Einstellungsinterviews vorbereiten und durchführen - Heinz Schuler - E-Book

Einstellungsinterviews vorbereiten und durchführen E-Book

Heinz Schuler

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Beschreibung

Das Einstellungsinterview oder Vorstellungsgespräch ist ein unentbehrliches Hilfsmittel zur Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Es wird nicht nur von Personalverantwortlichen geschätzt, sondern auch von Stellen- und Studienbewerbern. Zur Durchführung erfolgreicher Auswahlgespräche stehen vielerlei Fragenarten und verschiedene Typen systematischer Interviewverfahren zur Verfügung. In diesem Band werden die besten Vorgehensweisen vorgestellt und in Bezug auf ihre Aussagekraft und ihre Akzeptanz geprüft. Ausführlich werden alle wichtigen Schritte geschildert, wie man zu erfolgreichen Einstellungsinterviews kommt: die Anforderungsanalyse, die Entwicklung und Zusammenstellung geeigneter Fragen, das Interviewertraining, die Gesprächsführung und schließlich die Entscheidungsfindung. Auch die Erfolgsprüfung (Validierung) des Interviews sowie die rechtlichen Vorgaben werden erörtert. Darüber hinaus wird aus der Perspektive der Bewerber das Erleben von Auswahlgesprächen betrachtet, und es werden Empfehlungen gegeben, wie auch Bewerber ihre Gesprächspartner interviewen können, um ihrerseits eine gute Entscheidung zu treffen. Einige Fälle aus der Praxis runden die Darstellung ab und zeigen beispielhaft, wie Einstellungsinterviews im Rahmen von Auswahlprozessen erarbeitet und erfolgreich eingesetzt werden.

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Heinz Schuler

Patrick Mussel

Einstellungsinterviews vorbereiten und durchführen

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 32

Einstellungsinterviews vorbereiten und durchführen

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Patrick Mussel

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Jörg Felfe

Begründer der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Prof. Dr. Heinz Schuler, geb. 1945. Studium der Psychologie und Philosophie in München. 1973 Promotion und 1978 Habilitation an der Universität Augsburg. 1979–1982 Professor und Institutsleiter an der Universität Erlangen. Von 1982–2010 Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie an der Universität Hohenheim, Stuttgart. Gründungsherausgeber der Zeitschrift für Personalpsychologie. Langjähriger Vorsitzender der Ethikkommissionen der DGPs und des BDP. Berater zahlreicher Unternehmen und Behörden.

Dr. Patrick Mussel, geb. 1976. Studium der Psychologie an der Universität Trier. 2007 Promotion an der Universität Hohenheim. Anschließend tätig als Leiter Forschung und Entwicklung sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei S & F Personalpsychologie. Seit 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen. Forschungsschwerpunkte: Differentielle Psychologie, insbesondere die Struktur der Persönlichkeit, neuronale Grundlagen sowie Anwendungsaspekte im Kontext der Personalpsychologie.

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Internet: www.hogrefe.de

Umschlagbild: © Johnny Greig – istockphoto.com

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2016

© 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2397-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2397-6)

ISBN 978-3-8017-2397-2

http://doi.org/10.1026/02397-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1 Einstellungsinterview: Konzept und Grundlagen

