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Die Beziehung mit d. Partner*in könnte so schön sein, so harmonisch, so friedlich – wären da nicht die Eltern und Schwiegereltern, die das zweisame Glück empfindlich stören können. Hier erzählen betroffene Paare von ihren Partnerschafts-Konflikten, die durch das Verhalten von Eltern, bzw. Schwiegereltern herbeigeführt wurden. "Eltern müssen draußen bleiben" stellt Beratungsgespräche mit Paaren nach und gibt Anregungen, wie die eigene Beziehung stabil und harmonisch bleiben kann – trotz Eltern und Schwiegereltern.
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Seitenzahl: 203
Veröffentlichungsjahr: 2024
Birgit Henriette Lutherer
Eltern müssen draußen bleiben
Gespräche aus dem Leben
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Buch
Vorwort
Anna und Maik
Melanie und Sven
Ute und Harald
Marcel und Lukas
Sandra und Oliver
Karin und Ferhat
Anja und Thomas
Laura und Leon
Nachwort
Impressum neobooks
Birgit Henriette Lutherer
Eltern müssen draußen bleiben
-
Wenn Eltern die Beziehung stören
Beziehung könnte so schön sein, so harmonisch, so friedlich – wären da nicht die Eltern und Schwiegereltern, die alles vermiesen können.
Vermutlich tun sie das oft nicht einmal mit böser Absicht, aber sie tun es. Eltern spucken sehr häufig kräftig in die Beziehungs-Suppe. Vieles mag gut gemeint sein, quasi, um der Beziehung der Kinder eine gute „Würze“ zu verleihen. Schließlich sind es ja langjährige Erfahrungen in der eigenen Partnerschaft, auf die die ältere Generation zurückblicken kann.
Nur leider passen diese Erfahrungen selten in die Vorstellung der jüngeren Generation von einer eigenen Beziehung. Und außerdem: Will man das?! Möchte nicht jeder seine eigenen Fehler machen können, um daraus zu lernen? Seine eigenen Erfahrungen sammeln, damit man daran gemeinsam mit d. Partner*in wächst? Sich selbst ausprobieren dürfen?
Gut, das mag sich für den ein oder anderen jetzt überzogen dramatisch anhören. Doch stimmt es nicht? Können Eltern wie Schwiegereltern, genau in dieser Hinsicht, nicht gehörig nerven? Es gibt natürlich auch die Sorte „nette Eltern“ und „nette Schwiegereltern“. Sie halten sich weitgehend aus der Beziehung der Kinder heraus, stehen nicht ständig, meist zum unpassendsten Zeitpunkt, vor der Haustüre oder rufen täglich an. Sie sind da, wenn sie erwünscht sind oder gebraucht werden. Von dieser Sorte soll hier nicht die Rede sein.
Dieses Buch beschäftigt sich mit der nervenden Seite der Eltern. Eltern, die das Beziehungsleben gehörig vermiesen können, indem sie Partnerschaftskonflikte geradezu herbeiführen.
Vermutlich kennen viele Menschen genau diese Art von Störungen. Sie lösen Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Interessenkonflikte aus. Wie soll man dem beikommen? Den Eltern oder Schwiegereltern vor den Kopf stoßen? Sich zerreißen lassen zwischen Partner*in und Eltern? Einen Spagat versuchen, damit eine Sollbruchstelle eventuell vermieden wird?
Das alles taugt wenig, um den Frieden zu bewahren.
In diesem Buch erzählen Betroffene, wie es ihnen ergangen ist und wie sie versucht haben mit ihrer Situation zurecht zu kommen. Einigen von ihnen ist dieses Kunststück gelungen, andere wiederum fanden sich in permanenten Konflikten wieder.
Jede Beziehungsgeschichte ist im Rahmen größtenteils erfunden aber dennoch authentisch und wirklich so oder ähnlich geschehen. Alle Namen sind geändert. Sollte es dennoch Parallelen zu Bekanntem geben, sind diese rein zufällig.
Ähnliche oder fast identische Geschichten tragen sich in
vielen Familien zu. Die Wahrscheinlichkeit von Parallelen zur eigenen Situation ergibt sich alleine schon aus der Häufigkeit der Vorkommnissen in Familien und Paarbeziehungen.
