Einsamkeit heilen - Teal Swan - E-Book

Einsamkeit heilen E-Book

Teal Swan

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  • Herausgeber: Irisiana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Einsamkeit verstehen und überwinden

Die Vereinsamung nimmt in unserer Gesellschaft immer erschreckendere Ausmaße an und kann schwerwiegende körperliche und seelische Folgen haben. Es ist daher wichtiger denn je als Individuum wieder zu einer tiefen Verbundenheit mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt zu finden. Dieses Buch zeigt auf sehr praxisorientierte Weise, wie dies gelingen kann. Die Bestseller-Autorin und spirituelle Lehrerin Teal Swan gewährt darin tiefgehende Einblicke und Erkenntnisse zum Thema Einsamkeit. Sie zeigt wie man sich seinen Ängsten stellt und sich wieder vorbehaltlos geliebt und akzeptiert fühlt.

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Seitenzahl: 381

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Teal Swan

EINSAMKEITHEILEN

Die Wurzeln erkennen und zu tiefer Verbundenheit zurückfinden

Aus dem amerikanischen Englisch von Elisabeth Liebl

The Anatomy of Loneliness

All Rights Reserved

Text Copyright © Teal Swan 2018

First published in the UK and USA in 2018 by Watkins, an imprint of Watkins Media Ltd

www.watkinspublishing.com

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmungdes Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmung und für die Verarbeitung mit elektronischenSystemen.

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Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben

ohne Gewähr. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile

oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren,

eine Haftung übernehmen.

1. Auflage 2019

© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Projektleitung: Andrei-Sorin Teusianu

Redaktion und Korrektorat: Claudia Fritzsche

Umschlagsgestaltung: Geviert, Grafik & Typografie, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-24228-2V001

INHALT

EINFÜHRUNG: DIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT

Teil I – Der Pfeiler der Trennung

Teil II – Der Pfeiler der Scham

Teil III – Der Pfeiler der Furcht

Teil IV – Verbundenheit schaffen

Teil V – Verbundenheit bewahren

ZU GUTER LETZT: Mut zur Liebe

Versprich mir jetzt …

Versprich mir immerdar

Selbst wenn sie Dich mit Hass und Gewalt niederstrecken

Selbst wenn sie Dich verstümmeln und vernichten,

kann kein Mensch je Dein Feind sein.

Denn alles, was zählt, ist die Liebe.

Bedingungslose, unbesiegbare und grenzenlose Liebe.

Eines Tages, wenn Du dieser Welt gegenübertrittst,

frei von der Tyrannei der Angst, des Hasses und der Gier,

dann werden Deine Mitmenschen Dich sehen.

Wie Du durch tausend Zyklen des Lebens und des Sterbens hindurch erblüht bist,

und Deine Freude Ewigkeit erlangt.

Und weder Sonne noch Mond sie je verblassen sehen werden.

VERSPRICH MIR JETZT

von Teal Swan

EINFÜHRUNGDIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT

Wir werden in Verbundenheit empfangen. Wir werden in der Sicherheit und Wärme der Verbundenheit genährt von dem Moment an, in dem unsere Mütter uns an ihre Brust legen. Wir nehmen keinen Unterschied wahr zwischen uns selbst und unserer Mutter. In diesem Augenblick, in dem wir völlig eins sind, sind wir gleichzeitig ganz wir selbst, sind der Mensch, der wir tatsächlich sind. Wir sind einem anderen Wesen so nah, dass wir uns nicht einmal fragen: »Wer bin ich?« Das ist auch nicht nötig, denn wir sind nicht getrennt.

In der Ekstase der Verbundenheit liegt eine tiefe Stille des Seins. Unser Weg durchs Leben ist nicht von der Angst bestimmt, etwas erobern zu müssen, was uns fehlt. Unser Tun ist einfach nur ein natürlicher Ausdruck des Seins. Dieses Sein ist unser Naturzustand. Doch eben diese Verbundenheit in uns ist beschädigt worden.

Dieses Buch will Ihnen zeigen, wie das ohne unser Zutun geschehen konnte und was Sie dagegen unternehmen können. Der Verlust dieser natürlichen Verbundenheit verursacht Gefühle der Einsamkeit und einen tiefen Schmerz. Aber es gibt einen Weg, sich dieses wunderbare Gefühl zurückzuholen, das schließlich Ihr Geburtsrecht ist.

EINSAMKEIT ALS NEUE EPIDEMIE

Wir leben in dieser Welt zusammen mit Milliarden anderer Menschen. Und doch hat beinahe jeder Mensch auf dieser Erde das Gefühl, im Grunde völlig allein zu sein. In den vielen Jahren, seit ich die Welt bereise, die verschiedensten Menschen unterrichte und eine spirituelle Bewegung anführe, wurde mir schmerzlich bewusst, dass wenn die meisten Menschen dieses Gefühl des Alleinseins teilen, Einsamkeit ein komplexeres Phänomen sein muss, als es auf den ersten Blick scheint. Dabei geht es um mehr als nur darum, unter Menschen zu sein. Dieses tiefe Gefühl der Isolation verlangt nach Heilung. Aber als ich mir dieser Epidemie bewusst wurde, hatte ich darauf noch keine Antwort. Einfach deshalb, weil ich mich ganz genauso fühlte.

Der Begriff »Einsamkeit« beschreibt nicht einmal annähernd, welche Qual unser Hunger nach Verbundenheit verursacht. Mein Leben war von Einsamkeit überwuchert. Und der Ruhm, der sich als Folge meiner Karriere ganz selbstverständlich eingestellt hatte, machte dies nur noch deutlicher, so, als wäre er ein Vergrößerungsglas. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl gehabt, nicht wirklich gehört, gesehen, verstanden zu werden, nicht erwünscht zu sein. Und der Ruhm erschwerte mir die Suche nach der Nähe, die ich mir so verzweifelt ersehnte, nur noch mehr. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als akzeptierte und schätzte mich jeder. Nichts konnte der Wahrheit ferner sein. Weniger denn je sahen, fühlten, verstanden die Menschen mich. Ich war zwar ständig von anderen Menschen umgeben, doch war ich für sie nicht mehr als das, was sie auf mich projizieren wollten. Das Einzige, was mich in ihren Augen wertvoll machte, das Einzige, was sie an mir schätzten, war das, was sie durch mich für sich selbst erlangen konnten.

Wenn Sie vor einem Problem stehen und keine Lösung haben, bleibt Ihnen nur eines übrig: Sie müssen diese ­Lösung selbst suchen. Ich war sozusagen eine Pionierin, die unerforschtes Gebiet betrat. Ich sah nur allzu deutlich, dass Einsamkeit die Leidensquelle Nr. 1 in unserer Welt war und dass wir unzählige Strategien entwickelt haben, um ihr aus dem Weg zu gehen. Aber Sie können einer Sache, die Sie erforschen wollen, nicht aus dem Weg gehen. Also beschloss ich, genau das Gegenteil zu tun. Die spirituellen Lehrer der Alten Welt gingen in die Wüste oder zogen sich in eine Höhle zurück, wenn sie nach neuen Erkenntnissen suchten. Ich entschied, dasselbe zu tun. Doch statt mich in einer Höhle zu verstecken, tauchte ich in die Einsamkeit ein, indem ich eine schamanische Reise nach Mittelamerika unternahm, wo ich dem Teufel direkt ins Gesicht sehen wollte. Diese Phase der Auseinandersetzung nahm etwas mehr als ein Jahr in Anspruch. Dass ich die Einsamkeit als das sah, was sie war, ihre Beschaffenheit erkannte, ermöglichte mir, ihr Gegenteil besser zu verstehen. Als ich in die Welt zurückkehrte, konnte ich den Menschen erklären, was es mit Einsamkeit und Verbundenheit auf sich hat. Mit diesem neu gewonnenen Verständnis in Herz, Geist und Körper habe ich dieses Buch geschrieben.