1.1 Begriffsbestimmung

1.2 Die Rolle des Interviews im Auswahlprozess

1.3 Vorauswahlverfahren

1.4 Verwendungshäufigkeit

1.5 Akzeptanz

1.6 Validität

1.7 Nutzen

2 Modelle

2.1 Soziale Urteilsbildung

2.2 Konstruktvalidität

2.3 Strukturiertheit

2.4 Bewerberkognitionen

2.5 Selbstdarstellung und Verfälschung

3 Wichtige Interviewsysteme

3.1 Das Behavior Description Interview

3.2 Das situative Interview

3.3 Das entscheidungsorientierte Gespräch

3.4 Das Multimodale Interview

4 Vorgehen

4.1 Anforderungsanalyse

4.2 Fragentypen und Entwicklung von Interviewfragen

Offene Fragen

Geschlossene Fragen

Mehrfach- oder Kettenfragen

Suggestivfragen

Zweiseitige oder Alternativenfragen

Auswahlfragen

Kenntnisfragen

Schwächenanalyse

Sequenzielle Fragetechnik und Konkretisierungsfragen

Biografiebezogene Fragen

Verhaltensdreieck

Situative Fragen

4.3 Ausarbeitung des Gesamtinterviews

4.4 Interviewertraining

4.4.1 Trainingsziele und -prinzipien

4.4.2 Trainingsbausteine und Übungen

4.5 Durchführung des Einstellungsinterviews

4.5.1 Gesprächsvorbereitung

4.5.2 Gesprächsdurchführung

4.5.3 Gesprächsnachbereitung und Entscheidungsfindung

4.6 Validierung

4.7 Rechtliche Vorgaben und vorrechtliche Regelungen

4.7.1 Rechtliche Vorgaben

4.7.2 Vorrechtliche Regelungen

4.8 Bewerberperspektive

4.8.1 Erleben des Interviews

4.8.2 Bewerbertraining

4.8.3 Wie Bewerber interviewen können

5 Fallbeispiele aus der Unternehmens- und Beratungspraxis

5.1 Interview zur Auswahl von Gaststättenpächtern

5.2 Das Interview als Auswahlverfahren für Lehramtsstudierende

5.3 Das Interview zur Auswahl von Führungskräften in einem produzierenden und forschenden Unternehmen

6 Literaturempfehlungen

7 Literatur

Karten

Karte 1: Checkliste Fragen und Checkliste Gesprächsdurchführung

Karte 2: Checkliste Interviewertraining

|1|1 Einstellungsinterview: Konzept und Grundlagen

Das Einstellungsinterview ist die wichtigste Methode zur Auswahl von Mitarbeitern. Es vermittelt dem Auswählenden ein Bild von der Person und der Qualifikation des Bewerbers, es informiert den Bewerber über Tätigkeit und Unternehmen, es bringt – im positiven Fall – beide als Arbeitspartner zusammen, und es ist die Basis ihrer unmittelbaren Vereinbarungen wie ihrer späteren Zusammenarbeit. Kein anderes Auswahlverfahren kann die Summe dieser Funktionen leisten. Da Einstellungsinterviews gleichzeitig auch noch von Interviewern und Interviewten besonders geschätzt werden, ist es nicht verwunderlich, dass sie zu den am häufigsten durchgeführten Auswahlverfahren gehören.

Das erste Kapitel des vorliegenden Buches beginnt mit einer kurzen Begriffsbestimmung und einer Abgrenzung von verwandten, häufig verwendeten Begriffen. Anschließend wird die Rolle des Einstellungsinterviews im Kontext anderer Verfahren der Personalauswahl erörtert, insbesondere die Frage, durch welche Verfahren ein Auswahlprozess ergänzt werden sollte. Dafür wird ein Modell skizziert, das Auswahlverfahren identifiziert, die sich speziell für die Vorauswahl eignen. Des Weiteren finden sich in diesem einleitenden Kapitel Angaben bezüglich der Bedeutung von Einstellungsinterviews für das Personalmanagement, insbesondere zu Verwendungshäufigkeit und Akzeptanz. Abschließend wird berichtet, welchen monetären Nutzen gut konstruierte Interviews stiften können; diesen Ausführungen geht ein Abschnitt über den wichtigsten Parameter solcher Berechnungen voraus, die Validität von Interviews.

1.1 Begriffsbestimmung

Ein Einstellungsinterview kann definiert werden als ein persönliches Gespräch zwischen einem Stellenbewerber und wenigstens einem Repräsentanten einer Organisation mit dem Ziel der Prognose zuvor definierter beruflicher Kriterien, wobei beide Seiten sich sowohl um ein zukünftiges Arbeitsverhältnis bemühen als auch hierüber entscheiden (Mussel, 2007b; Schuler, 2002).

