Einmal ein Marine ... - Cat Grant - E-Book

Einmal ein Marine ... E-Book

Cat Grant

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Beschreibung

Nach seinem Abschied aus dem Marine Corps versucht Cole Hammond seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Doch der Wiedereintritt ins zivile Leben fällt ihm schwer – eine posttraumatische Belastungsstörung, die Ablehnung durch seinen homophoben Vater und ein schlechter Semesterabschluss seines Jurastudiums machen ihm zu schaffen. Da trifft er auf Marc Sullivan, tagsüber Kellner, nachts Schriftsteller. Marc steht auf sexy Kerle in Uniform und als Cole an einem regnerischen Nachmittag das Diner betritt, ziehen sein süßes Lächeln und der Carolina Akzent Marc sofort in ihren Bann. Allerdings hat Marc bereits Erfahrungen mit Marines gemacht – und die endeten immer schmerzhaft.

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Einmal ein Marine …

von Cat Grant

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe: Once A Marine

Übersetzung: Lena Seidel

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Yeko Photo Studio – fotolia.com

© Gorodenkoff – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-163-5

ISBN 9783-96089-164-2 (epub)

Inhalt:

Nach seinem Abschied aus dem Marine Corps versucht Cole Hammond seinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Doch der Wiedereintritt ins zivile Leben fällt ihm schwer – eine posttraumatische Belastungsstörung, die Ablehnung durch seinen homophoben Vater und ein schlechter Semesterabschluss seines Jurastudiums machen ihm zu schaffen.

Da trifft er auf Marc Sullivan, tagsüber Kellner, nachts Schriftsteller. Marc steht auf sexy Kerle in Uniform und als Cole an einem regnerischen Nachmittag das Diner betritt, ziehen sein süßes Lächeln und der Carolina Akzent Marc sofort in ihren Bann. Allerdings hat Marc bereits Erfahrungen mit Marines gemacht – und die endeten immer schmerzhaft.

Kapitel 1

November 2009

In der Sekunde, in der er das Diner betrat, ließ ich beinahe den Stapel Teller fallen, den ich trug. Mindestens eins neunzig groß, mit langen Beinen in Jeans, die über den muskulösen Schenkeln beinahe weiß waren. Er öffnete seine Regenjacke, die vom Novemberplatzregen tropfte, und schlug die Kapuze zurück. Oh, heiliger Himmel. Volle Lippen, breites Kinn, Wangenknochen, mit denen man ein rohes Steak schneiden konnte. Blond wie ein nordischer Gott und eine militärische Stoppelfrisur, die mir auf der Stelle meine Jeans zu eng werden ließ. Wie gut, dass ich meine Schürze anhatte. Ich schob mir die Brille zur Nasenwurzel hinauf und starrte weiter.

Ich war nicht der Einzige. Terrys Hand erstarrte augenblicklich über der Registrierkasse, als unser Neuankömmling ihr rasch zunickte, den Sportteil vom Tresen nahm und sich an den nächsten freien Tisch setzte. Er bemerkte nicht, dass wir ihn angafften, oder vielleicht interessierte es ihn auch einfach nicht. Derart umwerfend schöne Typen wie er waren wahrscheinlich daran gewöhnt.

„Das nenne ich einen großen, kühlen Schluck Wasser.“ Terry gab ihrem Kunden das Wechselgeld und schloss die Kasse mit einem Stoß ihrer ausladenden Hüfte. „Du glücklicher – er hat sich in deinen Bereich gesetzt. Oder willst du jetzt deine Pause machen?“ Sie grinste mich zähnefletschend an.

„Netter Versuch.“ Ich zwinkerte ihr zu, stellte meinen Tellerstapel in eine Wanne unter dem Tresen und nahm eine Tasse und die Kaffeekanne, ehe ich auf direktem Weg zu Mr. Groß-und-Schöns Tisch ging. Das Mistwetter hatte die meisten der üblichen Sonntagmorgen-Kunden abgeschreckt, deswegen lauerten mir keine Tassen auf, die nachgefüllt werden mussten.

Groß-und-Schön sah auf, als ich seinen Tisch erreichte. Ich schätzte ihn um die dreißig, mit tollen Augen – blasses Blau, aber nicht im Geringsten eisig. Lächelnd deutete ich mit der Tasse auf ihn. „Hi, ich bin Marc. Willst du Kaffee?“ Er nickte. „Möchtest du heute Morgen auch Saft oder vielleicht Wasser?“

„Kaffee reicht, danke.“ Für eine Sekunde hätte ich schwören können, dass ich das weiche Trällern eines Südstaatenakzents gehört hatte. Und nun bemerkte ich endgültig den Haarschnitt – an den Seiten und im Nacken fast bis auf die Kopfhaut geschoren und oben flach. Der traditionelle „High and tight“-Schnitt, der von Marines bevorzugt wurde. Süße, elende Erinnerungen, wie ich im Hinterzimmer einer Buchhandlung für Erwachsene in Oceanside auf die Knie ging, rasten mir durch den Kopf, während er sich ein wenig Zucker in den Kaffee löffelte und den ersten zaghaften Schluck trank.

Dann blickten diese großen blauen Augen in meine, stießen mich zurück in die Gegenwart. „Ähm, brauchst du noch ein bisschen für deine Bestellung?“

Er schnappte sich die Karte und warf einen raschen Blick darauf, wobei die mit „Café zur blauen Windmühle“ bedruckte Seite zu mir zeigte. „Ich nehme Bratkartoffeln mit zwei Eiern und Speck.“

Da war er, diesmal unzweifelhaft – dieser unüberhörbare zäh-wie-Honig Carolina Akzent. Genau wie bei Rob, erkannte ich mit plötzlichem Schmerz, während ich meinen Block und den Stift aus meiner Schürze zog, um seine Bestellung zu notieren. „Welche Art Toast?“

„Habt ihr Brötchen?“, fragte er schüchtern, ein Mundwinkel hob sich leicht.