Einsamkeit heilen entstand aus den Notizen, die ich verschiedentlich gemacht hatte, nicht selten auf tränenfeuchtem Papier. Blätter, die ich dann in meinen Rucksack stopfte, um auf dieser schamanischen Reise in diesem Abschnitt meines Lebens weiterzuziehen. Das Buch schrieb sich durch mich gleichsam selbst. Was ich dabei erfuhr, ermöglichte mir, die Einsamkeit in meinem Leben in Verbundenheit zu verwandeln, und das gilt auch für jedes Mitglied meiner spirituellen Gemeinde.

Mangelnde Bewusstheit ist wie ein Virus, der sich von einer Generation zur nächsten fortpflanzen kann. Aber dies gilt natürlich ebenso für das Erwachen. Meine Vision ist, dass die Informationen in diesem Buch ihren Weg in jeden Winkel dieser Erde finden, bis wir ganz offiziell sagen ­können, dass hier Milliarden Mitmenschen leben und dass sich keiner von uns mehr allein fühlt.

DAS TRAUMA DER TRENNUNG

Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, was den Verlust der Verbundenheit angeht. Aber irgendwann im Lauf unseres jungen Lebens haben wir alle diesen Fall aus der Gnade erlebt – aus diesem tiefinneren Gefühl der Verbundenheit. Als Ergebnis liegt der Großteil von uns den Rest seines Lebens in einem Dauerkonflikt zwischen dem Aspekt von uns, der diese Verbundenheit um jeden Preis zurückgewinnen will, und dem, der Verbundenheit auf Biegen und Brechen abwehren möchte.

Der Schmerz über den Verlust des Verbundenseins ist die tiefste Form von Trauma, die wir erfahren können. Ein Trauma lässt uns innerlich zersplittern. Es macht aus Symmetrie Chaos, aus Stille Panik. Aus Harmonie Krieg. Aus Freude Leid.

Wenn wir dieses Trauma erfahren, ist das so, als setzten wir eine graue Brille auf, und die meisten von uns tragen sie den Rest ihres Lebens. Wir sehen die Welt durch den Schmerz dieser grauen Gläser. Durch diese Optik nehmen wir uns als getrennt von den Menschen und Dingen um uns herum wahr. Wir erleben uns als … allein.

Der grundlegende Schmerz des Menschen besteht darin, dass wir mit Milliarden anderer Menschen auf dieser Erde leben und sich doch jeder allein fühlt. Das Trauma unserer inneren Isolation sorgt dafür, dass wir uns als getrennt von allem wahrnehmen, das wir als »das andere« wahrnehmen.

Es ist schon schlimm genug, dass diese Trennung uns Schmerz zufügt. Doch damit ist das Unglück noch nicht zu Ende. Der Schmerz verbreitet sich über die ganze Erde. Wenn Sie mit einem anderen wahrhaft verbunden sind, können Sie ihm keinen Schmerz zufügen, ohne selbst darunter zu leiden. Wenn wir uns jedoch selbst als getrennt erleben, spüren wir dieses Einssein nicht mehr, das unsere grundlegende Wahrheit ist. Wir spüren nicht mehr, dass alles auf uns zurückwirkt, und dass wir auf alles zurückwirken. Das Ergebnis ist, dass wir anderen Wesen oder Dingen Schmerz zufügen können, ohne seinen Widerhall in uns selbst zu fühlen.

DIE SCHMERZHAFTE NATUR DER TRENNUNG

Die Vorstellung, dass das Getrenntsein schmerzhaft, ja gefährlich ist, erscheint auf den ersten Blick abstrakt und theoretisch, bis wir uns klarmachen, dass sich aus eben diesem Grundganze Völker in Parteien und Gruppen zersplittern. Menschen mit dunkler Haut wurden ihren Familien entrissen und auf einen fremden Kontinent gebracht, wo man sie als Sklaven hielt, sie schlug, lebendig verbrannte und lynchte. In den 1940er-Jahren wurden in Europa Juden und andere den Nazis missliebige Bevölkerungsgruppen nach Auschwitz und in weitere Vernichtungslager transportiert, um sie vollständig auszurotten.

Die Vorstellung vom Getrennsein ist dafür verantwortlich, dass die USA 1945 eine Atombombe auf Hiroshima warfen. Dass die Schergen des Pol-Pot-Regimes 1979 gut 21 Prozent der Bevölkerung Kambodschas ermordet haben. Dass in unserer heutigen Zeit junge Menschen jahrelang in Lagern trainieren mit dem einzigen Wunsch, am Ende als lebende Bomben Terror und Zerstörung über jene Menschen zu bringen, die sie als ihre Feinde betrachten.

Jedes Verbrechen, das je begangen wurde, konnte geschehen, weil der Täter sich als von seinem Opfer isoliert und getrennt wahrnahm. Daher lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass die Vorstellung vom Getrenntsein nicht nur der größte Schmerz ist, den wir in diesem Leben ­erfahren können. Sie ist darüber hinaus der gefährlichste Gedanke überhaupt.

DIE TIEFSTE FORM DER TRENNUNG

Warum aber entstehen in unserer angeblich so erleuchteten Welt unausgesetzt solche Gefühle tiefster Verzweiflung? Sie werden verursacht von einer Einsamkeit, die sich nicht auflösen lässt, indem man sich mit mehr Menschen umgibt. Denn die schmerzhafteste Form der Einsamkeit ist jene, die wir in einem Raum voller Menschen empfinden. Jene Form der Einsamkeit, bei der man sich nicht einmal dann verbunden fühlt, während man de facto mitten unter seinesgleichen ist, lässt sich bildlich damit vergleichen, als würde man in einem Supermarkt verhungern. Um eben diese Art der Einsamkeit geht es mir in diesem Buch.

Ein Sprichwort sagt, dass das Licht nur kennt, wer auch um die Dunkelheit weiß. Anders ausgedrückt: Bewusstwerdung erfolgt über das Erleben von polaren Qualitäten. Auf dieselbe Weise werden wir also die Verbundenheit klar erkennen lernen, indem wir uns zuerst mit der Einsamkeit beschäftigen.

Wir werden dabei dem Prinzip des Gewahrseins folgen. Sie werden die Verbundenheit erfahren, indem Sie sich in die Einsamkeit vertiefen. Sie werden die Verbundenheit wiederherstellen, indem sie die Einsamkeit mit ungetrübtem Blick sehen und mit reinem Herzen fühlen lernen. Und Sie werden die Verbundenheit verstehen, indem Sie sich ein klares Verständnis der Einsamkeit erwerben.

DIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT

Verbundenheit setzt eine Art Harmonie voraus. Also nimmt man für gewöhnlich an, dass in der Einsamkeit keinerlei Harmonie existiere. Doch tatsächlich wohnt auch der Einsamkeit eine Art Harmonie inne. Es handelt sich dabei um das Dritte, das die Gegensätze in sich vereint.

