hat zumindest keine andere Wahl. Klar hofft sie, als Jüdin unbehelligt nach Holland zu entkommen, dort ein Schiff zu besteigen und dann schließlich, endlich, Amerika zu erreichen. Ihre Großmutter nachkommen zu lassen. Ihren Max wiederzusehen.

Aber hofft sie wirklich darauf?

Ich schätze, sie träumt es eher.

Tatsächlich denke ich, Hoffnung ist kein großes Gefühl. Vielleicht überhaupt keins. Man kann sich etwas verzweifelt wünschen, sich nach etwas so sehr sehnen, dass es weh tut, etwas erflehen, um etwas beten, bitten, betteln. Hoffnung ist für mich eher das, wie Dickinson schreibt: Ein kleiner Seelenvogel, der am lautesten singt, wenn es stürmt und man weit draußen allein auf fremder See ist.

So wie Hanna.

Ich bin überzeugt davon, dass sie ihn hört.

ÜBERRASCHUNG

Anna Valenti über negative Ereignisse, die eine Chance bedeuten

Wir kennen sie alle: die positiven Überraschungen! Von einem Moment auf den anderen durchströmt uns ein Glücksgefühl vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, wir möchten die ganze Welt umarmen; oder wir zerdrücken nur still eine Träne der Erleichterung.

Und die negativen Überraschungen? Auf die können wir verzichten!, war meine spontane Reaktion. Aber keine(r) von uns kann ihnen auf immer entkommen.

Wie also damit umgehen? Meine Recherche zur STERNENTOCHTER-Saga begann mitten im Leben der Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts. Schnell war klar, dass ein solches Leben in der Regel keine Überraschungen bot. Stattdessen vorgezeichnete Wege und starre Normen: die Heirat, möglichst »nach oben«; das Dasein als Hausfrau, als Mutter, oft zusätzlich als Arbeiterin; die totale Abhängigkeit vom Ehemann; eine Fräulein-Existenz mit sehr eingeschränkten beruflichen Möglichkeiten; ein Leben als »separierte Frau«, geschieden also, und als solche für jeden erkennbar schon am Klingelschild.

Seit ich, mit diesem Wissen, dem Lebensweg der »Sternentochter« Caroline Caspari folge, bin ich immer wieder aufs Neue überrascht! Es ist faszinierend, in welch hohem Maß ihr Denken, Fühlen und Handeln sich von den damals üblichen Konventionen, die Frauen auferlegt wurden, unterscheidet! Und dabei fängt auch bei diesem jungen Mädchen alles ganz »normal« an: einem Studierten versprochen, willig, ihn zu heiraten, von Liebe keine Rede, mit der Aussicht auf ein Leben in Sicherheit und Langeweile. Aber dann folgt eine Überraschung: Motivlos, unverhofft und mit unglaublicher Intensität hält die Liebe Einzug in ihr Leben. Und diese erste Überraschung zieht alle anderen nach sich. Caroline schlägt einen Lebensweg ein, der durch ihren Regelverstoß in völlig anderen als den üblichen Bahnen verläuft – und in dem sie sich vom naiven, jungen Mädchen zu einer starken, selbstbewussten Frau entwickelt, die ihr Leben in die Hand nimmt und über sich selbst bestimmt, ihrer Zeit und dem vorgezeichneten Weg zum Trotz.

Seit ich Caroline auf ihrer mutigen Odyssee begleite, habe ich meine Einstellung zu den Überraschungen, die das Leben für uns bereithält, verändert: Die negativen Überraschungen, die damit verbundenen Probleme, versuche ich, als Chancen für meine (Weiter-)Entwicklung zu sehen – und die positiven, viel mehr noch als früher, absolut zu genießen!

ZUFRIEDENHEIT

Kirsten Rick über ein schönes Gefühl, das man trotzdem vermeiden sollte

»Satt – was ist das? Entweder habe ich Hunger oder mir ist schlecht!« So kommentiert meine Mutter ihr Essverhalten nach Familienfeiern, bei denen wir alle dazu neigen, über die Stränge zu schlagen, oder in experimentellen Körner-Diät-Phasen (die allerdings nie länger als einen Tag dauern, manchmal auch nur bis zur ersten Mahlzeit). Da hält sie es ganz mit Mick Jagger, den sie ansonsten »hässlich wie eine Kröte« findet: »I can't get no satisfaction.«

Irgendwas ist ja immer.

Und das ist gut so.