Nach jeder Geschichte folgt eine kurze Abhandlung der Situation mit Anregungen für die eigene Beziehung.
Wir waren alle einmal Kinder – in der Regel in Obhut unserer Eltern. Wir sind dort aufgewachsen und wenn unsere Eltern ihren Job gut gemacht haben, wurden wir von ihnen ins Leben begleitet, versorgt, behütet, gefördert und geliebt. Genau das war ihr Auftrag und ihre Pflicht als Eltern.
Auch im Erwachsenenalter bleiben wir das Kind unserer Eltern – jedoch sind wir dann keine Kinder mehr. Spätestens mit Auszug aus dem Kinderzimmer ist der Zeitpunkt für Eltern gekommen, sein Kind ins eigene Leben zu entlassen. Mit anderen Worten: Der Einfluss der Eltern endet genau hier. Ab hier gilt:
Eltern müssen draußen bleiben!
Eltern können sich in vielerlei Hinsicht störend auf eine Beziehung auswirken.
Manchmal stehen sehr eigennützige, egoistische Interessen dahinter. Diese können mehr als übergriffige Ausmaße annehmen und sensible, paarinterne Punkte betreffen, wie zum Beispiel die Familienplanung.
Anna (31) und Maik (32) sind seit drei Jahren verheiratet. Beide haben gute, einträgliche Jobs. Anna hat vor zwei Jahren einen Sprung auf der Karriereleiter zur leitenden Führungskraft gemacht. Das Paar kann von den monatlichen Gehältern in einem gewissen Luxus leben. Beide unternehmen gerne Fernreisen, wann immer es die Zeit erlaubt. Geld spielt dabei keine Rolle, und es soll ja ein sensationeller Urlaub werden.
Bei Anna tickt die biologische Uhr. Die Frage nach einem Kind drängt sich immer häufiger auf. Auch Maik wäre einem Kind gegenüber nicht abgeneigt. Doch der Kinderwunsch ist bei beiden ambivalent. Zugunsten eines Kindes müssten beide ihren hohen Lebensstandard erst einmal aufgeben. Diese schwelende, ungeklärte Entscheidung belastet zeitweilig die Beziehung. Tendenziell möchte Anna eher kein Kind.
Maiks Mutter Petra wünscht sich ein Enkelkind von Maik. Er ist der einzige Sohn. Ihre drei Töchter, Jenny, Mandy und Nancy haben zwar jeweils Kinder, doch ein Enkelkind von ihrem einzigen Sohn wäre die absolute Krönung für sie.
Maiks Vater Klaus ist vor fünfzehn Jahren mit einer anderen Frau durchgebrannt – wie es heißt, nach Peru. Seitdem hat er sich nie mehr gemeldet. Petra lebt seither alleine, ist auf Sozialhilfe angewiesen und seit dem Weggang ihres Mannes hat sich eine Tablettenabhängigkeit entwickelt.
Petra fordert von ihrem nun erwachsenen Sohn Unterstützung ein. Sie bedrängt Anna und Maik vehement ihr zu helfen und – das sagt sie unverblümt – ihr ein ´Enkelchen` zu schenken.
Das Paar fühlt sich zunehmend unter Druck gesetzt. Daraus ergeben sich immer häufiger Konflikte in der Beziehung. Sie entschließen sich, einen Termin zur Paarberatung zu vereinbaren und gehen gemeinsam dorthin.
Am Telefon hatten sie der Beraterin ihre Situation geschildert.
Maik: „Schön, dass Sie so schnell Zeit für uns haben.“
Beraterin: „Ich bin gerne für Sie da. Sie sagten am Telefon, dass Sie einen Konflikt haben?“
Maik: „Ja, haben wir. Es geht um Familienplanung – und um meine Mutter.“
Beraterin: „Nun, das sind erst einmal zwei grundsätzlich verschiedene Dinge.“
Anna: „Das mag sein, aber nicht bei uns.“
Beraterin: „Können Sie mir das bitte näher erklären? Warum ist das bei Ihnen anders?“
Anna: „Meine Schwiegermutter mischt sich da massiv bei uns ein.“
Maik: „Ja, leider ist das tatsächlich so. Meine Mutter ist schrecklich, was das anbelangt. Aber sonst ist sie eine ganz liebe. Meine Mutter meint es nur gut.“ Maik schaut mit einem verstohlenen Seitenblick zu Anna. Anna reagiert verärgert.