Zur Einheit, die die Drei symbolisiert, kommt man nicht, indem man die Zwei (den Gegensatz) ausradiert, um ­jenes Element zu beseitigen, das für den Konflikt verantwortlich ist. Die Drei verschmilzt vielmehr die vorausgehenden Elemente, um daraus etwas völlig Neues zu erschaffen … etwas, worin die Gegensätze harmonisch vereint sind. Daher ist die Drei die Zahl der Integration.

Gegensätze zusammenzubringen – hier also die Eins und die Zwei – setzt ein gemeinsames übergeordnetes Ziel voraus, das ich hier als »Drei« bezeichne. Die Drei ist größer als die beiden vorangegangenen Elemente. Diese Gleichung kommt Ihnen jetzt vielleicht noch sehr abstrakt vor, doch wenn Sie dieses Buch durcharbeiten, werden Sie erleben, wie göttlich fein die Dinge hier aufeinander abgestimmt sind. Und Sie werden erfahren, was dies im Hinblick auf die Verbundenheit bedeutet.

Stellen Sie sich nur einen Moment lang vor, die Eins stünde für »das Gute«, die Zwei für »das Böse«. Das ist unzweifelhaft ein Gegensatzpaar. Die Drei hingegen steht für das, was nötig ist, um Gut und Böse zusammenzuführen zu einem Ziel, das größer ist als jedes einzelne Element des Gegensatzpaars. Dieses Ziel kann das Einssein sein, die höchste Form der Verbindung.

Interessanterweise ruht die Einsamkeit auf drei Grundpfeilern. Diese drei Pfeiler legen, wenn man sie durch die innere Kraft der Drei sieht, die Vermutung nahe, dass die Antwort auf das Ende der Einsamkeit im Gewebe der Einsamkeit selbst zu suchen ist. Dort liegt also die Lösung.

DIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT SIND:

TrennungSchamAngst

Sobald Sie diese drei entscheidenden Elemente richtig verstanden haben, sobald Sie aufgedeckt haben, wie beziehungsweise inwieweit sie Ihr Leben bestimmen, können Sie mithilfe der beiden letzten Kapitel in diesem Buch Mittel und Wege zu neuer Verbundenheit in Ihrem Leben finden. Und Sie können lernen, diese Verbundenheit stark und kraftvoll zu halten, sodass sie all Ihre Beziehungen prägt.

Und wir schrien nach Krieg,

als wäre er nicht Menschenwerk.

Die Seele des Menschen,

die Synagoge des gewaltsamsten aller Kämpfe:

zwischen Gut und Böse.

Jahrhunderte des Blutvergießens zwischen diesen beiden Rivalen.

Jede Seite schreit nach dem Tod der anderen.

Aber es wird keinen Abgesang geben.

Es wird kein Klagelied geben, denn die eine kann nicht sterben ohne die andere.

Nur die Liebe kann diesen Krieg beenden.

Und doch tobt er weiter und weiter.

Sein Klang allein ist

Gotteslästerung.

Lästerung am Heiligtum des menschlichen Herzens.

DIE TRENNUNG

von Teal Swan

Der Pfeiler der Trennung

Der erste Grundpfeiler der Einsamkeit ist die Trennung. Die Geschichte der Trennung führt uns weit zurück in jene Zeit, bevor das menschliche Leben existierte. Um das Getrenntsein zu verstehen, muss ich Sie bitten, einen großen Schritt zu tun, hin zum Abgrund der existenziellen Wahrheit. Versuchen Sie, sich das, was wir Gott nennen oder die Quelle, als einheitliches Bewusstsein vorzustellen. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass dies alles ist, was ist.

Das hört sich leichter an, als es ist, denn Ihr Gehirn ist auf die materielle Welt hin ausgelegt, und in dieser Welt herrscht die Vereinzelung. Es ist nicht dafür geschaffen, die Einheit zu begreifen. Wenn das Gehirn das Eine denkt, denkt es an ein Ding. Aber in dem Moment, in dem Sie an ein Ding denken, können Sie gar nicht umhin, dieses Ding als getrennt von allem anderen wahrzunehmen, selbst wenn dieses andere etwas ist wie die Luft oder der leere Raum. Dieses Ding hat seine ganz spezielle, nur ihm eigene Definition, es hat einen Anfang und ein Ende. Können Sie Ihren Geist so weit werden lassen, dass Sie sich ein Bewusstsein ohne Anfang und Ende vorstellen können? Ein Bewusstsein, das alles umfasst, sodass nichts existiert, was nicht Teil dieses Bewusstseins wäre?

Wenn es Ihnen hilft, dann stellen Sie sich dieses Bewusstsein vor wie einen unendlichen Ozean, der denken und wahrnehmen kann, in dem alles Existierende einfach die Wassertropfen sind, die diesen Ozean bilden. Sie sind ein solcher Tropfen, Ihr bester Freund ist es, Ihr schlimmster Feind, aber auch der Kaffeetisch, Ihr Hund und die ­Karotte, an der Sie gerade knabbern. Das Wort, das Sie soeben lesen, und der Gedanke, der Ihnen gerade durch den Kopf geht.

Alles Existierende mag unterschiedlich aussehen, doch diese Tatsache hat ihren Grund allein darin, dass es sich um unterschiedliche Ausprägungen derselben Energie handelt. Alles ist Tröpfchen in dem weiten Ozean, ist also vom selben Bewusstsein durchdrungen. Es gibt nichts, was nicht Gott ist oder die Quelle. Das ist die wahre Bedeutung des Begriffs Einssein.

Um unser Verständnis zu vertiefen, stellen Sie sich ein Fernsehgerät mit flimmerndem Bildschirm vor. Das Flimmern ist potenzielle Energie. Sie können es »potenzielle Energie« nennen, weil dieses weiße Rauschen das Potenzial für ein Bild enthält. Ein Bild, das noch nicht da ist, doch sobald es beginnt, Konturen anzunehmen, gibt es eine Trennlinie zum umgebenden Flimmern. Wir sehen das Bild als verschieden vom Flimmern und auch als verschieden von den anderen Bildern, die noch auf dem Fernsehschirm erscheinen mögen. Genauso verhält es sich mit einem Gedanken innerhalb des Quellen- oder Gottesbewusstseins. Er ist Teil des weißen Rauschens, hat sich aber zu einer einzigartigen Form verdichtet und sich damit vom restlichen Flimmern differenziert. Wenn man diesen Gedankengang auf die Welt anwendet, dann ist alles Materielle wie der Kaffeetisch oder ein Baum nichts weiter als ein Gedanke, der von der Quelle/Gott gedacht (ausdifferenziert) wurde. Es ist ein Gedanke, den man so scharf gestellt hat, dass er sich differenziert hat und damit in die materielle Dimension eingetreten ist – die dichteste Dimension überhaupt. Um zu unserer Analogie zurückzukehren: Von allem, was aus dem Flimmern hervorgehen kann, ist das Materielle am schärfsten von ihm »getrennt«. Da Sie also nur ein ausdifferenzierter Aspekt der Quelle/Gottes sind, folgt daraus, dass Sie vom Quellen-/Gottesbewusstsein durchdrungen sind. Das heißt, dass Sie ein Gedanke sind, der selbst Gedanken haben kann. So gesehen ist klar, dass das Quellen-/Gottesbewusstsein sich nicht etwa vermehrt, weil es ja bereits alles ist. Es teilt sich einfach nur. Jeder neue Gedanke ist eine neue Trennung innerhalb der Ganzheit des Quellenbewusstseins.