„Ich fürchte, nicht. Wie wäre es mit einem englischen Muffin?“

„Das tut’s auch. Danke.“ Er trank von seinem Kaffee und wandte sich wieder dem Sportteil zu.

„Sieht aus, als hättet ihr euch nett unterhalten“, kommentierte Terry schelmisch, als ich um den Tresen herum kam und meine Bestellung in die Durchreiche zu Fernando legte. Der Geruch von verbranntem Toast und fettigem Frühstücksspeck flutete aus der Küche, unterstrichen von dem Geklapper des dreckigen Geschirrs, das Pedro, Fernandos Teenagersohn, nicht unbedingt vorsichtig in die Spülmaschine räumte. „Hast du mitbekommen, dass er deinen Arsch begutachtet hat?“

„Ja, genau.“ Noch vor sechs Monaten hätte sie mich damit treffen können. Terry liebte es, an meiner Kette zu zerren. Gutmütiges Zerren, aber immerhin.

„Ausnahmsweise verarsche ich dich nicht. Als du dich umgedreht hast, hat er direkt auf deine süßen kleinen Backen gesehen.“

Ich warf dem Militärtyp einen lässigen Blick zu. Er hatte sein Handy herausgeholt und hämmerte mit beiden Daumen auf der kleinen Tastatur herum. Es wirkte in seiner großen, langfingrigen Hand wie ein Spielzeug. Oh, gütiger Gott. Wenn es etwas gab, auf das ich total abfuhr, dann war es ein Kerl mit schönen Händen.

„Ich hab echt ein Glück.“ Terry schüttelte den Kopf, ihr brauner Pferdeschwanz schwang hin und her. „Alle heißen Kerle spielen in deinem Team.“

„Ich glaube, das muss sich erst noch herausstellen.“

„Warum überprüfen wir es nicht?“ Sie schnappte sich eine Kaffeekanne aus der Maschine. „Mal sehen, ob er nachgeschenkt haben will.“

Natürlich musste sich der mürrische alte Mr. Faber ausgerechnet diesen Moment aussuchen, zur Kasse zu humpeln, um seine Rechnung zu bezahlen. Während ich ihn abrechnete, versuchte ich über seine Schulter zu spähen, damit ich sehen konnte, was Terry machte.

Sie konnte wahnsinnig gut flirten, das musste ich ihr lassen. Ihre Hand lag verführerisch auf ihrer schräggestellten Hüfte, sie lächelte den Militärknaben breit an und klimperte mit den Wimpern. Er lächelte zurück, sein Blick lag auf ihrer beeindruckenden Oberweite. Das bedeutete jedoch noch gar nichts – Himmel, selbst ich starrte Terrys Titten ab und zu an, hauptsächlich weil sie die Schwerkraft zu verleugnen schienen. Sie unterhielten sich, aber ich konnte nicht hören, was sie sagten. Schließlich füllte sie seine Tasse auf und tänzelte zum Tresen zurück.

„Seine Mama hat ihn gut erzogen“, verkündete sie mit einem hingerissenen Seufzen. „So gute Manieren. Er nannte mich sogar Ma’am!“

Ich gluckste. „Vielleicht weil du ihn an seine Mutter erinnerst.“

„Pass auf, Bursche. Ich bin erst fünfunddreißig.“

Fernando zufolge hatte Terry ihren fünfunddreißigsten Geburtstag bereits zum sechsten Mal gefeiert. Aber weil ich keinen Tritt gegen das Schienbein wollte, hielt ich es für besser, das nicht zu erwähnen. Außerdem war meine Bestellung fertig.

Ich stapelte beide Teller auf meinen linken Arm wie ein Profikellner, nahm eine Flasche Ketchup und marschierte zurück zum Tisch von Mr. Militär. Er legte seine Zeitung zusammen und lehnte sich zurück, damit ich Platz hatte, alles auf den Tisch zu stellen. Als er seine Regenjacke von den Schultern streifte, wäre mir beinahe der Teller mit den Eiern und dem Schinken aus der Hand gerutscht. Ein echt enges schwarzes T-Shirt spannte sich über jeden harten, geschmeidigen Muskel in seiner Brust und den Schultern. Ich konnte mich gerade noch vom Sabbern abhalten.

„Ka-kann ich dir noch etwas bringen?“ Kaffee? Tee? Mich?

„Das ist alles für jetzt, danke.“ Sein rechter Ärmel schob sich nach oben, als er nach der Gabel griff und enthüllte ein kleines Tattoo mit einer Bulldogge, unter der „USMC“ stand. Nachdem ich in San Diego aufgewachsen war, hatte ich eine Menge Marine Corps Tattoos gesehen. Die meisten sahen auffällig und kitschig aus, aber dieses hier war richtig niedlich. War dieser Kerl ein echter Marine, oder wollte er nur so tun als ob?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. „Wir haben nicht allzu viele Devildogs in der Gegend. Bist du hier, um Berkeley vor der Plage der Liberalen zu schützen?“

Sofort verblasste sein Lächeln. „Ich schätze, dafür bin ich zu spät dran. Außerdem bin ich nicht im aktiven Dienst.“

Autsch. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte den Mund gehalten. „Na, sag einfach Bescheid, wenn du noch etwas brauchst, okay?“

„Mach ich.“

Binnen kurzem flaute der Regen zu einem Tröpfeln ab und das Geschäft ging los. Innerhalb einer halben Stunde war das Lokal voll und Terry und ich rannten uns die Hacken ab. Selbst Pedro kam nach vorne, um Tische abzuräumen und bei Gästen abzukassieren. Ich war so beschäftigt, dass ich nicht mitbekam, wie der Militärtyp ging. Als ich das nächste Mal zu seinem Tisch sah, war er weg.