Anna: „Da haben wir´s wieder: Du und deine Mutter!“
Maik: „Ja, meiiine Mutter. Sie nervt manchmal. Aber sie ist auch eine arme Frau! Wieso verstehst du das nicht?! Seitdem Papa abgehauen ist, bin ich für sie verantwortlich. Ich bin der Sohn, der Älteste von uns Vieren! Ich muss mich kümmern!“
Beraterin: „Sie müssen sich kümmern? Sie haben Geschwister, Maik?“
Maik: „Drei jüngere Schwestern.“
Beraterin: „Kümmern Ihre Schwestern sich nicht um Ihre Mutter?“
Maik: „Die haben ihre eigenen Probleme.“
Beraterin: „Sie nicht?“
Maik: „Doch, schon. Aber das ist was anderes.“
Beraterin: „Was ist anders?“
Anna: „Nichts! Gar nichts ist anders bei denen.“
Maik: „Doch! Meine Schwestern haben Kinder.“
Beraterin: „Ist das ein Grund, sich nicht um die Mutter kümmern zu müssen?“
Maik: „Nicht allein. Sehen Sie, meine Schwester Jenny ist, wie sagt man heute korrekt? Ach ja, sie ist minderintelligent. Außerdem konsumierte sie, bis zu ihrem Entzug vor einiger Zeit, Drogen. Momentan lebt sie in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Dort konnte sie mit meiner Nichte unterkommen. Die Kleine ist jetzt vier Jahre alt.“
Anna: „Okay, Jenny können wir als Unterstützung für meine Schwiegermutter ausklammern. Sie hat eine echte Behinderung. Aber die anderen …“
Maik: „Du sollst bitte nicht so über Jenny sprechen! Sie kann auch nichts dafür, dass sie so geboren wurde.“
Anna: „Ist ja gut! Aber einen echten Schaden hat sie schon! Lässt sich mehrfach von irgendwelchen Typen schwängern, pffft!“
Beraterin: „Dann ist es gut, dass Jenny nun förderlich untergebracht ist mit ihrem Kind. Die Betreuung wird ihr helfen, wieder eigenständig in ein geregeltes Leben zu finden.“
Maik: „Das hoffe ich. Dann muss ich mich nicht auch noch länger um sie kümmern.“
Beraterin: „Sie sorgen auch für Ihre älteste Schwester?“
Maik: „Natürlich! Das muss ich doch!“
Anna: „Musst du nicht! Jenny ist es selbst schuld, wenn sie nicht verhütet. So viel Verstand besitzt sie schon. Und immer düst du ins Krankenhaus, wenn sie mal wieder ein Kind abgetrieben hat. Und dann gibst du ihr noch monatlich Geld!“
Beraterin: „Sie unterstützen Ihre Schwester auch finanziell?“
Maik: „Ja klar! Ich verdiene ordentlich und sie hat kaum Geld. Das mach ich mit meiner Mutter auch so.“
Anna verdreht die Augen und seufzt.