Nun stellen Sie sich vor, die Quelle würde denken: »Was bin ich?« Dieser Gedanke ist die Geburt des Gewahrseins innerhalb der Quelle. Dieser Gedanke differenziert schon seiner Natur nach. Er ist ein direkter Widerspruch zum Einssein. Nur dieser eine Gedanke spaltet bereits das universelle Einssein. Dadurch verspürte das Quellenbewusstsein zum ersten Mal die Qual, dass es nichts gab, zu dem es in Beziehung treten konnte. In dem Moment, in dem es eine Spaltung in sich selbst schuf, nahm es sich als isoliert wahr. Diese Einsamkeit ist so unendlich schmerzlich, dass es dafür keine Worte gibt. Wie eine Zelle, die sich unkontrolliert teilt, ließ dieser Gedanke das Einssein zersplittern, und jeder Sprung gebar neue Splitter. Bis die Splitter schließlich zu vergessen begannen, dass sie ein Teil des Ganzen waren.

Diese Illusion des Getrenntseins war der Punkt, an dem alle weiteren Splitter innerhalb des Einsseins dieses selbst nicht mehr wahrnahmen. Sie sahen nur noch »ich« und »andere«. Das war die Geburt des Egos, das für das Gefühl eines von anderen getrennten Ichs steht. Und es war die Geburt der Beziehung. Und der Anhaftung. Die verschiedenen Aspekte der Quelle wurden zu Feinden. Sie konnten sich selbst nicht mehr als eins sehen. Sie betrachteten sich als voneinander getrennt. Und so begannen sie, sich gegenseitig zu verschlingen und voreinander wegzulaufen. Sie fingen an, sich gegenseitig herumzuschubsen.

Der Gedanke, dass der Schmerz der Einsamkeit nicht in der Abwesenheit eines »anderen« gründet, sondern im Verlust unserer Ganzheitlichkeit in uns selbst, besitzt für das Individuum eine enorme Tragweite. Wir sind von der Quelle nicht getrennt, weil wir Bruchstücke des Quellenbewusstseins sind. Der erste Pfeiler der Einsamkeit ist ein Produkt der Zersplitterung, der Trennung, die an die Stelle der Einheit innerhalb unser selbst getreten ist. Die Zersplitterung in der Außenwelt ist nur ein Spiegel der Zersplitterung unserer inneren Welten.

DIE ZERSPLITTERUNG IN JEDEM EINZELNEN VON UNS

Sofern wir während der Empfängnis, der Schwangerschaft oder der Geburt kein Trauma erleiden, kommen wir Menschen ganz zur Welt. Doch dieses Ganzsein ist nur von kurzer Dauer, weil wir vom Augenblick der Geburt an von unseren Familien abhängig sind. Durch die Erziehung in der Familie werden wir Teil einer Gesellschaft, die noch nicht vollkommen entwickelt ist. Und das bedeutet Ärger. Im Grunde lernen wir in diesem Prozess der Sozialisation, dass einige Aspekte unseres Selbst akzeptabel sind, andere hingegen nicht.

Was jeweils akzeptabel oder inakzeptabel ist, hängt vom Blickwinkel der Familie ab, in die Sie hineingeboren werden. Die Aspekte unseres Selbst, die als nicht akzeptabel gelten (sowohl im positiven wie im negativen Sinn), werden von unserer Familie abgelehnt − man könnte auch sagen, sie werden uns ausgetrieben. Die als akzeptabel betrachteten Aspekte hingegen werden nicht »exorziert«, sondern vielmehr gutgeheißen. Im Wesentlichen werden wir also nach Maßgabe dessen geliebt, was die Menschen in unserer Umgebung als Teil ihrer selbst und ihres Lebens anzunehmen bereit sind.

Um zu überleben, versuchen wir daher als Kinder, Kontrolle über unser Umfeld zu erlangen und uns selbst zu erhalten, indem wir alles tun, um jene Aspekte in uns, die in der Umwelt Missfallen hervorrufen, zu leugnen und zu unterdrücken, die anderen aber, die Zustimmung finden, zu verstärken.

Wir machen also Folgendes: Wir trennen uns von dem, was auf Missfallen stößt. Das aber schafft eine Spaltung in uns selbst und errichtet eine Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Dieser Punkt ist die Geburtsstunde der »Persönlichkeit«. Das ist letztlich hochgradig ironisch, denn was wir um unseres Überlebens willen tun, ist tatsächlich der erste Akt der Selbstverleugnung und damit der Zersplitterung. Dieser Akt ist Spiegelbild dessen, was ursprünglich mit dem Quellenbewusstsein geschah, das sich selbst definieren wollte, aber stattdessen eine Spaltung in sich selbst erzeugte und sein Einssein verlor.

Wir denken, jeder Mensch besitze eine eigene Persönlichkeit mit manchmal widersprüchlichen Charakterzügen. Die Wahrheit ist jedoch, dass Ihre »Persönlichkeit« sich aus verschiedenen Persönlichkeiten zusammensetzt. Die dominantesten sind jene, die Sie in dem Umfeld, in dem Sie aufgewachsen sind, vor Verletzungen – vor allem vor Zurückweisung – geschützt haben.

Man könnte diese Persönlichkeiten mit siamesischen Zwillingen vergleichen. Sie leben in uns, ohne dass wir ihr Dasein überhaupt bemerken. Ich nenne diese Persönlichkeiten die »Inneren Zwillinge«. Die Schwere des Traumas, das Sie während dieses Prozesses erlebt haben, bestimmt, wie tief die Zersplitterung in Ihnen reicht. Wenn Sie erdrückende, chronische Einsamkeit erfahren, stehen Sie am finsteren Ende der Skala.

Wir können mehrere dieser Inneren Zwillingen in uns haben, und jedes dieser Zwillingspaare steht für etwas. Deshalb werde ich in diesem Buch immer wieder auf dieses Bild zurückgreifen. Es ist daher wichtig, dass Sie dieses Konzept verstehen. Sobald Sie die dahinterstehende Dynamik begriffen haben, wird sich Ihr Leben vollkommen wandeln.

WIE SICH IHRE INNEREN ZWILLINGE ENTWICKELT HABEN

Stellen Sie sich vor: Ein Kind wird in eine Familie geboren, in der es nicht erlaubt ist, Wut auszudrücken. Wird dieses Kind wütend, wird es getadelt und lernt, sich zu schämen. Also unterdrückt das Kind seine Wut, um in diesem Umfeld überleben zu können. Doch davon verschwindet die Wut ja nicht. Das Kind leugnet nur deren Existenz auf der bewussten Ebene. Die Wut wird ins Unbewusste verschoben.

Als Erwachsener wird dieser Mensch gar nicht merken, dass er innerlich wütend ist. Er kann und wird sich nicht klar sehen, weil er diesen Aspekt seiner selbst verdrängt hat. Wenn Sie nun zu diesem Menschen sagen: »Sie sind aber geladen!«, dann versteht er nicht, wovon Sie reden. Er hält sich ja für ausgesprochen umgänglich.