Denn das ist unsere Triebfeder. Sonst würden wir alle wie in Aspik erstarren.

Den Satz »Bist du nun endlich zufrieden?« kenne ich nur mit einem leicht genervten Beiklang. Und die Antwort ist meistens: »Nein.«

Na gut, vielleicht manchmal ganz kurz. Zufriedenheit ist – genau wie Glück – kein andauernder Zustand. Es gibt diese klitzekleinen Momente, dieses Glitzern des Augenblicks, in dem alles stimmt. Leider ist es nicht so einfach, das wahrzunehmen. Deshalb gehen diese Momente so leicht unbemerkt vorbei. Aber, und das ist das Gute: es kommen neue. Dann ist man mit sich und der Welt zufrieden … bis einem auffällt, dass die Fenster mal wieder geputzt werden könnten oder die Haare komisch am Kopf ankleben.

Zufriedenheit ist eine gefährliche Falle. Unzufriedenheit hingegen kann einen retten, aus einem Leben, das so nicht passt. Unzufriedenheit mobilisiert ungeahnte Kräfte, macht stark und mutig, währende Zufriedenheit einlullend wirkt. Wenn man zufrieden ist, bedeutet das manchmal nur, dass man nicht sehen will, was nicht stimmt. 

»Mein Unbehagen begann an einem ungewöhnlich schwülen Tag im Mai«, bemerkt Silke, die Protagonistin in meinem Roman SCHLÜSSELFERTIG. Wenn Silke zufrieden gewesen wäre mit ihrem Leben, dann hätte ich dieses Buch gar nicht schreiben können. Dann hätten sie und ihr Verlobter das Haus auf dem Grundstück der Schwiegereltern gebaut, schlüsselfertig natürlich. Und Silkes größtes Problem wäre gewesen, ob sie sich nun für oder gegen eine zum Wohnraum offene Küche entscheidet. (Wahrscheinlich dafür, man kann ja später immer noch Glastüren einbauen.) Da wäre ich ja schon beim Schreiben eingeschlafen, und zwar nicht vor Zufriedenheit. Und Ihnen wäre es beim Lesen nicht anders ergangen.

Meine Figuren finde ich nie, wenn ich mich darauf konzentriere. Sie kommen zu mir, wenn ich es am wenigsten erwarte: auf dem Weg ins Büro, in dem eine unliebsame Aufgabe auf mich wartet. Beim Ausmisten einer Ponybox auf dem Reiterhof. Wenn ich ewig an der Supermarktkasse stehe, endlich dran bin und merke, dass ich den Reis vergessen habe. Manchmal sind es rundum entspannte Zeitgenossen, die mich dann eine Zeitlang begleiten … und die sich auch wieder verabschieden. Eine Kurzgeschichte oder ein Roman entsteht bei mir immer nur dann, wenn eine dieser Figuren unzufrieden ist. Wenn sie etwas will, was sie nicht hat – oder, wenn sie es hat, dann doch lieber etwas anderes möchte. Wenn ihr die Welt nicht passt und sie sich aufmacht, diese Welt zu ändern.

»Der unzufriedene Mensch findet keinen bequemen Stuhl«, behauptete Benjamin Franklin. Vielleicht trifft das auch auf meine Figuren zu. Ich schicke sie dann erst einmal in ein Möbelhaus, am besten begleitet von ihrer Mutter. Und dort drehe ich die Rolling Stones laut auf.

ZEHN GROSSE ROMANE

FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN von Daniel Oliver Bachmann

»Lag es an himmlischen Mächten?« Timothy Sonderhüsken, Programmleiter dotbooks, stellt Daniel Oliver Bachmanns FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN vor

Glauben Sie an Gott? Ich nicht. Leider! Manchmal wäre es hilfreich, aber ich bekomme das einfach nicht hin. Stattdessen neige ich zum Aberglauben. Kennen Sie den »Fluch des zweiten Buchs«? In Lektorenkreisen ist dies ein gefürchtetes Phänomen: Es geschieht leider recht häufig, dass sich das zweite Projekt, das man gemeinsam mit einem Autor realisiert, aus unerfindlichen Gründen nicht so gut verkauft wie der Vorgänger. Da hilft auch keine Kerze für den Heiligen Bartholomäus, Schutzpatron der Buchhändler und somit vermutlich auch für uns Lektoren zuständig.

