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Ekke Nekkepenn ist eine nordfriesische Sagengestalt, ein Meermann, der auf dem Meeresgrund lebt und mit Seeleuten und Inselbewohnern Schabernack treibt. Er wird oft als eine Mischung aus Zwerg und Rumpelstilzchen be-schrieben, der mit seiner Frau Rahn auf dem Meeresgrund sein Unwesen treibt.
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2025
Manfred Müller
Ekke Nekkepenn
Geschichten mit und über den Sylter Meermann
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Inge von Rantum
Theodor Storm – Die Regentrude
Strandgut
Der Ehemann
Der Wassermann in der Mühle zu Steenholt
Der Meermann
Inge von Rantum und der Meermann auf Hörnum
Ekke Nekkepenn
Impressum neobooks
Ekke Nekkepenn
Geschichten mit und über den Sylter Meermann
zusammengestellt von Manfred Müller
Ekke Nekkepenn (auch bekannt in den Schreibweisen Ekkenekkepenn, Eckeneckepenn, Ecke Neckepenn usw.) ist eine nordfriesische Sagengestalt, ein Meermann, der auf dem Meeresgrund lebt und mit Seeleuten und Inselbewohnern Schabernack und Übleres treibt. Er wird oft als eine Mischung aus Zwerg und Rumpelstilzchen beschrieben, der mit seiner Frau auf dem Meeresgrund sein Unwesen treibt.
Die bekannteste Erzählung über Ekke Nekkepenn geht auf Christian Peter Hansen zurück, der verschiedene nordfriesische Sagen zu einer zusammenhängenden Geschichte verarbeitete. Der Meermann Ekke Nekkepenn spielt Spielchen mit Seeleuten und Inselbewohnern. Er soll auch einmal die Frau eines Sylter Kapitäns entführt und sie gezwungen haben, ihm zu helfen, die Geburt seines Kindes zu überstehen.
Ekke Nekkepenn wird oft mit Rumpelstilzchen verglichen. So wird auch in einer Geschichte über ihn berichtet, in der er eine Frau entführt und sie nur dann freilässt, wenn sie seinen Namen errät. In einer anderen Version der Sage versucht Ekke Nekkepenn, die Frau eines Sylter Kapitäns zu heiraten, aber deren Tochter entlarvt ihn, indem sie seinen Namen errät, den sie zufällig gehört hat.
Als Folge dieser Ereignisse soll Ekke Nekkepenn die Sylter für immer hassen und sie mit Stürmen, Strudeln und Überschwemmungen heimsuchen.
Die Gestalt des Ekke Nekkepenn ist bis heute sehr populär und taucht immer wieder in friesischen Texten und in letzter Zeit auch verstärkt in Songs und Liedern auf.
Zu den berühmtesten Texten gehört neben dem von Hansen sicherlich die ‚Regentrude‘ von Theodor Storm und unter den Liedern der gleichnamige Song von Santiano.
Ekke Nekkepenn ist eine nordfriesische Sagengestalt, die als Meermann mit zwergenhaften und rumpelstilzchenhaften Zügen beschrieben wird und für ihre Streiche und ihre Wut auf die Sylter bekannt ist.
In der hier vorliegenden Zusammenstellung werden Geschichten um und mit dem kleinen Meermann vorgestellt.
Die Texte wurden behutsam an die neue Rechtschreibung angeglichen. Unklare oder ungebräuchliche Wortverwendungen wurden erläutert oder auch aus dem Friesischen übersetzt.
Es war einst ein Schiff, das segelte nach England. Unterwegs kam ein starker Sturm, dass die Schiffsleute ängstlich wurden und dachten, sie sollten zugrunde gehen. In der Nacht wurde das Steuerruder unklar. Sie sahen über Bord und wurden gewahr, dass ein großer Mann seinen Kopf aussteckte aus dem Wasser dicht bei dem Ruder. Sie fragten ihn, was er wolle. „Ich will den Schiffer sprechen“, antwortete er.
Die Schiffsleute riefen den Kapitän. Der Kapitän kam, sah auch über Bord und fragte den Mann: „Wer bist du? Was willst du?“
„Ich bin der Meermann, mein Weib verlangt, dass dein Weib kommt, um ihr zu helfen bei der Geburt.“
„Meine Frau schläft, sie kann nicht kommen“, antwortete der Schiffer.