Doch wenn wir etwas leugnen oder verdrängen, dann verschwindet es dadurch ja nicht. Unser Bewusstsein blendet es nur einfach aus. Wenn wir dann diesen verleugneten oder verdrängten Aspekt plötzlich akzeptieren sollen, ruft dies unsere alte Angst wach, wie wir sie bei der ursprünglichen Zurückweisung empfunden haben, und wir meinen, sterben zu müssen. Daher ist es gar nicht so leicht, sich seiner selbst vollständig gewahr zu werden.

Jeder Mensch, der einen Sozialisierungsprozess durchlaufen hat, hat diesen Schritt vollzogen. Er hat gelernt, bestimmte Aspekte seiner selbst zu verleugnen, was zu einer inneren Spaltung geführt hat. Über manche Aspekte wissen wir Bescheid, andere sind uns völlig unbekannt. Diese Ablehnung einzelner Aspekte unseres Selbst bildet die Wurzel von Selbsthass. Unsere tiefe Einsamkeit resultiert daher, dass wir die Teile unseres Selbst, die wir zurückgewiesen und verdrängt haben, schmerzlich vermissen.

Dabei will die Seele nur eines: uns wieder ganz machen. Daher bekommen wir im Lauf unseres Lebens immer wieder die Gelegenheit zur Ganzwerdung. Doch um diese nutzen zu können, müssen wir die verdrängten Aspekte unseres Selbst sehen und akzeptieren lernen. Und das tut weh.

Die grundlegende Spaltung in uns ist die in Bewusstes und Unbewusstes. Zwischen dem großen Unbewussten und dem bewussten Selbst lagern zahllose Fragmente. Zu jedem überwertigen Aspekt unserer Persönlichkeit gibt es ein Gegenstück im Unbewussten, das seinen polaren Gegensatz bildet. Nehmen wir mal an, in meiner Kindheit habe Verwundbarkeit als inakzeptable Schwäche gegolten. Zeigte ich mich verwundbar, wurde ich zurückgewiesen oder bekam eine andere schmerzhafte Strafe. Also spaltete ich den verwundbaren Teil meiner selbst ab und verdrängte ihn − weit weg von meiner bewussten Wahrnehmung. Stattdessen identifizierte ich mich mit Stärke und Härte. Das war die Persönlichkeit, die ich der Welt in der Folge zeigte.

Doch der ursprüngliche verwundbare Teil meines Selbst hat sich damit ja nicht in Luft aufgelöst. Er wurde nur vergraben. Und weil er vergraben ist, kann ich die Bedürfnisse meines verwundbaren Selbst nicht erfüllen. So wird die Energie dieses Aspekts auf verdeckte, ja manipulative Weise ausgedrückt. Im Grunde entbrennt damit ein Konflikt zwischen den beiden Persönlichkeiten, von denen eine meinen Körper quasi »übernimmt«. Dieser innere Kampf kann mich krank machen und damit körperlich verwundbar. Was meine äußerliche, harte und starke Persönlichkeit natürlich nicht akzeptieren kann. Diese beiden Persönlichkeiten agieren nicht nur auf völlig unterschiedlichen Ebenen unser selbst, sie leben buchstäblich in einem ganz anderen parallelen Wahrnehmungsuniversum.

Das Phänomen der multiplen Persönlichkeit akzeptieren wir ja nur in ihrer pathologischen Form, als psychiatrisch bescheinigte Störung. In Wirklichkeit aber haben wir alle multiple Persönlichkeiten, in uns steckt eine ganze Reihe »Innerer Zwillinge«.

Doch behalten Sie im Hinterkopf, dass sich diese Persönlichkeiten eben nicht als solche präsentieren. Sie fühlen sich eher an wie »Seinsweisen«, die das Ruder in Abhängigkeit von den Umständen, die Ihnen in der äußeren Welt gerade begegnen, übernehmen. So kann eine solche Persönlichkeit erlebt werden als der plötzliche Wunsch, eine Beziehung zu beenden und allein in die weite Welt hinauszuziehen, obwohl man den Menschen, den man verlässt, am selben Morgen noch so innig geliebt hat, dass man seine ganze Zukunft mit ihm planen wollte.

Machen Sie sich klar, dass Ihre verdrängten Aspekte Ihnen selbst verborgen, für andere Menschen aber ganz und gar offensichtlich sind. Wenn wir eine absolute Abneigung gegen etwas empfinden, dann werden wir das in uns zunächst nicht erkennen. Und noch eine vielsagende Tatsache: Je mehr wir etwas an anderen hassen, desto stärker haben wir es vor langer Zeit in uns selbst unterdrückt. Doch umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Je mehr wir etwas an anderen Menschen lieben, desto mehr haben wir darunter gelitten, als wir diesen Aspekt in uns verdrängen mussten. Letztlich bieten also heftige Reaktionen auf andere Menschen, ob nun positiv oder negativ, immer eine Gelegenheit, uns unseres eigenen Selbst bewusst zu werden.

WIE SIE DEN PROZESS DER SPALTUNG UMKEHREN KÖNNEN

Um den Prozess der Spaltung wieder rückgängig zu machen, müssen wir zunächst Raum schaffen für alle Aspekte unseres Selbst, die wir wieder ins Licht des Bewusstseins rücken wollen. Sie können diesen Prozess fördern, indem Sie sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