Im November 2012 erschien bei dotbooks der erste Roman, den Daniel Oliver Bachmann uns anvertraut hat: ALL INCLUSIVE – DER SCHEIN TRÜGT hat mich damals von der ersten Seite an in seinen Bann geschlagen. Es ist eine abgründige, bitterböse Geschichte, eine Art literarisches Spinnennetz: vielschichtig gewoben, manchmal verwirrend und dabei so spannend, dass man gar nicht merkt, wie man sich immer mehr darin verstrickt. Ich habe Daniel Oliver Bachmann damals voller Überzeugung als »deutsche Antwort auf Bret Easton Ellis« bezeichnet … und natürlich trat mir der Angstschweiß auf die Stirn, als ich erfuhr, dass der Autor an seinem nächsten Roman für uns arbeitete. Was, wenn der Fluch des zweiten Buchs wieder zuschlagen würde? »Entschuldige bitte, Gott«, versuchte ich mich mit einem unsicheren Blick gen Himmel an einem gewagten Handel, »das wäre jetzt wirklich eine gute Gelegenheit, mir zu zeigen, dass es dich gibt.«

Lag es nun an himmlischen Mächten oder am guten Geschmack vieler Leserinnen? Der neue Roman von Daniel Oliver Bachmann stand Anfang 2014 auf Platz 1 der eBook-Charts einer großen deutschen Buchhandelskette! Es hätte aber wirklich mit dem Teufel zugehen müssen (an den ich, nebenbei bemerkt, auch nicht glaube), wenn FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN nicht eingeschlagen wäre wie eine Bombe – denn der Roman ist ganz einfach der Hammer! Daniel Oliver Bachmann erzählt die Geschichte von Martha, deren Leben an ihrem 50. Geburtstag eine ungeahnte Wendung nimmt. Zuerst fällt ihr treusorgender, aber etwas langweiliger Gatte um. Herzinfarkt. Das war es dann mit der Ehe. Und das Adjektiv »treusorgend« kann Martha auch direkt streichen. Ihr Mann hatte zwar keine Affäre in der Nachbarschaft – aber 35 Geliebte in Italien! Die mussten finanziell unterstützt werden, und deswegen steht Martha nun vor einem Schuldenberg. Da hilft nur eins: die beste Freundin einpacken, zügig in den fünften Gang hochschalten und nach Italien brausen, um dort nach dem Rechten zu sehen. Und nicht nur das. »Eine Frau über 50 braucht keinen Sex«, heißt es an einer Stelle, »eine Frau über 50 braucht ein Haustier.« Nun, das sieht Martha deutlich anders!

Nach dieser kurzen Inhaltsangabe könnten Sie der Meinung sein, ich würde von einem heiteren Frauenroman berichten. Tatsächlich gibt es in FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN jede Menge Gelegenheiten, laut loszulachen – aber der Humor ist nicht etwa rosarot, sondern rabenschwarz. Und auch darüber hinaus hat Daniel Oliver Bachmann einiges zu bieten: Genüsslich zertrümmert er Marthas Leben, gibt ihr so aber die Möglichkeit, sich vollkommen neu zu erfinden. Welche Rolle dabei die bereits erwähnte beste Freundin Ursel spielt, deren Mann und Marthas Halbbruder dürfte selbst die erfahrensten Romanleserinnen überraschen. Sie hin und wieder erröten lassen. Und natürlich bestens unterhalten!

An Gott glaube ich übrigens immer noch nicht. Aber umso mehr an Daniel Oliver Bachmann. Der hat mich von meiner Angst vor dem »Fluch des zweiten Buchs« geheilt. Er hat bewiesen, dass er großartige Frauenfiguren schaffen kann, die auch Männer begeistern. Und er hat mir nicht zuletzt immer wieder etwas zum Nachdenken gegeben – wie zum Beispiel mit dieser wunderbaren Erkenntnis: »Fällt dir auf«, sagt Ursel im Roman, »dass Erlöser immer männlich sind? Die Erwartung aber, die ist weiblich!«

Wenn Sie also eine neugierige Leserin sind, die sich viel von ihrer Lektüre erwartet: Greifen Sie zu FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN.

