Elfengeist (3) - Angela Mackert - E-Book

Elfengeist (3) E-Book

Angela Mackert

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Beschreibung

ELFENGEIST - Romanserie in drei Teilen Dies ist der dritte Band der Buch-Serie: Den beiden Schützern Gilior und Alaris bleibt nicht mehr viel Zeit, um die neue Elfenkönigin zu erwecken. Aber selbst dann, wenn es ihnen gelingt, ist ihr Widersacher Loron noch nicht besiegt. Erst Jahre nach der Erweckung kann die Königin ihren Platz einnehmen und bis dahin wird Loron sein dunkles Werk fortsetzen. Um das Schlimmste zu verhindern müssen Gilior und Alaris unbedingt am Leben bleiben, denn nur solange ihre Herzen schlagen, kann Lorons Dunkelheit das Licht nicht völlig besiegen. Alle Bände der Serie: Band 1: Ein gefährlicher Auftrag Band 2: Das Geheimnis von Segredo Band 3: Die Magie der Geisterlinde Die Elfengeist-Serie ist abgeschlossen.

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Seitenzahl: 197

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Die Buchserie

Elfengeist – Romanserie in drei Teilen

Alle Bände der Serie:

Ein gefährlicher Auftrag

Das Geheimnis von Segredo

Die Magie der Geisterlinde

Die Elfengeist-Serie ist abgeschlossen.

Auf die Nacht folgt der Tag ...

Inhaltsverzeichnis

Elfenlicht

Eine fatale Verwechslung

Elfenkuss

Die Oberinnen

Anedis Magie

Die Geisterlinde

Lorons Ende

Die Kämpfe des Friedens

Ein Ende und ein Anfang

Blütenblätter

1. Elfenlicht

Wie jeden Morgen seit ihrer Rückkehr aus den Schneebergen, lief Gilior nach dem Bad im See seine Runde. Es war mittlerweile Dezember und auch hier in Zero ziemlich frisch, aber das hielt ihn nicht ab.

Während des Laufens griff er ab und zu an den Beutel um seinen Hals, den er selbst gefertigt hatte und in dem er den Bergkristall der Schneedämonin Jevera verwahrte. Der Stein erinnerte ihn an ihr Gesicht, an ihre freundlich blickenden eisblauen Augen und an ihr silberweißes langes Haar, das frisch wie ein Wintermorgen im Gebirge duftete. Die Hummeln in seinem Bauch schwirrten leise, als er an sie dachte. Aber wie konnte er sich überhaupt Hoffnungen machen? Selbst wenn in den nächsten Wochen alles gut ging, wenn Alaris und er die Elfenkönigin zum vorausgesagten Termin erwecken konnten, dann würde er Jevera erst in siebzehn Jahren wiedersehen!

Vornübergebeugt blieb Gilior stehen, um kurz auszuschnaufen. Nein, solche Gedanken, die ihm dumpfe Gefühle verursachten, durfte er nicht zulassen! Es raubte ihm Kraft für die Aufgabe, die er als Schützer erfüllen musste. Gilior schloss für einen Moment die Augen, um sich stattdessen an Jeveras Lächeln zu erinnern, an ihren Kuss, der kühl und heiß zugleich auf seiner Haut haften geblieben war. Es hatte sich so gut angefühlt!

Als Gilior die Augen wieder öffnete und sich aufrichten wollte, um weiterzulaufen, fiel sein Blick auf das Medaillon, das zusammen mit dem Beutel um seinen Hals hing und nun, getrieben von seinem Atem, leise hin und her schaukelte. Er griff danach und versteckte es unter seinem Hemd. Der Eisenmann Shanril hatte darin gelegen, vierhundert Jahre lang, als winzig kleine Figur, geschaffen aus Erde und Blut. Jetzt war Shanril zu einem lebendigen Mann geworden, die Magie der Dunkelzeit hatte ihn hervorgebracht und den Schützern zur Unterstützung gesandt. Längst war er Alaris und ihm zum Freund geworden. Ob Shanril je daran dachte, was aus ihm wurde, wenn sie die neue Elfenkönigin nicht erwecken konnten? Er hatte diesbezüglich nie etwas verlauten lassen, obwohl die Zeit bereits denkbar knapp wurde.