Reichlich mies gelaunt stellte ich sein schmutziges Geschirr zusammen – und da war sein Telefon, unter dem Sportteil, den er gelesen hatte. Es war eines dieser Prepaid-Modelle in Taschengröße. Die Leute ließen sie ständig hier liegen. Sie waren billig genug, damit er sich eher ein neues kaufen würde als deswegen noch einmal zurückzukommen. Nun gut. Ich würde es ohnehin in den Fundsachenkarton werfen.

Dafür hatte er ein großzügiges Trinkgeld auf den Tisch gelegt: Fünf Dollar, obwohl das gesamte Frühstück weniger als zehn kostete. Eine nette Geste, vor allem nachdem ich vergessen hatte, noch einmal nach ihm zu sehen. Nicht nur verdammt süß, sondern auch ein Gentleman bis zur Sohle – und bei meinem Glück wahrscheinlich hetero bis zum Umfallen. Das Beste war, ihn sofort aus meinen Gedanken zu streichen. Ich schob das Handy in meine Tasche, stellte seine benutzten Teller auf meinen wachsenden Stapel und transportierte alles zum Tresen.

Gegen drei, als meine Schicht beendet war, fing die Sonne an, durch die restlichen Wolken zu spähen. Ich marschierte die drei Blocks bis zur Bushaltestelle und schloss dabei meine Jacke gegen die andauernde Kälte. Typisches Küstenwetter – kalt, nass und trüb von jetzt bis zum März. Dennoch roch die Luft gut, frisch und sauber durch den Regen.

An Sonntagen fuhren die Busse nicht oft. Während ich wartete, kauerte ich mich in das Bushäuschen und vergrub meine Hände in den Taschen meiner Jeans. Meine Finger schlossen sich um etwas Kleines aus Plastik. Shit, das Handy des Marines! Ein schlechtes Gewissen überkam mich, als ich es aus der Tasche zerrte und einschaltete. Was konnte es schaden, seinen Namen herauszufinden? Es war ja nicht so, als würde ich vorhaben, ihn zu verfolgen. Ein kurzer Blick, dann würde ich das verdammte Ding morgen zu den Fundsachen legen.

Cole Hammond. Ein guter, starker Name mit einem Hauch von Landleben. Er passte zu ihm. Seine Adresse stand direkt darunter. Knapp drei Blocks nördlich. Häh? Warum hatte ich ihn dann vor heute noch nie in dem Diner gesehen?

Zehn Minuten vergingen, und noch immer kein Zeichen von dem Bus. Ach verdammt – ich konnte ebenso gut laufen. Unabhängig davon, dass mein Apartment im Süden lag, bestanden meine Beine darauf, mich in die entgegengesetzte Richtung zu tragen, zu Cole Hammonds Wohnung.

Es war einer dieser üblichen deprimierend grauen Betonbauten in Channing, mit kurzer Gehdistanz zum Berkeley Campus. Ich hatte bis zu meinem Bachelor in einem der Studentenwohnheime nicht weit von hier gewohnt. War dieser Cole ein Student? Um den Bachelor zu machen sah er ein bisschen zu alt aus, aber die Hochschule für Aufbaustudien war denkbar. Vielleicht arbeitete er auf den Masterabschluss in einer Wissenschaft oder einen Ingenieursabschluss auf Staatskosten hin. Natürlich schien er sich besser auszudrücken als der Durchschnittssoldat. Klar, wenn Onkel Sam das Geld herausrückte, um ihn hierher zu schicken, war er wahrscheinlich ein Offizier.

Ich fand seinen Namen im Gebäudeverzeichnis, dann wurde ich gewaltig unschlüssig. Das war doch bescheuert. Was zum Geier dachte ich mir eigentlich? Ich sollte das Handy einfach in seinen Briefkasten werfen und von hier abhauen, ehe mich einer der anderen Bewohner herumlungern sah und die Polizei rief. Allerdings würde das Ding nicht in den Postkasten passen – die Schlitze waren nicht groß genug. Und wenn ich es im Foyer auf dem Tisch liegen ließ, könnte es gestohlen werden.

Ich konnte es zu seinem Apartment hochbringen. Es vor die Tür legen, klopfen und dann verschwinden, bevor mich jemand sah. So, wie man an Halloween jemandem eine Tüte mit brennender Hundescheiße auf die Schwelle legt, nur geringfügig fürsorglicher. Vielleicht sollte ich es einfach machen und es damit gut sein lassen. Immerhin war ich so weit gekommen.

Sein Apartment befand sich im dritten Stock. Ich entschloss mich, die Treppe statt des Fahrstuhls zu nehmen. Das Haus war ein Labyrinth aus Fluren, doch schließlich fand ich den richtigen. Als ich um die Ecke bog, sah ich, dass sich jemand vom anderen Ende des Korridors näherte.

Oh Gott, er war es!