„Sie muss kommen“, rief der Meermann, „sonst macht meine Alte noch mehr Spektakel, noch ärgeren Sturm und Seegang, und ihr geht allesamt zugrunde.“
„Ich will gleich kommen“, rief des Kapitäns Frau, die alles gehört hatte. „Man muss niemanden in Not lassen, dem man helfen kann.“
Sie sprang über Bord zu dem Meermann und ging mit ihm hinab zum Meeresgrunde. Der Sturm war vorbei, die See ward ruhig.
Unterdessen hatte der Schiffer große Sorge um seine Frau, aber es währte nicht lange, da hörte er so lieblich: „Heia, heia, hei!“ tief unten in der See singen, und die Wellen gingen so eben auf dem Wasser, als wenn die ganze See wie eine Wiege geschaukelt würde. „Aha“, dachte er, „das Kind ist schon geboren, das ist gutgegangen.“
Es dauerte keine Stunde, da kam die Frau des Schiffers wieder auf aus der See und glücklich zurück an Bord. Sie war kaum einmal nass geworden, hatte die Schürze voll von Gold und Silber und hatte viel zu erzählen. Das Meerweib hatte ein Kleines bekommen, ein Ding, das wir auf Sylt ein Seekalb nennen, aber die Meerfrau meinte, es wäre so schön wie ein Engel. Der Meermann war so froh geworden, dass er der Frau des Schiffers so viel Gold und Silber verehrt hatte, als sie tragen konnte.
Der Schiffer hatte nun guten Wind, machte seine Reise schnell ab und segelte mit seinem Weibe und mit seinem Gelde wieder heim nach Sylt. Allein, wenn er später wieder ausfuhr zur See, dann ließ er allezeit sein Weib zu Hause bleiben in Rantum, wo sie wohnten.
Viele Jahre nachher, als das Meerweib so alt und faltig wurde, dachte der Meermann noch oft an des Schiffers schöne und mitleidige Frau. Er beschloss, sein altes Hauskreuz [hier nicht in einem wörtlichen Sinn zu verstehen, sondern steht als Symbol für Moral und Ordnung] zu verlassen, den Schiffer mit einem Sturm zu überfallen und zu ersäufen und dann die schöne Witwe zu freien. Aber es fiel ihm nicht ein, dass die Frau des Schiffers inzwischen auch alt geworden war.
Einst sah er das Rantumer Schiff wieder über die See kommen. Da dachte er: Nun ist es meine Zeit. Er sagte zu seinem Weibe: „Ich will hin, um Heringe zu fischen. Du musst Salz mahlen zu der Heringslauge, bis ich wiederkomme.“ Denn er wusste, dass sie dann einen gräulichen Lärm machte in ihrem Hause am Meeresgrunde. Von dem Salzmahlen der Meeresfrau soll die ganze See zuletzt salzig geworden sein. Als der Sylter Schiffer in die Nähe kam, war dort ein solcher Mahlstrom [stark wirbelnder Strudel] in dem Wasser, dass er mit seinem Schiff mit Mann und Maus versank.
Unterdessen schwamm der Meermann nach Sylt und ging ans Land auf Hörnum. Er spazierte längs dem Strande und dachte an das Weib des Schiffers. Gegen Abend kam ihm ein Mädchen entgegen beim Küssetal (Taatjemglaat). Er meinte, es wäre die Frau des Schiffers, aber es war seine Tochter, die ihrer Mutter sehr ähnlich war. Der Meermann hatte sich ganz und gar verwandelt. Er hatte sich angetakelt wie ein Sylter Seefahrer, aber gebärdete sich wie ein Nachtschwärmer und begann zu dem Mädchen miteins zu freien.
Sie wurde verlegen und bange vor ihm, aber er setzte ihr einen goldenen Ring über jeden Finger, band ihr eine goldene Kette um den Hals und sagte: „Nun hab ich dich gebunden, nun bist du meine Braut.“ Sie weinte und bat ihn, er solle sie gehen lassen, aber sie gab ihm seine goldenen Ringe und seine Kette nicht zurück. Er sprach zu ihr:
„Ich mag dich, muss dich haben!
Magst du mich, sollst mich kriegen.
Willst du nicht, kriegst mich doch.
Mittwoch haben wir Gelag [große Feier].