Gilior seufzte und begann wieder zu laufen, schneller als zuvor. Nein, auch um Shanrils Schicksal durfte er sich nicht sorgen. Nicht jetzt! Das Einzige, das er tun musste, war, fest daran zu glauben, dass sie heute die Spur der künftigen Königin fanden, und wenn nicht, dann ganz bestimmt morgen und auf jeden Fall noch rechtzeitig!

Gilior erreichte jetzt die Stelle, an der er immer kehrtmachte. Er lief einen Bogen und trabte dann in gleichmäßigem Laufschritt am See entlang zurück. Als nach einiger Zeit der Bootssteg, der in den See hineinragte, in Sicht kam, legte er noch einmal an Tempo zu. Wenig später war er wieder an seinem Ausgangspunkt angekommen.

Sein Waschzeug und das Handtuch lagen noch auf dem Steg. Gilior hob es auf und packte es sich als Bündel unter den Arm. Einen Augenblick blieb er so stehen, drehte im Geist die Zeit ein wenig zurück. Im Sommer und sogar noch im frühen Herbst, hatte er bei seiner Rückkehr vom Laufen hier immer Alaris angetroffen, der sich nach seinem Bad im See bibbernd abtrocknete. Gemeinsam waren sie danach zur Hütte zurückgegangen. Schade, dass er jetzt darauf verzichten musste. Er hatte das fast wie ein Ritual empfunden, mit dem sie gemeinsam den Tag begrüßten. Aber Alaris verabscheute die Winterkälte, das wusste er, noch mehr seit sie aus den Schneebergen zurück waren. Deshalb holte er sich derzeit immer nur täglich einen großen Krug Wasser aus dem See und wusch sich in der Hütte. Gilior schaute zu dem kleinen Holzhaus, das er von hier aus zwischen den Bäumen hindurch sehen konnte. Noch einmal atmete er die frische, klare Luft, dann machte er sich auf den Weg dorthin.

Als er wenig später in den Raum trat, der ihnen als Wohn- und Schlafraum diente und von dem nur ein kleines Küchenabteil abgetrennt war, empfing ihn die wohlige Wärme eines Kaminfeuers. Seine Gefährten Shanril und Alaris saßen bereits beim Frühstück.

Alaris beobachtete, wie Gilior sein Waschzeug aufräumte, und zog trotz der Wärme fröstelnd die Schultern hoch. »Ich begreif nicht, wie du bei der Kälte da draußen immer noch im See baden kannst!«

»Die Luft ist herrlich frisch, und das kalte Wasser macht wach. Du solltest es ausprobieren!« Gilior setzte sich neben ihm auf seinen Platz und langte kräftig zu.

Alaris wehrte ab. »Ich bin nicht verrückt!«

Gilior grinste und biss in sein Marmeladenbrot. Auf einmal stutzte er. Hatte er da eben Vogelgezwitscher gehört? Überrascht schaute er zur Fensterbank, wo der winzige Käfig mit dem magischen Kristallvogel stand, den ihnen der Fürst der Schneedämonen mitgegeben hatte. »Kann es sein, dass der sich auf einmal bei uns wohlfühlt?«

Alaris deutete zu Shanril, der ihnen beiden gegenübersaß. »Ja, die Gletscherbrocken, die er gestern aus seinem Helm herausgezaubert und um den Käfig herum aufgestellt hat, haben ein wahres Wunder bewirkt. Erinnert den Vogel wohl an seine Heimat.«

Gilior sah den Eisenmann fragend an. »Ich verstehe aber nicht, wieso dieses Eis bei der Wärme hier drinnen nicht schmilzt.«

Shanril trank seinen Tee leer, und zuckte dann mit den Schultern. »Weil es kein Eis ist, sondern eine magische Imitation.« Er schob Gilior den Brotkorb hin, damit er sich noch eine Scheibe nehmen konnte. Als Gilior den Mund aufmachte, um noch etwas zu sagen, hob er den Finger.

»Redet nicht so viel, sondern esst! Heute ist Wintersonnwende. Die Tage werden ab jetzt wieder länger und das Licht gewinnt an Kraft. Ein gutes Omen! Gut möglich, dass ihr heute die Spur der Elfenkönigin wiederfindet. Ihr solltet so schnell wie möglich an die Arbeit gehen und suchen!«

Ja, wiederfinden ..., dachte Gilior und fühlte augenblicklich die Last, die auf seine und Alaris’ Schultern drückte. Zweimal hatten sie schon ein Licht gesehen, das auf den Geist der Elfenkönigin hindeutete und gefühlt, dass sie ihr nahe waren, das erste Mal am Tag nach ihrer Rückkehr von den Schneedämonen. Das war in einem Stadtpark gewesen, und das zweite Mal in einer Großstadt, in der die Luft stank und Menschen dichtgedrängt aneinander vorbeihasteten. Beide Male hatten sie die Spur nach wenigen Tagen wieder verloren.