Beraterin: „Anna, ich entnehme Ihrer Reaktion, dass Sie nicht ganz einverstanden sind?“
Anna: „Das ist richtig. Ich bin damit ganz und gar nicht einverstanden. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber beide bekommen Sozialhilfe. Das ist ja schon mal was. Wenn Maik ihnen den Unterhalt für den täglichen Bedarf aufstocken würde, da hätte ich nichts gegen einzuwenden – selbstverständlich. Aber wissen Sie, wofür er ihnen Geld gibt? Ich sag´s Ihnen, für Luxusdinge.“
Maik: „Jetzt hör aber auf! Du übertreibst!“
Beraterin: „Ich sehe, dass Sie beide in diesem Punkt einen beträchtlichen Konflikt zu haben scheinen.“
Maik: „Ja, das ist einer von weiteren. Ich kann einfach nicht verstehen, warum Anna sich so aufregt bei dem Thema.“
Anna: „Das kann ich dir sagen: Ich bin´s Leid, dass du dein Geld, - unser Geld verpulverst. Wir verdienen richtig gut, doch durch deine „Großzügigkeit“ kriegen wir es nicht hin, für unsere Altersvorsorge was beiseitezulegen oder was für ein eigenes Haus anzusparen. Und da willst du auch noch ein Kind?!“
Beraterin: „Stopp, mal bitte. Die Themen beginnen sich zu vermischen. Ist das zu Hause bei Ihnen oft so? Beginnen Sie darüber zu streiten?“
Anna: „Ja, sehr häufig.“
Beraterin: „Sie sollten darauf achten, die Themen zu trennen. Das würde schon mal einer Eskalation vorbeugen.“
Anna: „Vermutlich haben Sie recht.“
Beraterin: „Lassen Sie uns bitte zunächst den Punkt ´Versorgung` von Mutter und Schwester betrachten. Was genau stört Sie, Anna?“
Anna: „Mich stört, dass Maik seiner Mutter und seiner Schwester jeden Wunsch erfüllt. Und damit nicht genug. Wenn seine Mutter nur mit ihrem Finger schnippt, dann ist Maik gleich zur Stelle. Kürzlich rief sie an, weil die Farbe ihrer Heizkörper im Wohnzimmer nicht zur Tapete passen würde. Sie seien einfach weiß und zur Tapete würde besser ein Braunton passen. Was macht Maik? Er kauft einen Eimer Farbe und fährt an unserem freien Samstag, an dem wir was unternehmen wollten, hin und streicht diese besch… Heizkörper. Und so geht das ganz häufig.“
Maik: „Was ist schon dabei? Du kannst dich was anstellen!“
Beraterin: „Anna, fühlen Sie sich von Ihrem Mann vernachlässigt?“
Anna: „Nein, das nicht. Doch ich mag es gar nicht, wenn unsere Vorhaben von seiner Familie wegen Kinkerlitzchen durchkreuzt werden. Die drängen sich viel zu sehr zwischen uns.“
Beraterin: „Was stört Sie noch?“
Anna: „Die Sache mit dem Geld. Wie ich schon sagte, wenn es für den täglichen Bedarf wäre – bitteschön. Maiks` Familie soll es auch gut gehen. Aber bei den meisten Dingen könnte ich kotzen – entschuldigen Sie bitte.“
Beraterin: „Was sind das für Dinge?“
Anna: „Das neueste Smartphone, die aktuelle Playstation, die gerade mega angesagt ist, ein größerer Flachbildschirm und all so´n überflüssiger Kram.“
Beraterin: „Das sind in der Tat großzügige Unterstützungen.“
Maik: „Ja, schon. Aber was soll´s.“
Beraterin: „Maik, Sie haben sich nicht über meine etwas provokante Formulierung ´Unterstützung´ gewundert. Ist das für Sie Unterstützung?“
Maik: „Vielleicht nicht wirklich. Aber sie wünschen es sich.“
Anna: „Nein, sie fordern es!“
Beraterin: „Müssen alle Wünsche erfüllt werden? Sind Ihnen als Kind immer alle Wünsche erfüllt worden?“
Maik: „Nein, ganz bestimmt nicht. Das war eher selten der Fall.“
Beraterin: „Wie steht´s da mit der Erfüllung der Wünsche Ihrer Mutter und Schwester?“
