Elly - Unverbindlich - Alva Furisto - E-Book

Elly - Unverbindlich E-Book

Alva Furisto

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Beschreibung

Um ihrer Vergangenheit zu entkommen, tritt Elly nach dem Studium eine Anstellung als Dozentin in Lock Haven an. Dort begegnet sie in einer Tabledance-Bar Meyer, einem ihrer Studenten. Bereits während des Unterrichts übte er eine magische Anziehungskraft auf Elly aus. Da sie sich einsam fühlt, lässt sie sich auf eine unverbindliche Liaison mit ihm ein. Gerade als Elly sich in der neuen Umgebung einzuleben beginnt, geschieht ein bestialischer Mord. Der Täter hinterlässt mit dem Blut des Opfers einen Namen: ELLY! Hat Roger, Ellys ehemaliger Verfolger, sie womöglich aufgespürt? Elly bleibt nur die Flucht nach vorn, um sich selbst und ihre neuen Freunde zu schützen. Sie muss ihre wahre Geschichte offenbaren, selbst wenn dies bedeutet, Meyer in ihre Vergangenheit einzuweihen.

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Kurzbeschreibung:

Um ihrer Vergangenheit zu entkommen, tritt Elly nach dem Studium eine Anstellung als Dozentin in Lock Haven an. Dort begegnet sie in einer Tabledance-Bar Meyer, einem ihrer Studenten. Bereits während des Unterrichts übte er eine magische Anziehungskraft auf Elly aus. Da sie sich einsam fühlt, lässt sie sich auf eine unverbindliche Liaison mit ihm ein. Gerade als Elly sich in der neuen Umgebung einzuleben beginnt, geschieht ein bestialischer Mord. Der Täter hinterlässt mit dem Blut des Opfers einen Namen: ELLY!

Hat Roger, Ellys ehemaliger Verfolger, sie womöglich aufgespürt? Elly bleibt nur die Flucht nach vorn, um sich selbst und ihre neuen Freunde zu schützen. Sie muss ihre wahre Geschichte offenbaren, selbst wenn dies bedeutet, Meyer in ihre Vergangenheit einzuweihen. 

Alva Furisto

Elly - Unverbindlich

Erotik-Thriller

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2018 by Alva Furisto

Lektorat: Annekatrin Heuer

Korrektorat: Martha Wilhelm

Covergestaltung: Marie Wölk, Wolkenart

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-140-9

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Inhalt

Buch 1: Elly – unverbindlich

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

1

Im Hörsaal des Universitätsgebäudes in Lock Haven, Pennsylvania, herrschte Totenstille. Elly sah verstohlen in die Runde der Studenten. Sie hatte diese Stelle nicht annehmen wollen, aber sie hatte das Geld so nötig gebraucht, um ihren Lebensunterhalt davon zu bestreiten, dass ihr nichts anderes übrig geblieben war. Von jungen Männern umgeben zu sein, die sich fast alle nach dem Theologiestudium zum Priester weihen lassen wollten, war ihr unheimlich. Noch gruseliger fand sie es, als einzige Frau in dieser von Männern beherrschten Einrichtung zu unterrichten. Da sie selbst erst gerade mit siebenundzwanzig ihr Studium der Literaturwissenschaften an der New York University beendet hatte, fühlte sie sich noch unsicher und angreifbar in ihrer Rolle als Dozentin. Wie gebannt hingen die Blicke der Zuhörer an ihren Lippen. Die ungeteilte Aufmerksamkeit, die die Studenten ihr schenkten, machte Elly nervös. Einige der jungen Männer warfen ihr eindeutig lüsterne Blicke zu. Elly richtete sich hinter dem Rednerpult gerade auf. Hinter dem altertümlichen Möbel kam sie sich noch kleiner vor, als sie es ohnehin war.

Um kurz Luft holen zu können, hatte sie ihren Studenten eine schriftliche Aufgabe gestellt. Ihr Blick glitt über die Reihen. Die Studenten saßen konzentriert an der Arbeit.