Als Alaris leise seufzte, flog Giliors Blick zu ihm hin. Er wusste, dass sich sein Cousin genauso Sorgen machte wie er selbst, auch wenn er das selten zeigte. Heute Nacht hatte Gilior mitbekommen, wie Alaris aufgestanden war und in der Küche Suppe gekocht hatte. Das tat er oft in letzter Zeit, tagsüber ging es ja nicht. Es war seine Art, mit dem Druck umzugehen, der auf ihnen lastete und der stärker wurde, je mehr die Zeit verrann. Sobald Alaris Suppe kochte, fand er wieder sein seelisches Gleichgewicht. Er brauchte das, so wie Gilior laufen musste, um seine Gedanken zu klären. Gilior schob sich den letzten Brocken Brot in den Mund und trank seinen Tee in einem Zug aus.

»Ich bin soweit, und du?«

»Auch.« Alaris erhob sich und sah Shanril an.

»In der Küche steht ein Topf mit Suppe, die kannst du zu Mittag aufwärmen.«

»Schon gesehen.« Shanril nickte. »Viel Glück euch beiden!«

»Danke«, sagten sie wie aus einem Mund.

»Das brauchen wir!«

Gilior und Alaris zogen ihre Schützer-Mäntel an, die seit Beginn der Dunkelzeit ihre weiße Farbe auf magische Weise in ein gewöhnliches dunkles Braun geändert hatten. Ihre langen Stäbe, ebenfalls ein Zeichen ihrer Schützerwürde, ließen sie durch einem Zauber schrumpfen, damit sie in die Manteltasche passten. Sie sollten sie stets bei sich haben, aber wenn sie nachher mit den schweren Türen hantierten, mussten sie die Hände frei haben.

»Alles klar?«, fragte Gilior und sah Alaris an.

»Ja, gehen wir!«

Sie liefen auf den Spiegel zu, der an der linken Wand vom Boden bis zur Decke reichte. Hintereinander gingen sie durch das Glas hindurch, das durch ihre Berührung neblig und durchlässig wurde. Gleich darauf befanden sie sich in einem Geheimgang, der aus groben Steinen gemauert war. Drei Türen befanden sich dort, schräg gegenüber dem Spiegeleingang, durch den sie gekommen waren und beleuchtet von magischen Fackeln. Alaris schob sogleich seine Ärmel zurück und bewegte wie knetend die Finger. »Auf ein Neues, diesmal finden wir sie!« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zur ersten Tür, drückte die Klinke und zog am Griff. Die Tür war so schwergängig, dass er seine ganze Kraft einsetzte.

Gilior griff derweil nach dem großen Hebel, der auf dem Boden lag und den Shanril ihnen auf ihre Bitte hin vor drei Monden aus seinem Helm gezaubert hatte. Kaum dass sich die Tür einen Spaltbreit öffnete, schob er das Werkzeug dazwischen. Dann zog auch er mit aller Kraft, bis die Tür so weit offen stand, dass sie hindurchschlüpfen konnten.

Gleich als sie draußen waren, standen sie in einem Park, in dem so früh am Morgen nur wenige Menschen unterwegs waren. Einer, ein Mann mit einer Tasche unter dem Arm, schaute in ihre Richtung, aber sie wussten, dass er sie nicht sehen konnte. Für Menschen waren sie zum Glück fast immer unsichtbar. Sie blieben nur solchen Wesen nicht verborgen, die wie sie selbst eine Verbindung zur Anderwelt hatten.

»Waren wir hier nicht schon mal?«, fragte Alaris.