In einer Hand trug er eine Einkaufstasche, einen Sixpack Bier hatte er sich unter den anderen Arm geklemmt. Billigbier, wie es aussah. Lustig, ich hatte ihn als Budweiser-Mann eingeschätzt. Seine großen blauen Augen weiteten sich, als er mich erkannte, und er hielt genau in der Mitte des Flurs an.

Ich hielt sein Handy hoch und zwang mich zu einem wackeligen Grinsen. Er sollte nicht denken, dass ich hier war, um ihn zu überfallen, obwohl allein der Gedanke schon urkomisch war. Wahrscheinlich konnte er mich mit dem Schnippen seines kleinen Fingers auf den Boden werfen. „Du hast was vergessen.“

„Heilige Scheiße.“ Er entspannte sich, stellte seine Einkäufe ab und fing an, seine Taschen zu durchsuchen. Vermutlich wollte er auf Nummer sicher gehen. „Ich wusste nicht einmal, dass es weg war. Danke, Mann. Ich weiß es zu schätzen, dass du extra deswegen hergekommen bist.“

Da war sie wieder, die gedehnte Sprechweise, diesmal sogar noch deutlicher.

„Das war nach dem tollen Trinkgeld das Mindeste, was ich tun konnte.“

„Kein Problem. Ich habe während der High School jeden Sommer gekellnert. Das ist ein harter Job.“ Er deutete mit dem Kinn zu seinem Apartment. „Ich wollte mir gerade ein kaltes Bier aufmachen und das Spiel ansehen. Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?“

Nichts ging über die Gastfreundschaft der Südstaaten. Ich lächelte und sagte: „Klar, warum nicht?“, dann folgte ich ihm in seine Wohnung.

Es handelte sich um ein Zwei-Zimmer-Apartment mit Blick auf einen kleinen grünen Flecken Innenhof und ein weiteres Apartmenthaus gegenüber. Das enge Wohnzimmer war gerade groß genug für eine Couch, einen Tisch und einen kleinen Flatscreen-Fernseher. Eine kombüsenartige Küche. Rechts vom Wohnzimmer befand sich ein kleiner Flur, der – vermutlich – zu Schlafzimmer und Bad führte.

Die Wohnung wirkte, als wäre eine Armee von Dienstmädchen soeben durchgehuscht, außer dem Laptop, der offen auf dem Tisch stand und von verschiedenen Büchern und Papierstapeln eingerahmt wurde. Bei einem dicken Exemplar stand in schwungvollen Silberlettern „Vertragsrecht“ auf dem Buchrücken.

„Juristische Fakultät, hm? Bist du in der Boalt Hall eingeschrieben?“

Er sah von den Einkäufen auf, die er soeben einräumte, und nickte. „Yup. Ich habe in diesem Semester angefangen.“

„Gefällt es dir?“

„Es ist okay. Um einiges schwerer, als ich vermutet hatte.“ Er packte zwei Flaschen aus, öffnete sie und brachte sie zum Tisch. Auf sein Nicken hin setzten wir uns, die Couchfedern quietschten unter unserem Gewicht. Ein klein wenig schäbig, aber nicht zu unbequem für etwas, das er wahrscheinlich in einem Second-Hand-Laden gekauft hatte. Er griff nach der Fernbedienung und schaltete er den Fernseher ein. Gerade lief Werbung, deshalb schaltete er auf stumm.

„Du bist in der Stadt seit … wann?“, fragte ich. „Letzten August? Und kommst erst heute in den Diner?“

„Ich wollte zuvor bereits hingehen, nachdem ich jeden Tag daran vorbeikomme, wenn ich Joggen gehe. Ich habe zwar nicht allzu viel Geld, um es in Restaurants auszugeben, aber heute wollte ich mich selbst verwöhnen und einen Geburtstag nachfeiern.“

„Na dann, alles Gute zum Geburtstag!“ Ich lehnte mich vor, um mit ihm anzustoßen, aber er hob eine Hand und hielt mich auf. „Du willst nicht darauf trinken?“

„Es ist nicht mein Geburtstag. Es ist der vom USMC. Oder war es, letzte Woche. Am zehnten November.“

Ach ja. Rob und seine Kumpel hatten daraus jedes Mal ein Riesending gemacht, sich gegenseitig auf den Rücken geschlagen und sich alles Gute zum Geburtstag gewünscht, als wäre jeder verdammte Marine auf der Welt am selben Tag geboren.

„Du bist nicht mehr im aktiven Dienst, aber du feierst trotzdem?“

„Ich halte nur die Tradition aufrecht“, erwiderte er mit einem Schulterzucken, dann stellte er den Fernseher wieder auf laut.

Football war nicht mein Lieblingssport. Ich erkannte nicht einmal, welche Teams spielten. Nach wenigen Minuten schweifte meine Aufmerksamkeit ab. Ich sah mich im Zimmer um, erschlagen von der Wucht der nackten weißen Wände. Keine Diplome, keine Belobigungen, keine Fotos. Keine Erinnerungen an Zuhause oder die Familie. Kam mir merkwürdig vor.

Bis zur nächsten Werbepause leerten wir unser Bier, und er stand auf und brachte die zweite Runde.

„Wird dir nicht langweilig, wenn du außer dem kleinen Stück Garten vor dem Fenster sonst nichts zum Anschauen hast?“, fragte ich.

Er lachte leise. „Ich habe keine Zeit für Langeweile. Die Schule hält mich auf Trab. Außerdem schaue ich lieber auf vier kahle Wände anstatt Meilen über Meilen verdammten Sandes.“

„Du warst im Irak?“

„Yup. Fünf Mal.“ Mit zusammengekniffenen Lippen reichte er mir die neue Flasche und setzte sich wieder.