Elly wandte sich dem jungen Mann zu, der ihr am ersten Tag bereits aufgefallen war. Seine introvertierte Art – die sich unter anderem darin zeigte, dass er sie niemals direkt ansah – hob ihn deutlich von den anderen ab. Ebenso unterschied ihn seine Kleidung von seinen Kommilitonen. Er trug als Einziger ein dunkles Gewand über seiner Kleidung. Mit diesem Kleidungsstück gab er sich bereits jetzt als künftiger Priester zu erkennen. Elly hatte bereits bemerkt, dass ihm dies nicht nur den Spott seiner Kommilitonen, sondern auch Widerworte aus den Reihen der Geistlichen einbrachte, denn eine Soutane durfte er erst nach seiner Priesterweihe tragen. Neugierig betrachtete Elly sein glänzendes schwarzes Haar. In diesem Moment fuhr er sich mit seinen feingliedrigen Fingern durch die Strähnen und biss auf das Ende seines Bleistiftes. Die Bewegung in seinen Gesichtsmuskeln betonte seine markanten Wangenknochen. Die Geste wirkte anmutig.

Und verstörend. Elly zupfte am Kragen ihrer weißen Bluse und empfand die Hitze im Hörsaal plötzlich als unerträglich. Sie ließ den Blick zur Wanduhr schweifen, konnte aber nicht umhin, den jungen Studenten wieder zu betrachten. Seine blassen, schmalen Lippen lagen immer noch um das Ende des Bleistifts. Er spitzte den Mund, und sie erahnte, dass seine Zunge jetzt sanft über den Radiergummi strich. Wie würden sich seine Lippen wohl auf ihrer Haut anfühlen? Sie träumte davon, seinen Mund nah an ihrem Ohr zu spüren. Zu hören, wie er atemlos ihren Namen hauchte, weil er sie so sehr begehrte. Eine Woge sündiger Gedanken an nackte Körper, die sich eng umschlangen und einander begehrten, zerrte an Ellys Konzentration. Wie würde er mit seinen Lippen ihren Mund liebkosen, wenn er schon diesen Bleistift mit solcher Hingabe berührte? Plötzlich stellte sie fest, wie durstig sie war, und befeuchtete ihre Lippen.

Mit dem Ende des Bleistifts im Mund hob er den Kopf und schaute sie aus kühlen grauen Augen an. Zum ersten Mal begegnete sie seinem Blick. Er war tief und voller Geheimnisse.

Elly strich sich eine dunkle Locke aus dem Gesicht und versuchte, ihm ein souveränes Lächeln zu schenken – wie es sich für eine Dozentin gehörte. Da sie sich von ihm bei ihren heimlichen Fantasien ertappt fühlte, spürte sie ein wenig Röte in ihr Gesicht steigen. Kaum merklich zuckten die Mundwinkel des Studenten, bevor er sich wieder seinem Blatt widmete.

Elly knöpfte den obersten Knopf ihrer Bluse auf. Die Hitze war einfach unerträglich. Der Sport-BH, mit dem sie versuchte, ihre wohlgeformten Brüste vor den Studenten zu verbergen, klebte feucht an ihrem Oberteil. Bei jedem Atemzug lastete Spannung auf den Knöpfen. Aber sie wusste, warum ihr so heiß war. Es waren die Blicke ihres schweigsamen Studenten. In den letzten Monaten hatte sie kein einziger Mann mehr mit seiner Anwesenheit in einen solchen Zustand gebracht. Doch nun sehnte sie sich nach den Berührungen dieses Studenten.

Als endlich die Glocke ertönte und ihre Vorlesung beendete, war es für Elly wie eine Erlösung. Sie sah geschäftig auf das Pult, ordnete ihre Unterlagen und wartete, bis alle Studenten den Saal verlassen hatten. Erst dann stand sie auf und griff ihre Tasche. Vorsichtig hob sie den Kopf und schaute zur Tür. Er … stand darin und bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln, bevor er mit einem Nicken verschwand.

2

Laute Musik tönte durch die Bar in Williamsport, in der Elly sich verkrochen hatte. Sie war zum vierten Mal hier, seit sie die Stelle an der Universität am altehrwürdigen Clearfield Campus in Lock Haven angetreten hatte. Meist blieb sie in ihrem kleinen Bungalow, der im angrenzenden Dunnstown lag. Das ruhige Viertel mit den frei stehenden Häuschen wurde überwiegend von Ingenieuren auf Montage bewohnt. Die meisten von ihnen hegten wenig Interesse an Kontakt zur Nachbarschaft.