Gilior zuckte mit den Schultern. »Möglich.« Sie öffneten schließlich jeden Tag mindestens zweihundert Mal Türen und das schon seit Monaten und die Landschaften dahinter formten sich sicher nicht nach logischen Prinzipien, die ihre Suche beschleunigen konnte. Gilior schien es eher so, als ob eine gewisse Neugier eine Rolle spielte. Neugier auf Bewegung, auf Geräusche und Gerüche. Anders konnte er es sich nicht erklären, dass sie auch zu Orten geführt wurden, wo sie den Geist der Elfenkönigin ganz sicher nicht fanden, wie unter Wasser stehende Höhlen oder abgeriegelte Grabkammern, in denen nur Ratten huschten. Wie auch immer. Gilior ging ein paar Schritte im Park umher und kehrte dann wieder zu Alaris zurück, der vor der Tür stehen geblieben war und den Himmel nach Zeichen absuchte. »Ich sehe kein besonderes Licht und ich spür hier auch nichts, und du?«

Alaris schüttelte den Kopf. »Machen wir die nächste Tür auf!«

Aber erst einmal mussten sie diese wieder zubekommen! Beide lehnten sie sich gegen das Türblatt und drückten mit voller Kraft, bis die Klinke endlich ins Schloss fiel.

Ein ums andere Mal öffneten und schlossen sie danach Türen, immer unter vollem Körpereinsatz. Aber eine Spur, die sie zu dem Kind führte, das den Geist der Elfenkönigin aufnehmen würde, fanden sie nicht. Irgendwann rutschten sie beide vor Erschöpfung an der Wand entlang zu Boden.

Während sie ausschnauften, befühlte Gilior seinen Oberarm. »Wenigstens können wir uns nicht über schwächliche Muskeln beklagen. Sind im Augenblick nur ein wenig hart.«

Alaris blies hörbar seine Atemluft aus. »Ja ... Aber mich hat mein Bauch nie gestört!«

»Mich auch nicht!« Gilior sah seinen Cousin an. Seit ihrer Rückkehr aus dem Gebiet der Schneedämonen hatte Alaris aufgrund der körperlich anstrengenden Arbeit ziemlich abgenommen, auch wenn er durch seine familiäre Veranlagung immer noch einen kleinen Bauchansatz hatte. Er sah kraftvoll aus und das stand ihm gut, fand Gilior. Er lächelte. »Du wirst zugeben, dass uns so mancher um unsere durchtrainierten Körper beneiden würde.«

»Nur, dass uns hier niemand sieht!« Alaris stand auf und streckte Gilior die Hand hin. »Hoch mit dir, du musst jetzt wieder Muskelmasse aufbauen!«

Sie nahmen sich die nächste Tür vor, die sie natürlich auch erst nach heftigem Ziehen und Schnaufen aufbekamen. Als sie dann durch den offenen Spalt schlüpften, standen sie in einer Höhle, die so dunkel war, dass sie kaum Umrisse erkannten. Gilior hielt sich sofort die Nase zu. »Igitt, wie das hier stinkt!« Er stutzte. »Sag mal, schnarcht hier jemand?« Er hielt Alaris, der weitergehen wollte, an der Schulter fest. Zum Glück! Denn sein Cousin stieß mit dem Fuß gegen einen großen, wabbeligen Körper, der vor ihnen auf dem Boden lag, und wäre beinahe darauf gefallen.

Alaris schüttelte sich. »Uargh ... was ist das denn?«

Gilior hatte bereits erkannt, was da am Boden lag. Er schob Alaris umgehend wieder zur Tür zurück. »Schnell, das ist ein Troll! Der macht schon die Augen auf!«

Sie spurteten zurück hinter die Tür, schoben und drückten sie zu, so schnell sie es vermochten. Sie hörten den Troll brüllen, sahen, wie er aufstand, seinen Knüppel schwang. Aber er war zu langsam. Die Tür schlug ihm vor der Nase zu.

Gilior lehnte sich schweratmend dagegen.

»Hab weder Licht gesehen noch Freundlichkeit gespürt!«

»Wie kann man uns nur in eine solche Falle locken!« Alaris, der sonst immer die Ruhe bewahrte, regte sich jetzt fürchterlich auf. »Eine Trollhöhle! Wenn der Kerl uns erwischt hätte, lägen wir jetzt mit eingeschlagenen Schädeln da!«

Gilior hatte sich schon wieder halbwegs von seinem Schock erholt. »Beruhige dich! Es geschieht nicht mit Absicht, und es ist ja gut gegangen.«

Alaris grummelte wütend vor sich hin, und Gilior hörte, wie es dazu auch noch in seinem Bauch plötzlich rumpelte. Vielleicht war es die Aufregung, vielleicht aber auch nur Hunger. Jedenfalls fand er, dass sie nach diesem Schreck jetzt besser Mittagspause machen sollten, anstatt weiter Türen zu öffnen. So arg viel früher als sonst waren sie sicher nicht dran, und nach dem Essen waren sie dann hoffentlich wieder so weit geerdet, dass sie gelassen an ihre Arbeit zurückkehren konnten.