Heilige Scheiße. Ich hätte das Thema bleiben lassen sollen, aber die Neugier war größer. „In Bagdad?“

„Und Fallujah. Zwei Mal.“

Eine lange Weile konnte ich nichts anderes, als ihn anzustarren. Dieser Typ hatte zwei der hässlichsten und brutalsten Kämpfe des gesamten Krieges überlebt. Trotz meiner linksgerichteten politischen Ansichten kam ich nicht umhin, ihn zu bewundern. „Sieht aus, als hättest du es in einem Stück da raus geschafft.“

„So in etwa.“ Wieder erschien das süße kleine Grinsen auf seinen Lippen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut dem Spiel zu. 

Diesmal leerten wir unsere Flaschen schneller. Als ich ausgetrunken hatte, spürte ich einen kleinen Schwips. Cole wartete die nächste Werbepause ab, um uns eine weitere Runde zu holen. Ich wollte ihm schon sagen, dass ich genug hatte, aber bei dem Blick aus seinen blauen Augen, während er mir die Flasche reichte, verdorrten mir die Worte in der Kehle.

Er setzte sich näher zu mir – nahe genug, um ihn zu berühren – sackte in sich zusammen und legte den Arm auf die Rückenlehne der Couch. Für eine Sekunde oder zwei erstarrte ich, doch dann lehnte ich meinen Kopf nach hinten, bis er auf seinem Unterarm lag. Sein gebräunter, schön muskulöser Unterarm, überzogen mit weichem, blassem Haar, das sich an meinem Nacken wie Seide anfühlte. Er warf mir einen Blick zu und lächelte kurz.

Was zur Hölle? Sendete er mir Signale oder versuchte er lediglich zu entspannen? Inzwischen brachte er mein Herz zum Rasen, doch noch immer wollte ich ihm nichts unterstellen. Hätte ich nicht so ein gutes Gespür gehabt, wann man besser Fersengeld gab, wären mir bei dem Versuch, Jungs herumzukriegen, die behaupteten hetero zu sein, mehr als einmal die Lichter aus geschlagen worden. Aber Cole hatte nichts behauptet; ich hatte lediglich eine Vermutung angestellt. Eine eventuell fehlerhafte Annahme. War es trotzdem das Risiko wert, es herauszufinden?

Einen weiteren Schluck Bier später nahm mir meine linke Hand die Entscheidung ab. Der Atem gefror mir in den Lungen, als ich meine Hand über Coles Knie legte und es leicht drückte. Ich schloss die Augen, halb in der Erwartung, von ihm rausgeworfen und geschlagen oder zumindest weggestoßen zu werden, doch stattdessen spürte ich seine schwieligen Finger über meine Wange streichen, sein Daumen fuhr über meine Unterlippe.

„Du hast einen schönen Mund“, flüsterte er, Bier und Erregung vermischten sich in seinem Ton zu einem heiseren Grollen. „Warum benutzt du ihn nicht?“

Daran gab es nichts misszuverstehen. Ich stellte mein Bier weg, ging zwischen seinen gespreizten Beinen auf die Knie und sah zu ihm auf, um sicherzugehen, dass er es wirklich so meinte. Der heiße Glanz in seinen Augen und die Art, wie sich sein Atem beschleunigt hatte, wie die Spitze seiner Zunge seine Lippen anfeuchtete, sagte mir alles, was ich wissen musste.

Sein Schwanz stand senkrecht unter seinem Hosenschlitz, eine harte Beule, die den Reißverschluss praktisch sprengte. Behutsam zog ich den Reißverschluss auf und war überrascht, darunter blau-weiß karierte Boxer zu finden. Jeder andere Marine, mit dem ich zusammen gewesen war, hatte entweder Slips getragen oder weißen Feinripp. Die Zeit wirbelte zurück und ich konnte förmlich den dreckigen Boden einer Videothek unter meinen Knien spüren, eine große, schweißige Pranke, die sich in meinen Nacken legte, als mir der Kerl seinen Schwanz in den Hals schob. Von der Erinnerung und dem Duft von Coles ersten klaren Tropfen leicht benommen, ließ ich meine Lider sinken und beugte mich vor, um mir seine Schwanzspitze zwischen die Lippen zu saugen.

Er schmeckte gut. Salzig und bitter, ein perfekter, köstlicher Schwanz. Beinahe zu groß für mich, wovon ich hätte ausgehen sollen – Typen von seiner Größe waren normalerweise bestückt wie ein Maulesel. Ich machte den Mund weit auf und ließ ihn hineingleiten, bis er an meiner Kehle anstieß, atmete tief durch die Nase ein und schluckte.

Cole keuchte, vergrub seine Hände in den Kissen, stieß ein paarmal ruckartig zu und kam.

Ich saugte weiter an ihm, bis er fertig war, weil ich keinen einzigen Tropfen verschwenden wollte. Anschließend zog ich ihn sanft aus meinem Mund, verstaute ihn in der Boxer und zog den Reißverschluss zu. „Kurz und süß“, sagte ich lächelnd und wischte mir die Mundwinkel ab, „aber ich schätze, das sollte ich als Kompliment sehen, hm?“

„Äh, ja.“ Er saß kerzengerade da, sein Gesicht war grell pink, er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Seine Finger zitterten, als er die Fernbedienung nahm und den Fernseher ausschaltete, obwohl das Spiel noch nicht vorbei war. „Ich muss noch lernen, also …“

Ich gaffte ihn an und fragte mich, ob ich mir die Ohren putzen sollte. „Du wirfst mich raus?“

„Schau, ich habe keine Zeit mehr. Ich habe scheiße viel Lesestoff nachzuholen …“

Seine Lippen bewegten sich weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Diesen Text kannte ich bereits. Nachdem er gekommen war, wollte er mich loswerden. Ich hatte nicht gedacht, dass er diese Art von Kerl wäre, aber natürlich war er es. Sie waren es alle. Selbst nach der Hölle, durch die mich Rob und Tony geschickt hatten, war ich hier, wieder einmal angezogen von einem heißen Haarschnitt und einem Körper mit harten Muskeln. Wie konnte ich nur so ein verdammter Idiot sein?

