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Verhandeln müssen Sie sowieso – warum also nicht erfolgreich?
In Minutenschnelle überzeugen – nach dem Prinzip des Welterfolgs »Der Minuten-Manager«.
Endlich selbstbewusst verhandeln und die richtige Taktik für sich nutzen: Anhand praktischer Beispiele präsentieren die Autoren die wichtigsten Strategien, wie man in jeder Situation optimal punkten kann. Das Beste daran: Komplexe Zusammenhänge werden in kurzen und prägnanten Einheiten serviert, die man sich ganz leicht aneignen kann, um im richtigen Moment zu glänzen.
Wie erreicht man seine Ziele? Wie einigt man sich in einer verfahrenen Situation? Verhandlungen spielen in allen Bereichen unseres Lebens eine wichtige Rolle – beruflich wie privat. Doch aus Furcht vor Auseinandersetzungen versuchen viele Menschen solche Situationen zu vermeiden. Mit den Minutenformeln lassen sich aber nicht nur unangenehme Gespräche bewältigen, vielmehr profitieren von dieser Methode alle, die in Diskussionen sicherer und überzeugender werden wollen.
Don Hutson und George Lucas verraten die wirkungsvollsten Verhandlungsstrategien. Ein bestechend einfacher und effektiver Weg, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen und die eigenen Interessen durchzusetzen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2012
DON HUTSON UND GEORGE LUCAS
EINFACH
ÜBERZEUGEN
Die Minuten-Formel für Ihren Erfolg
Aus dem Amerikanischen von Marion Zerbst
Die Originalausgabe dieses Buches erschien 2010 unter dem Titel The One Minute Negotiator. Simple Steps to Reach Better Agreements bei Berrett-Koehler Publishers, Inc.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
Aus dem Amerikanischen von Marion Zerbst
© 2010 by Don Hutson and George Lucas
© der deutschsprachigen Ausgabe 2012 Ariston Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten
German language edition is published by arrangement with the original publisher Berrett-Koehler Publishers, Inc.
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
ISBN 978-3-641-06843-1
Dieses Buch widmen wir unseren lieben Kindern:
von Don: Sandy, Scott und Kevin
von George: Taylor und Austin
Sie haben uns viel Freude gebracht,
und dafür lieben wir sie. Wir haben auch viel
von ihnen gelernt. Dafür sind wir ihnen dankbar.
Doch am allermeisten lieben wir Sie – unsere Leser –,
einfach, weil Sie so sind, wie Sie sind.
VORWORT
Wenn es ums Verhandeln geht, denken die meisten Menschen an die Begriffe Gewinnen oder Verlieren. Sie glauben, dass dabei nur einer gewinnen kann, während der andere verliert. Viele assoziieren Verhandlungskompetenz sogar mit der Fähigkeit, andere »über den Tisch zu ziehen«.
Doch genau darum geht es in diesem Buch nicht! Eine unserer wichtigsten Botschaften lautet, dass man mit anderen Menschen auch verhandeln kann, ohne sie dabei in irgendeiner Form hereinzulegen oder selbst hereingelegt zu werden. Statt sich darum zu streiten, wer das größte Stück vom Kuchen abbekommt, kann man nämlich zusammen auch einen größeren Kuchen backen – von dem beide Parteien etwas haben. In diesem Buch erfahren Sie, wie das geht.
Vielleicht sind Sie der Meinung, kein Verhandlungsgeschick zu benötigen. Denn viele Menschen glauben, allein mit einem charmanten Lächeln und ein paar netten Worten ans Ziel zu kommen; sie vertrauen darauf, dass ihre guten Absichten automatisch zu positiven Ergebnissen führen werden. Kooperation ist zwar ein nobles Ziel, doch wenn auf der anderen Seite des Verhandlungstisches ein knallharter, konkurrenzorientierter Mensch sitzt, der nicht das geringste Interesse an Kooperation hat, nützen Ihnen Charme und gute Absichten genauso wenig wie jemandem, der auf den Gleisen steht und mit einem herannahenden Zug zu verhandeln versucht. Sie müssen in der Lage sein, rechtzeitig zu erkennen, mit was für einem Verhandlungstyp Sie es zu tun haben, und dann genau die Strategie einsetzen, die zu Ihrem Gegenüber passt. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie es Ihnen gelingen kann, den heranbrausenden Zug rechtzeitig zu erkennen und einzusteigen, statt sich von ihm überfahren zu lassen.