Maik: „In gewisser Weise haben Sie nicht unrecht. Aber ich habe die Hoffnung, damit das Suchtpotential der beiden zu mindern. Vielleicht lenkt das ab?“
Beraterin: „Glauben Sie das wirklich? Könnte das möglich sein? Ich persönlich entdecke darin eher die Gefahr eines weiteren Suchtpotentials – Konsumsucht.“
Maik guckt erschreckt. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Das wäre ja schrecklich! Ich glaube, darüber sollte ich wirklich mal nachdenken.“
Anna: „Das sehe ich auch so. Das ist ein ganz neuer Impuls.“
Beraterin: „Maik, ich möchte gerne auf die Suchterkrankung Ihrer Mutter zu sprechen kommen. Inwiefern spielt diese in Ihre Partnerschaft rein?“
Maik: „Geht so.“
Anna: „Geht so?! Ich glaub es hackt! Deine Mutter ruft zu allen unmöglichen Zeiten bei uns an. Meistens ist sie zugedröhnt – voll mit Tabletten wie eine Haubitze. Petra nimmt Tabletten, wie andere Süßigkeiten. Abends Schlaftabletten, morgens Aufputschmittel wegen dem Hang-over Effekt dann später Tranquilizer und ich weiß nicht, ob da noch andere Drogen im Spiel sind. Kürzlich fand ich in einer Schublade in der Küche, in der ich was für sie herausholen sollte, ein Tütchen mit verdächtigen Tabletten, die hatten so komische Stempel eingedruckt. Das waren gelbe Tabletten mit eingestanztem Stern, andere mit Smiley, wieder andere grün mit Alienkopf und blaue und rosa Pillen mit Herz drauf. Ich denke das war Ecstasy. Na ja, das würde zu ihrem Verhalten passen – mal ist sie gereizt, mal furchtbar müde und dann ist sie oft furchtbar unkonzentriert. Manchmal kann man kaum vernünftig mit ihr reden.
Und wann ruft sie an? Genau dann, wenn wir gemütlich auf dem Sofa kuscheln oder Spaß miteinander haben! Da würde ich nicht sagen, dass das mit ´geht so` abgetan ist.“
Beraterin: „Ihre Schwiegermutter stört Ihre intime Zweisamkeit?“
Anna: „Ja, das kommt sogar sehr häufig vor. Gerade so, als hätte sie einen Riecher dafür. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Familienplanung – unsere Planung. Da hat sie nichts drin zu suchen!“
Beraterin: „Wie mischt sich Ihre Schwiegermutter ein?“
Anna: „Sie bedrängt uns. Ständig fragt sie mich, ob ich nicht endlich schwanger sei. Und Maik fragt sie auch danach. Ich fühle mich regelrecht unter Druck gesetzt von ihr.“
Beraterin: „Maik, wie empfinden Sie die Nachfragen Ihrer Mutter?“
Maik: „Schon auch nervig. Doch bei weitem nicht so schlimm wie Anna. Meine Mutter ist halt so. Sie wünscht sich ein Kind vom Stammhalter.“
Beraterin: „Vom Stammhalter? Gibt es da einen Unterschied zu Ihren Schwestern?“
Maik: „In unserer Familie schon. Ich weiß, heute spielt das eigentlich keine Rolle mehr. Doch meine Mutter ist da noch sehr traditionell. Ich glaube, das ist auch so, weil sie damit meinen Vater in gewisser Weise dahaben möchte. Wissen Sie, sie konnte ihn nie wirklich richtig loslassen. Ich weiß, sie trauert ihm immer noch hinterher, obwohl der Mistkerl sie hat sitzenlassen mit uns. Zudem sagt sie oft, ich würde meinem Vater so ähnlich sein – wie aus dem Gesicht geschnitten.“
Beraterin: „Deshalb gibt es eine besondere Erwartungshaltung, denken Sie?“
Maik: „Ja, bestimmt sogar. Das schmeichelt mir auch. Wissen Sie, seit mein Vater nicht mehr da ist, bin ich der Mann im Haus, der sich jetzt um alles kümmern muss.“ Maik nimmt Annas Hand und schaut sie liebevoll an. Anna zieht ihre Hand weg und blickt Maik sichtlich verärgert an.