„Ja, klar“, schnappte ich und schnitt ihm damit endgültig das Wort ab. „Mach dir keine Gedanken, ich hab’s schon kapiert. Ich gehe.“ Ich stand auf, packte meine Jacke und rannte förmlich zur Tür, wobei ich halb hoffte, dass Cole mich aufhalten würde.

Was er nicht tat.

Kaum trat ich aus dem Foyer des Hauses, als es erneut zu regnen begann. Fluchend zog ich mir die Kapuze meiner Jacke über den Kopf, schob die Hände in die Taschen und marschierte nach Süden zu meiner Wohnung. Vielleicht beruhigte mich ein langer Spaziergang, damit ich mir nicht so verdammt billig und missbraucht vorkam, aber irgendwie bezweifelte ich das.

*****

Als ich am Montag zur Mittagsschicht am Diner ankam, stand Terry vor der Küchentür, rauchte eine Marlboro Light und starrte in den wolkigen Himmel. „Ist es nicht ein bisschen früh für deine Pause?“, fragte ich, duckte mich an ihr vorbei und hängte meine Jacke an den Haken neben der Stechuhr.

„Pedro ist vorne. Ein paar Minuten bekommt er das schon hin. Es ist schon den ganzen Morgen kaum was los.“ Sie machte den letzten Zug, warf die Kippe auf den Boden und trat sie mit dem Absatz ihres Sneakers aus. „Dieser heiße Typ war wieder da. Er schien ein wenig enttäuscht, als ich ihm sagte, dass du noch nicht da bist. Er bat mich, dir das zu geben.“ Sie kramte in ihrer Schürzentasche und holte schließlich ein zusammengefaltetes Blatt des gelben Papiers heraus, auf das wir normalerweise unsere To-go-Bestellungen kritzelten. „Keine Sorge, ich hab’s nicht gelesen“, fügte sie mit einem schiefen Grinsen an.

Ich wollte es auch nicht lesen. Einen Moment lang war ich drauf und dran, es einfach in den Mülleimer zu werfen, doch stattdessen drehte ich mich um und öffnete die Nachricht langsam. „Tut mir leid wegen gestern“, stand darauf. „Ich wollte dich nicht verärgern. Grüße, Cole.“ Nicht gerade die wärmste Entschuldigung aller Zeiten, aber wenigstens hatte er mich nicht mit der alten „Wow, ich war betrunken!“-Ausrede abgespeist. Nicht dass es einen Scheiß bedeutete. Wenn er noch einmal herkam, würde ich Terry ihn bedienen lassen.

Gott, der Eingangsbereich war zu kalt zum Herumstehen. Ich merkte nicht, dass ich zu zittern begann, bis sich Terrys Hand auf meine Schulter legte. „Ist etwas passiert, Sweetie? Du kannst es mir erzählen.“

„Es ist nichts“, murmelte ich. „Er, ähm, hat gestern sein Handy auf dem Tisch vergessen, also habe ich es ihm gebracht und …“ Und das war es dann. Der Rest der Geschichte sprudelte aus mir heraus, bevor ich sie aufhalten konnte.

„Du hast ihm einen geblasen und er hat dich rausgeworfen?“ Sie rollte die Augen. „So ein Trottel. Wenn es dich tröstet, ich habe auch schon ein paar Arschlöcher wie ihn gehabt.“

„Ich auch. Was bedeutet, dass ich es eigentlich besser wissen sollte.“

„Männer! Man kann nicht mit ihnen leben – und wenn man sie erschießt, muss man einen Platz finden, wo man sie begraben kann. In jeder Hinsicht zu viele verdammte Probleme.“ Lächelnd umarmte sie mich rasch. „Mach dich deswegen nicht selber fertig, Süßer. Das ist es nicht wert.“

Ich arbeitete bis sieben und bat dann Fernando, mir ein Sandwich mit Hähnchensalat zu machen, das ich mit nach Hause nehmen konnte. Die meiste Zeit machte ich mir die Mühe zu kochen, selbst wenn es nur Rühreier mit Toast waren, aber heute Abend wollte ich noch ein paar Stunden schreiben, ehe ich ins Bett ging. Ich wollte das neueste Kapitel zu Ende bringen und es per Email an meinen Lektor schicken, damit er es vor unserem Treffen morgen noch lesen konnte. Schuldgefühle prickelten bereits unter meiner Haut, weil ich es ständig auf die lange Bank schob, aber in letzter Zeit hatte ich Probleme mit der Motivation. Die wöchentlichen Treffen mit Ben gaben mir den benötigten Tritt in den Arsch.