Außerdem werden Sie eine Verhandlungsmatrix kennenlernen, mit deren Hilfe Sie herausfinden können, welche der vier Verhandlungsstrategien – Vermeidung, Anpassung, Konkurrenz und Kooperation – Ihr Gesprächspartner anwendet. Wenn Sie die Strategie Ihres Gegenübers richtig einschätzen können, werden Sie Ihr Ziel eher erreichen – und die Beziehung zu Ihrem Verhandlungspartner wird sich dadurch sogar noch verbessern. Sobald Ihnen diese Fähigkeit einmal in Fleisch und Blut übergegangen ist, werden Sie ein Leben lang davon profitieren. Sie werden besser zuhören, andere Menschen und deren Ziele besser beurteilen können und immer die richtige Strategie finden, mit der sich die bestmöglichen Resultate erzielen lassen.
Also befreien Sie sich von Ihrer »Verhandlungsphobie«. Lesen Sie dieses Buch, machen Sie sich auf den Weg zu mehr Kooperation und Erfolg – und genießen Sie diese Entdeckungsreise!
Dr. Ken Blanchard,
Co-Autor des Buches
Der Minuten-Manager®
Kapitel 1
VERHANDLUNGSPHOBIE? ICH? NIE IM LEBEN!
Zwei Eintrittskarten ins Paradies
»Willkommen in Miami« stand auf dem Schild in Terminal H des Miami International Airport. Als Jay Baxter diese freundlichen Zeilen las und nach dem Pfeil suchte, der ihm den Weg zur Gepäckausgabe zeigte, hatte er den Eindruck, noch nie und nirgends in seinem Leben herzlicher willkommen geheißen worden zu sein als hier. Er und seine Frau Laura durften an einer Reise teilnehmen, zu der seine Firma jedes Jahr alle Vertriebsmitarbeiter einlud, die ihr Verkaufssoll im Vorjahr um mehr als 10 Prozent überschritten hatten.
In diesem Jahr hatte das Topmanagement der Firma XL Information Solutions zunächst erwogen, die Reise aus Kostengründen ausfallen zu lassen. Doch der Vorstandsvorsitzende hatte in letzter Minute Einspruch erhoben und die Reise mit einer genialen Idee gerettet: Diesmal sollte sie nicht einfach nur als Belohnung fungieren, sondern zu Fortbildungszwecken genutzt werden. In seiner Mitteilung an die Belegschaft schrieb er, dass er sich von dieser Investition konkrete Umsatzsteigerungen versprechen würde. Doch alle Mitarbeiter wussten, dass das Event hauptsächlich deshalb zur Fortbildungsveranstaltung umfunktioniert worden war, weil Unternehmen Reisen, die der reinen Mitarbeitermotivation dienten, aufgrund von Änderungen in der Steuergesetzgebung jetzt nicht mehr so gut absetzen konnten. Jay war froh, dass seine Frau Laura von den Plänen seines Arbeitgebers, die Reise ausfallen zu lassen, nichts mitbekommen hatte. Laura hatte sich schon seit einem halben Jahr darauf gefreut, und er wusste, dass diese Reise die einzig legitime Entschuldigung für all die verspäteten Abendessen und versäumten Familienfeiern war, die er seiner Familie im letzten Jahr hatte zumuten müssen.