Warum zur Hölle war sie schon wieder hier?, fragte sich Elly. An Orten wie dieser Bar drohte sie nur in alte Verhaltensmuster zurückzufallen – und genau das wollte sie doch um jeden Preis vermeiden. Sie hatte sich vorgenommen, endlich ein beschauliches und anständiges Leben zu führen. Da war ihr die Lehrtätigkeit gerade recht gekommen, auch wenn ihre Schüler und Kollegen ausschließlich Männer waren. Für die Dozentenstelle war sie eigens aus ihrer Heimat Livingston nach Lock Haven gezogen. Hier in diesem abgelegenen Städtchen war die Gefahr geringer, dass jemand erfuhr, wie sie sich ihr Studium finanziert hatte. Beinahe wäre ihr Plan, ihr Elternhaus zu verlassen und sich ihren Traum mit selbst verdientem Geld zu erfüllen, in einer Katastrophe geendet. Aber nun saß sie dreißig Meilen weit weg vom Clearfield Campus in dieser verrauchten Bar in Williamsport am Tresen, nippte an ihrem Deep Sea River und schaute amüsiert den Stangentänzerinnen zu. Sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, was dieser Ort ihr versprach. Es war etwas, was sie weder an der Uni noch in ihrem Zuhause fand: unverbindliche Unterhaltung. Wenn sie den Tänzerinnen zusah, verblassten ihre Gedanken an das erstickende Gefühl, nun ein Leben unter all den rechtschaffenen Menschen dort draußen führen zu müssen. Den männlichen Tänzer, den sie das letzte Mal beobachtet hatte, suchte sie an diesem Abend jedoch vergeblich. Vielleicht war das besser so, denn Elly träumte schon davon, sich auf der Tanzfläche an seinen vollkommenen Körper zu schmiegen und sich geschmeidig mit ihm zur Musik zu bewegen. Viel zu lange war es her, dass sie getanzt hatte! Einen Cocktail in der Bar zu trinken war jedoch eine ganz andere Sache, als sich zur Musik auf der Tanzfläche zu bewegen. Würde sie das tun, gäbe es kein Zurück mehr. Sie würde sich fühlen, als sei sie wieder …

»Allein hier?«

Die dunkle, warme Stimme ließ Elly zusammenfahren und riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte den Kopf und erstarrte, als ihr klar wurde, wessen Stimme ihr gerade einen Schauer über den Rücken gejagt hatte. Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, kniff sie die Augen zusammen und musterte ihn. In seinem kühlen grauen Blick lag ein befremdlicher, geradezu verwegener Glanz, und seine Lippen umspielte ein leises Lächeln, das fast noch verwegener wirkte. Völlig überrumpelt brachte Elly ein gestottertes »Hallo« hervor und drehte sich auf ihrem Hocker wieder zum Tresen herum. Den jungen Studenten hätte sie hier am wenigsten erwartet.

Er stellte sich neben sie und betrachtete sie von oben bis unten. »Ich hätte nicht erwartet, eine Frau wie Sie an einem solchen Ort zu treffen.«

Sein Blick tastete unverhohlen jeden Winkel ihres Körpers ab. Elly spürte, wie ihr heiß wurde. »Wie …?«, begann sie.

»Verstehen Sie mich nicht falsch. Mir gefällt Ihr Auftreten. Sie haben Klasse, aber Sie lassen erkennen, dass Sie nicht hierhergehören.«

Langsam sammelte Elly ihre Gedanken und sah ihn flüchtig von der Seite an. Er lächelte charmant.

»Das Kompliment gebe ich gern zurück.« Ihr Mund war so trocken, dass sie sich räuspern musste. Schnell trank sie einen Schluck von ihrem Cocktail. Derweil kramte er in der Brusttasche seines Hemdes und zog eine Zigarette hervor. Elly starrte einen Augenblick in den Cocktail und beobachtete den Studenten aus den Augenwinkeln.

Er zündete die Zigarette an, zog genüsslich daran und hielt sie ihr hin. »Bitte.«

Erstaunt griff Elly danach. Als sie den Filter zwischen ihre Lippen steckte, fühlte sie die Feuchtigkeit seines Speichels daran. Unweigerlich musste sie an den Radiergummi denken, den er sich während der Vorlesung in den Mund gesteckt hatte. Sie nahm einen tiefen Zug und verschluckte sich am Rauch. Hustend reichte sie ihm die Zigarette zurück.