Als ich mich die Treppen zu meinem Apartment hochgeschleppt hatte, entdeckte ich meine Katze am Fenster sitzen. In dem Moment, als ich die Tür öffnete, huschte er zu mir, um mich zu begrüßen, blinzelte mit ihren limettengrünen Augen, miaute und versuchte, mein Bein hochzuklettern. Ein schneller Blick zu seiner leeren Schüssel in der hintersten Ecke der Küche verriet mir, warum. Ich legte mein Sandwich in den Kühlschrank, holte den Beutel mit dem Trockenfutter aus dem Kästchen unter der Spüle und nahm eine gute Hand voll. „Hier hast du dein Fressen, Thomas“, sagte ich und warf es in seine Schüssel. Er sauste an mir vorbei, vergrub sein schwarzweißes Gesicht im Futternirwana und begann zu fressen. „So viel zur Katzenliebe“, maulte ich. „Wenn du bewegliche Daumen hättest, würdest du mich überhaupt nicht brauchen, oder?“

Thomas fraß weiter, ohne mir auch nur das kleinste Bisschen Aufmerksamkeit zu schenken.

Mit einem resignierten Seufzen räumte ich das Katzenfutter weg und trottete in mein Wohn-Schrägstrich-Schlafzimmer. Ein Doppelbett, ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Tisch, ein verschlissener kleiner türkischer Teppich, den ich eine Weile nicht mehr staubgesaugt hatte. Regale voll mit gebrauchten Büchern, DVDs und CDs bedeckten die komplette linke Wand. Ein Autor braucht seine Musen, und meine hießen Geschichten und Musik. Ich besaß auch einen Fernseher, ein altersschwaches Ding, das ich seit einer Ewigkeit nicht mehr eingeschaltet hatte. Nachdem ich kein Kabelfernsehen hatte, schaute ich mir normalerweise nur DVDs auf dem Laptop an.

Fünf Jahre in derselben Wohnung, und das sah man verdammt noch mal auch. Ich könnte die Wände streichen, um es gemütlicher zu machen, aber wozu? Ich nahm kaum jemanden mit hierher. Der letzte Typ, mit dem ich ausgegangen war, hatte vor Monaten aufgehört anzurufen, und nachdem, was mir gestern mit Cole passiert war … Himmel, was zur Hölle war eigentlich mein Problem? Warum zog ich nur Kerle an, die der Meinung waren, ich sei die Anstrengung nicht wert?

Ich kickte meine Sneaker von den Füßen und streckte mich in dem Versuch, den Schmerz aus den Beinen und dem Rücken zu bekommen. Die meiste Zeit machte mir das nicht allzu viel aus; ich war es gewöhnt, acht oder mehr Stunden auf den Füßen zu sein. Ich hatte nicht immer gekellnert, aber selbst als ich am Berkeley City College unterrichtet hatte, hatte ich jeden Tag stundenlang in dem Vortragssaal gestanden. Dann hatten die beschissenen Einsparungen ihren Tribut gefordert und meine Stelle wurde durch die Budgetkürzungen gestrichen. Sicher, ich hätte mich nach einem netten, langweiligen Bürojob umsehen können, aber die anständig bezahlten gab es nur über die Brücke in der Stadt, und diesen Albtraum von Fahrzeit wollte ich mir nicht antun. Außerdem ließ mich der Gedanke, einen Anzug und eine Krawatte zu tragen, erschauern.

Es war eigenartig, aber der Diner hatte sich als passend für mich herausgestellt. Es gab zwar nur gesetzlichen Mindestlohn, doch an den meisten Tagen erhielt ich gutes Trinkgeld, und so sicher wie das Amen in der Kirche blieb ich in dem Job aktiver, als wenn ich hinter einem Schreibtisch gesessen hätte. Auch wenn es nicht das war, wo ich mich selbst vor fünf Jahren gesehen hatte. Knapp dreißig, mit einem Masterabschluss in der Tasche, und bediente die immer gleichen Leute, um meine Miete zu bezahlen, wenn doch das, was ich wirklich wollte, nur den ganzen Tag Schreiben war.

Aber jetzt musste ich mich damit zufrieden geben, den ganzen Abend zu schreiben. Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen, rollte meinen steifen Nacken, öffnete mein Laptop und fuhr es hoch. In meinem E-Mail Account löschte ich erst den Spam und prüfte das verbleibende Dutzend Nachrichten nach möglicher Wichtigkeit. Und, oh mein Gott, da war sie, die eine, auf die ich den ganzen letzten Monat mit einem Kribbeln im Bauch gewartet hatte: ein Vertragsangebot für mein letztes Buch. Ich las die E-Mail, scrollte dann zurück  zum Anfang und las sie noch einmal, während ich auf meinem Stuhl tanzte.

Mein neunter Vertrag in den vergangenen drei Jahren, und jedes Mal war es ein echter Nervenkitzel. Das Beste daran, jedes neue Buch brachte mir mehr Geld als das vorangegangene. Das große Geld heimste ich zwar nicht ein, aber wenn meine Verkaufszahlen weiter so stiegen, konnte ich vielleicht in den nächsten Jahren irgendwann meinen Tagesjob an den Nagel hängen.

Ich entschloss mich, mir zur Feier des Tages ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, doch es erinnerte mich an mein gestriges Erlebnis mit Cole. Und ich hatte keine Zeit, mich jetzt damit aufzuhalten. Stattdessen legte ich meine Lieblingssymphonie von Mahler auf, öffnete mein aktuelles Manuskript und machte mich an die Arbeit.

Kapitel 2

Cole erwachte mit einem leisen Aufschrei und Herzklopfen, in seinem Kopf echoten Schreie und Explosionen. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihn die warme Decke über ihm und das fahle graue Licht der Straßenlaterne vor seinem Fenster daran erinnerten, wo er sich befand.

