Takedown - Cat Grant - E-Book

Takedown E-Book

Cat Grant

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Beschreibung

Sein gewalttätiger Vater hatte Tom Delaney aus Lincoln Beach vertrieben. Jetzt, wo er zurück ist, stellt er fest, dass nicht einmal die guten Dinge, die er zurückgelassen hat, noch dieselben sind. Die alte Nachbarschaft ist ein gefährliches Elendsviertel. Eddies Diner liegt in den letzten Zügen. Gloria, die sich um ihn gekümmert hat wie um ihren eigenen Sohn, ist schwer krank. Seine einzige Zuflucht ist Bannon's Gym, wo Danny Bannon sein Talent für Mixed Martial Arts förderte. Bannon's beherbergt auch Travis, seinen Ex-Sparringspartner und Ex-One-Night-Stand. Der Mann, der Tom bei ihrem letzten Aufeinandertreffen im Ring einen gebrochenen Kiefer und eine Gehirnerschütterung beschert hat. Die Funken sprühen immer noch, im und außerhalb des Rings. Aber als Travis' eigene Probleme im wahrsten Sinne des Wortes explodieren, könnte ihre einzige Chance, auf ihrer zerbrochenen Vergangenheit etwas Solides aufzubauen, in Flammen aufgehen. Band 2 der Bannon's Gym Reihe Band 1: Black Dog

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Seitenzahl: 279

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Cat Grant

Takedown

Bannon’s Gym Band 2

Impressum:

© dead soft verlag, Mettingen 2022

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe: Takedown (Bannon’s gym 2)

Übersetzung: Elian Mayes

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

Michael Cola – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-563-3

Inhalt:

Sein gewalttätiger Vater hatte Tom Delaney aus Lincoln Beach vertrieben. Jetzt, wo er zurück ist, stellt er fest, dass nicht einmal die guten Dinge, die er zurückgelassen hat, noch dieselben sind. Die alte Nachbarschaft ist ein gefährliches Elendsviertel. Eddies Diner liegt in den letzten Zügen. Gloria, die sich um ihn gekümmert hat wie um ihren eigenen Sohn, ist schwer krank.

Seine einzige Zuflucht ist Bannon’s Gym, wo Danny Bannon sein Talent für Mixed Martial Arts förderte. Bannon’s beherbergt auch Travis, seinen Ex-Sparringspartner und Ex-One-Night-Stand. Der Mann, der Tom bei ihrem letzten Aufeinandertreffen im Ring einen gebrochenen Kiefer und eine Gehirnerschütterung beschert hat.

Widmung

»Time is the longest distance between two places.«

- Tennessee Williams

»We don’t see things as they are, we see them as we are.«

- Anaïs Nin

Kapitel 1

»Unsere Punktrichter bewerten diesen Kampf mit 29/28, 29/28 und 30/27«, verkündete der Moderator. »Der Gewinner, durch einstimmigen Beschluss, ist: Tom Delaney!«

Die vollbesetzte Universitätssporthalle brach in Applaus aus, als der Ringrichter meinen Arm zum Sieg hob. Eine verdammt gute Belohnung dafür, dass ich mich bis ins Halbfinale durchgekämpft hatte. Ich schlug mir mit den Fäusten auf die Brust wie King Kong, während die Menge jubelte und pfiff, dann klopfte ich meinem Gegner auf den Rücken. »Guter Kampf«, rief ich, bevor ich aus dem Käfig kletterte.

Danny wartete am Fuße der Treppe mit einem breiten Grinsen auf mich. »Gut gemacht, Junge.« Er warf mir einen Bademantel über die verschwitzten Schultern und reichte mir eine Flasche Wasser. »Am Ende dachte ich fast, er hätte dich gehabt.«

Die schmerzhafte Stelle unter meinen Rippen, wo mein Gegner mich erwischt hatte, stimmte ihm zu. Morgen würde ich da einen wunderschönen blauen Fleck haben, aber in diesem Moment spürte ich es sie kaum.

Danny führte mich zu einer der leeren Bänke, aber ich setzte mich nicht. Zu viel Adrenalin pumpte noch durch meine Venen. Die Art und Weise, wie Danny mit den Füßen wippte, verriet mir, dass er eine Zigarette brauchte. »Geh ruhig nach draußen, wenn du möchtest«, sagte ich. »Ich mach eine Pause.«

»Besser nicht. In einer Minute sagen sie die Finalkämpfe an.« Er öffnete seine Wasserflasche und nahm einen Schluck. »Entspann dich ein bisschen und ich schaue, gegen wen sie dich antreten lassen.«

Ich zog meine Handschuhe aus und wischte meine verschwitzten Hände mit einem Handtuch ab. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief, ließen die vielen Menschen hier den Ort schmelzen. Mein Blick glitt über die übliche Schar von Kämpfern, Trainern und verschiedenen Schiedsrichtern, die sich in der Haupthalle tummelten, und landete auf dem rot-weiß-blauen Banner der NorCal Regional MMA Championships am Nordende der Halle. Es war dasselbe Turnier, an dem ich in den letzten zwei Jahren teilgenommen hatte, aber dieses Mal hatte ich zum ersten Mal eine echte Chance, meine Liga zu gewinnen.

Entspannen? Ja, klar. Komm schon, drei Kämpfe sind vorbei, einer steht noch aus. Du kannst das schaffen.