Diese Definition fokussiert auf das persönliche Gespräch, wobei Varianten über elektronische Medien wie Telefon, Videotelefonie oder Chat zahlreiche Ähnlichkeiten mit einem persönlichen Gespräch haben und in empirischen Studien vergleichbare psychometrische Eigenschaften aufweisen (Schmidt & Rader, 1999). Die Besonderheit des persönlichen Gesprächs |2|liegt in Aspekten wie nonverbaler Kommunikation und insbesondere dem persönlichen Kontakt, der die einzigartige Situation des persönlichen Gesprächs maßgeblich bestimmt. Gespräche über elektronische Medien sind bezüglich dieser charakteristischen Merkmale eingeschränkt und daher nur im weiteren Sinne des Begriffs den Einstellungsinterviews zugehörig. Dabei weisen das Telefonat und insbesondere das Videotelefonat noch vergleichsweise bedeutsame Gemeinsamkeiten mit dem persönlichen Gespräch auf, während schriftliche Kommunikation die meisten Merkmale des Gesprächs vermissen lässt. Ein Beispiel für eine weite Definition, die auch diese Formen der Kommunikation berücksichtigt, stammt von Eder und Harris (1999, S. 2), die die Interviewsituation mit dem Begriff „interviewer-applicant exchange of information“ umschreiben.

Wie schon Uhrbrock (1948) feststellte, der Interviews als „conversation with a purpose“ bezeichnete, grenzen sich Einstellungsinterviews darüber hinaus von anderen Interaktionen durch ihre spezifische Zielsetzung ab, die hier als Prognose von beruflichen Kriterien umschrieben wurde. Dazu gehören Kriterien beruflicher Leistung ebenso wie die Passung zwischen Bewerber und Organisation, Beförderung, Trainingserfolg, Absentismus und Fluktuation (vgl. Wiesner & Cronshaw, 1988). Der Hinweis auf die vorherige Definition dieser Kriterien bringt den Anforderungsbezug eines Einstellungsinterviews zum Ausdruck, das sich stets an den Besonderheiten der zu besetzenden Position orientiert, wobei es sich auch um eine intern zu besetzende Position handeln kann.

Die Beidseitigkeit im Bemühen und Entscheiden über ein Arbeitsverhältnis greift insbesondere die von Schuler (2002) betonte Perspektive des Bewerbers auf. Die klassische Auffassung des Gesprächs beinhaltet einen Bewerber, der sich möglichst positiv darstellt, um ein Stellenangebot zu erhalten, sowie Repräsentanten der Organisation, die Informationen einholen und sich auf dieser Grundlage für einen von i. d. R. mehreren Bewerbern entscheiden. Interessanterweise nehmen beide Protagonisten während des Gesprächs auch die umgekehrte Rolle ein. Auf Seiten der Organisation ist damit das Werben um einen (geeigneten) Bewerber als Element des Personalmarketings wie auch die Vermittlung eines positiven Images der Organisation angesprochen, das den Bewerber z. B. als potenziellen Kunden der eigenen Produkte versteht. Auf Seiten des Bewerbers werden zunächst Informationen über Arbeitstätigkeit und Beschäftigungsmodalitäten eingeholt, um auf möglichst solider Grundlage eine Entscheidung für eine von möglicherweise mehreren Organisationen treffen zu können. Diese verschiedenen Zielsetzungen steuern das Auftreten und den Informationsaustausch der Protagonisten und prägen damit den spezifischen Charakter des Einstellungsgesprächs.