Bei ihrem Abflug in Cleveland hatte es geschneit, und es war eiskalt gewesen: fünf Grad unter null. Bei der Landung in Miami verkündete der Pilot eine Lufttemperatur von 25 Grad. Man brauchte den Fluggästen gar nicht mehr zu erklären, dass sie im »Sunshine State« gelandet waren. Es würde eine wunderbare Reise werden. Lauras Eltern waren extra aus Chicago nach Cleveland gekommen, um auf ihre beiden Kinder, die im Teenageralter waren, aufzupassen. Sie konnten ihren Urlaub also unbesorgt antreten.
Jay hatte sich diese Reise wirklich verdient. Seine Umsätze lagen höher über dem Verkaufssoll als die aller anderen 16 Teilnehmer. Viele seiner Kollegen hatten ihm E-Mails geschickt und gratuliert: Der begehrte »Verkäufer des Jahres«-Preis sei ihm wohl so gut wie sicher. Jay hatte schon einen Ehrenplatz für die goldene Statue auf seinem Schreibtisch ausgesucht und sich die wichtigsten Punkte für seine Dankesrede notiert.
Auch Laura hatte gehört, dass ihr Mann diesen Preis möglicherweise erhalten würde, denn solche Gerüchte sprachen sich bei den Ehefrauen der Mitarbeiter von XL sehr schnell herum. Auf dem Flug nach Miami meinte sie, dass sie die mit dem Preis verbundene Geldsumme doch eigentlich als Anzahlung für ein neues Haus verwenden könnten. Jay hatte diese geplante Veränderung schon eine ganze Weile vor sich hergeschoben, doch allmählich gingen ihm die Argumente aus. Es gab noch eine weitere Chance, von der Laura noch gar nichts wusste (und Jay hütete sich auch, ihr Hoffnungen darauf zu machen): Vielleicht würde er sogar befördert werden und die zurzeit freie Stelle eines Gebietsverkaufsleiters für den Oberen Mittelwesten bekommen. Dann könnten sie sich nicht nur eine höhere monatliche Hypothekenzahlung leisten, sondern damit würde sich auch der größte Karrieretraum seines Lebens erfüllen. Jay war schon seit Jahren auf diese Position scharf gewesen; und vor ein paar Wochen hatte der jetzige Verkaufsleiter angekündigt, demnächst in den Ruhestand zu gehen. Seitdem hatte Jay sich schon mehrfach heimlich in dessen Büro geschlichen, um sich darin umzusehen.
»Glaubst du, dass ich Angst vor Verhandlungen habe, Laura?«, fragte er seine Frau, während sie das Terminal durchquerten. »Wie kommst du darauf, Schatz?«, fragte sie zurück. Jay erklärte ihr, um welches Thema es in dem Workshop ging, der auf dieser Reise den größten Teil seiner Zeit in Anspruch nehmen würde. »Das Seminar von diesem Dr. Pat trägt den Titel ›So werden Sie Ihre Verhandlungsphobie los‹. In der Seminarbeschreibung heißt es, dass selbst die erfahrensten Profis an dieser Krankheit leiden – und zwar nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in ihrem Privatleben. Ich leide doch nicht unter Verhandlungsphobie, oder etwa doch?« Laura konnte dieser Chance, ihren Mann ein wenig auf den Arm zu nehmen, nicht widerstehen. »Jay, du leidest an einer Reparaturphobie, denn der Wasserhahn in unserem Badezimmer im ersten Stock tropft immer noch. Und du leidest auch an einer Gartenphobie – das Unkraut vom letzten Sommer wuchert immer noch vergnügt in unseren Blumenbeeten vor sich hin. Bei so vielen Ängsten würde es mich nicht wundern, wenn du auch eine Verhandlungsphobie hättest.«
»Danke, Schatz«, grinste Jay. »Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, wie sehr ich deine stets vorbehaltlose Unterstützung zu schätzen weiß?«
Sie hatten Glück: Ihre Koffer gehörten zu den ersten zehn auf dem Gepäckband. Jay hasste es, am Flughafen auf sein Gepäck warten zu müssen, aber diesmal hatte alles problemlos geklappt. Zehn Minuten später saßen sie im Shuttlebus zum Hafen von Miami. An der Hafenmole stiegen sie aus, und Jay drückte dem Busfahrer ein Trinkgeld in die Hand. Der Fahrer versicherte ihm auf sein Nachfragen hin mehrfach, dass die Koffer rechtzeitig in der Kabine ihres Luxusdampfers sein würden, sodass ihnen noch genügend Zeit blieb, sich zum Abendessen umzuziehen. »Das ist bei uns immer das gleiche einfache Prozedere. Wir machen das jeden Tag tausendmal, und es funktioniert immer«, erklärte er mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein. Sie brauchten also nur einzuchecken, ihren Pass und ihre Kreditkarte vorzulegen, an Bord zu gehen – und schon konnte das Vergnügen beginnen.