Ich begann auf und ab zu gehen, schüttelte meine Arme aus. Ich wischte mir das Gesicht ab und kippte den letzten Schluck Wasser hinunter, als ich Danny sah, wie er sich durch die Menge drängte, während er mit gerunzelter Stirn die Karte in seiner Hand studierte. »Was ist los?«, fragte ich.

Er reichte mit die Karte.

Ich las zwei Namen, die um den ersten Platz im Bantamgewicht kämpfen würden. Ich und … heilige Scheiße. »Ist das ein Scherz?«

»Nein, und du solltest besser nicht so tun, als wär‘s einer.«

»Wissen die, dass er mal …«

»Spielt keine Rolle. Es ist, wie es ist.« Er durchbohrte mich mit einem scharfen Blick. »Ist das ein Problem?«

Was? Gegen einen Freund zu kämpfen? Gegen einen Ex-Sparringpartner? Einen Ex-… Ex? Nicht einmal das. Wir waren nur kurz zusammen gewesen, letzten Sommer. Ich hatte es Danny nie erzählt. Verdammt, wenn er wüsste, dass einer seiner Ausbilder es mit einem seiner Kämpfer getrieben hatte, würde er ausrasten. Was es nicht einfacher machte, dem intensiven Blick aus seinen grünen Augen zu begegnen. »Nein«, sagte ich. »Überhaupt kein Problem.«

Eine Stimme drang knisternd und dröhnend aus der Lautsprecheranlage und kündigte meinen Kampf an. Verdammt. Ich verschränkte meine Arme, damit Danny nicht sah, wie sie zitterten.

»Ganz ruhig«, sagte er und lehnte sich nahe zu mir, um nicht über die Welle aus Jubel und Beifall hinwegschreien zu müssen.

Ich stieß zitternd den Atem aus. Ich hätte wissen müssen, dass ich ihm nichts vormachen konnte.

»Du kennst seine Schwächen, aber er kennt auch deine. Werde nicht sentimental. Ihr seid hier keine Freunde, ihr seid Gegner.«

An den gegenüberliegenden Enden der Halle waren zwei Kampfkäfige in Standardgröße aufgebaut. Wir gingen zu dem am südlichen Ende und der Schiedsrichter gebot mir, in die nordöstliche Ecke zu treten. Danny kletterte hinter mir her und half mir mit den Handschuhen.

Über Dannys Schulter hinweg sah ich, wie sich mein Gegner aufwärmte. Wippend und tänzelnd schlug er ein paarmal in die Luft. Er war ähnlich gebaut wie ich, aber ungefähr zehn Zentimeter größer und mit breiteren Schultern. Sauber rasiert, schmutzig-blondes, raspelkurz geschorenes Haar. Über seinem linken Auge befand sich ein Schnitt mit einem Schmetterlingsverband, Schrammen und Kratzer zierten seine Brust und seinen Oberkörper. Ich kannte diesen Körper, erinnerte mich an das glatte, straffe Gefühl dieser Muskeln unter meinen Händen, an die Art, wie er sich über mir bewegt hatte. In mir …

Danny klopfte mir auf die Schulter. »Ich bin gleich da drüben«, sagte er und nickte dem Mann in der Ecke meines Gegners kurz zu, bevor er herunterkletterte, um sich in die Nähe des Kampfrichtertisches zu begeben.

Der Ringrichter winkte mich und meinen Gegner in die Mitte des Rings, gab das übliche Blabla über faires Verhalten zum Besten, dann ging es zurück in unsere Ecken. Mein Gegner starrte mich an. Seine grauen Augen waren wie Stein.

Was würdest du tun, um zu gewinnen?, hatte er mich einmal gefragt.

Alles, was nötig ist, hatte ich geantwortet.

Der Schiedsrichter rief »Kampf!«, aber wir tänzelten und schlugen nicht, sondern taxierten uns gegenseitig. Es war ein langer Tag gewesen, wir hatten schon zwei Kämpfe hinter uns und ich konnte an der Art, wie er seine rechte Schulter fallen ließ, erkennen, dass er müde war. Ich schlug mit links, aber er wich aus und stürzte sich dann auf mich. Sein Streifhieb traf den frischen Bluterguss unter meinen Rippen. Ich stolperte und wäre fast gegen den Käfigzaun geprallt.

Ich brauchte länger, als ich sollte, um mich davon zu erholen. Er sah seinen Vorteil und versuchte, mir die Beine wegzuziehen, einer von Dannys typischen Moves, aber ich wich zurück.

»Tritt ihn, verdammt noch mal!«, schrie Danny. »Schlag ihn! Tu was!«

Die Menge begann, uns auszubuhen. Sie hatten für eine gute Show gezahlt, aber wir lieferten keine. Gott, wer hatte die Lichter angeschaltet? Sie brannten mir durch die Haut. Schweiß rann mir in die Augen. Mein Gegner wippte hin und her, sein Grinsen schrie mich quasi an: Lass dir Zeit, Arschloch. Ich hab den ganzen Tag Zeit, um dich fertigzumachen.

Scheiß drauf. Ich sprang auf ihn zu und landete ein paar schnelle Schläge. Er versuchte, den Arm um meinen Hals zu bekommen, aber der Schweiß ermöglichte es mir, von ihm wegzurutschen. Ich grinste über den roten Fleck an seinem Kiefer. Morgen würde er ein schönes Souvenir haben, das ihn an mich erinnern würde.

Hör auf, dein verdammtes Werk zu bewundern, und geh aus dem Weg!