Neben der Bezeichnung Einstellungsinterview finden sich auch andere Begrifflichkeiten, wie Interview, Auswahlgespräch und Vorstellungsgespräch, |3|die im Folgenden jedoch synonym gebraucht werden. Falls diese Begriffe Unterschiedliches zum Ausdruck bringen, so ist von Interview und Einstellungsinterview dann die Rede, wenn es sich um systematische und strukturierte Verfahren handelt, wohingegen der Bezeichnung Auswahlgespräch auch unstrukturierte, frei geführte Gespräche zuzurechnen sind. Der Begriff Vorstellungsgespräch schließlich betont vornehmlich die Perspektive des Bewerbers. Der in diesem Buch verwendete Begriff Einstellungsinterview ist auch gut vereinbar mit dem im Englischen am häufigsten gebrauchten Begriff „employment interview“ und bringt zum Ausdruck, dass das Ergebnis des Gesprächs darauf abzielt, eine Entscheidung über eine spätere Einstellung zu treffen. Es sei noch erwähnt, dass der Begriff weniger gut auf interne Platzierungen zutrifft – beispielsweise im Rahmen von Karriereentscheidungen, bei der Zuordnung von Entwicklungsprogrammen oder bei Umsetzungs- und Freisetzungsentscheidungen –, da in diesem Fall eine Einstellung ja bereits erfolgt ist. In diesem Zusammenhang ist am ehesten der Terminus Interview oder eignungsdiagnostisches Gespräch zu wählen (Schuler, 2002).

Auf die Hauptfunktion des Einstellungsinterviews, die Prognose verschiedener Kriterien beruflichen Erfolgs, wurde bereits hingewiesen. Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, erfüllt das Einstellungsinterview darüber hinaus eine Reihe weiterer Funktionen, die hier getrennt aus Perspektive des Bewerbers und der auswählenden Organisation aufgeführt sind. Da das Einstellungsinterview in der Regel den ersten persönlichen Kontakt zwischen Bewerber und Vertretern der Organisation darstellt, besteht eine wichtige Funktion zunächst im persönlichen Kennenlernen sowie dem Aufbau einer gemeinsamen Beziehung. Das Unternehmen kann diese Gelegenheit darüber hinaus nutzen, um sich selbst zu präsentieren und geeignete Bewerber zu gewinnen. Der zweite in Tabelle 1 genannte Aspekt betrifft die Informationsgewinnung, wobei das Unternehmen Informationen über anforderungsrelevante Eigenschaften und Erfahrungen sowie zur Passung zum Unternehmen mit dem Ziel einer Leistungsprognose einholen kann. Darüber hinaus bietet das Interview die Möglichkeit, Informationen aus Bewerbungsunterlagen zu verifizieren. Schließlich erhalten Unternehmensvertreter Informationen über den Bewerber- und Arbeitsmarkt, zum einen über die Eindrücke verschiedener Gespräche hinweg, zum anderen über gezielte Fragen, z. B. nach den bisherigen Bewerbungsbemühungen eines Kandidaten. Die Bewerber haben im Gegenzug die Möglichkeit, Informationen über den angestrebten Arbeitsplatz, über die Tätigkeit und zugrunde liegende Anforderungen wie über das Unternehmen als Ganzes zu erhalten. Darüber hinaus werden sie über den weiteren Auswahlprozess informiert. Aus den Rückmeldungen der Interviewer sowie dem Abschneiden im Interview erhalten die Bewerber darüber hinaus Informationen über ihren eigenen Marktwert am Arbeitsmarkt.

|4|Tabelle 1: Funktionen des Einstellungsinterviews (nach Mussel, 2007a, S. 18)

Organisation

Bewerber

Persönliches Kennenlernen

persönliche Beziehung aufbauen; Unternehmen präsentieren; qualifizierte Bewerber gewinnen

Kontakt zum Unternehmen herstellen; Sympathie und Vertrauen aufbauen

Informationsgewinnung

Leistungsprognose; Passung zum Unternehmen ermitteln; Informationen aus Bewerbungsunterlagen verifizieren; Informationen über den Arbeitsmarkt erhalten

Informationen über Arbeitsplatz, Tätigkeit, Anforderungen, Unternehmenskultur und Auswahlprozess erhalten; eigenen Marktwert bestimmen

Entscheidung

Entscheidung über Annahme/Weiterprüfung/Ablehnung, ggf. Angebot unterbreiten

Entscheidung zwischen potenziellen Arbeitgebern treffen; Absprachen treffen; Bedingungen aushandeln