Doch kannst du sagen, wie ich heiß,
Dann bist du frei und meiner los!“
Darauf ließ er die Jungfrau gehen. Sie gelobte ihm, sie wolle ihm den folgenden Abend Bescheid tun, aber sie dachte, ich bekomme wohl irgendwo zu wissen, wie der Freier heißt. Doch überall, wo sie fragte, kannte man ihn nicht.
Sie ging am folgenden Abend wieder am Strande und weinte. In Gedanken ging sie immer weiter, bis sie nach dem Törnhörn auf Hörnum kam. Da kam es ihr vor, als wenn sie in dem Berge jemand singen hörte. Sie blieb stehen und horchte. Da hörte sie deutlich ihres Freiers Stimme. Er sang:
„Heute soll ich brauen,
Morgen soll ich backen,
Übermorgen will ich Hochzeit machen.
Ich heiße Ekke Nekkepenn;
Meine Braut ist Inge von Rantum,
Und das weiß niemand als ich allein!“
Als sie das hörte, da wurde sie froh. Sie kehrte sogleich zurück zum Küssetal und erwartete ihren Freier dort. Es währte nicht lange, da kam er auch. Sie rief ihm zu: „Du heißt Ekke Nekkepenn, und ich bleibe Inge von Rantum.“ Dann lief sie schnell nach Hause mit ihrer goldenen Kette und ihren goldenen Ringen, und er war genarrt.
Seit der Zeit war der Meermann böse auf alle Rantumer. Er machte ihnen Schabernack und Unglück, wo er nur konnte. Er überfiel ihre Schiffe und Seeleute mit Sturm und jagte sie in den Grund zu seinem alten Weibe, welches sie fing in ihren Netzen. Er zerstörte zuletzt der Rantumer Land und Häuser ganz und gar durch Sand und Flut, wie solches noch auf Hörnum zu sehen ist.
Einen so heißen Sommer, wie nun vor hundert Jahren, hat es seitdem nicht wieder gegeben. Kein Grün fast war zu sehen; zahmes und wildes Getier lag verschmachtet auf den Feldern.
Es war an einem Vormittag. Die Dorfstraßen standen leer; wer nur konnte, war ins Innerste der Häuser geflüchtet; selbst die Dorfkläffer hatten sich verkrochen. nur der dicke Wiesenbauer stand breitspurig in der Torfahrt seines stattlichen Hauses und rauchte im Schweiße seines Angesichts aus seinem großen Meerschaumkopfe. Dabei schaute er schmunzelnd einem mächtigen Fuder Heu entgegen, das eben von seinen Knechten in die Diele gefahren wurde. – Er hatte vor Jahren eine bedeutende Fläche sumpfigen Wiesenlandes um einen geringen Preis erworben, und die letzten dürren Jahre, welche auf den Feldern seiner Nachbarn das Gras versengten, hatten ihm die Scheuern mit duftendem Heu und den Kasten mit blanken Krontalern gefüllt.
So stand er auch jetzt und rechnete, was bei den immer steigenden Preisen der Überschuss der Ernte für ihn einbringen könne. „Sie kriegen alle nichts“, murmelte er, indem er die Augen mit der Hand beschattete und zwischen den Nachbarsgehöften hindurch in die flimmernde Ferne schaute; „es gibt gar keinen Regen mehr in der Welt.“
Dann ging er an den Wagen, der eben abgeladen wurde; er zupfte eine Handvoll Heu heraus, führte es an seine breite Nase und lächelte so verschmitzt, als wenn er aus dem kräftigen Duft noch einige Krontaler mehr herausriechen könne.
In demselben Augenblicke war eine etwa fünfzigjährige Frau ins Haus getreten. Sie sah blass und leidend aus, und bei dem schwarzseidenen Tuche, das sie um den Hals gesteckt trug, trat der bekümmerte Ausdruck ihres Gesichtes nur noch mehr hervor. „Guten Tag, Nachbar“, sagte sie, indem sie dem Wiesenbauer die Hand reichte, „ist das eine Glut; die Haare brennen einem auf dem Kopfe!“
„Lass brennen, Mutter Stine, lass brennen“, erwiderte er, „seht nur das Fuder Heu an! Mir kann's nicht zu schlimm werden!“
„Ja, ja, Wiesenbauer, Ihr könnt schon lachen; aber was soll aus uns andern werden, wenn das so fortgeht!“
Der Bauer drückte mit dem Daumen die Asche in seinen Pfeifenkopf und stieß ein paar mächtige Dampfwolken in die Luft. „Seht Ihr“, sagte er, „das kommt von der Überklugheit. Ich hab's ihm immer gesagt; aber Euer Seliger hat's allweg besser verstehen wollen. Warum musste er all sein Tiefland vertauschen! Nun sitzt Ihr damit den hohen Feldern, wo Eure Saat verdorrt, und Euer Vieh verschmachtet.“
Die Frau seufzte.
Der dicke Mann wurde plötzlich herablassend. „Aber, Mutter Stine“, sagte er, „ich merke schon, Ihr seid nicht von ungefähr hergekommen; schießt nur immer los, was Ihr auf dem Herzen habt!“
Die Witwe blickte zu Boden. „Ihr wisst wohl“, sagte sie, „die fünfzig Taler, die Ihr mir geliehen, ich soll sie auf Johanni zurückzahlen, und der Termin ist vor der Tür.“ [Johannistag, zu Ehren von Johannes dem Täufer, ist der 24. Juni]
Der Bauer legte seine fleischige Hand auf ihre Schulter. „Nun macht Euch keine Sorge, Frau! Ich brauche das Geld nicht; ich bin nicht der Mann, der aus der Hand in den Mund lebt. Ihr könnt mir Eure Grundstücke dafür zum Pfand einsetzen; sie sind zwar nicht von den besten, aber mir sollen sie diesmal gut genug sein. Auf den Sonnabend könnt Ihr mit mir zum Gerichtshalter fahren.“
Die bekümmerte Frau atmete auf. „Es macht zwar wieder Kosten“, sagte sie, „aber ich danke Euch doch dafür.“
Der Wiesenbauer hatte seine kleinen klugen Augen nicht von ihr gelassen. „Und“, fuhr er fort, „weil wir hier einmal beisammen sind, so will ich Euch auch sagen, der Andrees, Euer Junge, geht nach meiner Tochter!“
„Du lieber Gott, Nachbar, die Kinder sind ja miteinander aufgewachsen!“
„Das mag sein, Frau; wenn aber der Bursche meint, er könne sich hier in die volle Wirtschaft einfreien, so hat er seine Rechnung ohne mich gemacht!“
Die schwache Frau richtete sich ein wenig auf und sah ihn mit fast zürnenden Augen an. „Was habt Ihr denn an meinem Andrees auszusetzen?“ fragte sie.
„Ich an Eurem Andrees, Frau Stine? – Auf der Welt gar nichts! Aber“ – und er strich sich mit der Hand über die silbernen Knöpfe seiner roten Weste – „meine Tochter ist eben meine Tochter, und des Wiesenbauers Tochter kann es besser belaufen.“ [hat bessere Möglichkeiten]
„Trotzt nicht zu sehr, Wiesenbauer“, sagte die Frau milde, „ehe die heißen Jahre kamen –!“
„Aber sie sind gekommen und sind noch immer da, und auch für dies Jahr ist keine Aussicht, dass Ihr eine Ernte in die Scheuer bekommt. Und so geht's mit Eurer Wirtschaft immer weiter rückwärts.“
Die Frau war in tiefes Sinnen versunken; sie schien die letzten Worte kaum gehört zu haben. „Ja“, sagte sie, „Ihr mögt leider recht behalten, die Regentrude muss eingeschlafen sein; aber – sie kann geweckt werden!“
„Die Regentrude?“ wiederholte der Bauer hart. „Glaubt Ihr auch an das Gefasel?“
„Kein Gefasel, Nachbar!“ erwiderte sie geheimnisvoll. „Meine Urahne, da sie jung gewesen, hat sie selber einmal aufgeweckt. Sie wusste auch das Sprüchlein noch und hat es mir öfters vorgesagt, aber ich habe es seither längst vergessen.“
Der dicke Mann lachte, dass ihm die silbernen Knöpfe auf seinem Bauche tanzten. „Nun, Mutter Stine, so setzt Euch hin und besinnt Euch auf Euer Sprüchlein. Ich verlasse mich auf mein Wetterglas, und das steht seit acht Wochen auf beständig Schön!“
„Das Wetterglas ist ein totes Ding, Nachbar; das kann doch nicht das Wetter machen!“
„Und Eure Regentrude ist ein Spukeding, ein Hirngespinst, ein Garnichts!“