War das Danny oder mein eigenes Hirn, das mich anschrie?

Zu spät. Mein Gegner drehte sich und versetzte mir einen Tritt direkt ins Gesicht.

Glühender Schmerz explodierte in meinem Kopf. Ich schlug auf der Matte auf und die Welt wurde dunkel.

Kapitel 2

Zwei Jahre später

Lincoln Beach veränderte sich nie. Ich erkannte die goldglänzende Spitze des Strandpavillons, die sich im Nebel erhob, als ich die Kurve auf dem Pacific Coast Highway nahm. Der alte BMW meiner Mutter hustete, aber ein Tritt aufs Gaspedal brachte mich über die Kuppe und in die Stadt. Ich fuhr an der ersten Ausfahrt vorbei und weiter bis zur Ocean Street.

Außer dem 7-Eleven war noch nichts geöffnet, also parkte ich am Straßenrand und ging hinein, um mir einen Kaffee zu holen.

Der schmuddelige Kerl hinter dem Tresen blickte von seiner Zeitung auf und schielte den ganzen Weg zur Kaffeestation zu mir herüber. Dachte er, ich würde mich mit einer Tüte Fritos aus dem Staub machen?

Ich goss mir einen großen Kaffee ein, kippte etwas Zucker hinterher und brachte ihn nach vorne. Ich legte drei Dollar auf den Tresen und wandte mich zum Gehen.

»Hey!«, bellte der Typ.

Ich erstarrte und wappnete mich instinktiv für: Bist du nicht der Typ, der seinen Alten ins Gefängnis gebracht hat? Es war überall in der Zeitung.

Stattdessen streckte er mir seine Hand entgegen. »Sie haben Ihr Wechselgeld vergessen.«

»Danke.« Wow, ganze dreißig Cent. Ich warf sie in das Trinkgeldglas neben der Kasse und machte mich auf den Weg zur Tür.

Gott, entspann dich. Seit der Verhandlung sind vier Jahre vergangen. Niemand erinnert sich daran. Außer Sharon. Und Gram. Und alle, die letzte Woche seine verdammte Todesanzeige in der Zeitung gelesen haben.

Leichter Nebel lag in der Luft und die feuchte Kühle ließ meinen Kiefer schmerzen. Kaum zu glauben, dass es Juli war. Die Leute dachten, in den kalifornischen Küstenstädten gäbe es nur Shorts und Sandalen. Sie hatten keine Ahnung. In einem Monat würde es sonnig und warm sein, aber bis dahin musste ich mich mit dem beschissenen Sommerwetter in der Stadt rumschlagen.

Fast wäre ich wieder ins Auto gestiegen, aber meine Beine waren schon ganz verkrampft, weil ich die ganze Nacht hinter dem Steuer gesessen hatte. Also zog ich meinen Kapuzenpulli zu und lief stattdessen. Hier unten gab es viel mehr leere Schaufenster, als ich in Erinnerung hatte, und auch ein paar kaputte Straßenlaternen. Diese Seite der Stadt hatte noch nie einen besonders guten Ruf gehabt.

Verdammt, es war echt kalt und der Kaffee in meiner Hand half nicht dagegen. Der Scheiß schmeckte eh nach gezuckertem Schlamm. Ich warf ihn in einen Mülleimer und ging weiter. Meine Sneaker knirschten auf dem feuchten Bürgersteig. Ich lief vorbei an einem alten, heruntergekommenen Mann, der in der Tür des Secondhand-Ladens schnarchte, und vorbei an der Bank, bei der ich früher meine Gehaltsschecks eingelöst hatte.

Ein vertrauter alter Ford Pick-up-Truck tuckerte und stotterte die Straße hinunter und hielt an der Ampel an der Ecke. Ich lief hinüber und klopfte an das Fenster. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob Eddie mich erkannte, doch dann weiteten sich seine Augen und er beugte sich vor, um die Tür zu öffnen. Ich kletterte hinein und umarmte ihn.

»Gloria wird dich erwürgen, weil du nicht angerufen hast«, sagte er und klopfte mir auf den Rücken.

Ich grinste. »Und so die Überraschung verderben?«

»Scheiß auf Überraschungen. Du weißt, wie sehr sie sich sorgt.« Die Ampel wurde grün und er trat aufs Gas. »Grad angekommen?«

»Jepp.«

»Geflogen oder gefahren?«

»Gefahren. Hat fünf Tage gedauert.«

Er warf mir einen Du-verarschst-mich-doch-Blick zu. »Den ganzen Weg von Rhode Island? Hast du überhaupt geschlafen?«

So viel ich konnte, wenn ich mich an Tankstellen auf dem Rücksitz ausgestreckt hatte. Adrenalin und ein Bleifuß hatten mich durchgebracht, obwohl Ersteres schnell nachgelassen hatte. Ich zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Gähnen. Selbst mit Handschuhen waren meine Hände immer noch eiskalt. »Ich wollte einfach nur hierher, weißt du?«

Er bog ab und fuhr auf einen Platz hinter einem Diner. Der Truck rumpelte und wackelte, als er den Schlüssel abzog.

»Klingt, als bräuchte dein Wagen einen Check-up«, sagte ich.