»Nanu!« Shanril schaute überrascht auf, als sie durch den Spiegel traten. Dann weiteten sich seine Augen und ein hoffnungsvoller Schimmer flog über sein Gesicht. »Habt ihr die Spur wiedergefunden?«

Gilior schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht. Wir sind eben in eine Trollhöhle hineingestolpert, und der Schreck hat uns total hungrig gemacht, deshalb sind wir ein bisschen früher zurück.«

»Wir suchen gleich nach dem Essen weiter«, ergänzte Alaris.

Falls Shanril enttäuscht war, dass sie heute Morgen wieder keine Spur von der Elfenkönigin gefunden hatten, so ließ er sich nichts anmerken.

»Setzt euch schon mal an den Tisch, die Suppe steht schon über dem Feuer.« Er ging zum Küchenabteil, aber bevor er darin verschwand, drehte er sich noch einmal zu ihnen um. »Verletzt hat euch der Troll aber nicht, oder?«

»Nein, wir waren schneller als er.« Gilior setzte sich und bewegte leise stöhnend Schultern und Hals.

Alaris, der neben ihm Platz nahm, begann auch umgehend, sich den Nacken zu massieren.

Wenn diese Türen nur ein bisschen weniger anstrengend wären, dachte Gilior! Dieses ständige Auf- und Zuziehen zehrte ihre Kräfte auf! Als Shanril mit der Suppe kam, setzte er sich schnell aufrecht hin, damit es nicht so auffiel, wie sehr ihm die täglich immer gleichen Bewegungen körperlich zu schaffen machten.

Shanril bemerkte es natürlich dennoch. Während er die Suppe verteilte, seufzte er. »Ich würde euch so gern bei den Türen unterstützen, aber ich bin nur der Eisenmann. Ich darf mich nicht einmischen, den Geheimgang nicht einmal betreten.«

»Du hast uns schon so viel geholfen, und du kannst uns nicht alles abnehmen. Ohne dich wären wir nicht einmal hier. Wir wären damals vermutlich nicht lebend aus Anderwelt herausgekommen!«, erwiderte Gilior umgehend.

»Von dem Angriff der Menschelfen in den Gletschern ganz zu schweigen. Ohne dich hätten die uns sofort überrannt!«, ergänzte Alaris.

Shanril setzte sich. »Dafür wurde ich schließlich einst geschaffen, um euch Schützer gegen Feinde zu verteidigen.« Er nahm seinen Löffel, versenkte ihn aber nicht in der Suppe. »Aber niemand scheint damals bedacht zu haben, dass auch hinter den Türen, die ihr täglich öffnen müsst, Gefahren für euer Leben lauern können.«

»Mach dir keine Sorgen! So ganz ohne Kampferfahrung sind wir ja immerhin nicht.« Gilior schob sich einen Löffel voll Suppe in den Mund. »Mhm, ist die gut!«

Alaris, der die Suppe in der Nacht gekocht hatte, lächelte. »Da ist Ingwer drin, das stärkt uns.«

»Ja, die Suppe ist sehr würzig!« Shanril nickte, kam aber gleich noch einmal auf die magischen Türen zu sprechen. »Auch wenn die Zeit drängt – ihr müsste stets daran denken, dass es eure erste Pflicht ist, am Leben zu bleiben! Lieber am Tag eine Tür weniger öffnen ...«

Alaris fiel ihm ins Wort. »Shanril, das wissen wir. Mach dir keine Gedanken um uns! Wir sind vorsichtig, wir bleiben am Leben, und wir werden Tera zur vorbestimmten Zeit erwecken!«

Alaris hatte sehr nachdrücklich gesprochen, aber nicht deshalb schaute Gilior ihn überrascht an. Er hatte die neue Elfenkönigin bei ihrem zukünftigen Namen genannt: Tera. Es klang in Gilior Ohren seltsam. Er verband diesen Namen immer noch mit der früheren Elfenkönigin, die er in ihrem Schloss Teramoon noch kennengelernt hatte. Natürlich wusste er, dass alle Königinnen seit der ersten »Tera« hießen, aber dennoch klang es für ihn jetzt merkwürdig.