Die dritte Funktion betrifft die im Gespräch zu treffende Entscheidung, die auf Grundlage der im Gespräch erhobenen Informationen wie auch weiterer Aspekte erfolgen kann, wie beispielsweise zuvor erhobener Testdaten oder Informationen aus Bewerbungsunterlagen. Auf Seiten der Organisation wird dabei über Ablehnung oder Annahme eines Kandidaten entschieden bzw. – im Falle weiterer Selektionsschritte – über Ablehnung oder weitere Prüfung, beispielsweise im Rahmen eines Assessment Centers, einer Arbeitsprobe oder einer Probezeit. Doch nicht nur die Organisation, auch die Bewerber haben eine Entscheidung zu treffen, und zwar bezüglich der Ablehnung oder Annahme eines potenziellen Arbeitsplatzangebots. Neben den Arbeits-, Gehalts- und Aufstiegsbedingungen der betreffenden Position spielen dabei auch das Image, die wahrgenommene Passung mit der Unternehmenskultur und der Standort des Unternehmens eine Rolle, ebenso wie die Abwägung zwischen mehreren potenziell vorliegenden Angeboten. Insbesondere die Diskussion um Fachkräftemangel sowie die demografische Entwicklung verlagern die Entscheidung dabei zunehmend weg von der Organisation, hin zu den Bewerbern.

1.2 Die Rolle des Interviews im Auswahlprozess

Wenngleich Einstellungsinterviews als die wichtigsten Verfahren der Personalauswahl angesehen werden können, so werden sie in der Praxis häufig mit anderen Verfahren kombiniert. Insbesondere in umfangreichen Auswahlprozessen mit vielen Bewerbern kommen eine Reihe weiterer Verfahren zum Einsatz, die in der Regel sequenziell eingesetzt werden. Interviews kommen dabei zu einem späten Zeitpunkt zum Einsatz, was sich vor allem durch den hohen Aufwand erklären lässt, der mit der Durchführung von Einstellungsinterviews verbunden ist. Höhere Kosten im Vergleich zu anderen Auswahl|5|verfahren entstehen dabei durch die Anreise der Kandidaten sowie die Arbeitszeit für die Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Entscheidung, wobei die Kandidaten in der Regel einzeln von mindestens einem, oft sogar mehreren Vertretern der Organisation interviewt werden.

Einen typischen Auswahlprozess beschreiben Schuler und Brandenburg (2003). Für die Auswahl von Mitarbeitern einer neu gegründeten Tochterfirma von Volkswagen, der Auto5000 GmbH, waren rund 3 500 Stellen zu besetzen, vornehmlich in der Produktion. Die Bewerbung für diese Stellen erfolgte über einen internetgestützten Fragebogen; neben klassischen Lebenslaufinformationen bearbeiteten die Kandidaten dabei schon erste psychologische Testverfahren, beispielsweise zu sozialer Kompetenz und kognitiven Fähigkeiten. Diese Stufe ist als Negativselektion zu sehen, d. h. es wurden nur Bewerber aus dem Prozess ausgeschlossen, die die Mindestanforderungen nicht erfüllten. Geeignete Bewerber wurden zu einer zweiten, ausführlicheren Testung in Jobcentern eingeladen. In geschützter Umgebung konnten umfangreichere Diagnosen durchgeführt werden, die bei einer Bearbeitung über das Internet zu hohem Drop-out geführt hätten; ferner konnte die Identifikation der Bewerber sichergestellt werden. Kandidaten, deren Testergebnisse hohe Passung mit den Anforderungen der Stelle aufwiesen, wurden zu einem weiteren Termin eingeladen, an dem auch das Interview stattfand. Als Interviewverfahren wurde ein Multimodales Interview durchgeführt, das in Kapitel 3.4 noch vorgestellt wird. Darüber hinaus fanden im Rahmen dieses Termins auch Assessment Center-Aufgaben statt, wie beispielsweise Rollenspiele, Gruppendiskussionen sowie eine händische Arbeitsprobe. Aufgrund der Gesamtleistung in diesen Verfahren und dem Interview wurden die geeignetsten Kandidaten noch einem Gesundheitscheck unterzogen, bevor sie ein Einstellungsangebot erhielten. Auf der letzten Stufe liegt somit die Auswahlentscheidung auf Seiten der Bewerber, die sich für oder gegen ein potenzielles Angebot entscheiden müssen. Die insgesamt 3 500 eingestellten Personen produzieren seither eines der Erfolgsmodelle des Konzerns, den Touran.