»Was er wirklich braucht, ist der Schrottplatz.« Die Tür knarrte, als er ausstieg. »Komm mit rein. Ich mache dir was.«

Genauso wie beim letzten Mal, als wir uns getroffen hatten. Nur dass er diesmal keinen Betrunkenen von mir heruntergezogen hatte, der versucht hatte, mich auszurauben. Er hatte mich aus dem Regen geholt, mir einen Kaffee eingegossen und mir Frühstück gemacht. Außerdem hatte er mir einen Job angeboten und, abgesehen von einem Tag Arbeit, nie nach einer Gegenleistung gefragt.

Ich folgte ihm nach drinnen. Die Küche war blitzblank, was ein großer Unterschied zu dem war, als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Ich pfiff. »Was ist los? Hast du kein Geschirr benutzt, während ich weg war?«

Er verzog spöttisch die Lippen und griff nach seiner Schürze. »Du bist nicht der einzige Hilfskellner, den ich je eingestellt habe.«

»Sieht aus, als hättest du endlich jemanden gefunden, der ein noch größerer Ordnungsfanatiker ist als ich.«

»Wenn du nach Ladenschluss vorbeikommen und uns beim Aufräumen helfen willst, werde ich dich nicht daran hindern.« Die Flügeltüren zischten, als er hindurch trat. Ich ging hinter ihm her und lächelte über die alten Coors- und Coca-Cola-Schilder an der Wand. Früher war ich jede Woche auf eine Trittleiter gestiegen, um sie abzustauben. Ich hatte das Chrom an den Tischen und Theken poliert, die rot-weißen Lederbänke abgewischt, Salz- und Pfefferstreuer sowie Serviettenhalter aufgefüllt, die Tische abgeräumt, Geschirr abgespült und Essensbestellungen entgegengenommen. Das war der erste und beste Job, den ich je gehabt hatte.

Der Hocker ganz links an der Theke, ein paar Schritte von Eddies abgetrenntem Grill entfernt, war mein alter Platz. Die rissige, mit Klebeband geflickte Polsterung knisterte, als ich mich hinsetzte und den Milchshaker, die Bunn-Kaffeemaschine und den treuen grünen Kühlschrank hinter dem Tresen betrachtete. »Ich kann nicht glauben, dass all dieses alte Zeug noch funktioniert«, sagte ich.

»Gerade noch so. Ich habe das Ding dieses Jahr schon dreimal reparieren lassen.« Er rüttelte ein paarmal am An-Schalter der Kaffeemaschine, bevor das Licht endlich rot aufleuchtete. »Und, wie geht’s dir? Ich weiß, es ist eine Weile her, aber …«

Meine Zunge schob sich instinktiv auf meine rechte Mundseite. Ich hatte Implantate, wo ich drei Zähne verloren hatte, und ein Stück Silikon ersetzte einen Teil meines Kiefers. Im Spiegel sah ich nicht anders aus, aber immer wenn ich die Augen schloss, sah ich wieder diesen Roundhouse-Kick auf mich zukommen. Ich unterdrückte ein Schaudern. »Mir geht’s gut.« Abgesehen von meinem Kiefer, der in der Kälte pochte, und der gelegentlichen Migräne. Aber warum sollte ich Eddie davon erzählen? »Wo ist Gloria?«

»Sie hat sich vor einem Jahr zur Ruhe gesetzt. Die Arthritis hat sie eingeholt.«

»Wow. Hätte nie gedacht, dass sie hier freiwillig rausgeht.«

»Ist sie nicht. Aber sie konnte keine zehn Stunden am Stück mehr stehen.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, rotes Haar. An den Schläfen wurde es ein wenig silbern, aber das stand ihm gut. Wie alt war er nun? Siebenunddreißig? Achtunddreißig?

»Trainierst du noch?«, fragte ich und nahm mir schon mal ein Tütchen Zucker.

»Ich trainiere im Fitnessstudio, wenn ich Zeit habe.« Das erklärte, wie er seinen schlanken, muskulösen Körper behalten konnte. »Es ist schwer, den Laden allein am Laufen zu halten.«

»Warum stellst du keine andere Kellnerin ein?«

»Kann ich mir nicht leisten. Aber ich bringe Miguel bei, wie man kellnert.« Die Kaffeemaschine piepte. Eddie füllte Tassen für uns beide.

Ich rührte den Zucker ein und schlang meine Hände um die Tasse. Meine Finger kribbelten und brannten, als sie aufzutauen begannen.

»Es hat sich viel verändert, seit du weg bist. Die ganze Straße hat praktisch die Bürgersteige hochgeklappt.«

»Ja, habe ich gesehen.« Der volle, rauchige Geschmack von Eddies Kaffee rann über meine Zunge; seine Wärme flutete meinen leeren Magen. »Wie läuft das Geschäft?«

»Wir haben immer noch unsere Stammkunden, aber ich hab nicht mehr länger als bis sieben auf.«

»Das ist scheiße.«

Eddie zuckte mit den Schultern. »Ich helfe Danny im Fitnessstudio, wenn ich Zeit habe. Er möchte vielleicht in ein besseres Gebäude umziehen.«

»Ein besseres Gebäude oder einen besseren Stadtteil?«

»Beides.« Er leerte seine Tasse und schenkte uns nach. »Wir sind hier unten aufgewachsen, aber es ist nicht mehr das Gleiche. Ich hatte in den letzten sechs Monaten zwei Einbrüche. Gut, dass niemand hier war.«

Ja, gut für den, der eingebrochen ist. Ich hatte schon viele von Eddies Schlägen abbekommen. Jeder, der dumm genug war, sich mit ihm anzulegen, konnte von Glück reden, wenn er nicht im Krankenhaus landete.