Shanril lächelte. »Tera, ja ... die künftige Elfenkönigin wird so werden wie sie, wie die erste, wie diejenige, die mich aus Erde und Blut geschaffen hat zu eurem Schutz.« Er schaute Gilior und Alaris an. »Wisst ihr, warum alle Königinnen dieser ersten ähneln, nicht äußerlich, aber in ihrem Wesen?« Er wartete die Antwort auf seine Frage nicht ab, sondern sprach gleich weiter. »Es ist, weil jede Elfenkönigin den Geist von Anderwelt auf ihre Nachfolgerin überträgt, mithilfe des besonderen Lichts, das euch zu dem auserwählten Kind führen wird. Der Geist von Anderwelt ist ein Geist des Friedens. Er wird von jeder neuen Elfenkönigin am Leben gehalten und deshalb bringt sie am Tag ihrer Krönung auch den Friedenszustand zurück. Es ist ein Zustand, der alle Wesen akzeptiert und ihnen Raum lässt, so verschieden sie auch sein mögen. Tera formte damals mithilfe dieses Geistes die magische, die andere Welt, Anderwelt, wie sie heute genannt wird. Es entzog sie selbst und alle, die mit ihr gingen, dem Blick der Menschen. Sie beendete damit die blutige Zeit der Kriege. Jede Dunkelzeit erinnert daran. Ja ...« Shanril nickte, als ob er die Sache immer besser verstand. »Die Dunkelzeit erinnert an die Gräuel von damals und sie bringt stets neue hervor. Aber sie kann die Saat des Friedens, die damals aufging, nie ganz zerstören, solange die Nachfolge der Elfenkönigin gesichert bleibt.«

Ja, Gilior hatte das gewusst, aber so wie Shanril das erzählte, mit dieser Ehrerbietung vor derjenigen Königin, die er gekannt hatte, klang es völlig neu. »Du hast die erste Tera sehr gemocht, nicht wahr?«

Shanril nickte. »Ja, sie und ihre Nachfolgerinnen, die ich alle aufwachsen sah. Auch die zukünftige Elfenkönigin werde ich lieben, das weiß ich jetzt schon.«

Gilior schaute ihn an und verstand. Shanril vertraute ihnen, war überzeugt, dass Alaris und er ihre Aufgabe erfüllen und die neue Tera erwecken würden. Deshalb kam nie ein Wort des Zweifels über seine Lippen. Natürlich wäre es Shanril lieber, wenn er sie auch hinter den Türen beschützen könnte, das lag in seiner Natur. Dennoch akzeptierte er die Grenzen, die ihm, dem Eisenmann, gesetzt waren, und er sprach selten darüber, wie schwer es ihm fiel, sie hinter dem Spiegel ihrem Schicksal zu überlassen. Doch dessen ungeachtet glaubte Shanril fest daran, dass sie beide allem gewachsen waren, was ihnen bei ihrer Suche nach der Königin begegnen konnte. Ja, so war das!, und Shanrils Ermahnungen riefen ihnen lediglich das ins Gedächtnis, was sie nicht vergessen durften.

Gilior griff nach einen Brocken Brot und senkte dann den Kopf tiefer über den Teller. Er aß jetzt schnell, damit sie sobald als möglich wieder durch den Spiegel gehen konnten. Das waren sie Shanril schuldig und auch dem dritten Schützer, Tidor, der schon so lange in der Geisterlinde gefangen war und starb, wenn sie ihre Pflicht nicht rechtzeitig erfüllten.

Alaris hatte mittlerweile schon aufgegessen. Er schob den Teller zurück und sah Gilior zu, wie er mit seinem Brot die letzten Tropfen Suppe aufnahm.

Als Gilior sich das restliche Stückchen Brot in den Mund schob, stand Alaris auf. »Packen wir es wieder an?«

»Ja.« Gilior langte über den Tisch, griff sich zwei große Brotbrocken aus dem Korb und steckte sie in seine Hosentasche. »Wegzehrung, die werden wir brauchen!« Er wandte sich an Shanril. »Es wird sicher wieder spät werden.«

»Bin ich schon gewohnt.« Shanril lächelte.

»Das Glück wird an eurer Seite sein, vertraut darauf!«

»Ja, das wird es!«, antwortete Gilior mit fester Stimme.