Als die beiden das gigantische Schiff betraten, schlug ihnen eine festliche Atmosphäre entgegen. Nachdem Jay die Rechnung für ihren Begrüßungscocktail unterschrieben hatte, wurde ihm schlagartig klar, dass der Spesengutschein über 400 Dollar, den die Firma jedem Ehepaar für diese viertägige Kreuzfahrt zu den Bahamas und nach Key West zur Verfügung stellte, rasch aufgebraucht sein würde. »Kein Problem«, sagte er zu Laura. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über Geld nachzudenken. Wir wollen lieber feiern, es uns gut gehen lassen und uns auf die schöne Zukunft freuen, die wir uns so hart erarbeitet haben.«
Deprimierende Gerüchte
Nach der obligatorischen Rettungsbootübung, die zwar eigentlich ernst gemeint war (so sah es jedenfalls die Mannschaft des Schiffs), von den Passagieren aber eher als willkommene Gelegenheit für Späße und johlendes Gelächter begrüßt wurde, kehrten Jay und Laura in ihre Kabine zurück. Sie war zwar nicht besonders groß, hatte aber wenigstens einen kleinen Balkon, auf dem die beiden auf das Wohl der armen Menschen trinken konnten, die nicht wie sie das Glück hatten, der Sonne und dem Vergnügen entgegensegeln zu dürfen. Laura forderte Jay auf, als Erster zu duschen und dann die Kabine zu verlassen, damit sie sich in aller Ruhe für das Abendessen zurechtmachen konnte. Er gehorchte.
Eduardo Carlos, der Vertreter für den Verkaufsbezirk Südflorida, hatte Jay bei der Rettungsbootübung gesagt, dass er ihn sprechen wolle. Jay und Eduardo hatten sich vor zwölf Jahren kennengelernt, als sie bei der Firma XL gemeinsam das Orientierungsprogramm für neue Mitarbeiter durchliefen. Sie warfen einander gerne neue Ideen zu wie Spielbälle und hielten sich für die cleversten Mitarbeiter, wenn es darum ging, neue Strategien ihres Unternehmens zu durchschauen oder aus den alljährlichen Änderungen der Vergütungspläne Kapital zu schlagen.
Jay zog sein neues T-Shirt mit rosa Flamingos und grünen Palmen an, das er, begleitet von lachenden Vorwürfen seiner Frau, für die Kreuzfahrt eingepackt hatte. Er gab ihr im Vorübergehen einen Kuss und machte sich dann auf die Suche nach seinem Freund.
Er traf Eduardo am Fahrstuhl auf dem Lido-Deck, und sie suchten sich einen Tisch, an dem sie sich in Ruhe miteinander unterhalten konnten. »Ich bewundere dich, Jay. Wie schaffst du es nur, trotz allem immer noch so ein fröhliches Gesicht zu machen?«, fragte Eduardo.