Drei Fragen an Daniel Oliver Bachmann

In FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN zertrümmern Sie mit spürbarem Vergnügen nicht nur einen Rolls Royce, sondern Marthas kompletten Lebensentwurf – und geben ihr so die Chance, sich neu zu erfinden. Glauben Sie, dass solche tiefen Einschnitte auch im richtigen Leben wichtig sind?«

Daniel Oliver Bachmann: »Ja, absolut, das ist keine Buchdramaturgie. Es ist ja nichts schwieriger als eingetrampelte Pfade zu verlassen. Dabei führt ein Lebensentwurf, der für das ganze Leben gelten soll wie bei Martha und Ursel, oft in die Sackgasse. Die Iren haben dazu ein schönes Sprichwort geprägt: ›Der Mensch plant, Gott lacht.‹ Die spannende Frage beginnt dann, wie wir aus einem Lebensentwurf heraus finden, wenn er Glück nur vorgaukelt, oder nicht einmal mehr das. Häufig muss dann alles erst in Trümmern liegen, bevor Neues entstehen kann. Vor ein paar Jahren war ich in der Kalahari an einem Ort, wo ein gewaltiges Buschfeuer alles niedergebrannt hatte: Eine hundert Quadratkilometer große schwarze Insel, und trotzdem gab es überall wieder neues Leben. Es war ein tolles Erlebnis zu beobachten, mit welcher Kraft es sich seinen Weg aus der Asche bahnte. Dieses Bild hatte ich beim Schreiben vor Augen.«

In FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN geht es – obwohl irgendwann die Behauptung in den Raum gestellt wird, dass eine Frau über 50 keinen Sex, sondern ein Haustier braucht – mitunter ganz schon freizügig zu. Warum?

Daniel Oliver Bachmann: »Es geht gar nicht ›ganz schön freizügig‹ zu, es geht zu, wie es im Leben zugehen soll: Warum sich kasteien, warum verzichten? Der Verzicht lässt Ehen einschlafen, was Martha und Ursel und natürlich auch die leidlich bekannten Statistiken beweisen. Verzicht bringt uns nicht weiter, sondern nur die Freude an dem, was wir tun. Wenn im Laufe dieser Geschichte unsere Heldinnen einige Tabus brechen, tun sie das der Liebe und des Lebens wegen. Ich finde, eine bessere Entscheidung kann man gar nicht treffen!«

In FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN begegnen wir neben Martha noch vielen anderen höchst spannenden Charakteren – haben Sie einen persönlichen Favorit? Über wen haben Sie am liebsten geschrieben?

Daniel Oliver Bachmann: »Ursel, ganz klar. Ich liebe ihre Kraft, aber ich weiß, das man sich vor ihr auch ein wenig fürchten muss. Schließlich scheint sie die Gabe zu besitzen, gewisse Dinge vorher sehen zu können. Und kommt man ihr blöd, ist mir ihr nicht gut Kirschen essen. Ich mag ihren Humor, und wenn FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN einmal verfilmt wird, schlage ich Marianne Sägebrecht für ihre Rolle vor.«

Leseprobe aus Daniel Oliver Bachmanns Roman FREIHEIT FÜR ANFÄNGERINNEN

Über dieses Buch:

Man sagt es nicht gerne, aber Theo war ein Schwein. Nicht nur, dass er den 50. Geburtstag seiner Ehefrau durch einen plötzlichen Herzinfarkt ruiniert hat – kaum ist er unter der Erde, stehen die Schuldner bei Martha Schlange. Wofür brauchte der auf den ersten Blick so biedere Weinhändler all die Kredite? Wie sich herausstellt, hat Theo seine Ausflüge nach Italien nicht nur genutzt, um edle Tropfen einzukaufen, sondern auch, um diverse Geliebte zu beglücken. 35, um genau zu sein. Und Kinder haben die meisten auch. Das wäre nun der passende Moment für einen kleinen Nervenzusammenbruch –aber Martha beschließt: so nicht! Kurzentschlossen macht sie sich auf den Weg, um jenseits der Alpen nach dem Rechten zu sehen. Doch das hat ungeahnte Folgen …

Sehr böse, sehr humorvoll, sehr ungewöhnlich: Ein Roman über die Liebe, die Leidenschaft und das Abenteuer Leben.

Über den Autor:

Daniel Oliver Bachmann, geboren 1965 in Schramberg, ist leidenschaftlicher Weltenbummler und Autor zahlreicher Romane, Erzählungen, Reiseberichte und Drehbücher. Ist er gerade nicht quer durch Afrika, Amerika oder Europa unterwegs, dreht der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg entweder Filme, z.B. für das ZDF und für ARTE, oder verschanzt sich in einer einsamen Hütte im Schwarzwald, um zu schreiben. Daniel Oliver Bachmann erhielt für sein Schaffen zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Münchner-Kurzgeschichten-Literaturpreis, den Georg-Sand-Literaturpreis und den Literaturpreis der Akademie Ländlicher Raum.