Kurz darauf trat er mit Alaris erneut in den Spiegelgang hinein.

Je länger Gilior mit Alaris im Spiegelgang arbeitete, desto lauter klang das Geräusch ihres keuchenden Atems in seinen Ohren. Es regte ihn auf, vor allem deswegen, weil sie trotz aller Anstrengung bei ihrer Suche keinen Erfolg verzeichnen konnten. Wie oft hatten sie schon seit dem Mittagessen Türen geöffnet und wieder geschlossen? Vierzig, sechzig, hundert Mal? Oder noch mehr? Gilior hatte nicht gezählt. Auf jeden Fall waren es viele gewesen. Die Arme taten ihm weh! Er war mit seiner Kraft fast am Ende. Alaris stützte sich mittlerweile jedes Mal, wenn sie wieder eine dieser unwilligen Ausgänge geschlossen hatten, an der Wand ab, um nicht völlig zusammenzubrechen. Trotzdem gab keiner von ihnen auf. Sie zogen und zerrten weiter an diesen widerspenstigen Portalen, um draußen in der Welt der Menschen endlich eine Spur dieses besonderen Lichts zu finden, das auf die Anwesenheit der zukünftigen Elfenkönigin hindeutete. Aber jedes Mal wurden sie von neuem enttäuscht, auch jetzt wieder. Diesmal hatten sie nur einen mageren Fuchs gesehen, der in verschneiter Landschaft nach Beute suchte. Es war zum Verzweifeln!

»Hast du bemerkt, wie dunkel es da draußen war? Es ist bestimmt schon Abend. Herrje, und ich kann nicht mehr!« Alaris rutschte erschöpft an der Wand entlang zu Boden.

Gilior setzte sich neben ihn und richtete seinen Blick auf die brennenden Fackeln, die den geheimen Spiegelgang nur schwach erhellten.

»Irgendwo da draußen muss sie sein. Warum finden wir sie nicht?«

»Wir werden sie finden! Morgen ... Übermorgen.« Alaris’ Stimme klang matt, aber bestimmt.

Und wenn nicht? Was, wenn wir die Spur der Elfenkönigin bereits endgültig verloren haben?, dachte Gilior. Er seufzte und sah Alaris an.

»Wenn nur Tidor nicht in der Geisterlinde stecken würde. Dann wären die Türen wenigstens nicht so schwergängig. Sicher hast du auch bemerkt, dass es schlimmer wird.«

»Ja.« Alaris nickte. »Aber Tidor wird bis zum 6. Januar durchhalten, das wissen wir aus dem Buch des Einsiedlers. Mach dir also keine Sorgen um ihn, bis dahin haben wir die Königin gefunden! Für ihn wird es danach ebenso leichter wie für uns.« Er bewegte Hals und Schultern, stand auf und schüttelte dann die Arme, um die Muskeln ein wenig zu lockern. »Was meinst du, machen wir Schluss für heute?«

Gilior wusste, dass Alaris mit seiner Durchhalteparole nur die Zweifel fortwischen wollte, die auch ihm zu schaffen machten. Die Zuversicht war ihr Banner! Sie mussten es hochhalten, immer und stets von Neuem, aber vor allem füreinander.

Gilior stand nun auch vom Boden auf. »Noch drei Mal? Vorausgesetzt, du schaffst das noch.«

Alaris faltete die Hände und streckte die Arme durch. »Was soll’s. Für unsere Königin und dich geb ich gern meine letzten Kräfte!«

Gilior grinste und klopfte Alaris auf die Schulter. »So ist’s recht.«

Sie gingen zur ersten der drei Türen und mit vielen Haurucks, mit Ziehen und Stemmen brachten sie diese gerade so weit auf, dass sie durchschlüpfen konnten. Unmittelbar danach standen sie auf dem belebten Gehweg einer Stadt. An den Hausfassaden blinkten grelle Lichter. Gilior und Alaris stellten sich vor eine Hauswand und sahen sich um. Aber es deutete nichts auf das hin, was sie suchten. Sie empfanden nur die hektische Betriebsamkeit der vielen Menschen, die dicht an ihnen vorbei gingen. Zum Glück war keiner darunter, der sie sehen konnte.

Alaris schüttelte den Kopf. »Nein, hier ist sie nicht. Ich sehe weder Teras Lichtschein noch empfinde ich hier etwas von ihrem Frieden. Im Gegenteil ... Gehen wir zurück!«