Durch diese Gestaltung des Auswahlprozesses konnte die Anzahl der durchzuführenden Interviews deutlich reduziert werden. Von den insgesamt 48 000 Bewerbern, die sich im Internet registriert hatten, wurden 11 500 zu Interview und Assessment Center eingeladen. Somit reduzierte sich der mit diesen Verfahren entstandene Aufwand um rund drei Viertel. Auf eine zweite Funktion, die Vorauswahlverfahren neben der Reduktion der Anzahl durchzuführender Diagnosen in einem Personalauswahlprozess haben, wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

Bezüglich der Rolle von Interviews im Auswahlprozess ist auch deren zeitlicher Umfang von Interesse. Stephan und Westhoff (2002) befragten rund 100 mittelständische Unternehmen nach deren Gewohnheiten für die Auswahl von Führungskräften. Es zeigte sich, dass in nur 5 % der Fälle Inter|6|views unter einer halben Stunde dauern, in 29 % der Fälle bis zu einer Stunde und am häufigsten (in 41 % der Fälle) bis zu eineinhalb Stunden. Immerhin ein Viertel der Interviews dauerten noch länger.

1.3 Vorauswahlverfahren

Einen Personalauswahl- bzw. Potenzialanalyseprozess um Verfahren der Vorauswahl zu erweitern, kann auf zwei verschiedenen Ebenen Nutzen stiften: zum einen im Sinne einer höheren Prozesseffizienz, zum anderen durch einen diagnostischen Zuwachs der resultierenden Entscheidung (vgl. Mussel, Frintrup, Pfeiffer & Schuler, 2007). Der Aspekt der Prozesseffizienz bezieht sich auf den Aufwand, der im Rahmen eines Auswahlprozesses entsteht. Wie bereits angesprochen, sind Interviews relativ aufwendige Verfahren, sowohl was ihre Entwicklung betrifft als auch in Bezug auf die Durchführung. Vorauswahlverfahren können einen Beitrag zur Prozesseffizienz leisten, wenn sie geringeren Aufwand verursachen und in der Lage sind, das Abschneiden im Interview möglichst gut vorherzusagen. Durch solche Verfahren wird die Grundquote (der Anteil der Geeigneten unter den Bewerbern) erhöht, sodass – bei gleicher Validität und Nutzen des Auswahlprozesses – weniger Kandidaten zum Interview eingeladen zu werden brauchen. Dadurch verringern sich die Kosten für den gesamten Prozess.

Der diagnostische Zuwachs resultiert aus dem Einsatz von solchen Vorauswahlverfahren, die die Validität des Gesamtprozesses erhöhen. Diese Verfahren können also Varianzanteile beruflichen Erfolgs vorhersagen, die durch Einstellungsinterviews nicht prognostizierbar sind. Gemeinsam und in optimaler Gewichtung sind dadurch bessere Entscheidungen möglich, d. h. die ausgewählten Personen leisten später mehr, zeigen höheres Commitment oder verringerte Fluktuation.

Das Kriterium der Prozesseffizienz reduziert die Kosten für den Auswahlprozess, weil weniger Personen zum Interview eingeladen werden müssen. Das Kriterium des diagnostischen Zuwachses führt zu verbesserten Entscheidungen, weil die Validität des Auswahlprozesses steigt.

In Abbildung 1 wurde auf Grundlage empirischer Daten der jeweilige Nutzen für unterschiedliche Vorauswahlverfahren bestimmt (vgl. Mussel, 2007a). Die Prozesseffizienz ergibt sich dabei aus der Prognosekraft eines Verfahrens für das Abschneiden im Interview; sie wurde in Abbildung 1 durch die unkorrigierte bivariate Korrelation zwischen diesem Verfahren und dem Interview operationalisiert. Der diagnostische Zuwachs entspricht der inkrementellen Validität eines Verfahrens über das Interview hinaus; er berechnet sich aus der Korrelation zwischen einem Verfahren und dem Interview sowie den |7|jeweiligen prädiktiven Validitäten, die bezüglich Messungenauigkeit im Kriterium sowie ggf. Streuungseinschränkungen korrigiert sind (die entsprechenden Quellen finden sich bei Mussel, 2007a, S. 270).