Welche Eigenarten hassen Sie an anderen Menschen, vor allem an Ihrem Partner? Was stört Sie an anderen?Welche positive Absicht steckt hinter der Ablehnung dieser Eigenart? Wovor will die Ablehnung Sie schützen? Welche positiven Aufgaben könnte der Charakterzug in Ihrem Leben erfüllen? Natürlich ist Teil der Antwort immer die Tatsache, dass die Verdrängung Sie vor Verletzungen bewahren sollte. Fragen Sie sich, warum es gefährlich war, das Gegenteil einer negativen Eigenart zu verkörpern? Wenn es zum Beispiel um Faulheit geht, fragen Sie sich, warum es für Sie gefährlich (oder nicht in Ordnung) war, sich während Ihrer Kinder- und Jugendzeit motiviert und fleißig zu zeigen? Akzeptieren Sie, dass die Charakterzüge, die Sie an anderen Menschen hassen, direkt widerspiegeln, was Sie in sich selbst ablehnen. Je mehr Sie sich vor sich selbst zu schützen versuchen, desto mehr kommt es Ihnen so vor, als hätten die Eigenarten, die Sie an anderen ablehnen, überhaupt nichts mit Ihnen zu tun. Es sollte Sie nicht überraschen, wenn Sie sich sagen: »Ich bin ganz und gar nicht so.« Das ist nur natürlich. Seien Sie bereit, verletzlich zu sein. Öffnen Sie Ihren Geist, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, inwieweit Sie charakterlich jenen Eigenarten ähnlich sind, die Sie an anderen – vor allem an Partner, Kindern und Eltern – ablehnen. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie stellen fest, dass die Ähnlichkeit groß ist. Oder der betreffende Charakterzug ist so tief ins Unbewusste verdrängt, dass Sie nie so reagieren, ja eventuell sogar eine ungesunde Abneigung dagegen entwickeln. Wenn Sie mit dieser Selbstbefragung Probleme haben, bitten Sie andere Menschen um Hilfe. Das ist ein Schritt der Demut. Ein guter Weg festzustellen, ob Sie etwas in sich unterdrückt haben, ist die Rückmeldung anderer. Über welche Ihrer Eigenarten beschweren sich die Leute bei Ihnen? Wird dabei ein bestimmter Charakterzug öfter als ein Mal genannt? Sie können auch Ihre Freunde und Angehörigen bitten, jene Eigenarten, die sie an Ihnen nicht mögen, aufzuschreiben. Kommt irgendetwas davon öfter vor? Besonders wichtig sind gerade diejenigen Rückmeldungen, die Sie ärgern. Nun wenden wir das Blatt mal und betrachten den negativen Charakterzug selbst (nicht die positive Ausformung, die wir unter Punkt 3 behandelt haben). Warum war es für Sie gefährlich oder nicht in Ordnung, diesen negativen Charakterzug zu leben? Warum war es nicht okay, faul zu sein?Fangen Sie an, die Eigenarten zu akzeptieren, die Sie an anderen und an sich selbst nicht leiden können. Aber belügen Sie sich dabei nicht selbst. Sie können nicht sagen, dass Sie etwas mögen, was Sie in Wirklichkeit ablehnen. Aber vielleicht hat der negative Charakterzug ja durchaus positive Aspekte, die Sie mögen. Ein grausamer, gefühlloser Mensch wird zum Beispiel kaum ein Problem damit haben, was andere Leute über ihn sagen. Nun integrieren Sie diejenigen Aspekte anderer Menschen, die Sie früher gehasst haben, die in Wirklichkeit aber nur unterdrückte Eigenarten Ihrer selbst sind, auf eine Weise, die Ihnen nützt. Das heißt natürlich nicht, dass Sie faul oder grausam werden sollten. Nehmen Sie sich einfach ein bisschen Zeit. Oder hören Sie auf, immer zu allem Ja und Amen zu sagen. Überlegen Sie mal: Was ist der positive Aspekt am Faulsein? Faule Leute haben keine Angst, ein Päuschen einzulegen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Wenn Sie also diesen verdrängten Charakterzug Ihrer selbst integrieren, dann könnte das einfach heißen, dass Sie sich öfter mal ein wenig Ruhe gönnen. Das bringt Sie einen Schritt näher zur Ganzheit und zur Integration Ihrer Inneren Zwillinge. Damit wird der Kampf zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten in Ihnen schon ein wenig befriedet.

MACHEN SIE SELBSTGEWAHRSEIN ZU IHRER OBERSTEN PRIORITÄT

Dinge in uns selbst, die wir vor langer Zeit verdrängt haben, werden wir immer verurteilen, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Sie können nicht aufhören, etwas Bestimmtes zu tun, indem Sie sich einfach befehlen, es künftig zu unterlassen. Nutzen Sie Ihre positiven und nega­tiven Werturteile (vor allem, was den Partner und nahestehende Personen betrifft), um herauszufinden, was Sie in sich verdrängt haben und wie Sie es integrieren können. So wird aus dem Gegenstand der Verurteilung ein Gegenstand der Beobachtung.

Wenn wir die abgelehnten Aspekte unseres Selbst anerkennen, die zu unseren verletzten und verborgenen Inneren Zwillingen wurden, bekommen wir Gelegenheit, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Überlegen Sie, was Sie diesen Aspekten geben können, um sie stärker ans Ganze anzubinden. So können Sie lernen, sie zu lieben. Das ist die Art und Weise, wie wir uns uns selbst und anderen Menschen ­nähern sollten.

Um Ihnen dies näher zu erläutern, möchte ich hier ein Bild verwenden: Stellen Sie sich Ihre Haut als Gefäß vor. In diesem Gefäß gibt es eine ganze Reihe kleinerer Gefäße. Manche Menschen haben mehr von diesen kleineren Gefäßen in sich als andere. Jedes Gefäß steht für eine Person mit einer ganz eigenen Persönlichkeit, mit Glaubenssätzen, Ängsten, Traumata, Wünschen, Bedürfnissen und Vorlieben. Jede hat ihr eigenes Ego. Sie sehen also, dass wir keine Singularitäten sind. Sie sind, wie alle anderen Menschen, viele. Jeder kleine Gefäßmensch ist ein Teil unser selbst. Diese Teile stehen an unterschiedlichen Punkten, was ihr Wachstum und ihre Entwicklung angeht.

Wenn unser Bewusstsein aufgrund eines Traumas gespalten wird, dann teilt sich unser Ich – und das kann es wieder und wieder tun. Unser Selbst-Gefühl zersplittert. Wir haben vielleicht einen Körper, doch innerhalb dieses Körpers finden sich verschiedene Ichs, eine ganze Reihe Innerer Zwillinge. Manche dieser Aspekte lassen wir aus ihrem Gefäß heraus, sodass sie durch unseren Körper mit anderen Menschen in unserer Welt Verbindung aufnehmen können. Doch wann immer diese Teile aus ihrem Gefäß herauskommen und unseren Körper »übernehmen«, halten wir ihre Wahrnehmungen, Glaubenssätze, Ängste, Traumata, Wünsche und Bedürfnisse fälschlicherweise für alles, was wir sind. Dabei ist dieser verborgene Innere Zwilling nur ein kleiner Teil unser selbst und darüber hinaus noch ein unglücklicher, unerfüllter Aspekt. Wenn Sie sich jedoch in dem Augenblick, in dem das passiert, dessen bewusst sind, werden die Karten in Ihrem Spiel des Lebens neu gemischt.

WIE IHRE INNEREN ZWILLINGE IN IHNEN AGIEREN

Fassen wir also zusammen: Sie wissen nun, dass das Universum wie ein Spiegel funktioniert. Logischerweise folgt daraus: Wenn Sie in Ihrem Leben lähmende Einsamkeit erfahren, dann ist dies genau das, was sich in Ihrem Inneren zwischen Ihren Inneren Zwillingen abspielt. Sie sind nicht miteinander verbunden. Sie stehen nicht in harmonischem Austausch. Das liegt daran, dass einige Ihrer Inneren Zwillinge in vollkommen verschiedenen Realitäten leben.

Lassen Sie mich Ihnen dazu ein Beispiel geben: Eine Frau, mit der ich gearbeitet habe, entdeckte, dass einer ihrer Inneren Zwillinge sie beschützen sollte. Vor ihrem geistigen Auge erschien er als Ritter. Dieser Ritter hielt einen zweiten Inneren Zwilling, der sich als schöne Jungfrau zeigte, in einem Kerker gefangen. Der ritterliche Innere Zwilling war davon überzeugt, dass der Jungfrau-Innere Zwilling dort sicher war und sich wohlfühlte. Das war die Realität des Ritters.

Um meiner Klientin die Integration beider Aspekte zu ermöglichen, veranlassten wir den Ritter, sich einmal umzudrehen und der Jungfrau von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Als er das tat, erkannte er, dass es dem jungen Mädchen eben nicht gut ging. Ganz im Gegenteil. Als er den Blick auf sie richtete, merkte er, dass die Jungfrau im Sterben lag. Sie siechte dahin, weil sie emotional ausgehungert war.

Doch damit des Unglücks nicht genug: Nun war auch zu sehen, dass tief im Verlies ein Loch war, durch das andere Innere Zwillinge eindringen konnten. Zu ihnen gehörte auch ein Innerer Richter. Diese anderen Aspekte schlugen das junge Mädchen regelmäßig blutig, bis es keine Luft mehr bekam. Das war die »Realität«, die der Jungfrauen-Zwilling jahrelang erfahren hatte. Dabei war der Ritter-Zwilling fest davon überzeugt gewesen, dass die Jungfrau in Sicherheit war und gut versorgt wurde.