Beraterin: „Anna, Sie gehen da nicht ganz mit?“
Anna: „Stimmt. Ich sehe das nicht so. Dieser alte Quatsch! Bin ich als Frau weniger wert?! Bin ich für dich nur eine Gebärmaschine, Maik?“
Maik: „Nein, Liebes, so sehe ich das natürlich nicht. Du bist meine Frau, meine Partnerin, meine Freundin. Ich liebe dich. Das weißt du doch.“
Beraterin: „Anna, was würden Sie sich wünschen?“
Anna: „Ich würde mir wünschen, dass Maiks Mutter keine Rolle in unserem Leben spielen würde – und seine Schwestern auch nicht. Jenny ist ein Fall für sich. Aber Mandy und Nancy sollten endlich mal Verantwortung übernehmen für ihre Mutter und nicht nur ständig bei ihr mit ihrem Kram angejammert kommen. Die beiden kriegen wirklich nichts auf die Kette! Mandy hat ein Kind von einem Barbadier. Der ist mal auf Barbados und mal, manchmal, in Deutschland. Irgendwie ist der nicht ganz koscher. Und Nancy, na ja, hat ihre Tochter in eine Pflegefamilie gegeben. Sie jobbt lieber hier und da mal rum und macht für ihr Leben gern Party. Wenn´s bei denen Probleme gibt, weinen sie sich bei ihrer Mutter aus und wenn´s ums Geld geht, kommen sie zu Maik. Ihr Bruder, das wissen sie, wird ihnen schon aus der finanziellen Misere heraushelfen. Die sollen uns alle einfach in Ruhe lassen! Allen voran meine Schwiegermutter!“
Beraterin: „Ich sehe, Anna, Sie fühlen sich durch die Familie von Maik regelrecht in die Enge getrieben. Ist das so?“
Anna: „Ja, das empfinde ich so.“
Maik, erstaunt: „Anna, das hast du mir so noch nie gesagt.“
Anna: „Wie sollte ich auch?! Deine Familie drängt sich ja immer zwischen uns! Manchmal wünschte ich mir, dass wir nicht an der Küste, sondern auf einer der Halligen dahinten leben würden. Dann hätte ich zumindest das Gefühl, dass wir manchmal unerreichbar für deine Familie sind.“
Beraterin: „Heute sind eine Menge Dinge angesprochen worden. Für den Moment sollten wir hier enden. Ich möchte Ihnen eine kleine Aufgabe mitgeben. Maik, Sie möchte ich bitten, einmal genau zu überblicken, wie oft Sie Ihrer Familie unter die Arme greifen. Insbesondere Ihre Mutter sollten Sie genauer betrachten. Wie häufig und wann telefonieren Sie in der Woche mit ihr? Wie viel Geld geben Sie für ihre Bedürfnisse, vielmehr Wünsche, aus? Und was macht Ihre Mutter, das in Ihre Beziehung eingreift? Könnten Sie das tun? Und noch eine Bitte an Sie: Versuchen Sie alles in kurzen Stichworten schriftlich festzuhalten. Auf diese Weise bekommen Sie und Anna einen realen Überblick.“
Maik: „Okay, kann ich ja mal machen. Ob´s was bringt, ist die andere Sache. Aber ich machs.“
Beraterin: „Den Nutzen werden wir beim nächsten Mal sehen, wenn wir uns hier zum nächsten Termin treffen. Und Anna, Sie möchte ich zum einen bitten, auch kurz schriftlich festzuhalten, wann und worin Sie Ihre Schwiegermutter als störend und übergriffig empfinden und zum anderen möchte ich Sie bitten, einen Blick auf Ihren Kinderwunsch zu werfen. Was spricht Ihrer Meinung nach dafür und was dagegen?“
Anna: „Punkt eins, ja, das werde ich hinkriegen. Aber zu Punkt zwei, Kinderwunsch, möchte ich gerne einen Einzeltermin mit Ihnen vereinbaren. Ich würde gerne mit Ihnen von Frau zu Frau darüber reden.“ Anna schaut Maik an. „Ist das okay für dich, Maik?“
Maik ist zunächst überrascht, zuckt dann aber gleichgültig mit den Schultern und stimmt zu. „Wenn du meinst, Anna, dann mach das. Was immer das bringen soll.“
Anna und Maik verabschieden sich mit einem diffusen Gefühl. Noch hat sie der Termin bei der Beraterin gefühlt nicht weitergebracht. Doch sind viele Dinge angesprochen worden, die so noch nie gesagt wurden. Beide gehen nachdenklich zur Tür heraus, aber auch ein wenig gelöst, weil jeder ein paar kaum ausgesprochene Konfliktpunkte loswerden konnte.