Abbildung 1: Nutzen konstruktorientierter Forschung für die Gestaltung von Auswahlprozessen; Prozesseffizienz entspricht der Korrelation mit dem Interview; diagnostischer Zuwachs entspricht der inkrementelle Validität über die prognostische Validität des Interviews (.44) hinaus. (GPA: Grade Point Average, vergleichbar mit der durchschnittlichen Abschlussnote; SJT: Situational Judgement-Test, nach Mussel, 2007a, S. 25)

Je nach Rahmenbedingungen und Zielsetzung kann eine Empfehlung abgeleitet werden, welche Merkmale sich für die Vorauswahl für ein Einstellungsgespräch eignen. Verfahren, die auf der rechten Seite der Abbildung liegen, können das Ergebnis im Interview gut vorhersagen. Hierzu zählen die bisherige Berufserfahrung eines Kandidaten sowie Verfahren zur Erfassung von sozialer Kompetenz. Theoretisch wären auch Assessment Center geeignet, um das Abschneiden im Interview vorherzusagen; aufgrund des mit der Durchführung dieser Verfahren verbundenen Aufwands stellt das jedoch eher eine theoretische Option dar. Insgesamt müssten bei entsprechender Vorselektion auf Basis solcher Verfahren bei gleichbleibender prognostischer Validität des Gesamtprozesses weniger Kandidaten zum Interview eingeladen werden, wodurch der Prozess effizienter wird.

Verfahren, die sich im oberen Bereich der Abbildung befinden, stiften einen zusätzlichen diagnostischen Nutzen. Dies gilt besonders für Verfahren, die – für sich genommen – über hohe prognostische Validität verfügen und dabei |8|andere Merkmale erfassen als das Interview. Aus dieser Betrachtung wird die hohe Bedeutung allgemeiner Intelligenz für die Prognose beruflichen Erfolgs ersichtlich; doch auch Testverfahren zur Erfassung von Integrität oder Wissenstests stiften zusätzlichen Nutzen. Letztere sind insofern interessant, als sie relativ weit im rechten oberen Bereich der Grafik liegen und somit beide Funktionen erfüllen. Hingegen sind Verfahren in der unteren linken Ecke bezüglich der beiden betrachteten Funktionen von nur geringem Nutzen, allen voran grafologische Gutachten.

1.4 Verwendungshäufigkeit

Einstellungsinterviews sind aus Rekrutierungsprozessen nicht wegzudenken, sodass sie als ubiquitäre Instrumente des Personalmanagements anzusehen sind. Grund hierfür sind vor allem die bereits genannten vielfältigen Funktionen, die das Interview erfüllt. Darüber hinaus zählen Einstellungsinterviews sowohl bei Interviewern wie auch bei Bewerbern zu den beliebtesten Verfahren der Personalauswahl.

Tabelle 2: Einsatzhäufigkeit von externen Personalauswahlverfahren (nach Schuler et al., 2007, S. 63)

nach Schuler et al. (2007)

nach Schuler et al. (1993)

Veränderungsrate in Prozentpunkten

Stichprobengröße N

125

105

strukturiertes telefonisches Interview

32,0 %

unstrukturiertes telefonisches Interview

24,0 %

strukturiertes Einstellungsinterview durch PA

81,6 %

70,0 %

+ 11,6

unstrukturiertes Einstellungsinterview durch PA

33,6 %

57,0 %

–23,4

strukturiertes Einstellungsinterview durch FA

64,0 %

49,0 %

+ 15,0

unstrukturiertes Einstellungsinterview durch FA

51,2 %

69,0 %

–17,8

Anmerkungen: PA: Personalabteilung; FA: Fachabteilung

Die Einsatzhäufigkeit von externen Verfahren der Personalauswahl wurde von Schuler, Hell, Trapmann, Schaar und Boramir (2007) untersucht. Insgesamt wurden dabei 125 umsatzstarke Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche befragt. Es zeigte sich, dass Einstellungsinterviews ohne |9|Ausnahme von allen befragten Unternehmen eingesetzt wurden. Damit lag die Einsatzhäufigkeit von Interviews sogar noch vor jener von Bewerbungsunterlagen, die von 99,2 % der befragten Unternehmen eingesetzt wurden. Die detaillierten Ergebnisse für unterschiedliche Formen von Einstellungsverfahren sind Tabelle 2 zu entnehmen. Dabei zeigte sich, dass strukturierte Einstellungsgespräche häufiger durchgeführt wurden als unstrukturierte. Dieser Unterschied war besonders für Interviews ausgeprägt, die durch die Personalabteilung durchgeführt wurden, wohingegen von der Fachabteilung geführte Gespräche noch in der Hälfte der Unternehmen unstrukturiert geführt wurden. Ein Vergleich nach Berufsgruppen zeigt, dass unstrukturierte Einstellungsinterviews durch die Fachabteilung vor allem für ungelernte Arbeiter sowie Praktikanten und Diplomanden durchgeführt werden.

Im Vergleich mit einer gut zehn Jahre zuvor durchgeführten Untersuchung lässt sich dabei ein klarer Trend erkennen, wonach die Anwendungshäufigkeit strukturierter Interviewverfahren steigt, wohingegen unstrukturierte Interviews seltener angewandt werden (Schuler, Frier & Kaufmann, 1993). Damit folgt die Praxis der in der Literatur bereits seit geraumer Zeit geäußerten Empfehlung zum Einsatz strukturierter Interviewsysteme (z. B. Mayfield, 1964; Wagner, 1949). Deren Beschaffenheit und Vorzüge werden in einem späteren Kapitel ausführlich dargestellt. Telefoninterviews werden am häufigsten für die Auswahl von Trainees eingesetzt.

Hell, Schuler, Boramir und Schaar (2006) berichten, dass Interviews auch im Kontext der internen Auswahl die am häufigsten eingesetzten Instrumente darstellen. Insgesamt gaben dabei 93 % der Unternehmen an, auf Interviews für die Auswahl bereits im Unternehmen beschäftigter Personen zurückgreifen, beispielsweise für Arbeitsplatzwechsel oder für Maßnahmen der Personalentwicklung. Auch hier werden inzwischen häufiger strukturierte Interviews als unstrukturierte eingesetzt.

Die Verwendung von Interviews speziell im Mittelstand wurde von Stephan und Westhoff (2002) für die Besetzung von Führungskräftepositionen untersucht. Die Autoren konnten bestätigen, dass auch für diese Zielgruppe und Unternehmensgröße Interviews in praktisch allen Fällen zum Einsatz kamen (98 %). Hingegen zeigte sich, dass die Verwendung von strukturierten Interviews weitaus seltener erfolgt. Beispielsweise machte weniger als ein Drittel der Unternehmen Anforderungen an den künftigen Stelleninhaber an konkretem Verhalten fest, noch weniger Unternehmen definieren erforderliche Mindestausprägungen. Auch formulierten nur 14 % der befragten Unternehmen vorab Fragen an die Kandidaten; gut die Hälfte der befragten Unternehmen bereiteten sich durch eine Stichwortliste vor, in 27 % der Fälle erfolgte gar keine Vorbereitung. Auch die Auswertung erfolgte meist anhand globaler Kriterien, so wurden beispielsweise die Hälfte der Interviews nach den Stärken und Schwächen der Kandidaten ausgewertet. Der Vergleich der hier geschilderten Untersuchungen legt nahe, dass der Einsatz strukturierter |10|Interviews stark von der Größe der befragten Unternehmen abhängt. Damit ist insbesondere im Mittelstand und – vermutlich noch stärker – bei kleineren Unternehmen ein großer Bedarf identifiziert, Auswahlprozesse durch die Entwicklung strukturierter Interviewsysteme zu optimieren.