Der Autor im Internet: www.danieloliverbachmann.de

Daniel Oliver Bachmann veröffentlichte bei dotbooks bereits die Romane PETTING STATT PERSHING und ALL INCLUSIVE – DER SCHEIN TRÜGT. Weitere eBooks sind in Vorbereitung.

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Kapitel 1

Für prickelnde Spiele zur Nacht empfiehlt Matto Wehrle einen nuancenreichen Weißen Burgunder aus Württemberg mit mineralischer Fülle und salzigen Noten.

»Eine Frau ab fünfzig braucht keinen Sex«, sagt Frau Streewitz. Sie streichelt den Kopf des kleinen Hündchens, das aus ihrer Handtasche lugt. Ich lächle höflich, nicke höflich, denke: Blöde Kuh, du hast doch keine Ahnung. Doch was ich sage, klingt ganz anders. Was ich sage, ist: »Was darf’s denn sein, Frau Streewitz? Einen Châteaux Montpierre, wäre ein Châteaux Montpierre genehm?«

Frau Streewitz sagt: »Den letzten Sex hatte ich mit neunundvierzig, mit dem Gärtner, stellen Sie sich das mal vor. Da war Kai-Uwe beim Chefarztkongress in Lüdenscheid. Den musste man dann entfernen. Den Gärtner, meine ich.«

Frau Streewitz steht in meinem Geschäft, im Weinparadies Sommer – exquisite Weine für den erlesenen Geschmack – und kann sich nicht zwischen einem Châteaux Montpierre für 92 Euro die Flasche, einem Sette Ponti Oreno für 44 Euro die Flasche oder einem Bertolè Notte Insieme für 82 Euro die Flasche entscheiden.

»Wie auch immer«, sagt sie. »Ich brauche vier Kisten. Kai-Uwes Kollegen können ja so was von bechern.«

Kai-Uwe ist Stuttgarts führender Herzspezialist. Seine Kollegen, sagt Frau Streewitz, können eine löchrige Leber entlöchern, einen verstopften Darmausgang entstopfen oder eine ausgeleierte Vagina verengen. Vor allem aber können sie saufen.

»Saufen«, sagt Frau Streewitz, »können sie am allerbesten.«

Sie schaut mich durch ihre diamantumkränzte Designerbrille forschend an und erwartet eine Reaktion. Sie sagt so laut, dass es jeder im Laden hören kann: »Erzählen Sie mir nur nicht, dass sie noch Sex haben mit dem da.«

Der da ist mein Mann Theo. Er sitzt hinten im Büro und sollte die Buchhaltung machen. Was er stattdessen tut, ist, Erotikfotos downloaden. Im Weinparadies Sommer bin ich die Chefin, und ich kenne alle Geheimnisse. Auch die meines Mannes.

»Selbstverständlich haben wir Sex«, sage ich, und die Streewitz lächelt mit schiefem Mund, die falsche Schlange. Lächelt und sagt: »Das ist ja nett. Ich hoffe doch, guten.«

Zehn Jahre ist es her, dass ich guten Sex hatte. Das war an meinem vierzigsten Geburtstag. Den letzten Sex hatte ich vor acht Jahren. Den hatte ich mit Theo. Gegen meine Augenringe hilft Visible Eye Perfection mit Vitamin K. Gegen meine Schlaflosigkeit helfen Vivinox Sleep Stark Tabletten. Gegen unsere sexlose Zeit soll dieser Abend helfen. Denn heute ist mein fünfzigster Geburtstag. Und es ist der Tag unserer Silberhochzeit. Ich habe große Pläne. Ich werde Theo verführen. Nach acht Jahren werden wir wieder Sex haben, mit etwas Glück sogar guten. Ich werde Theo mit einem Bertolè Notte Insieme bezirzen, denn bei diesem Wein ist der Name Programm. Er bringt Samt und Seide auf die Zunge, er hat Tiefe und einen langen Abgang.

»Ich nehm einfach den Teuersten«, sagt Frau Streewitz. »Vier, nein, besser fünf Kisten. Lassen Sie liefern.«

Sie zahlt mit der Kreditkarte von Kai-Uwe. Ich halte ihr die Tür auf, sie stolziert hinaus. Obwohl ich größer bin als sie, schaut sie auf mich herab.

