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!!! Dieser Frostmagie-Sammelband enthält die Romane "Frostmagie – Fesselnde Weihnachten" (2020) und "Frostmagie – Eine Liste zu Weihnachten" (2022). PLUS Bonusgeschichte!!! „Fesselnde Weihnachten“ Weihnachtszeit in Frost Creek. Marco begegnet Amelia zufällig, als diese mit seinem Bruder die Mittagspause verbringt. Er ist sofort von ihr fasziniert. Als er sie das nächste mal sieht, steckt sie in Schwierigkeiten und Marco bietet seine Hilfe an. Die beiden kommen sich schnell näher und stellen fest, dass sie fesselnde Gemeinsamkeiten haben. Doch auch in der Vorweihnachtszeit ist man vor bösen Überraschungen nicht sicher. Wird dieses Weihnachten zur Katastrophe? „Eine Liste zu Weihnachten“ Marnie und Daniel landen in der Adventszeit unfreiwillig in einer Wohngemeinschaft auf Zeit. Anfangs ist er von ihr, und dem was sie ist, eingeschüchtert. Doch mit ihr findet er den Mut für heiße Experimente, bis das Leben alles durcheinanderwürfelt. Ob die Frostmagie von Frost Creek eine Zukunft für die zwei vorgesehen hat? Dieser Band ist einzeln lesbar, doch es macht nochmal so viel Spaß, wenn man Frostmagie – Fesselnde Weihnachten kennt. „Bonusgeschichte - Das etwas andere Weihnachtsessen“ Heiligabend. Lia, Marnie, Daniel und Marco verbringen gemeinsam das Festessen. Doch was wäre Weihnachten in Frost Creek, wenn es nicht die ein oder andere Überraschung geben würde? Gedruckte Seitenzahl: 295
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Dieser Sammelband besteht aus „Frostmagie – Fesselnde Weihnachten“, „Frostmagie – Eine Liste zu Weihnachten“ und einer exklusiven Bonusgeschichte.
14 Autorinnen haben sich zusammengeschlossen, um Euch in die Welt der Frostmagie zu entführen. 14 Bücher, die alle in Frost Creek spielen.
Lasst Euch überraschen und verzaubern!
Über die Autorin:
Geboren 1982 im schönen Hamburg, lebt die Autorin heute gemeinsam mit ihrem Kater in Bayern. Zunächst studierte sie an der Uni Passau Germanistik und Geschichte auf Lehramt, kehrte jedoch nach dem Referendariat der Schule den Rücken und arbeitet heute in einem Büro.
Schon in der ersten Klasse besaß sie einen Bibliotheksausweis und holte sich Woche für Woche neue Geschichten nach Hause. Doch schnell nahmen die Erzählungen in ihren Träumen andere Formen an und sie begann diese aufzuschreiben.
2023 Copyright © June Morgan
Die Buch- und Coverrechte liegen allein bei der Autorin. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung und Vervielfältigung, auch in Auszügen, ist ausschließlich mit der schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet. Alle Rechte, inkl. Film-, Medien- und Übersetzungsrechte liegen allein bei der Autorin. Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadenersatz.
T. K. Moon / June Morgan
Rogue Books I. Service
Carolin Veiland
Franz-Mehring-Str. 70
08058 Zwickau
Covergestaltung: Dream Design – Cover and Art Bildmaterial: 1. Depositphotos_342947620_XL, 2. Depositphotos_44526609_XL, 3. Depositphotos_13882410_XL
Lektorat: Solvig Schneeberg
Dieses Werk ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Widmung
Für die Ladys Wörtlich genommen, die einfach immer da sind.
Für die Menschen, die immer an mich geglaubt haben.
Für Dich, weil ich Dich erfunden habe, bevor ich Dich kannte.
Prolog
„Verflucht noch mal! Jamie?! Wo steckst du?“, brüllte Alden durch die alte Hinterhofwerkstatt.