Er tastete blind auf seinem Nachttisch herum, fand den Blister mit den Xanax und schluckte eine davon trocken, dann schloss er die Augen und versuchte sich auf langsame Atemzüge zu konzentrieren. Endlich hörte sein Puls auf zu rasen, er setzte sich auf und blinzelte auf den Radiowecker. Beinahe halb fünf. Es hatte keinen Sinn, noch einmal einschlafen zu wollen, wenn er in einer halben Stunde ohnehin aufstehen musste. Er schaltete den Alarm aus und tappte ins Bad, wo er sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Dann, unwesentlich wacher, warf er sich den Bademantel über und schlurfte in die Küche, um sich Kaffee zu kochen.

Sein erster Unterricht begann um acht, aber er versuchte, zuvor ein oder zwei Stunden koffeingeladen den Stoff zu wiederholen, ehe er zum Joggen ging. Das musste er, um mit seinen Klassenkameraden zumindest mithalten zu können. Himmel, er wurde alt – oder vielleicht war er einfach auch schon zu lange aus der Schule. Er musste nicht mehr jeden Tag eine Zusammenfassung schreiben, wie damals in der Akademie, und es gab keinen obligatorischen Sport. Alles, was er zu tun hatte, war, sich den Arsch ab zu lernen, und selbst das bekam er kaum hin. In jedem verdammten Fach lag er mindestens ein Kapitel zurück.

Während er darauf wartete, dass sein Kaffee durchlief, wusch er den Stapel Teller ab, der sich in der Spüle angehäuft hatte. Gerade hatte er alles weggeräumt, als sein Blick auf das schnurlose Telefon fiel, das am anderen Ende der Arbeitsplatte stand und dessen wild blinkendes Licht eine Nachricht anzeigte. Das musste seine Mutter sein. Sie war die Einzige, die ihn über das Festnetz anrief.

Die Kaffeemaschine piepte. Cole schenkte sich eine große Tasse ein und nippte, schwelgte in dem ersten herrlichen Geschmack des Morgenkaffees. Dann zog er das Telefon zu sich und setzte sich auf die Couch. Zuhause war es beinahe acht Uhr, seine Eltern waren mit Sicherheit schon auf. Vielleicht hatte er Glück und seine Mutter ging ans Telefon. Wenn nicht, konnte er immer noch auflegen.

Er drückte auf die Kurzwahltaste und hielt die Luft an. Nach dem zweiten Klingeln klickte es in der Leitung. „Hallo?“, war die weiche Stimme einer Frau zu hören.

„Hallo, Mama. Tut mir leid, dass ich dich gestern nicht zurückgerufen habe. Ich war dieses Wochenende ziemlich beschäftigt mit Lernen und so.“ Nicht die ganze Wahrheit, aber er konnte ihr ja schlecht sagen, was er gestern Nachmittag gemacht hatte, oder mit wem. Er starrte auf das leere Kissen neben sich, sein Magen verknotete sich. „Ist Zuhause alles in Ordnung?“

„Oh, wir hatten diese Woche einen kleinen Krach, fast so, als wäre Hurrikan Ida durchgerauscht, oder dieser Nordoststurm, der die Küste entlangfegt. Dein Vater versucht immer noch, sich an seine Pensionierung zu gewöhnen. Er benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen!“ Sie lachte. „Jeden Tag steht er mit den Hühnern auf und arbeitet in der Garage an dem alten Mustang.“

Dad bastelte seit Jahren an dem Haufen Schrott. Als er auf der Akademie gewesen war, hatten sie in seinen kurzen Sommerferien gemeinsam daran gearbeitet. Der Gedanke, dass er seinem Vater vielleicht nie mehr damit helfen würde, tat weh. „Das freut mich zu hören“, murmelte er.

Er wartete, dass sie weiter erzählte, aber das Schweigen dauerte für seinen Geschmack zu lange. „Ist alles okay, Mama?“

„Oh, mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe nur für einen Augenblick den Faden verloren.“ Sie lachte nervös und schwieg erneut. „Der wirkliche Grund für meinen Anruf war, dass ich herausfinden wollte, was du an Thanksgiving vorhast. Es ist nur noch ein paar Wochen hin.“

Himmel. Er hatte noch nicht mal über Thanksgiving nachgedacht. Oder Weihnachten. Oder irgendwas, außer wie er durch das Semester kam, ohne von der Schule zu fliegen. „Ehrlich, Mama“, begann er so liebevoll er konnte, „ich glaube nicht, dass ich es dieses Jahr schaffe. Tut mir leid.“

„Nun, ich muss zugeben, dass ich enttäuscht bin. Die gesamte Familie vermisst dich.“

Er lachte bitter. „Das bezweifle ich.“

„Cole, du musst ihm Zeit geben. Er wird damit klarkommen. Wie mit allem.“

Seine Hand verspannte sich am Telefon. „Du warst nicht dabei, Mama. Du hast nicht gehört, was er gesagt hat. Dass ich eine Schande für das Corps war. Dass ihm mein Anblick den Magen umdreht. Dass er sich schämt, mich seinen Sohn zu nennen.“

„Oh Cole …“ Ihre Stimme schwankte. Cole betete zu Gott, dass ihre Stimme nicht brechen würde, sonst würde seine ebenfalls kippen. „Er versucht es, er versucht es wirklich. Wir beide versuchen es. Es ist nicht leicht, das in Worte zu fassen.“

Damit trug sie sich ein kurzes, bellendes Lachen ein.

„Schatz, hör mir zu …“