Ein Klopfen an der Eingangstür ließ mich auf meinem Stuhl herumfahren. Den dunkelhaarigen Bären auf der anderen Seite der Tür erkannte ich sofort.

Eddie ging hin, um ihn hereinzulassen. »Sieh mal, wer gerade aufgetaucht ist«, sagte er und wies mit dem Daumen in meine Richtung.

»Ach, leck mich doch.« Danny stemmte die Hände in die Hüften. »Konntest du nicht an dein verdammtes Telefon gehen?«

Ich lachte. »Das haben Eddie und ich schon geklärt.«

»Dann beweg deinen Hintern hierher und umarm mich.«

Ich durchquerte den Raum in drei langen Schritten und lief direkt in seine starken und muskulösen Arme, die mich auf die Matte gedrückt und mir beigebracht hatten, mich zu verteidigen. Er roch nach Seife. Seine wenige Tage alten Stoppeln kratzten an meiner Wange.

»Schön, dass du wieder da bist, Kleiner.«

Wir setzten uns, während sich Eddie hinter die Trennwand verdrückte und anfing, Speck und Eier zu braten. Der Geruch von Fett, das in der Pfanne brutzelte, erinnerte mich an all die Morgen, an denen ich mich vor Sonnenaufgang aus dem Bett geschleppt hatte, um ihm im Laden zu helfen. Morgen wie dieser, wenn Danny vorbeikam, um sich uns anzuschließen.

Ein riesiger Teller mit Essen wurde mir vor die Nase geschoben. Eddie schnappte sich seinen und Dannys Teller und setzte sich neben ihn, wobei sich ihre Schultern berührten. Ich grinste. Sie hatten nie viel aneinandergehangen, aber solche Kleinigkeiten sagten viel aus.

Mein Magen knurrte wieder. Ich grub meine Gabel ins Essen.

Danny sah zu, wie ich es hinunterschlang, und ein Grinsen umspielte seine Lippen. »Gibt es in Providence keine Restaurants?«

Ich schluckte den letzten Bissen knusprigen Specks hinunter und wischte die Reste des Eigelbs mit einer Scheibe Toast auf. »Nicht so etwas.«

Eddie spähte über Dannys Schulter. »Willst du einen Nachschlag?«

»Gott, ja.« Ich stopfte mir den Toast in den Mund und reichte ihm meinen Teller.

Eddie und Danny tauschten Blicke aus. Verschwörerisch oder nur amüsiert? Sie kannten sich schon so lange, dass sie nicht mehr reden brauchten. Eddie ging zurück in die Küche, während Danny seine Tasse nahm und einen ausgiebigen Schluck nahm.

»Also«, sagte er, »kommst du danach mit mir zum Training?«

Ich erstarrte. »Ich, äh, bin mit dem Trainieren nicht wirklich hinterhergekommen. Die Ausbildung hat so ziemlich meine ganze Zeit in Anspruch genommen.«

»Schon okay.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Wir bringen dich schon wieder in Form.«

Kapitel 3

Das Studio hatte schon bessere Tage gesehen. Die Parkplätze hätten ein neues Pflaster vertragen können und auch die Außenwand brauchte einen neuen Anstrich. Danny ließ uns durch die Hintertür rein. Unsere Schuhe quietschten auf dem abgelaufenen grauen Linoleum. Der Gestank von Tigerbalsam und Voltaren schlug mir entgegen, als wir am Umkleideraum vorbeigingen. Mein Blick wurde von den Fotos der vergangenen Studio-Champions angezogen, die im Flur an der Wand hingen. Es waren ein paar mehr geworden, aber nichts Überraschendes. Vielleicht war es inzwischen etwas heruntergekommener hier, aber Danny bewies nach wie vor ein scharfes Auge bei der Auswahl von Gewinnern.

»Erinnerst du dich daran?« Er grinste und tippte auf das Foto, auf dem der Ringrichter meinen Arm hob.

Wie könnte ich den ersten großen Sieg vergessen, den ich jemals errungen hatte? Trotzdem konnte ich nicht anders, als bei meinem dummen Grinsen zusammenzuzucken. »Ich seh aus wie ein verdammter Idiot.«

»Und du hattest dir jede einzelne Sekunde davon verdient.«

Zwei Fotos weiter zog sich mein Magen zusammen. Obwohl ich den Gewinner nicht kannte, erinnerte mich das Datum daran, dass ich damals im Krankenhaus gelandet war. Ich war mit Danny, Eddie und Gloria an meinem Bett aufgewacht, mit Kopfschmerzen des Todes und einem verdrahteten Kiefer. Seitdem hatte ich keine Handschuhe mehr getragen.

Ich folgte Danny den Flur hinunter und in den Geräteraum. Gestelle mit freien Gewichten standen in der Ecke, Boxsäcke hingen entlang der Wand gegenüber. Die Bodenmatten knirschten und knackten unter meinen Füßen, der Schaumstoff stach durch Risse an den Nähten und den Ecken. An einem der Spinning-Bikes klebte ein handgeschriebenes Außer Betrieb-Schild.