„Hier Boss, ich liege unter dem Challenger, der heute gekommen ist.“
Er ging der Stimme seines Mechanikers nach und blieb vor ein paar Beinen in einer schwarzen Arbeitshose stehen, die unter dem silbergrauen Dodge hervorlugten. Er trat Jamie nicht gerade sanft gegen die Schuhsohle als Zeichen dafür, dass er unter dem Auto hervorrollen sollte.
Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf dem Autodach herum, bis Jamie endlich auf seinem Werkstattrollbrett hervorkam. Das Shirt des drahtigen Kerls sah mal wieder aus, als hätte er in einer Ölwanne gebadet. Nur die kurzen braunen Haare waren akkurat nach hinten gegelt. Alden zeigte auf den Wagen und auf zwei weitere daneben.
„Wieso sind die hier? Die sollten doch längst in der Lagerhalle sein. Was glaubst du passiert, wenn die Cops hier auftauchen?“, schnauzte er seinen Angestellten an.
Jamie rollte nur mit den Augen und winkte ab.
„Verfluchte SCHEIßE! Muss ich mir etwa einen anderen Mechaniker suchen?!“, schrie er ihn an.
„Boss, krieg dich ein. Der Challenger war der letzte bei dem ich die Fahrgestellnummer ändern musste. Die Wagen sind jetzt sauber. Ruffy müsste mit den Papieren auch so weit sein. Chill mal ein bisschen, wir wissen schließlich schon länger wie der Job läuft.“
Darauf drehte Alden sich um und ging weiter hinten in die Werkstatt.
Wenn der Kerl nicht so verdammt gut in seinem Job wäre, hätte Alden ihn längst rausgeschmissen. Dummerweise verstand er es wie kein Zweiter, Fahrgestellnummern zu verändern und Autos in Windeseile in verkaufbare Einzelteile zu zerlegen.
Auf dem Weg ins Büro sah er sich um, sieben Wagen hatte er hier stehen, die alle noch heute in die Lagerhalle gebracht werden mussten. Wang würde diese und weitere dreizehn Autos heute Nacht abholen. Immerhin waren die Sommernächte schön warm, solche Geschäfte machten im Winter absolut keinen Spaß. Diese bescheuerte Wunschliste, die er ihm vor vier Tagen gebracht hatte, war völliger Irrsinn. Er kam sich vor wie in einem Actionfilm. Aber wer legte sich schon mit den Tongs an? Und das Geld der asiatischen Gangster stank schließlich nicht.
Also hatte er seine Leute zusammengetrommelt und auf die Suche nach den gewünschten Fahrzeugen geschickt. Sein Netzwerk an Autodieben hatte er schließlich sorgfältig aufgebaut. Der Dodge war der letzte auf der Liste gewesen.
Die Übergabe würde um Mitternacht stattfinden.
Scheiße war er froh, wenn das Geschäft endlich durch war. Und dann würde er sich um Amelia kümmern. Schließlich hatte sie heute Morgen dieses fürchterliche Shirt an, quietschgelb, mit einem riesigen Regenbogen und irgendwelchen Comicfiguren drauf. Das alleine erschien ihm Grund genug zu sein, ihr heute Nacht endlich ihren Platz zu zeigen. Frauen sollten immer wissen, wo ihr Platz war.
Kapitel 1
Der Wind blies Marco kalt ins Gesicht. Die Chancen auf weiße Weihnachten standen in diesem Jahr verdammt gut. Nur interessierte ihn das so gar nicht. Die Vorweihnachtszeit bedeutete schlicht viele Einnahmen im Kino und furchtbar viele Schnulzen, die er zeigen musste.
Er hatte Weihnachten vor langer Zeit aufgegeben. Es juckte ihn nicht mehr.
Die neuen Plakate für die Weihnachtsfilme waren schnell in die Schaukästen gehängt und er beeilte sich zu seinem Wagen zu kommen. Er hatte noch etwas mehr als drei Stunden, bis die erste Vorstellung anlief. Da konnte er locker rüber nach Concord fahren, die Ersatzteile für die alte Popcornmaschine und seinen Lieblingscappuccino holen.
Hier in Frost Creek gab es keinen gut sortierten Eisenwarenladen. Diese Stadt war klein, beschaulich und wie aus einem amerikanischen Bilderbuch. Man bekam, was man zum Leben brauchte. Nur eben genau diese Ersatzteile nicht.
Am Vormittag war auf den Straßen nur wenig los.
Marco lenkte seinen Ford Raptor bis zum Parkplatz vor Mikes Eisenwarenladen.
Beim Aussteigen schlug er den Kragen seiner Jacke hoch. Scheiße war das kalt.
Mit wenigen Schritten stand er vor dem Geschäft. Die alte Glocke über der Tür kündigte ihn beim Eintreten an. Hinter dem Tresen stand ein älterer Herr mit grauem Vollbart und Glatze. Er lächelte, als er Marco sah.
„Guten Morgen! Du warst ja lange nicht hier. Wie geht es dir?“, fragte er gut gelaunt.
„Hallo Mike. Mir geht es gut. Nur meiner alten Popcornmaschine mal wieder nicht.“
Mike grinste: „Du wirst das Ding auch die nächsten zwanzig Jahre noch reparieren, oder? Wieder der Schlauch?“
Marco lachte. „Ja, ich werde sie so lange wie möglich erhalten. Ich mag den alten Popcorn Card. Der Schlauch und die Aufhängung vom Topf sind hin.“
Mike nickte nur und verschwand hinten im Lager. Schnell kam er zurück und schüttelte den Kopf.
„Sorry, ich habe nichts mehr für dieses Exemplar da. Ich bestelle es und dann sollte es morgen oder übermorgen da sein.“
Marco nickte und verabschiedete sich. Auf dem Bürgersteig schlug er den Weg Richtung Norden ein. Das Café lag nur ein paar hundert Meter die Straße runter. Er freute sich schon auf seinen Cappuccino.
Die Geschäfte an denen er vorbei ging, waren alle weihnachtlich dekoriert, überall winkte ihm Santa entgegen, die Zuckerstangen hingen wie Vorhänge in den Schaufenstern und die meisten Menschen, denen er begegnete, trugen Weihnachtsmützen.
Er schüttelte sich innerlich. Das war ihm alles viel zu kitschig.
Schon von draußen sah er die vielen Menschen im Café. Er würde sich sein Getränk also lieber mitnehmen. Er schlängelte sich durch die Leute und orderte seinen Schokocappuccino to go. Beim Rausgehen hielt ihn plötzlich jemand an der Schulter fest. Er drehte sich um und sah in das Gesicht seines Bruders.
„Daniel! Was treibst du denn um diese Zeit hier?“, fragte er überrascht.
„Oh, wir haben Mittagspause bei einer Schulung“, antwortete dieser und zeigte auf die Frau neben ihm, was auch nötig war bei diesem Gedränge.
Sein Bruder stellte sie als Amelia vor und setzte zu einem seiner langatmigen Monologe an.
Marco musterte Daniels Begleitung. Sie passte nicht in das typische Beuteschema seines Bruders. Normalerweise stand Daniel auf blonde Hungerhaken. Amelia hatte dunkelbraune, mittellange Haare, üppige Rundungen und strahlende Augen. Die schwarze Jeans betonte ihre Hüften, die Bluse war langweilig und der Blazer schien irgendwie auch nicht richtig zu sitzen. Wollte sie sich etwa verstecken? Warum saßen diese Klamotten so schlecht? Doch dann fiel ihm die Kette auf. Eine Triskele.
Konnte das sein? Die drei miteinander verbundenen Spiralen aus feinem Silber würde er überall erkennen.
Amelia schien seinen Blick zu bemerken, jedenfalls umfasste sie etwas nervös den Anhänger.
„Also, wir müssen dann auch wieder los“, beendete Daniel seinen Redeschwall, was Marco gerade so noch mitbekam.
Er nickte nur und ging mit den beiden aus dem Café, wo sie sich voneinander verabschiedeten.
Wie konnte man etwas so Interessantes nur so verflucht langweilig vermitteln? Der Trainer war wirklich furchtbar. Die Einführung in die neue Grafiksoftware und die Feinjustierung des Grafiktablets musste man doch nun wirklich nicht einen ganzen verdammten Tag theoretisch durchkauen. Das hätte man auch in der Praxis machen können. Aber anscheinend sah das der gute Mann vorne am Whiteboard anders.
Mit über 20 Leuten saßen sie in diesem dunklen Raum und keiner sah besonders interessiert aus. Der Typ neben ihr schien es genauso unspannend zu finden. Er zeichnete bereits seit einer Stunde einen Comic auf seinen Block, dessen Hauptperson verdächtig nach Mr. Moor, ihrem Trainer, aussah und ganz vielleicht dabei war, schlafend eine Treppe herunterzufallen.
Ein kleines Glucksen entfuhr ihr und der Zeichner blickte auf. Sah von ihr zur Zeichnung und wieder zurück. Dann griff er sich etwas verlegen in die kurzen Haare.
„Er ist halt nicht wirklich spannend, oder?“, flüsterte er. Amelia grinste.
„Nein, ganz und gar nicht.“
Er hielt ihr die Hand hin.
„Ich bin Daniel.“
„Amelia, freut mich.“
Hier hinten in der letzten Reihe bekam niemand ihr kleines Gespräch mit.
Er schien nett zu sein und in der Kaffeepause hatte sie schnell festgestellt, dass er gerne redete. Ob er das aus Nervosität tat, oder weil er sich einfach gerne reden hörte, wusste sie noch nicht. Aber immerhin gehörte er nicht zu diesen extrem aufdringlichen Typen, er quatschte halt einfach nur viel. Deswegen hatte sie auch nichts dagegen mit ihm die Mittagspause zu verbringen, als er vorschlug, in ein örtliches Café zu gehen. Daniel wohnte hier in der Stadt und kannte sich daher gut aus. Sie dagegen war das erste Mal in ihrem Leben in Concord.
Er gab ihr bei dem zehnminütigen Spaziergang einen kurzen Überblick über gute und weniger gute Geschäfte und Imbisse. Für die nächsten Wochen hätte sie jedenfalls genug Auswahl, um nicht zu verhungern.
Daniel hielt ihr sogar die Tür des Cafés auf und deutete eine kleine Verbeugung an. Sie schmunzelte. Gutes Benehmen hatte sie bei einem Mann schon lange nicht mehr erlebt.
„Was möchtest du? Dann könnte ich es holen und du suchst uns einen Tisch solange noch etwas frei ist?“, fragte er.
„Ein Salamisandwich und einen heißen Kakao, bitte.“ Etwas Warmes trinken, würde mit Sicherheit diese Winterkälte aus ihren Knochen vertreiben.
Ein Stehtisch in der Mitte des Ladens war noch frei. Ihr Begleiter stand zwei Minuten später mit zwei dampfenden Bechern und zwei Sandwiches vor ihr. Während des Essens schwiegen beide. Sie beobachtete Daniel. Er war groß, schlaksig und der dunkle Anzug stand ihm wirklich gut. Wenn da nicht dieses absolut nerdige Comicshirt gewesen wäre, hätte man ihm glatt den seriösen Geschäftsmann abkaufen können. Auch wenn er wahrscheinlich Anfang bis Mitte dreißig war, hatte er etwas Jungenhaftes an sich.
Er hatte gerade aufgegessen, als ihm jemand aufzufallen schien. Einen kurzen Moment später griff er jemandem an die Schulter und stellte ihn als seinen Bruder Marco vor. Auf den ersten Blick hätten sie nicht unterschiedlicher sein können.
Marco trug Jeans und Boots, dazu eine schwarze Winterjacke. Die Haare waren deutlich länger als die seines Bruders, es fehlte nicht viel und er hätte sie zu einem Zopf binden können und er hatte irgendwie den Charme eines Badboys. Daniel redete schon wieder ohne Luft zu holen.
Sie spürte die Blicke des Bruders auf sich und für einen Moment meinte sie, dass er etwas zu lange auf ihren Kettenanhänger starrte. Doch im nächsten Moment sah er bereits wieder zu Daniel.
Vielleicht sah sie einfach Gespenster. Warum sollte sie ausgerechnet hier jemandem begegnen, der wusste, dass die Triskele nicht nur ein altes keltisches Zeichen war, sondern heute auch ein Erkennungszeichen der BDSM-Szene. Sie schob das merkwürdige Gefühl in ihrem Bauch einfach beiseite.
Kapitel 2
Reges Schneetreiben hatte eingesetzt. Die Fahrt nach Concord dauerte fast doppelt so lange wie normalerweise und die Sicht war hundsmiserabel.
Wenn er vernünftig gewesen wäre, hätte er Mike angerufen, ob die Teile auch wirklich angekommen waren. Doch die Aussicht, im Café erneut Amelia zu sehen, trieb ihn auch bei diesem Wetter vor die Tür.
Seit gestern stahl sie sich immer wieder in seine Gedanken. Diese Augen, diese Haltung, diese Lippen. Wie sie sich wohl anfühlen …
Er schüttelte den Kopf. Was zur Hölle war nur mit ihm los? Er hatte doch sonst nichts mit Tagträumen am Hut.
Bei Mike hatte er Glück. Beide Ersatzteile lagen nun in seinem Wagen. Jetzt saß er hier im Café und beobachtete die Menschen um ihn herum. Die Bürohengste, die sich einen doppelten Espresso holten und sofort wieder aus dem Laden stürmten. Oder die Studentin, die mit vier dicken Wälzern in der Ecke saß und sich Notizen machte, während sie einen Milchkaffee trank. Doch sie alle nahm er nur am Rande wahr, sein Blick war auf die Tür gerichtet.
Sein Bruder öffnete die Tür. Er war allein und Enttäuschung machte sich in Marco breit.
Daniel hatte ihn sofort bemerkt, kam zu ihm an den Tisch und setzte sich.
„Was machst du denn schon wieder hier?“, fragte er wenig begeistert.
„Ich freue mich auch dich zu sehen“, antwortete er. „Und wenn du gestern nicht so selbstherrlich Reden geschwungen hättest, hätte eventuell die Chance bestanden, dir zu sagen, dass ich Ersatzteile bei Mike bestellt habe und diese heute abhole.“ Warum nur rechtfertigte er sich eigentlich gerade? „Und im Übrigen kann ich hingehen, wo ich will.“ Den leicht bockigen Ton konnte er bei seinem kleinen Bruder einfach nicht abstellen. Daniel wusste stets alles besser, hatte ihn schlecht dastehen lassen und auch sonst war immer er der bessere Bruder gewesen.
Jetzt sah Daniel ihn kopfschüttelnd an.
„Marco, lass sie in Ruhe. Sie ist nett und hat bestimmt keine Lust von dir verprügelt zu werden.“
Autsch, das tat weh.
„Ich verprügel keine Frauen, du kleiner Mistkerl. Und von wem redest du überhaupt?“ Im Leben würde er nicht zugeben, dass Daniel genau ins Schwarze getroffen hatte, wen er sehen wollte.
„Du weißt, was ich meine. Deine Vorlieben sind eben … anders. Lass sie in Ruhe!“ Damit stand er auf, ging zur Theke und orderte ein paar Dinge zum Mitnehmen. Dann verschwand er mit seiner Bestellung kommentarlos wieder ohne nochmals zu ihm zu schauen.
Marco saß noch einen Moment lang da und trank seinen Cappuccino aus. Dann eben kein Blick in diese blauen Augen. Schließlich wartete zu Hause eine Popcornmaschine darauf repariert zu werden.
Die erste Woche verging überraschend schnell.
Grafikeinstellungen in der neuen Software testen, erste Anwendungsübungen und heute dann der Ausblick auf die Themen der nächsten Woche.
Pünktlich zur Mittagszeit beendete Mr. Moor den Kurs. Daniel hatte sie zum Essen eingeladen, doch sie lehnte dankend ab. Ihr Hotel lag in einer kleinen Stadt namens Frost Creek und war etwa dreißig Minuten Autofahrt entfernt. Und sie wollte sich einfach nur noch eine kleine Runde hinlegen, bevor sie ihren Freitagabend planen würde.
Sie genoss es, über die Landstraße zu fahren. Ihr Buick fuhr sich einfach toll. Warum der Vorbesitzer ihn so günstig verkauft hatte, war ihr noch immer nicht klar. Doch der Werkstattcheck sagte eindeutig, dass alles okay war. Also freute sie sich einfach, dass sie nicht mehr alle drei Tage Starthilfe brauchte, wie bei ihrem alten Ford Fiesta.
In Gedanken griff sie zu ihrer Kette. Das tat sie in den letzten Tagen oft. Ihre Gedanken wanderten dann zu Daniels Bruder und dem Moment im Café als sie das Gefühl hatte, er würde die Triskele erkennen. Immer wieder dachte sie an ihn. Dabei hatten sie nicht einmal miteinander gesprochen. Und doch war da irgendetwas.
In Frost Creek angekommen, führte sie ihr Weg direkt in ihr Hotelzimmer und ins Bett. Wie konnte man nur so müde sein?
Zwei Stunden schlief Amelia tief und fest. Die Pause hatte ihr gut getan. Sie ging in das kleine Bad, machte sich frisch und zog dann ihre gefütterten Stiefel, den dicken Pulli und den dunkelblauen Steppmantel an.
Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Hell, freundlich und modern eingerichtet. Die schwarzbraunen Möbel bildeten einen schönen Kontrast zu den cremefarbenen Wänden. Die Gardinen waren passend zur Jahreszeit in Grün und Rot gehalten, ebenso das große Bild über dem kleinen Schreibtisch, auf dem eine weihnachtliche Stube mit Kamin und Weihnachtsbaum zu sehen war. Hier konnte sie es bis Weihnachten aushalten. Knapp vier Wochen dauerte die Schulung für die neue Software, die ihre Firma unbedingt einführen wollte. Die erste hatte sie nun geschafft.
Es hatte die ganze Woche geschneit und sie wollte einen Winterspaziergang machen und sich auf dem Weg irgendwo etwas Essbares suchen. Ihr Portemonnaie steckte sie in die Innentasche des Mantels, ebenso den Schlüssel zu ihrem Hotelzimmer, nachdem sie abgeschlossen hatte.
Im Hotel begegnete ihr niemand. Sie wunderte sich kurz, dass nicht einmal der Empfang besetzt war. Das Hotel war das Größte in der Stadt.
In dem Moment als sie vor die Tür trat, schlug ihr eiskalte Luft entgegen. Sie zog den Kragen enger und wanderte ziellos durch die verschneiten Straßen.
Diese Kleinstadt war wirklich schön. Es hatte auch etwas Gutes, dass sie nur noch hier ein Zimmer ergattern konnte. Frost Creek war ruhig, aber trotzdem lebendig. Die kleinen Geschäfte hatten Charme und boten nicht das übliche Bild der großen Ladenketten in der fast gleichen Reihenfolge in jeder Mall. Außerdem bewunderte sie die eher klassische Weihnachtsdekoration, sie liebte diese Zeit einfach.
Schon von Weitem sah sie die leuchtenden Buchstaben des Kinos, doch bevor sie sich entscheiden konnte, ob sie einen Blick auf das Programm werfen wollte, wurde sie von hinten gepackt und an die Wand gedrückt.
Kapitel 3
Er hatte noch knapp vierzig Minuten, bis er sein Kino öffnen musste. Genug Zeit, um sich noch ein Stück Kuchen bei Harriet zu holen. Er liebte ihren weihnachtlichen Apfelkuchen mit Zimt. Vielleicht würden es auch gleich zwei Stücke werden.
Die Jacke war schnell angezogen, die Tür zog er nur hinter sich zu. Niemand würde versuchen, hier einzubrechen.
Die kalte Luft kitzelte ihn in der Nase. Er schritt weit aus, doch er hatte die Straße kaum überquert, als zwei Menschen seine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
Ein blonder, breitschultriger Kerl drückte eine Frau gegen die Hauswand. Und nicht irgendeine Frau. Es war Amelia. Wie kam sie denn nach Frost Creek?
„Du wirst mit mir zurückfahren! Hast du dämliches Stück das kapiert?!“, brüllte Blondie sie an.
Ihr Blick war mörderisch.
„Das werde ich nicht! Lass mich los und sieh zu, dass du verschwindest!“ Ihre Stimme glich einem Donnergrollen. Irgendetwas sagte Marco, dass sie dieses Problem wahrscheinlich selbst lösen würde, aber er war nun einmal niemand, der einfach wegsah.
Mit drei Schritten stand er hinter dem Typen und riss ihn am Kragen seines Anoraks zurück.
„Die Lady hat sich doch ganz klar ausgedrückt, oder?“, knurrte er Blondie an. Der antwortete mit einem Faustschlag Richtung Kinn. Marco blockte ihn ab und verpasste ihm seinerseits einen ordentlichen Treffer in den Magen. Immerhin war sein Militärdienst jetzt zu etwas gut. So eine kleine Prügelei bestand er meist ohne Probleme.
Der Kerl gab noch nicht auf. Er versuchte noch weitere Schläge auszuteilen, denen Marco auswich, bevor er den Kerl mit einem Kinnhaken ausknockte. Er schüttelte kurz die Hand aus. Mist, er war doch etwas aus der Übung, das hatte weh getan.
Amelia sah ihn einfach nur an. Marco konnte an ihrem Gesicht nicht ablesen, was sie dachte. Er hielt ihr die Hand hin.
„Komm, ich bring dich von hier weg.“
Sie überlegte nicht und ergriff seine Hand. Ihre Finger waren eiskalt und ihre Berührung verursachte ihm ein Kribbeln, das er ganz und gar nicht brauchen konnte. Nicht jetzt. Nicht hier.
Schnellen Schrittes zog er sie hinter sich her. Durch zwei Nebenstraßen und einen Schleichweg, der zwischen zwei Gärten verlief. Nach etwa zehn Minuten blieb er abrupt vor einem unscheinbaren Gebäude stehen.
Verfluchte Scheiße! Wie hatte dieser verdammte Dreckskerl sie nur finden können? Seit verdammten fünf Monaten versteckte sie sich erfolgreich, war drei Mal umgezogen und nun stand Alden ausgerechnet hier in Frost Creek vor ihr. Das konnte doch nicht wahr sein!
Und wo war Daniels Bruder hergekommen? Wohnte er hier etwa? All diese Fragen gingen ihr durch den Kopf, während er sie durch die Straßen hinter sich herzog. Als er endlich stehen blieb, lief sie in ihn hinein, weil sie nicht darauf gefasst war.
„Entschuldige“, murmelte sie.
Er hielt noch immer ihre Hand. Jetzt war sie ihm so nah, dass sie sein Aftershave riechen konnte. Nicht dieses herbe, stinkende Zeug, das ihr Ex immer benutzt hatte. Dieses hier war dezent und roch lecker.
LECKER? Verflucht, was sollte das denn jetzt?
„Bist du okay?“, unterbrach Marco ihre Gedanken.
Amelia nickte nur.
„Ich glaube, der Typ ist uns nicht gefolgt. Kennst du ihn?“
Wieso sah er sie nur so durchdringend an? Ihr wurde verflucht heiß unter seinem Blick. Nicht gut. Falscher Zeitpunkt. Ganz falscher Zeitpunkt.
Sie atmete tief durch.
„Ja, ich kenne ihn. Er ist mein Ex-Freund. Ich weiß, schlechte Wahl.“ Sie wollte sich nicht wieder von irgendjemandem anhören, dass man auch schon vorher hätte merken können, was für ein Spinner Alden war. Doch Marco zuckte nur mit den Schultern.