Meine Klientin war zu mir gekommen, weil sie sich so unendlich einsam fühlte. Sobald wir ihre innere Welt erkundet hatten, wurde klar, dass wir einen Weg finden mussten, diese beiden Aspekte in dieselbe Realität zu holen. Unser Ziel war es, die beiden Inneren Zwillinge dazu zu bringen, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen, damit sie die gleiche Sicht hatten. Und genau das müssen auch Sie tun, wenn Sie unter tiefer Einsamkeit leiden.

Eine gute Möglichkeit, um diese verschiedenen Aspekte in dieselbe Wirklichkeit zu holen, besteht zunächst einmal darin, ein Bewusstsein für den jeweils anderen Teil zu erzeugen. Dazu brauchen wir einen Ort in unserem Geist, an dem sie alle zusammenkommen können. Um zu meinem Beispiel vom Ritter und der Jungfrau zurückzukehren: Als der Innere Zwilling »Ritter« sehen konnte, dass sich seine Wirklichkeit von jener der Jungfrau unterschied, konnte die Ritterpersönlichkeit die Gefühle, Bedürfnisse, Gedanken, ja die persönliche Wahrheit des jungen Mädchens annehmen. Sie beschlossen, gemeinsam in ein Hobbit-Land zu ziehen, wo der Ritter über das junge Mädchen wachen konnte, während sie sich in einem zauberhaften Hobbit-Häuschen allmählich erholte. Gemeinsam beschlossen sie, dass die Jungfrau die Unterstützung von drei anderen Inneren Zwillingen akzeptieren würde, die nach Ansicht des jungen Mädchens und des Ritters vertrauenswürdig waren.

Wann immer Sie innerlich gespalten sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese beiden inneren Aspekte Ihrer selbst nicht dieselbe Wirklichkeit erleben. Sobald Sie die beiden Teile zur Annahme der jeweils anderen Realität bewegen können, entsteht eine dritte Realität, in der beide Aspekte leben können. Dann können beide Inneren Zwillinge gesehen, gehört, verstanden, gefühlt werden … und beide haben dann jemanden, der mit ihnen ist – auf derselben Seite, in derselben Realität.

Wenn Sie Ihre Inneren Zwillinge zusammenbringen, sind sie nicht mehr in ihrer jeweils eigenen Wirklichkeit gefangen. Dann werden auch Sie in Ihrem Leben nicht mehr der Einsamkeit ausgesetzt sein. Einer der Hauptgründe für Ihre Einsamkeit ist, dass die Fragmente in Ihnen, Ihre Inneren Zwillinge, voneinander getrennt waren und sich allein und isoliert gefühlt haben. Und somit waren sie auch isoliert vom Bewusstsein, das zu Ihrer Essenz gehört. Je mehr Verbindungen Sie hier schaffen, je mehr Sie innerlich integrieren, desto eher werden Sie bereit sein, authentische und nachhaltige Beziehungen zu Freunden und nahestehenden Menschen aufzubauen.

Das hört sich zunächst recht abstrakt an, doch je mehr Ihr Gewahrsein wächst, desto eher werden Sie in der Lage sein, die verschiedenen Persönlichkeiten in sich selbst zu erkennen. Sie werden mit klarem Blick sehen, inwiefern diese sich bekriegen. Meditation, Zeiten der Ruhe, Tagebuch-Führen und andere Techniken können Ihnen helfen, mit Ihren inneren Aspekten in Berührung zu kommen. Und natürlich können Sie die Tatsache nutzen, dass Sie, wann immer Sie an einem anderen Menschen einen Charakterzug hassen oder lieben, sicher sein können, diese Eigenart in sich zu tragen, als Inneren Zwilling, der sich nach Anerkennung, Heilung und Integration sehnt.

VERSTEHEN, WOMIT SIE SICH IDENTIFIZIEREN

Identität ist der Zustand, ganz man selbst zu sein, ein separates Selbst, das man auch als »Ego« bezeichnen könnte. Sie können kein Gefühl für sich selbst haben, ohne das Gefühl, dass es da noch andere gibt. Wann immer wir etwas mit unserem Selbst assoziieren, identifizieren wir uns damit. Es wird ein Teil unser selbst. Wir machen es zu uns. Das ist Anhaftung – Identifikation.

Viele spirituelle Lehrer legen großen Wert auf die Des-Identifikation mit den Dingen der Außenwelt, vor allem mit anderen Menschen. In meinen Augen ist es nicht die Identifikation mit äußeren Dingen, die uns leiden lässt, sondern die Identifikation mit Dingen, die wir als unser Innerstes erleben.

Wir identifizieren uns in ganz besonderem Maß mit drei grundlegenden Aspekten unseres Selbst: unserem Körper, unserem Geist und unseren Emotionen. Jeder dieser drei Aspekte ist ein unterschiedlicher Ausdruck des Quellen-Bewusstseins. Wir halten diese Aspekte meist fälschlich für die Totalität unseres Seins. Wie ein Künstler, der sich mit seinem Bild so sehr identifiziert, dass er vergessen hat, wer er letztendlich ist, und dass er mehr ist als nur sein Bild.

In unserem Fall bedeutet das: Wir denken, wir sind unsere Emotionen, wir sind unser Körper und wir sind unsere Gedanken. Das hat zur Folge, dass wir so stark an ihnen anhaften, dass sie uns Leid verursachen. Jene Menschen, die schmerzliche Emotionen erleben, schmerzliche Gedanken hegen und einen schmerzenden Körper haben, empfinden das Leben als Qual.

Selbst auf die Gefahr hin, dass Sie dabei vielleicht in eine Haltung der Selbstablehnung geraten, möchte ich Ihnen empfehlen, den Prozess der Des-Identifikation zu beginnen. Entscheidend ist dabei, dass Sie dies auf eine Art und Weise tun, die Anhaftungen von Ihnen abfallen lässt wie die Blütenblätter einer Rose. Das geschieht ganz von selbst, wenn Sie sie dem Licht des Bewusstseins aussetzen. Wenn Sie sie hingegen mit Gewalt beenden wollen, zementieren Sie sie nur auf ewig. Und Sie werden sich dabei schlecht und abgelehnt fühlen. Das könnte eine intensive Überlebensreaktion provozieren, weil Sie sich ja selbst ablehnen.

IDENTIFIZIEREN SIE IHRE PERSÖNLICHKEITSASPEKTE

Der beste Weg dazu ist die Erkenntnis Ihrer einzelnen Aspekte. Nehmen Sie ein Blatt Papier zur Hand und schreiben Sie alles auf, womit Sie sich Ihrer Ansicht nach identifizieren.

Ein Beispiel: In dem Augenblick, in dem Sie von meinen Freunden sprechen, identifizieren Sie sich mit Ihren Freunden, weil Sie sie als »mein« ansehen. Von nun an sind Sie ihnen durch Anhaftung verbunden. Bei jeder Aussage, die mit den Worten »Ich bin [so oder so]« beginnt, identifizieren Sie sich mit dem genannten Aspekt. Sagen Sie: »Ich bin sexy«, dann identifizieren Sie sich mit dem Sexysein.