Ein vertrautes Scharren und Kratzen ertönte auf der anderen Seite von Dannys Bürotür. Kaum war sie aufgeschwungen, brach ein schwarz-weißer Fellstreifen hervor und kletterte an Dannys Bein hinauf. »Ganz ruhig, Junge.« Danny warf mir einen genervten Blick zu. »Er muss sich erst noch daran gewöhnen, den Wachhund zu spielen.«

Ich spähte in das Büro, sah aber keinen anderen Hund. Keinen verschrobenen, halb blinden alten Köter, der sich in seinem Bett zusammengerollt hatte und darauf wartete, dass ich ihm die Ohren kraulte. Mein Herz sank.

»Urb ist vor etwa fünf Monaten gestorben«, sagte Danny leise. »Ich hätte dich anrufen sollen, aber es erschien mir etwas hart, dir das am Telefon zu sagen. Tut mir leid.« Er nickte dem neuen Welpen zu. »Das ist Urb, der Vierte.«

»Wo hast du ihn her? Aus dem Tierheim?«

»Nein, ich habe ihn irgendwann morgens gefunden, als er im Müll gewühlt hat. Das arme Ding war so dünn, dass man seine Rippen zählen konnte. Ich habe ihn gefüttert. Er kam dann immer wieder zurück, um mehr zu bekommen, also dachte ich mir, der Ort könnte ein neues Maskottchen gebrauchen.«

Typisch Danny, der immer versuchte, den harten Kerl zu spielen, obwohl er innerlich absolut weich war. Trotzdem war der Welpe niedlich, mit einem lockigen Büschel schwarzen Fells zwischen seinen Schlappohren, wie ein kleiner Elvis. Er sprang und wirbelte herum und wedelte mit dem Schwanz. Ich streckte meine Hand aus und der kleine Kerl beschnupperte sie, dann stieß er seinen Kopf gegen meine Handfläche und bettelte um Streicheleinheiten. Genau wie der alte Urb.

»Ich bringe ihn lieber raus, bevor er auf den Boden kackt«, sagte Danny. »Geh schon mal rein. Ich bin gleich wieder da.«

Ich knipste das Licht an. Die Leuchtstoffröhren flackerten blendend hell und ich stolperte fast über das Hundekörbchen. An den Wänden hingen Plakate für kommende Veranstaltungen und ein zerfledderter Kalender. Es gab ein einsames Bücherregal, vollgestopft mit Vorschriften und … Himmel, war das …? Dannys alte Ausgabe von The Art of War. Ich nahm es aus dem Regal und schlug den Einband auf. Eddie hatte mich gezwungen, es zu lesen, als ich mit dem Training begonnen hatte. Es sah so aus, als hätte er einen Haufen anderer gezwungen, es auch zu lesen, denn die Seiten fielen schon heraus. Sie fielen auseinander wie alles andere auch.

Was hast du erwartet? Dass der Rest der Welt aufhört, sich zu drehen, nur weil du gegangen bist?

Aus der Ferne hörte ich eine Tür zuschlagen, dann Dannys Schritte, die den Flur hinunterpolterten. Die Zehennägel des kleinen Urb klickten neben ihm auf dem Boden.

»Hast du einen Platz zum Pennen?«, fragte Danny und öffnete den Reißverschluss seiner Jacke.

Oh Scheiße. Daran hatte ich gar nicht gedacht.

»Du kannst gerne in unserem Gästezimmer schlafen, wenn du willst«, fügte Danny hinzu.

»Bist du dir sicher? Ich will dir nicht auf die Pelle rücken.«

»Nein, wir haben genug Platz. Eddie und ich haben das alte Haus schön hergerichtet.«

Das erinnerte mich an ein anderes Haus in der gehobenen Gegend der Stadt. Bei dem Gedanken, dieses Haus zu besuchen, wurde alles in mir zu Eis.

»Also«, fuhr Danny fort, ein Grinsen umspielte seine Lippen, »ziehst du dich an und lässt dich von mir vermöbeln?«

Das würde er ohne Zweifel und ohne Entschuldigung. Und seltsamerweise machte mir der Gedanke nichts aus. Ein bisschen gutmütiges Geplänkel konnte nicht schaden. »Du hörst dich ziemlich sicher an, alter Mann.«

»Großes Gerede von einem Kerl, der nicht mehr im Training ist. Hinten müsste ein sauberer Gi liegen, der dir passt. Zieh ihn an und lass uns sehen, wie du dich schlägst.«

Ich grinste. »Du bist dran.«

***

Danny drehte Runden im Gym und schaltete die Geräte ein, während er Tom beim Aufwärmen am Sandsack beobachtete. Obwohl er nicht regelmäßig trainierte, wirkte der Junge ziemlich gut in Form. Er hatte ein paar Kilo an gesunden, festen Muskeln zugelegt und nicht vergessen, wie man zuschlug. Jeder Schlag traf den Sandsack mit einem scharfen Klatsch. Ihn wieder für den Kampf fit zu machen, war vielleicht doch nicht so schwer.

Er beobachtete ihn noch ein paar Minuten, dann nahm er seinen Helm und seine Pratzen. »Komm, du Kanone«, sagte er, »zeig mal, ob du auch ein bewegliches Ziel triffst.«

Klatsch, klatsch. Toms Fäuste schlugen nach den Pratzen, aber mit weniger Kraft als beim Sandsack.