„Manchmal merkt man eben etwas später wie Menschen wirklich sind. Komm, ich bring dich zum Sheriff.“ Er drehte sich schon um, doch Amelia blieb wie angewurzelt stehen. Und da Marco noch immer ihre Hand hielt, kam er beim zweiten Schritt nicht weiter. Er wandte sich wieder zu ihr. Sie schüttelte vehement den Kopf.
„Nein, der Sheriff kann da nichts machen. Lass gut sein. Ich gehe einfach zurück ins Hotel. Er hat mich auf der Straße überrascht, er weiß bestimmt nicht, wo ich wohne.“ Hoffte sie jedenfalls.
Marco sah nicht überzeugt aus.
„Bist du dir sicher?“, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Nein. Sie war sich sicher, dass ihr Problem gerade erst wieder begann. Aber sie würde Marco mit Sicherheit nicht sagen, dass sie ihre Sachen nehmen und sofort ins Auto steigen würde. Das hier ging ihn nichts an. Deshalb nickte sie wieder.
„Ja, ich bin mir sicher.“
Er legte den Kopf schief.
„Okay, wenn du es sagst. Aber ich begleite dich zum Hotel. Keine Widerrede!“
So lange er ihre Hand hielt, würde sie dieses Angebot ganz sicher nicht ablehnen.
Kapitel 4
Nope, es war definitiv nicht notwendig weiterhin Amelias Hand zu halten. Aber es fühlte sich einfach zu gut an. Und sie hatte nicht den geringsten Versuch unternommen, sich ihm zu entziehen.
Er musste nicht fragen, wo sie ihr Zimmer hatte. Diese Stadt hatte nur ein Hotel und dorthin gingen sie nun schweigend.
Diese Stille irritierte ihn. Redeten Frauen nicht ständig? Und vor allem nach einer solchen Situation?
Doch es fühlte sich nicht unangenehm an. Zum ersten Mal in seinem Leben ging er mit einem Menschen in einvernehmlichem Schweigen spazieren. Und dass sie auf halbem Weg anfing mit ihrem Daumen über seinen zu streicheln, verwirrte ihn noch mehr.
Am Empfang des Hotels stand eine junge Frau in der Hoteluniform. Als sie aufsah, strahlte sie ihn an.
„Marco! Dich habe ich ja lange nicht gesehen. Miss Bishop, ihr Verlobter ist auch schon angekommen.“
Amelia fror in der Bewegung ein, er spürte es mehr, als dass er es sah. Ihre Hand wurde eiskalt.
„Hallo Jill. Ist der Verlobte auf ihrem Zimmer?“ Er versuchte sachlich zu klingen, aber der Blick seines Gegenübers verriet ihm, dass es nicht gut genug klappte. Schon dumm, dass sie sich ihr Leben lang kannten, auch wenn Jill ein paar Jahre jünger als er war.
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, er wollte spazieren gehen und ist noch nicht zurück.“
Er hörte, wie Amelia deutlich ausatmete, sah sie genau an. Der Gedanke war einfach da. Schlaue Idee? Egal, er würde es einfach anbieten.
„Amelia?“ Sie sah ihn an. „Holst du deine Sachen? Dann kommst du einfach mit zu mir“, ihre Augen wurden groß. „Wenn du willst“, setzte er schnell nach. „Ich baue gerade eine Dachwohnung aus. Bad und Schlafzimmer sind fertig. Du könntest dort bleiben, wenn du möchtest.“
Ihren Blick konnte er nicht deuten und das machte ihm fast mehr Angst als die Möglichkeit, dass sie nein sagen könnte.
„Gibt es ein Problem, Miss Bishop?“, fragte nun die Rezeptionistin. Amelia wandte sich ihr zu.
„Ja, es gibt keinen Verlobten. Ich habe nur einen verrückten Ex-Freund und dem möchte ich nicht mehr begegnen.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Dein Angebot ist sehr großzügig.