Versuchen Sie, die Gedanken und Glaubenssätze, mit denen Sie sich identifizieren, offenzulegen. Nehmen wir beispielsweise den Satz: »Geld wächst nicht auf den Bäumen.« Das könnte ein Satz sein, mit dem Sie sich identifizieren. Versuchen Sie auch, die Emotionen aufzuspüren, mit denen Sie sich identifizieren. Gewöhnlich sind es solche, die häufig wiederkehren. Das könnte zum Beispiel Enttäuschung sein. Dann versuchen Sie herauszufinden, mit welchen Aspekten Ihres Körpers Sie sich identifizieren. Sehen Sie sich als »fett« an, dann identifizieren Sie sich auf der körperlichen Ebene mit dem Dicksein.

Alles, womit Sie sich identifizieren, löst gewöhnlich heftige Reaktionen aus. Ihr Ego hat diesen Aspekt als Teil der Gesamtheit Ihres Seins akzeptiert. Wann immer diese Aspekte bedroht sind, wird Ihr Ich reagieren und zum Angriff übergehen. Das Ego hat Grund, diese Aspekte Ihres Lebens bewahren zu wollen, selbst wenn sie Ihnen Kummer bereiten. Es sieht den Verlust dieser Aspekte als Auslöschung seiner selbst. Manchmal identifizieren wir uns so sehr mit unserem Schmerz, dass das Ego denkt, es müsse uns ununterbrochen Schmerz erfahren lassen.

So weit, so gut. Unsere eigentliche Praxis hier ist es, die Dinge zu erkennen, mit denen wir uns identifizieren, und zwar möglichst in dem Augenblick, in dem sie auftauchen. Am leichtesten fällt dies mit unseren Emotionen. Starke Emotionen können Sie als Alarmsignal sehen, das Sie aufrüttelt und Ihnen sagt, dass hier eine Identifikation vorliegt und Sie dies merken sollen. Es ist ein Weckruf, der uns mahnt, in aller Achtsamkeit präsent zu bleiben und zu beobachten, was sich tatsächlich in uns abspielt. Dieses Erkennen versetzt Sie in die Lage des Beobachters. Sie nehmen Ihrem temporären Selbst gegenüber die Perspektive des Beobachters ein, statt sich in dessen Perspektive hineinziehen zu lassen.

Wenn sich eine starke Emotion bemerkbar macht, treten Sie ihr innerlich entgegen, statt darauf zu reagieren und zu versuchen, sie zu verdrängen. Wenn Sie sie fühlen, nutzen Sie das Gefühl als Erinnerung daran, dass nun Ihr Emotionskörper aktiv wird. Er wird aufgeladen wie ein Elektrozaun. Vergessen Sie nicht: Es ist nicht die Emotion selbst, die das Leid verursacht, sondern die Tatsache, dass Sie sich mit ihr identifizieren.

Dieses Gewahrsein, dieses Das-Gefühl-beim-Namen-Nennen und es voll zu spüren, ist alles, was nötig ist, um die Identifikation damit aufzulösen. Versuchen Sie nicht, sich das Gefühl auszureden oder es zu verändern. Erkennen Sie es einfach als das, was es ist, und lassen Sie es zu. Sie werden noch oft erleben, dass sich Ihnen Einsichten offenbaren, wenn Sie Ihre Emotionen beobachten. Vielleicht kommen Sie ja dahinter, was dieses Gefühl ausgelöst hat und welche Bedeutung Sie dem Auslöser zumessen. Dann tut sich vielleicht auch die Erkenntnis auf, was Sie tun müssen, damit sich das Gefühl von selbst auflöst.

In puncto Gedanken läuft der Prozess dann ganz genauso ab. Indem Sie einen Gedanken erkennen, ihn beobachten und ihn da sein lassen, geben Sie ihm keine Nahrung. Dann zieht er keine ähnlich gearteten Gedanken nach sich, und Sie sind in der Lage, den Gedankenfluss anzuhalten. Wie gewaltig wird das sein, wenn Sie die negative Spirale Ihrer Gedanken zum Stillstand bringen können?

Was den Körper angeht, so denken wir, wir sind unser Körper. Und wenn unser Körper sich verändert, denken wir, wir verlieren unsere Identität. Also üben Sie sich darin, Ihren Körper zu beobachten, als wäre er eine Erfahrung, die Sie im Moment machen, und nicht das, was Sie sind. Wenn Sie Ihren Körper erkennen, ihn sehen, fühlen und bewusst erfahren, dann sind Sie in diesem Augenblick nicht Ihr Körper. Sie des-identifizieren sich mit ihm.

Auf dieselbe Weise sind Sie nicht Ihr Ego, sind nicht dieses vereinzelte Selbst. In dem Augenblick, in dem Sie die Identifikation mit diesen Vorstellungen auflösen, indem Sie sich des Egos oder des abgespaltenen Selbsts bewusst werden, sind Sie all diese Dinge nicht mehr. An diesem Punkt sind Sie sich in aller Schärfe bewusst, wer und was Sie nicht sind. Das größte Hindernis zwischen Ihnen und Ihrem wahren Selbst ist also beseitigt, und Sie können sich erneut Ihres einheitlichen Bewusstseins erfreuen.

SELEKTIVE IDENTIFIKATION

Die Des-Identifikation hilft uns wirklich weiter, außer wir nutzen sie zur selektiven Identifikation. So war es beispielsweise bei uns Menschen über Jahrtausende hinweg üblich, sich mit dem Akzeptablen zu identifizieren und das Inakzeptable abzulehnen. Ein traditioneller Guru ist jemand, der sich mit einem dieser Teile identifiziert und nur diesen Part des Egos leben und gedeihen lässt. Nur dieser eine Innere Zwilling darf aus seinem Gefäß heraus.

Nehmen wir mal einen Guru, der für sich ein akzeptables Menschenbild schafft (seine Vorstellung von der Erleuchtung): Das ist ein Mensch, der nie wütend wird, der immer sofort vergibt, der keine weltlichen Bedürfnisse hat und ständig auf das Positive konzentriert bleibt. Wenn dann in einem solchen Menschen Wut hochkommt oder ein weltliches Bedürfnis oder ein negativer Gedanke, dann wird er all das leugnen, zurückweisen, verdrängen und als »Nicht-Ich« betrachten. Er wird die Persona des Guru annehmen. Alles, was nicht dazu passt, wird er ablehnen und sich selbst und anderen vormachen, dass er nie etwas anderes empfindet als diese akzeptablen Aspekte seiner selbst. Die Wirklichkeit und Wahrheit anderer Aspekte kann er nicht anerkennen. Das wird er so lange tun, bis er sein Gewahrsein aller seiner anderen Aspekte einbüßt. Dann hält er den Guru-Teil für die Gesamtheit seiner selbst, weil er alle anderen Teile ausschließt. Das ist seine tägliche Praxis. Das ist die ­Praxis der Selbstablehnung, denn ob es ihm nun gefällt oder nicht: Die Aspekte, die er ablehnt, gehören genauso zu ihm. Sein Ego ist dann die »Vorstellung von einem erleuchteten ­Wesen«. Alles andere kann er nicht zulassen. Und er muss sich alles aus dem Blickwinkel dieser Identität erklären. Das ist die stärkste Anhaftung, die man sich vorstellen kann. Mit Integration hat das nichts zu tun. Das ist vielmehr selektive Identifikation.