Danny stieß ihn zurück, feuerte ihn an, härter zuzuschlagen, aber stattdessen fiel Tom einen Schritt zurück. »Gibst du schon auf? Was bist du? Ein zehnjähriger Weißgurt?«, bellte Danny. »Hoch mit deinen Beinen und tritt zu!«

Beim nächsten Versuch landete der Junge einen halbherzigen Schlag gegen Dannys Schulter, während sein Fuß gerade noch seinen Oberschenkel streifte. »Verdammt!«, murmelte Tom. »Lass mich noch mal.«

Mit der gleichen Bewegung trat er erneut zu. Wenigstens gelang ihm dieses Mal ein halbwegs anständiger Treffer. Nicht schlecht, aber auch nicht gut. Danny konterte leicht und verpasste ihm einen hohen Tritt, der ihn auf die Matte schleuderte.

»Scheiße, Danny! Was zum Teufel?«

»Ich wollte nur sehen, ob du wach bist.«

»Fick dich!« Tom rollte sich auf die Beine. »Ich hatte kaum Zeit, mich aufzuwärmen, falls dir das nicht aufgefallen ist.«

»Komm mir nicht mit diesem Scheiß. Ich weiß, wozu du fähig bist, und diese miserable Leistung«, er deutete mit dem Kinn auf die Stelle, an der Tom gelandet war, »ist weit davon entfernt. Was ist los mit dir? Hast du Schiss?«

Tom schnaubte, doch in Dannys Ohren klang es hohl und gezwungen. Hatte er einen Nerv getroffen? Wenn man bedachte, was beim letzten Mal passiert war, als Tom in den Ring gestiegen war, ergab es Sinn. Nach so langer Zeit ohne Training war es kein Wunder, dass Angst und Zweifel ihre Klauen in ihn geschlagen hatten. Danny hätte ihn direkt wieder zum Training schleifen sollen, nachdem er sich von seiner Operation erholt hatte, statt ihn nach Rhode Island flüchten zu lassen.

»Glaubst du, ein kleiner Wicht wie du kann mich verletzen?« Vielleicht konnte er das Feuer in ihm wieder entfachen, wenn er ihn wütend machte. Es war einen Versuch wert. »Nimm die Fäuste wieder hoch und zeig’s mir.«

Oh, das hatte offenbar gewirkt. Tom schlug schnell und wütend zu, warf sein ganzes Körpergewicht hinein, bis er sein Right Cross etwas zu hoch ausfiel und Dannys Helm streifte. »Shit! Tut mir leid.«

»Hör auf, dich zu entschuldigen und schlag mich noch mal!«

Er wollte ihn, er bekam ihn: Einen blitzschnellen Doppelschlag, der Dannys Handflächen brennen ließ. »Genau das mein ich! Noch mal!«

Wieder und wieder kamen harte Schläge, die Danny schließlich gegen die Wand drängten. »Okay, okay, genug!« Er zog die Pratzen ab und rang die Hände. Gott, die pochten, aber was hatte er erwartet? Der Junge war eines der erstaunlichsten Naturtalente, die er je trainiert hatte.

Er nahm einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche, dann warf er sie Tom zu und griff nach seinen normalen Boxhandschuhen. »Bist du gelaufen? Gewichtstraining?«

»Und Radfahren, wenn ich die Gelegenheit dazu hatte.«

»Du solltest vielleicht noch ein paar Trainingseinheiten auf dem Rudergerät einschieben. Das hilft dir, deine Arme und deinen Rücken zu stärken.« Er zog die Handschuhe an, drehte sich um und hob die Fäuste.

Toms Adamsapfel hüpfte, er war auf der Hut und wehrte Dannys Schläge ab. Nur schlug er nicht zurück. Er nahm eine reine Verteidigungshaltung ein und hielt die Fäuste vor seinem Gesicht.

Als hätte er Angst, dass du ihm noch ein paar Zähne ausschlägst.

Verdammt. Danny ließ seine Fäuste sinken. »Bleib ganz ruhig, wir trainieren nur. Wenn du ein andermal weitermachen willst …«

»Mir geht’s gut.«

Er sah aber nicht gut aus. Sein Gesicht war blass geworden, bis auf zwei gerötete Flecken auf seinen Wangen. Schweiß verdunkelte den V-Ausschnitt seines Gis. »Komm, lass uns weitermachen.«

»Tom …«

»Was ist dein Problem? Meinst du, ich kann keine Schläge mehr einstecken?«

Toms liebster Verteidigungsmechanismus: Aggressivität. Danny sog die Luft ein, Wut kroch mit einem Schauder über seinen Rücken, seine Hände ballten und lösten sich in den Handschuhen. Er würde nicht zulassen, dass er deswegen die Kontrolle verlor. Tom zu einem Sparring mit ihm zu überreden, war eine Sache, aber er war stolz darauf, nie im Zorn einen Schlag gelandet zu haben. Außerdem hatte er zwanzig Pfund mehr als der Junge. Er könnte ihn mit einem Schnipsen seines kleinen Fingers zurück ins Krankenhaus schicken. »Geh duschen.«

»Das Training ist also vorbei? Einfach so?«

»Junge, ich weiß nicht, was …«

Nein, das ist nicht wahr. Du weißt genau, was sein Problem ist.

»Es ist zwei Jahre her. Ist es nicht an der Zeit, dass du darüber hinwegkommst?«

Tom warf ihm einen mörderischen Blick zu und marschierte dann in Richtung des Flurs davon.

***

Meine nackten Füße klatschten auf dem Weg zur Umkleidekabine auf kaltes Linoleum. Verdammter Danny, er hatte wieder versucht, mir unter die Haut zu kriechen. Stochern, anstoßen, Scheiße reden. Und es hatte funktioniert. Er wusste immer noch, wie er mich auf die Palme bringen konnte.