Erneut zog sein Blick sie förmlich aus. Elly hatte ihr Äußeres im Spiegel geprüft, bevor sie ihre Wohnung verlassen hatte, und war sich ihrer Erscheinung bewusst. Ihre sonnengebräunte Haut schimmerte sanft im dämmerigen Licht, und ihre Locken fielen lang über ihre Schultern herab. Sie war froh, sich für eine Röhrenjeans und ein schwarzes Top entschieden zu haben und nicht für das verführerische Kleid, das sie zuerst gegriffen hatte. Das hätte ihm deutlich mehr von ihrem Körper gezeigt. Wieder sog er den Rauch der Zigarette ein. Verstohlen tastete sie ihn mit Blicken ab. Er trug eine enge Jeans und ein figurbetontes schwarzes Hemd, das seinen muskulösen Oberkörper voll zur Geltung brachte. Kurzum: Er gefiel ihr ohne sein Gewand noch besser.

»Ein bisschen frech sind Sie schon«, flüsterte er so nah an ihrem Ohr, dass sie seinen warmen Atem auf ihrer Wange spürte. Als wäre das nicht genug, glitt er mit dem Zeigefinger ihren Rücken hinunter.

»Was meinen Sie?« In ihren Worten schwang mehr Sehnsucht nach seiner Berührung mit, als sie es wollte. Sein Finger erreichte das Ende ihres Shirts, das über den Hosenbund nach oben gerutscht war und ein Stück nackter Haut freigab. Der Student fuhr sachte darüber, bis er das dünne Band ihres Strings erreichte. Ohne zu zögern, schob er den Finger unter den Stoffstreifen und beugte sich noch dichter zu ihr herüber. »Sie lassen mich mehr sehen, als ich mir erhofft habe.«

Elly spürte, dass ihre Wangen heiß wurden, und hoffte, sie würde nicht sichtbar erröten. Sie hatte immer geglaubt, mit allen Wassern gewaschen zu sein, doch der Student brachte sie in eine Situation, der sie sich nicht gewachsen fühlte. Seine Lippen waren so nah an ihrem Ohr, dass sein Mund sie beinahe berührt hätte. Sie hasste es, aber ihre Gänsehaut war deutlich auf ihrem Oberarm zu sehen. Als sie den Kopf zu ihm drehte, starrte sie ihn einen Augenblick argwöhnisch an.

»Ich bin in Zivil, verraten Sie mich nicht!«, meinte er lächelnd.

»Niemals.« Sie zwinkerte ihm zu, doch warum zum Teufel tat sie das? Diese Geste würde ihn nur ermutigen und war das wirklich klug?

Als wären sie schon ewig miteinander vertraut, ließ er die Hand auf ihrem Rücken liegen und stellte sich neben sie an den Tresen, um der Bedienung einen Wink zu geben. »Gin Tonic. Für Sie auch?«

Elly schüttelte den Kopf und umklammerte ihr noch fast volles Glas. Nachdem er seinen Drink bekommen hatte, lehnte der Student sich rücklings an den Tresen und betrachtete sie neugierig. »Trinken Sie nicht mit mir?«

Elly biss sich auf die Unterlippe. Er war ihr Schüler – und noch dazu hatte er sich das Priesterseminar zum Ziel gesetzt. So sehr er sie körperlich reizte, sie konnte es sich nicht erlauben, sich näher auf ihn einzulassen. Der Ärger wäre programmiert, und sie war schließlich aus Livingston geflüchtet, um jedem Ärger zu entgehen. Elly neigte den Kopf und schaute ihn an. »Glauben Sie mir, es ist besser für uns beide, wenn ich das nicht tue. Ärger ist mein zweiter Vorname.«

»Ihr erster hätte mir genügt. Schade.« Bei seinem wunderschönen Lächeln fühlte sie sich wie warmes Wachs. Er ließ seinen Blick durch die Bar schweifen und sah danach direkt in ihre Augen. Mit einem Schulterzucken trat er hinter sie und sprach erneut dicht an ihrem Ohr. »Ich schwöre, eines Tages werden Sie in diese Bar kommen und nach mir Ausschau halten.«

Seine Finger strichen wie flüchtig über ihre Wange, dann machte er sich zu einer der Tabledancerinnen auf und nahm an deren Tisch Platz.