In der Folgewoche kommt Anna zu ihrem gewünschten Einzeltermin.
Anna: „Hier bin ich – und ganz schön nervös. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
Beraterin: „Setzen wir uns erst einmal. Und dann beginnen wir ganz in Ruhe.
Anna atmet tief durch. „Gut. Ich bin wirklich aufgeregt.“
Beraterin: „Wissen Sie, Anna, das ist meiner Erfahrung nach ein gutes Zeichen. Wenn jemand zu mir kommt und nervös ist, dann ist das Thema meistens wichtig und dringlich.“
Anna: „Das beruhigt mich ein wenig. Ich hatte Angst, dass Sie mich nicht ernst nehmen könnten.“
Beraterin: „Erzählen Sie mir, was Sie beschäftigt?“
Anna: „Wie ich Ihnen beim vergangenen Termin schon sagte: Kinder. Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Kind möchte. Einerseits ja, andererseits nein. Das geht bei mir hin und her – irgendwie ein bisschen schizophren.“
Beraterin: „Sie haben sich mit Ihrer Aufgabe, die ich Ihnen gestellt habe, beschäftigt?“
Anna: „Habe ich. Das hat alles nur verschlimmert. Jetzt weiß ich gar nichts mehr – weniger als zuvor.“
Beraterin: „Haben Sie darüber auch mit anderen gesprochen? Zum Beispiel mit einer Freundin?“
Anna: „Mit meinen Mädels habe ich über Kinder gesprochen. Doch die haben alle mittlerweile selbst Kinder. Die reden von kaum was anderem als Windeln wechseln, Blähungen, Stilleinlagen und so weiter. Die Mädels sagen natürlich alle, dass ich unbedingt auch eins kriegen soll, also ein Kind. Irgendwie verstehen die mich nicht wirklich. Und hier fängt mein Problem schon an. Wenn ich höre, wie die sich die Nächte um die Ohren schlagen, weil ihr Kleines nicht schlafen will und wie die zunehmend Probleme mit ihren Männern bekommen, weil sie kaum noch Sex haben wollen – da mache ich mir schon so meine Gedanken.“
Beraterin: „Sie scheuen sich wegen der möglichen ´Unannehmlichkeiten`?
Anna: „Ja, auch. Aber da ist noch mehr.“ Anna zögert.
Beraterin: „Mögen Sie mir davon erzählen? Was bedrückt Sie?“
Anna: „Mich bedrückt, ehrlich gesagt, dass ich nicht so bin wie meine Freundinnen. Bin ich falsch?“
Beraterin: „Wie kommen Sie auf die Idee?“
Anna: „Na, weil alle Frauen ein Kind wollen. Wieso ich nicht?“
Beraterin: „Zunächst einmal ist es keineswegs so, dass alle Frauen ein Kind haben möchten. Das ist gar nicht mal so selten, also wirklich normal, will ich damit sagen. Nur, weil Sie es können, müssen Sie nicht unbedingt liefern.“
Anna: „So ähnlich hat meine Mutter das auch gesagt.“
Beraterin: „Sie haben mit Ihrer Mutter über dieses Thema sprechen können?“
Anna: „Klar! Meine Mutter ist auch meine beste Freundin und Ratgeberin. Sie hat immer ein offenes Ohr für mich und ist jederzeit für mich da.“
Beraterin: „Also demnach ganz anders als Ihre Schwiegermutter?“
Anna: „Oh ja! Ganz anders. Meine Mutter ist eine weise, kluge Frau – nicht so ein tablettenabhängiger Junkie wie Petra. Außerdem war sie noch nie übergriffig. Sie mischt sich nicht in meine Beziehung ein.“
Beraterin: „Und auch nicht in die Frage nach Kindern? Wie steht Ihre Mutter zu einem Enkelkind von Ihnen und Maik?“