»Eine Frau ab fünfzig braucht keinen Sex«, sagt sie und streichelt ihr Hündchen. »Eine Frau ab fünfzig braucht ein Haustier.«

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Das Weinparadies Sommer gibt es seit vier Generationen. Mein Urgroßvater hatte eine Kohlenhandlung am Wasen, wo heute das Fußballstadion steht. Die Kohlen fuhr er mit dem Pferdewagen durch den Stuttgarter Kessel hoch auf die Berge, nach Degerloch und Fellbach, nach Vaihingen und Rohr. Bei ihm arbeitete ein Italiener, der »Italiener« hieß. Seinen richtigen Namen wusste keiner. Aber Italiener hatte Familie, sie schickte ihm Wein, der anders war als alles, was es bei uns in Württemberg gab. Schwarz war dieser Wein, schwer und fruchtig, und Italiener ließ den Urgroßvater probieren. Von da an nahm dieser immer ein paar Flaschen mit auf seine Kohlentouren, um unterwegs nicht zu verdursten und um seinen Kunden den Mund wässrig zu machen. Das klappte bestens, und nach ein paar Jahren konnte Urgroßvater den Kohlenwagen Kohlenwagen sein lassen. Er baute ihn zu einem fahrenden Fass um, und da kam rein, was Italiener aus der Heimat anschleppte. Die Geschäfte gingen gut. Als Urgroßvater die Gicht in die Glieder fuhr, machte er einen Laden auf, stellte das Fass hinein und nannte die Herrlichkeit Weinparadies Sommer. Da saß er den ganzen Tag, becherte mit seinen Kunden um die Wette und schickte irgendwann seinen Sohn mit Italiener in dessen Heimat. Dem gefiel es dort so gut, dass er vergaß, wieder heimzukommen. Das fiel ihm erst wieder ein, als Urgroßvater starb. Der wollte unbedingt im Fass begraben werden, aber Vater und Sohn haben sich nie verstanden, und so wurde da nichts draus. Stattdessen übernahm Großvater den Laden und baute ihn mit edlen Tropfen aus Italien und Frankreich aus. Damit machte er sich bei Stuttgarts Weinbauern unbeliebt. Doch die Stadt gedieh, mit Daimler, Porsche und Bosch prosperierten die großen Fabriken, es kamen immer mehr Leute, und die wollten keinen sauren Trollinger mehr trinken. Sie kauften bei meinem Großvater ein, und wer weiß, was aus ihm hätte werden können, der Weinkönig von Stuttgart möglicherweise, wenn nicht ein unbekannter englischer Bomberpilot in der Nacht vom 12. auf den 13. September 1944 eine 400-Kilo-Granate direkt auf den Laden geworfen hätte. Papa erzählte, außer einem acht Meter tiefen Krater sei nichts von Weinparadies Sommer übrig geblieben.

Papa sagte, Großvater sei praktisch dekantiert, so drückte er sich aus, dekantiert sei er.

Da hatte er Mama schon auf dem Waldfriedhof begraben. Mama wurde von einem Rennauto überfahren. Es geschah beim letzten Grand Prix auf der Solitude, der berühmten Rennstrecke, die sich durch die Wälder im Süden von Stuttgart schlängelte. Das Weinparadies Sommer war der offizielle Weinlieferant, es war stets ein gutes Geschäft. Wer weiß, ob der Fahrer des Unfallwagens nicht vor dem Start am Glas genippt hatte, jedenfalls kam er von der Strecke ab und raste in das Weinfass, einen Nachbau des alten Urgroßvaterfasses. Darin schenkte Mama gerade gegen ihren Willen einem Kunden Weinschorle Rot-Sauer ein.

Meine Mama war immer gegen Weinschorle gewesen, diesen Mörder des guten Geschmacks. Weinschorle, erklärte sie, verdirbt den Charakter der Leute.

Papa sagte nicht, Mama sei dekantiert worden, im Gegenteil, er sagte danach kaum mehr etwas. Papa verlor praktisch die Sprache, bis er nach sechs Jahren mit einer neuen Frau ankam, die das Gegenteil von Mama war. Sie bekam schnell ein Kind, meinen Halbbruder Quentin. Viel geredet hat Papa trotzdem nicht mehr, und so ist er auch gestorben. Schweigsam. Das Schweigsame hatte er mit meinem Ehemann Theo gemeinsam, der auch kein Redner vor dem Herrn ist. Sie verstanden sich gut, Papa und Theo. Auch wenn es bei uns nie zu Enkelkindern reichte.

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