»Wovon redest du eigentlich?«, fragte Jay zurück. »Wir haben trotz schwieriger Märkte ein gutes Jahr hinter uns, wir befinden uns auf einem wunderschönen Kreuzfahrtschiff, und ich will mir ja nicht allzu viel auf meine rhetorischen Fähigkeiten einbilden – aber für meine Dankesrede für den ›Verkäufer des Jahres‹-Preis habe ich mir einige ganz hübsche Pointen zurechtgelegt. Auf jeden Fall wird meine Rede besser als die hochtrabenden Tiraden von Robert, die wir letztes Jahr über uns ergehen lassen mussten. Willst du ein paar Kostproben von meiner Rede hören?«
Eduardo machte ein erschrockenes Gesicht. »Du weißt es also noch nicht?«
»Was denn?« Jay fragte sich, ob wohl jemand aus der Firma gefeuert oder – noch schlimmer – ernsthaft krank geworden war.
»Ich wünsche dir wirklich, dass du eine Chance bekommst, deine Rede nächstes Jahr zu halten. Es geht das Gerücht um, dass Cathy Simmons heute Abend beim Preisverleihungsbankett zur ›Verkäuferin des Jahres‹ ernannt wird.« Eduardo versuchte seinem Freund die Neuigkeit möglichst schonend beizubringen.
»Cathy Simmons?« Jay sprach den Namen seiner Kollegin aus, als handle es sich dabei um eine Heuschreckenplage. Als er das letzte Mal einen Blick auf die Verkaufsergebnisse von XL geworfen hatte, war er ihr um gute 8 Prozent voraus gewesen. »Das kann doch nicht wahr sein. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie für eine ernsthafte Konkurrentin zu halten.« Seine Stimme versagte.
»Ich weiß, es ist nicht fair«, stimmte Eduardo ihm zu. »Deine Umsätze im letzten Jahr waren wirklich fantastisch. Anscheinend ist es bei der letzten Vorstandssitzung ziemlich heiß hergegangen. Alle waren überzeugt davon, dass du den Preis mehr oder weniger schon in der Tasche hattest; aber dann kam Bob Blankenship rein und hat alle Pläne wieder über den Haufen geworfen. Als Vorstandsvorsitzender kann man sich so etwas wahrscheinlich leisten.« Die Kriterien für die »Verkäufer des Jahres«-Preisverleihung waren immer schon ein bisschen vage gewesen; doch traditionsgemäß erhielt immer derjenige Vertreter die goldene Statue, dessen Umsätze am weitesten über dem Soll lagen. »Blankenship kam also rein und meinte, angesichts des hohen Profitabilitätsdrucks müsse die Gewinnmarge in diesem Jahr das wichtigste Kriterium für die Preisverleihung sein. Nach zwei Stunden, in denen alle Parteien aggressiv ihre eigenen politischen Interessen durchzuboxen versuchten, schnitt Cathy als Beste ab.«
Jay erinnerte sich an die Jahresabschluss-Kalkulationstabelle, die er vor ein paar Wochen studiert hatte, und ihm war, als sei ihm seine Kollegin in der Spalte »Beitrag zum Unternehmensprofit« tatsächlich um 5 Prozent voraus gewesen. Damals hatte er sich nicht viel dabei gedacht. Er hatte Monte Beal, den Vertreter für Nordkalifornien, immer für seinen einzigen ernsthaften Konkurrenten gehalten. »Bist du wirklich sicher, Eduardo?«, fragte er zweifelnd.