Elly fühlte sich schlagartig einsam. Sie trank einen großen Schluck von ihrem Cocktail, bevor sie es wagte, einen unauffälligen Blick in seine Richtung zu werfen. Mit einem breiten Grinsen betrachtete der Student die junge Schönheit, die sich direkt vor seiner Nase entkleidet hatte und in einem Hauch von Nichts an der Stange rekelte. Elly war verstimmt. Eben noch hatte sie den Anblick der Tänzerinnen genossen. Jetzt störte sie sich daran. Wie konnte er der Tänzerin so hingerissen zusehen? Sie machte ihren Job nicht einmal gut.

Und Elly musste es wissen. Bis vor Kurzem noch hatte sie selbst an der Stange getanzt. Sie dachte daran, wie sie ihren Körper zur Musik bewegt hatte. Ihre schmale Taille, ihre betonten Hüften und ihre wohlgeformten Brüste hatten alle Blicke auf sich gezogen. Sie hatte es geliebt, den wenigen Stoff auf ihrer braunen Haut zu spüren, und hatte ihre weiblichen Reize selbstbewusst zur Schau gestellt.

Zwei Deep Sea River später saß der Student noch immer da. Die nächste mittelmäßige Tänzerin wand sich vor ihm, und er konnte sich nicht sattsehen an ihr. Ein paar Mal hatte er Elly noch charmant zugelächelt, doch sie war nicht darauf eingegangen. Der junge Mann zog sie an wie ein Magnet. Dennoch, sie war seine Dozentin, und das genügte, um sie beide in Schwierigkeiten zu bringen, wenn sie sich auf ihn einließ.

3

Der Wecker riss Elly um sechs Uhr aus einem Traum voller Gewalt und Angst. Schweißgebadet taumelte sie unter die Dusche und war dankbar, dass die Nacht ein Ende gefunden hatte. Erst unter dem warmen Wasserstrahl merkte sie, dass ihr Kopf dröhnte. Ihr pochender Schädel war allerdings nicht das Ergebnis der Albträume, sondern ihres nächtlichen Streifzugs samt mehrerer Cocktails. Schwach erinnerte sie sich, dass sie erst gegen drei Uhr in ihr Bett gefallen war. Sie hatte das Lächeln ihres Studenten einfach nicht aus dem Kopf bekommen.

Die Albträume hatten ihre Ursache in der Vergangenheit. Seit zwei Jahren wurde sie Nacht für Nacht von jenem grässlichen Erlebnis heimgesucht, das als Krönung ihres sozialen Abstiegs alles in ihrem Leben verändert hatte.

Die Erinnerung an den Namen ihres Peinigers auf der Polizeiakte flammte in ihr auf: Roger Sykes. Schmerz durchflutete ihren Körper, und sie bekam eine solche Angst, als sei sie wieder in seiner Gewalt und müsse seine Demütigungen ertragen. Auf einmal lagen die Fesseln, die sie daran hinderten, sich zur Wehr zu setzen, um ihre Hände, während er sich immer und immer wieder an ihr verging.

Unbändiger Zorn stieg in ihr auf, als sie sich aus den Federn schälte. Doch plötzlich lösten sich die Fesseln um ihre Handgelenke. Sie war frei! Aber dann spürte Elly den Griff eines Messers in ihrer Hand. Die Klinge glänzte silbern im künstlichen Licht des Badezimmers. Wie war sie hierhergekommen? Der Fußboden war voller Blut. Was hatte sie nur getan?

»Nein!«, entwich ihr ein Schrei. Roger hatte das getan! Nicht sie! Elly schlug mit der flachen Hand auf die Fliesen. Schließlich gelang es ihr, die grausamen Bilder zurückzudrängen.

Trotz aller Versuche ihrer Therapeutin May und einiger anderer Psychologen, bei denen sie nach dem Vorfall in Behandlung gewesen war: Ihre Erinnerungen an jenen Tag, an dem Roger Sykes sie vergewaltigt hatte, waren bruchstückhaft und verworren geblieben. Wie ein Dolch durchstieß der Schmerz ihr Herz, wenn Elly versuchte, sich an ein Detail von damals zu entsinnen.

Es war einfach zu viel. Sie ertrug die Erinnerungen nicht. Deshalb hatte Elly sich geschworen, sie gemeinsam mit Roger für immer aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und schob die Bilder mitsamt ihrem Schmerz zurück in den Käfig des Vergessens.