Ein anderer Kerl verließ gerade die Umkleidekabine, als ich reinkam. Wir wären fast ineinandergelaufen.

»Sorry, Kumpel«, sagte er. »Ich habe nicht …« Er stockte und starrte mich an.

Er trug einen blauen Trainer-Gi wie Danny, auf dessen rechter Brust das Logo des Bannons Gym aufgenäht war. Eine Alarmglocke in meinem Hinterkopf sagte mir, dass ich ihn erkennen müsste, aber der Pferdeschwanz verwirrte mich zuerst. Als ob ich jemals das Glänzen des Triumphs in diesen blassgrauen Augen vergessen könnte, bevor mich den Bruchteil einer Sekunde später sein Tritt im Gesicht getroffen hatte.

»Travis?« Mir wurden fast die Knie weich. Er sah gut aus.

Ach, wem willst du was vormachen? Er sieht fantastisch aus.

Groß und stabil wie ein Fels. Er sah aus, als hätte er ein paar Pfund zugelegt, genug, um in die Leichtgewichtsklasse aufzusteigen. Zusammen mit mir.

»Ich, ähm, wusste nicht, dass du noch hier arbeitest.«

»Tja, na ja, ich muss den Studienkredit zurückzahlen.« Er fummelte an seinem Ärmel herum und zupfte an einem mikroskopisch kleinen Fussel.

Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Händen losreißen. Schlank und sehnig, mit verblassenden blauen Flecken an den Knöcheln, das Berufsrisiko eines Kämpfers. Kleine, raue Schwielen auf seinen Handflächen und an den Fingerspitzen. Ich erinnerte mich daran, wie sie über meine Haut gerieben hatten, als wir gekämpft hatten. Und das eine Mal in seiner Wohnung, nachdem er mich hart geküsst und auf die Matratze gedrückt hatte.

»Bist du schon mit der Uni fertig?«, fragte er.

»Ähm, ja. Ich habe im Januar meinen Abschluss gemacht.« Hitze kribbelte in meinem Nacken, und unter meiner Gürtellinie. Zum Glück hatte ich meine Gi-Jacke an. Ich hatte vergessen, welche Wirkung diese Augen auf mich hatten. »Eigentlich schon letztes Jahr im Mai, wenn ich nicht ein ganzes verdammtes Semester verloren hätte, damit mein Kiefer wieder zusammengeflickt werden konnte. Danke der Nachfrage.«

Er sah zuerst erschrocken aus und schien etwas sagen zu wollen, bis ihn das Donnern von sich nähernden Schritten unterbrach.

»Hey, schön, dass ihr wieder miteinander redet«, sagte Danny und legte mir seinen riesigen Handschuh auf die Schulter.

Ich schüttelte ihn ab. »Ist das der wahre Grund, warum du mich hierher eingeladen hast? Um mich und ihn in den gleichen Raum zu kriegen?«

»Bist du immer noch sauer deswegen?«, fragte Travis. »Es war ein Wettkampf, verdammt noch mal. Es war nichts …«

»Persönliches? Ja, richtig, weil ich ja auch dauernd ins Gesicht getreten werde.«

»Es war ein fairer Kampf, Junge«, meinte Danny. »Du hättest dasselbe getan.«

Ich sah Travis an, aber er sagte nichts mehr. Warum spielte mein Magen nun verrückt? Ich hatte seit zwei Jahren nichts mehr von ihm gehört. Er hatte nicht einmal eine lausige E-Mail geschrieben, um zu fragen, wie es mir ging. Und ich sollte das alles einfach vergessen? Vergessen, dass wir jemals Freunde waren oder … irgendetwas anderes? Es unter den Teppich kehren, als wäre es kein verdammt großer Verrat gewesen?

Ich stürzte in die Umkleidekabine, schnappte mir meine Sachen, schlüpfte mit meinen nackten Füßen in meine Turnschuhe und zog meine Jacke an.

Danny hielt mich auf dem Weg nach draußen am Ärmel fest. »Komm schon, Tom, sei nicht so …«

»Ihr könnt mich beide mal.« Ich riss mich los und die Tür fiel laut hinter mir zu, als ich in den Regen hinausstürmte.

Kapitel 4

Ein lautes Klopfen an der Beifahrerscheibe rüttelte mich wach. Verdammt. Ich war auf meinem Sitz eingenickt. Ich rieb mir die Schläfrigkeit aus den Augen und kurbelte das beschlagene Fenster herunter in der Erwartung, auf der anderen Seite einen Polizisten zu sehen. Stattdessen räusperte sich eine vertraute Stimme.

»Warum sitzt du hier draußen in der Kälte, Süßer?«

»Gloria?« Ich sprang aus dem Auto und eilte zu ihr auf den Bordstein, wo sie halb an das Auto, halb auf ihren Stock gestützt stand. Ich schlang meine Arme um ihre dünne, wackelige Gestalt und erschrak fürchterlich. Ich hatte sie als so robust in Erinnerung. Als stark und immer aktiv. »Wie geht es dir?«

»Jeder Tag, an dem ich es zu meinem Spaziergang schaffe, ist ein guter Tag.« Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, ihre Hand schloss sich fest um meinen Arm. »Ich bin allerdings ein bisschen müde. Willst du eine alte Dame nach Hause fahren?«