»Glaubst du, ich würde dir so etwas erzählen, wenn es nicht längst beschlossene Sache wäre?« Eduardo schien seine Informanten wirklich überall zu haben. Dass alle Details seiner Hiobsbotschaft zu stimmen schienen, verstärkte Jays wachsendes Gefühl der Panik und des Zorns nur noch. »Ich hasse es, der Unglücksbote zu sein, Jay«, fuhr Eduardo fort, »aber weil wir gerade dabei sind, die Karten offen auf den Tisch zu legen, kann ich dir genauso gut auch noch die zweite schlechte Nachricht überbringen: Wahrscheinlich wird heute auch Cathys Beförderung zur neuen Gebietsverkaufsleiterin für den Mittleren Westen bekannt gegeben. Anscheinend hat sie vor einem Jahr an irgend so einem Workshop teilgenommen, in dem man lernt, geschickt zu verhandeln. Ein ehemaliger College-Professor, Dr. Pat Soundso, hat den Workshop geleitet. Und weißt du, was der größte Witz bei der Sache ist? Dieser Professor befindet sich zurzeit hier auf dem Kreuzfahrtschiff und wird den Workshop halten, an dem wir armen Schweine teilnehmen müssen. Meine Luciana und deine Laura dürfen am Damen-Ausflugsprogramm teilnehmen, und wir müssen zusammen mit diesem Eierkopf in einem dunklen Konferenzraum hocken.« Jay hatte seinen Schock immer noch nicht überwunden. Er konnte nur zustimmend nicken und eine angewiderte Grimasse schneiden.
»Angeblich will dieser Typ so eine Art ›Krankheit‹ entdeckt haben, an der wir alle leiden«, sagte er dann langsam. »Kannst du dir das vorstellen? Er meint, wir seien alle Verhandlungsphobiker. Aber dieser Blankenship … Der steht tatsächlich voll hinter Cathy, stimmt’s?«
Das konnte Eduardo nur bestätigen. »Es tut mir wirklich leid, Jay, dass ich dich gleich mit so vielen unangenehmen Neuigkeiten überfallen musste. Ich war wirklich fest davon überzeugt, dass du das alles längst weißt. Aber vergiss nicht: Du hast echt ein tolles Verkaufsjahr hinter dir. Du warst spitze, und es wird schon alles gut werden. Wir sind beide Überlebenskünstler. Sonst würden wir es schließlich nicht schon seit zwölf Jahren in dieser verrückten Branche aushalten. Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
Jay versicherte ihm, es gehe ihm gut – oder zumindest gleich wieder gut. Eduardo verabschiedete sich und erklärte, er müsse erst noch nach einem von Lucianas fehlenden Gepäckstücken schauen und dann zu seiner Kabine zurückgehen, um sie abzuholen. »Wir werden beim Abendessen nach dir und Laura Ausschau halten. Wenn es keine feste Sitzordnung gibt, können wir uns vielleicht zusammensetzen.« Und schon war er weg, genau wie die optimistische Stimmung, mit der Jay diese Reise angetreten hatte – einfach spurlos verschwunden.
Eine zufällige Begegnung
Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass er noch eine Viertelstunde Zeit hatte. So lange würde Laura mindestens noch brauchen, um sich zurechtzumachen. Also ging er in die Beach Shack Lounge und bestellte sich etwas zu trinken. Als der Barkeeper das Getränk vor ihn hinstellte, spürte er, wie sich jemand auf den Hocker neben ihm setzte. Aber er war nicht in der Stimmung für ein belangloses Gespräch.
»Wo kommen Sie denn her?«, sprach sein Nachbar ihn an.
»Cleveland.«
»Nette Stadt, wirklich. Ich fahre gerne dorthin. Allerdings nicht unbedingt im Winter.«
»Na schön«, dachte Jay. »Das ist ja eigentlich eine ganz nette Bemerkung. Der Mann hat es verdient, dass ich ihm eine höfliche Gegenfrage stelle.« »Und Sie, wo kommen Sie her?«, erkundigte er sich pflichtschuldig.
»Zurzeit bin ich mehr oder weniger überall zu Hause, aber meine wahre Heimat ist immer noch San Angelo, Texas«, antwortete der Fremde mit dem starken Akzent, für den Texaner berüchtigt sind.
Jay warf einen Blick nach unten auf die Schuhe seines Nachbarn und wusste, dass er sich nicht getäuscht hatte.