Seit jenem Tag war sie festen Beziehungen, aber auch unverbindlichen Begegnungen mit Männern nicht nur aus dem Weg gegangen, sondern hatte für die meisten Männer nur noch Verachtung empfunden. Sie wunderte sich selbst über ihre Reaktion auf den Studenten, der sie in der Bar so eindeutig angemacht hatte. Noch vor wenigen Wochen hätte eine solche Situation Ekel in ihr ausgelöst.

Bei ihm war es anders. Wieder hatte Elly das Bild vor Augen, wie er sich den Radiergummi seines Bleistifts in den Mund steckte. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre feuchten Lippen. Jetzt erinnerte sie sich auch an seinen herben Duft in der Bar: ein eigenwilliges Rasierwasser, das sein markantes Aussehen unterstrich. Und wie er sie angeblickt hatte, aus diesen unergründlichen grauen Augen. Elly ließ ihre Finger zwischen ihre Schenkel gleiten und wünschte sich nichts mehr, als dass es seine Hand wäre, die sie jetzt liebkoste.

Über Monate hinweg hatte sie dieses Gefühl vermisst und an keinen Mann denken können, ohne dass ihr die Erinnerungen an ihren Peiniger einen Strich durch die Rechnung machten.

Keuchend genoss sie die lustvollen Zuckungen ihres Körpers unter dem heißen Wasserstrahl. Immer noch stand ihr der junge Student vor Augen. Sein Anblick hatte ihr diese Erlösung gebracht. Nach langer Zeit war ihre Lust auf Sex wieder erwacht. Früher war ihr Verlangen danach fast unstillbar gewesen. Zum Teufel noch mal, sie musste sofort aufhören, an diesen Studenten zu denken. Es musste doch möglich sein, einen anderen Mann kennenzulernen, der diese Gefühle in ihr hervorrief. Elly glaubte fest daran, dass der Grund für ihre Einsamkeit und ihre emotionale Taubheit in ihrer gestörten Beziehung zu Männern lag. Wahrscheinlich hatte das alles schon mit ihrem Dad begonnen.

Aber wenn sie jemanden fände, für den sie ihre Scheu nach all den Jahren überwinden könnte – in den sie sich verlieben konnte, würde sich vielleicht alles zum Guten wenden.

Doch sie konnte nicht weiter in Fantasien über diesen jungen Studenten schwelgen, denn sie ahnte, dass der junge Mann nicht sicher war, was er wollte. Wieso sonst lief er am Tag in seinem Umhang herum und strebte das Priesterseminar an, während er sich am Abend in einer entfernten Bar als Macho gab?

In hochgeschlossener weißer Bluse und einem für das Wetter viel zu warmen schwarzen Kostüm hetzte Elly über den langen Flur vorüber an den roten Ziegelsteinwänden des Clearfield Campus. Die Studenten waren bereits ausnahmslos in den Hörsälen verschwunden. Sie streckte die Hand nach dem Türknopf aus und erstarrte in ihrer Bewegung, als sie hinter sich eine Stimme hörte: »Miss Garden?«

Nervös fuhr sie herum und entdeckte das rundliche Gesicht von Pater Miles. Der ältere Herr mit schwarzer Soutane und kurzem grauen Haar stand vor ihr. Elly kannte ihn seit vielen Jahren, denn der Pater war ein Bekannter ihrer Eltern gewesen. Er lehrte schon lange an dieser Universität, war Professor für Kirchenrecht und kümmerte sich auch um die Personalangelegenheiten des kirchlichen Teils dieser Einrichtung. Eine Machtposition, die es ihm ermöglicht hatte, Elly zu helfen, als sie ihn vor ein paar Monaten wegen einer Anstellung anschrieb. Trotz ihres eher nüchternen Verhältnisses wollte Elly ihn auf keinen Fall enttäuschen.

Sie bemühte sich, ihre Müdigkeit gemeinsam mit ihrer Nervosität unter Kontrolle zu bringen, bevor sie ihn ansah.

»Guten Morgen, Pater.« Trotz seines freundlichen Lächelns bemerkte sie seinen argwöhnischen Blick.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen müde aus«, sagte er.

Elly schüttelte erschrocken den Kopf. Anscheinend merkte er ihr die Ausschweifungen der letzten Nacht an. »Ich fühle mich wunderbar, Pater. Danke. Ich habe lediglich schlecht geschlafen. Die Hitze setzt mir zu.«