Anna: „Sehr entspannt. Sie sagte, als ich mit ihr darüber sprach: ´Weißt du, Anna, über ein Enkelkind würde ich mich natürlich freuen. Aber viel wichtiger ist mir, dass du glücklich bist. Im Moment kannst du mit Maik reisen und ihr könnt euch ein schönes Leben machen. Ein Kind ist schön, doch bedenke, ein Kind hast du dein Leben lang. Aus der Mutterrolle kommst du nie raus. Mutter bist du für den Rest deines Lebens. Überleg es dir gut.“
Beraterin: „Das hat sie gutgesagt. Wollte ihre Mutter damals Kinder? Wissen Sie das?“
Anna: „Ich habe sie danach gefragt. Sie sagte mir, dass sie sich damals nichts sehnlicher wünschte als Kinder mit meinem Vater. Sie hätte es nie bereut und würde sich selbst immer wieder so entscheiden. Aber das müsse nicht bedeuten, dass ich es auch so machen müsse. Das sollte jeder für sich selbst entscheiden. Das Gespräch tat mir echt gut. Doch ich bin immer noch unentschlossen. Da ist ja auch noch Petra, meine Schwiegermutter, die mir mit einem Enkelkind in den Ohren liegt. Das macht mir echt Druck.“
Beraterin: „Sagen Sie, erlauben Sie anderen Menschen über Ihr Leben zu entscheiden?“
Anna: „Nein, das nicht. Aber ich möchte es gerne allen recht machen.“
Beraterin: „Geht das? Es allen Menschen recht machen?“
Anna: „Wenn ich es recht bedenke, nein, das geht nicht.“
Beraterin: „Aus welchem Grund möchten Sie es Ihrer Schwiegermutter recht machen? Oder möchten Sie ihr einfach nur ihren Wunsch erfüllen?“
Anna: „Ja, vielleicht. Ich glaube aber, dass Maik ihr gerne den Wunsch erfüllen möchte.“
Beraterin: „Wie ein neuer Flachbildschirm, ein neues Smartphone oder Heizkörper streichen?“
Anna: „So habe ich das noch nicht betrachtet. Stimmt, es ist nur ein weiterer Wunsch. Und wenn der erfüllt ist, dann wird sich nicht um uns, ums Kind gekümmert, sondern dann kommen neue Wünsche. Danke, mir geht gerade ein Licht auf.“ Anna wirkt wie befreit und lächelt.
Beraterin: „Wie blicken Sie nun auf die Entscheidung, Kind oder nicht Kind?“
Anna: „Anders, ganz anders. Ich sehe mich und ich sehe Maik – uns als Eltern. Nein, das geht gar nicht. Wir sind nicht die idealen Eltern. Wir wollen leben, genießen, Erfolg im Beruf haben, uns selbst verwirklichen – das wollen wir. Ein Kind passt da nicht rein. Und außerdem müsste ich das Kind kriegen. Wenn ich mir das so vorstelle, wie da was in mir wächst und ich es später aus mir herauspressen müsste – nein, das will ich nicht!“
Beraterin: „Kennen Sie Muttergefühle?“
Anna: „Ja, von meiner Mutter. Sie gab mir viel Liebe.“
Beraterin: „Das meinte ich damit nicht unbedingt. Was ich fragen wollte, war, ob Sie das Gefühl des Verlangens nach einem eigenen Kind kennen?“
Anna: „Nein, nicht das ich wüsste. Das kenne ich nicht. Selbst als ich nach der Entbindung meine Freundinnen besuchte und ich ihr Kind in meinen Armen hielt, hatte ich diesen Wunsch nach einem eigenen Kind nicht. Ich weiß noch, wie alle mich warnten: ´Du darfst nicht dran riechen`, sagten sie. ´Wenn du an einem Neugeborenen schnüffelst, dann überkommt dich das unstillbare Verlangen nach einem eigenen Kind`. So´n Quatsch! Hat bei mir nicht funktioniert. Ich hatte eher den Gedanken: Ist halt so´n Kind – na und? Muss ich nicht haben. Also diese Muttergefühle, von denen Sie sprechen, habe ich überhaupt nicht. Die sind mir fremd. Ist das schlimm?“
Beraterin: „Nein, keinesfalls. Muttergefühle oder nicht – das eine ist so normal wie das andere.“
Anna: