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Wenige Begriffe üben eine so anziehende Wirkung aus wie "Kreativität", und nur wenige Begriffe sind so unscharf definiert wie dieser. Nicht nur Produkte werden als kreativ bezeichnet, sondern auch Menschen als Schöpfer dieser Produkte. Außerdem stellt Kreativität ein entscheidendes Anforderungsmerkmal oder Trainingsziel für eine Vielzahl beruflicher Tätigkeiten dar. Kreative Leistung ist daher für unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben, für Wohlstand und Lebensqualität von größter Bedeutung. Der vorliegende Band geht auf die verschiedenen Aspekte von Kreativität ein und stellt geeignete diagnostische Verfahren zur Messung von Kreativität vor. Da das Zustandekommen von Kreativität nicht nur von persönlichen Eigenschaften, sondern auch von Merkmalen der Lebens- und Arbeitssituation abhängt, werden verschiedene Möglichkeiten zur Förderung von Kreativität in Organisationen aufgezeigt. Da die ungünstige demographische Entwicklung unserer Gesellschaft im Hinblick auf den Altersverlauf von Kreativität an zusätzlicher Schärfe gewinnt, wird diesem Aspekt besondere Beachtung geschenkt.
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Kreativität
Praxis der Personalpsychologie
Human Resource Management kompakt
Band 13
Kreativität
von Prof. Dr. Heinz Schuler und Dr. Yvonne Görlich
Herausgeber der Reihe:
Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep,
Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges
Kreativität
Ursachen, Messung, förderung
und Umsetzung in innovation
von
Heinz Schuler
und Yvonne Görlich
Prof. Dr. Heinz Schuler, geb. 1945 in Wien, Studium der Psychologie und Philosophie in München, Promotion 1973 und Habilitation 1978 in Augsburg. Nach Auslandsaufenthalten 1979 Professor und Institutsvorstand in Erlangen, seit 1982 Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie der Univstität Hohenheim, daneben Wissenschaftlicher Leiter der S&F Personalpsychologie Managementberatung in Stuttgart. Autor mehrerer eignungsdiagnostischer Verfahren und Standardwerke der Organisations- und Personalpsychologie.
Dr. Yvonne Görlich, geb. 1975. Studium der Psychologie und Architektur an der Technischen Universität Berlin. 2003 Promotion. Seit 2001 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Psychologie der Universität Hohenheim. Forschungsschwerpunkte: Personalpsychologie, Berufseignungsdiagnostik, Leistungsforschung und Evaluation.
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EPUB-ISBN 978-3-8444-2028-9
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Inhaltsverzeichnis
1 Kreativität im Überblick
1.1 Kreativität – ein schillernder Begriff
1.2 Sichtweisen der Kreativität
1.3 Kreativität als Anforderung und Ziel
2 Theorien und Modelle.
2.1 Kreativität als Produkt
2.2 Kreativität und Persönlichkeit
2.3 Kreativität und Intelligenz
2.4 Evolutionstheoretische und biologische Erklärungen
2.5 Kreativität als Prozess
2.6 Altersverlauf kreativer Leistungen
2.7 Kontextbedingungen in der Arbeitsorganisation
2.7.1 Gruppe
2.7.2 Führung
2.7.3 Organisation
3 Analyse
3.1 Klassifikation persondiagnostischer Messverfahren
3.2 Konstruktorientierte Verfahren
3.2.1 Kognitive Fähigkeiten
3.2.2 Persönlichkeitstests
3.2.3 Interessentests
3.3 Simulationsorientierte Verfahren
3.4 Biografieorientierte Verfahren
3.5 Messung des Innovationsklimas
4 Vorgehen
4.1 Auswahl kreativer Mitarbeiter
4.1.1 Psychometrische Qualität
4.1.2 Anforderungsbezug
4.1.3 Zielgruppenbezug
4.1.4 Aufgabenvielfalt
4.1.5 Auswahlentscheidung
4.2 Förderung der Kreativität durch Training
4.3 Förderung durch Arbeitstechniken
4.3.1 Brainstorming
4.3.2 Mind Mapping
4.3.3 Bewertungsmatrix
4.4 Förderung durch organisationale Bedingungen
5 Zusammenfassung und Ausblick
6 Weiterführende Literatur
7 Literatur
Karten:
Checkliste zum Erkennen von Kreativitätspotenzial und innovativem Handeln
Kreativitäts- und innovationsförderliche Arbeits- und Organisationsbedingungen
Wenige Begriffe üben eine so anziehende Wirkung aus wie „Kreativität“, und nur wenige sind so unscharf wie dieser. Als kreativ wird sowohl die Kindergartenzeichnung eines Vierjährigen bezeichnet als auch Darwins Evolutionstheorie. Aber nicht nur Produkte werden kreativ genannt, sondern auch Menschen als Schöpfer dieser Produkte. Dabei wird Kreativität entweder als spezielle Eigenschaft angesehen, die nur manche Personen auszeichnet, oder als Kontinuum, als ein Merkmal, das sich grundsätzlich bei allen Menschen findet, aber in unterschiedlichen Ausprägungen – oder auch in unterschiedlichen Formen – zu beobachten ist. Eine andere Variante sieht Kreativität nicht als eine Eigenschaft, sondern als ein Bündel von Merkmalen, die zusammenkommen müssen, um zu außergewöhnlichen Leistungen zu beflügeln.
Vielfältige Verwendung des Begriffs Kreativität
Ob dieses „Außergewöhnliche“ in besonderer Originalität oder Neuartigkeit zu bestehen hat oder ob auch schon die Verbesserung von etwas bereits Bestehendem als kreative Leistung angesehen werden soll, auch darüber scheiden sich die Geister und der Sprachgebrauch – ebenso darüber, ob etwas oder jemand nur dann kreativ genannt werden soll, wenn er etwas zu Wege bringt, das erkennbaren Nutzen stiftet und von anderen (allen?) positiv bewertet wird, oder ob dieses Attribut auch einer abstrusen Idee und einem unkonventionellen Verbrecher zukommt. Auch ist ungewiss, ob man das Entdecken eines neuen Problems, dessen Lösung oder die Umsetzung in verwertbare Innovationen im Auge haben sollte. Doch damit nicht genug: Es wird auch von der „kreativen Atmosphäre“ einer Arbeitsgruppe oder einer Organisation gesprochen, und es wird Kreativität auch als Anforderung an die Erziehung, die Wissenschaft, unsere Gesellschaft insgesamt postuliert.
Kreativität ist also ein schillernder Begriff, in seiner Bedeutungsvielfalt und etwas geheimnisvollen Attraktivität nicht unähnlich dem Begriff Intelligenz; mit diesem verbindet ihn eine ebenfalls nicht einfache Verwandtschaft, die wir aufzuhellen versuchen werden. Eine einfache Definition des Kreativitätsbegriffs wird sich auf diese Weise nicht ergeben. Im abschließenden Kapitel 5 soll es uns aber möglich sein, die verschiedenen Begriffsfacetten zu einem Gesamtverständnis von Kreativität zu integrieren.
Die Person steht imMittelpunkt
Mit zunehmender Entwicklung dieses Texts wird auch die Umsetzung kreativer Ideen in Innovationen zum Thema werden – beispielsweise in betriebliche Produkte oder wissenschaftliche Leistungen. Der Schwerpunkt der Erörterung liegt aber bei der personalpsychologischen Sichtweise: deren Verständnis, der Messung und der Förderung kreativer Potenziale und Leistungen. Durchgängig ist es die Person, die hier im Mittelpunkt steht.
Im vorliegenden Band werden wir die wichtigsten Facetten des Kreativitätsbegriffs beschreiben.
Facetten des Kreativitätsbegriffs
Entsprechend der Tradition der psychologischen Forschung wird der personale Kreativitätsbegriff dabei eine große Rolle spielen, also die Untersuchung der Kreativität als Eigenschaft(en), als Charakteristikum von Personen. Als Grundlage hierfür werden verschiedene Theorien und Modelle erörtert, die die Entwicklung und Ausprägung kreativer Fähigkeiten verständlich machen sollen. Das Bemühen, die Ausprägung dieser Eigenschaften und die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Personen zu ermitteln, wird uns zu den entsprechenden Verfahren der psychologischen Diagnostik führen – im engeren Sinne der Berufseignungsdiagnostik, denn die Orientierung am Berufsbezug ist durch den Rahmen der Personalpsychologie geboten, auch wenn wir gelegentlich über diesen Kontext hinausgehen müssen. Erst die genauere Befassung mit dem Prozess kreativer Leistungserbringung wird allerdings zeigen, welche diagnostischen Verfahren geeignet sind oder geeignet wären, kreative Fähigkeiten auf angemessene Weise zu ermitteln. Welche Art diagnostischer Information derzeit bereits verfügbar ist und welche demgegenüber eine Entwicklungsaufgabe für die Zukunft darstellt, wird erkennbar werden, wenn wir die Schritte des kreativen Prozesses mit der Unterscheidung dreier diagnostischer Ansätze verknüpfen, die sich für die Berufseignungsdiagnostik als fruchtbar erwiesen haben.
Ziele und Anwendungsmöglichkeiten der Kreativitätsforschung
Anwendungsziel der berufsbezogenen Kreativitätsforschung ist nicht nur die Verbesserung der Personalauswahl durch verbesserte eignungsdiagnostische Verfahren. Die Erforschung der Kreativität eröffnet vielmehr eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten (siehe folgenden Kasten).
Weitere Anwendungsmöglichkeiten zur Kreativitätsförderung zu finden, stellt seinerseits eine kreative Leistung dar, deren die menschliche Gemeinschaft dringend bedarf. Nicht alle der aufgeführten Ziele sind einfach oder in beliebigem Maße zu erreichen. Beispielsweise sind der gezielten Veränderung kognitiver Fähigkeiten im Erwachsenenalter enge Grenzen gesetzt; gleiches gilt für den Einfluss auf die anderen kreativitätsrelevanten Eigenschaften. Hier wird man in vielen Fällen durch Arbeitsgestaltung, Führung und persongerechte Zuordnung von Aufgaben und Mitarbeitern bessere Erfolge erzielen. Wichtig ist, das Ziel durch die kombinierte Wirkung verschiedener Maßnahmen in Angriff zu nehmen.
Anwendungsmöglichkeiten berufsbezogener Kreativitätsforschung
Ungünstige demografische Entwicklung für kreative Leistungen
Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft ist ein drängender Anlass, dem Zusammenhang von Kreativität und Alter einigen Umfang einzuräumen. Die Fakten stimmen nicht optimistisch: Bestimmte Elemente des kreativen Prozesses und ein Teil ihrer kognitiven Grundlagen sind an das junge Erwachsenenalter gebunden – nicht deterministisch, aber doch stark genug, dass beispielsweise Naturwissenschaftler ihre wichtigste Forschungsarbeit mit fünffach höherer Wahrscheinlichkeit im Alter von 30 als mit 50 Jahren veröffentlichen. Da es unter den Bürgern dieses Landes auf Grund der demografischen Entwicklung demnächst nur noch wenige dreißigjährige Wissenschaftler geben wird, haben wir allen Anlass, darüber nachzudenken, welche Maßnahmen zur Kompensation dieses Defizits ergriffen werden können.
Folgt man Stellenausschreibungen, so stellt Kreativität für eine Vielzahl von Aufgaben und Positionen eine erfolgskritische Anforderung dar. Dies mag den Verdacht wecken, dass die Attraktivität des Begriffs in Verbindung mit seiner Unschärfe dazu führt, einen Bedarf zu postulieren, der durch empirische Anforderungsanalysen nicht gestützt werden könnte (ähnlich der Anforderung „Teamfähigkeit“). Doch auch Anforderungslisten, die von Experten der Arbeitsanalyse erstellt wurden, betonen Kreativität als entscheidendes Anforderungsmerkmal für eine große Zahl beruflicher Tätigkeiten, insbesondere solche auf gehobenem Niveau. Hierzu gehört beispielsweise O*Net, die computergestützte Version des vom U. S. Department of Labor herausgegebenen Dictionary of Occupational Titles, die zurzeit führende Zusammenstellung von Tätigkeiten und ihren Anforderungen (Peterson, Mumford, Borman, Jeanneret & Fleishman, 1999).
Berufe, in denen gemäßO*NetKreativität zu den Tätigkeitsanforderungen gehört (Auswahl)
z. B. Ingenieure, Wissenschaftler, Marktforscher, Stadtplaner, Ärzte
Gestalterische Berufez. B. Designer, Architekten, Fotografen, Regisseure, Journalisten, Lehrer, Schriftsteller, Schauspieler, Musiker, Maler
Innovationsbezogene Berufez. B. Führungs- und Managementberufe, Unternehmer, Diplomaten, Organisatoren, Berater, Therapeuten
Kreativität mehrt den Wohlstand
Generell dürfte es nicht verfehlt sein, Kreativität als berufliche Anforderung für die meisten derjenigen Tätigkeiten anzunehmen, die a) ein gewisses Ausmaß an Autonomie zulassen, sowie für diejenigen, die b) darauf ausgerichtet sind, Produkte oder Prozesse zu verbessern. Das bedeutet, dass praktisch jede Organisation davon profitiert, die Kreativität ihrer Mitglieder durch deren gezielte Auswahl zu vermehren sowie durch Training, Führung und Arbeitsgestaltung zu fördern. Im Unterschied zu anderen Maßnahmen der Rentabilitätssteigerung, wie Personalabbau, kann durch kreative Leistungen eine echte Vermehrung des Wohlstands geschaffen werden – insbesondere dort, wo natürliche Ressourcen begrenzt sind (Kabanoff & Rossiter, 1994).
Wettbewerb als Ansporn
In Wirtschaftsräumen, die durch offene Märkte gekennzeichnet sind, sorgt das evolutionistische Prinzip der Konkurrenz dafür, dass das Streben nach Verbesserung zum allgegenwärtigen Mechanismus wird und nicht nur auf Mikroebene in Vorschlagssystemen und in Form des Kaizen, der kleinen Produktionsverbesserungen, Gültigkeit hat, sondern auch für Handels-, Rechts- und Sozialsysteme zunehmend Geltung erfährt. Im regionalen wie im globalen Wettbewerb siegen heute die billigste Herstellungsweise, die flexibelste Distribution, der niedrigste Preis. Dabei hat die Aufgabe nicht die Form der klassischen Problemlösung, die Bestlösung vorgegebener Probleme zu finden, sondern die von laufenden Open-end-Versuchen der Optimierung. Jede Bestlösung trägt ihren Titel nur auf Abruf, taugt als Benchmark nur mit knappem Verfallsdatum, bis sie von neuen, besseren Lösungen überholt wird. Der Wettbewerb der Prozesse und Produkte ist die Ausdrucksform der Evolution, die unser wirtschaftliches und immer mehr auch unser gesellschaftliches Leben bestimmt. Dazu bemerkte der Sohn des AEG-Gründers und Außenminister in der Weimarer Republik Walter Rathenau: „Eine Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit nur eine Klage über den Mangel an Einfällen“. Damit wird sie zur globalen Allzweckwaffe, die Anforderung Kreativität.
Entsprechend der im Überblick angekündigten Abfolge werden in diesem Kapitel verschiedene Arten von Systematisierungen und Erklärungsversuchen dargestellt – zunächst für kreative Produkte, dann für Persönlichkeitsmerkmale, danach für den Zusammenhang von Intelligenz und Kreativität. Nach kurzgefassten evolutionstheoretischen und biologischen Erklärungen folgen die Ausarbeitung eines Sequenzmodells des kreativen Prozesses sowie die Darstellung der Altersabhängigkeit kreativer Fähigkeiten und Leistungen. Diese Abschnitte werden die Grundlage der späteren Überlegungen zu kreativitätsförderlichen Maßnahmen sein.
Eigenschaften kreativer Personen sind erklärende Konstrukte. Sie sind nicht unmittelbar erkennbar, sondern sind Ergebnis des Versuchs, das Zustandekommen kreativer Leistungen und die diesbezüglichen Unterschiede zwischen den Menschen zu verstehen. Was unmittelbar ins Auge fällt, ist die kreative Leistung als solche, das Produkt. Seine Außergewöhnlichkeit und in vielen Fällen sein Nutzen oder ästhetischer Wert sind es, was uns beeindruckt und Anlass gibt, nach Erklärungen für sein Zustandekommen zu suchen. Am Anfang der Kreativitätsforschung stand deshalb nicht die Person Mozarts oder Shakespeares, sondern das Phänomen, dass ein Kind aufführungswürdige Konzerte komponiert und dass ein Dramatiker Stücke verfasst, die noch Jahrhunderte später das Publikum zu ergreifen vermögen.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
William Shakespeare (1564–1616)
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Doch das gilt nicht nur für die großen, unstrittig kreativen oder gar genialen Leistungen. Es gilt gleichermaßen für die vielen tausend Patente und wissenschaftlichen Arbeiten, die Jahr für Jahr angemeldet und publiziert werden, und ebenso für die unzähligen kleinen und größeren Verbesserungen betrieblicher Abläufe und Produkte, die dazu beitragen, die Produktivität und den Lebensstandard zu verbessern. Künstlerische, wissenschaftliche und technische Leistungen fallen deshalb stärker auf, weil sie sich materialisieren, als Produkt gut und gewöhnlich dauerhaft erkennbar und überdies individuell zurechenbar sind, während sich andere kreative Leistungen rasch verflüchtigen. In allen Fällen aber ist es zunächst die kreative Leistung als solche, die uns auffällt und zur Frage veranlasst, wie sie zu Stande kommt und auf welche Weise wir sie fördern können.
Wie klassifiziert man kreative Produkte?
Man hat sich verschiedentlich bemüht, prägnante Unterscheidungselemente kreativer Leistungen zu bestimmen. Eine simple Kategorisierung ist die in große und kleine kreative Leistungen. Beethoven repräsentiert den einen Prototyp, der Schüler am Konservatorium, der seine erste Kompositionsübung macht, den anderen. Der Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn hat große – allerdings nur sehr große und deshalb seltene – wissenschaftliche Leistungen „paradigmatisch“ genannt; sie führen zu einem neuen Verständnis der (manchmal altbekannten) Dinge, zu neuen Überzeugungen und Forschungsrichtungen – eben zu einem neuen „Paradigma“. Der Rest der Forschung besteht in „normal science“, im braven Umschaufeln des Wissens von einem Haufen auf den anderen und in glücklichen Fällen auch in seiner Vermehrung. Das ist zwar eine intuitiv einleuchtende, aber doch unpraktische Art der Kategorisierung: Wenn man die Menschen in solche einteilt, die größer, und jene, die kleiner als zwei Meter sind, fehlt einem für 99,99 % der Bevölkerung die Unterscheidungsmöglichkeit.
In gemäßigter Form findet die Dichotomisierung kreativer Leistungen viele Vertreter, beispielsweise Mumford und Gustafson (1988).
Arten und Ausdrucksformen kreativer Leistungen (nach Mumford und Gustafson, 1988)
Wer bewertet kreative Leistungen?
Der Unterscheidungsvorschlag von Mumford und Gustafson spricht auf der einen Seite zwar auch von Beiträgen „großer Originalität“, aber das ist dehnbar, um zu einer praktikablen Differenzierung zu kommen. Problematisch ist allerdings, dass diese Beiträge gleichzeitig zur Lösung einer Vielzahl von Problemen beitragen sollen. Soll man wirklich nur solche Produkte als kreativ bezeichnen, die sich in praktische Problemlösungen umsetzen lassen – noch dazu in eine Vielfalt von Lösungen? Welche Vielfalt von Problemlösungen ermöglicht Leonardos Mona Lisa? Und zu welchem Zeitpunkt muss die Problemlösung sichtbar sein? Die Grundlagen zur Quantentheorie wurden von hundert Jahren gelegt, während viele Anwendungsmöglichkeiten erst in unserer Zeit entwickelt werden. Und muss eine Neuerung generell positiv bewertet werden? Sind etwa Kernspaltung und Klontechnik, weil sie nicht allseits begrüßt werden, keine kreativen Leistungen? Es dürfte zweckmäßig sein, die Bewertungsdimensionen Originalität einerseits und Nützlichkeit andererseits zu trennen. Überdies stört an dieser Kategorisierung, dass es sich bei den kleineren Beiträgen nur um Verbesserungen des Bestehenden handeln soll. Wo sind dann kleine, aber originelle Neuerungen unterzubringen?
Eine stärker ausdifferenzierte Unterscheidung kreativer Leistungen wurde von Torrance (1988), dem Autor verbreiteter Kreativitätstests, vorgenommen (siehe Kasten).