EMDR - Karsten R. Böhm - E-Book

EMDR E-Book

Karsten R. Böhm

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Beschreibung

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) stellt eines der effektivsten Psychotherapieverfahren dar, um Traumafolgestörungen zu behandeln. Zahlreiche internationale Behandlungsleitlinien empfehlen EMDR zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Der Band beschreibt praxisorientiert die acht Phasen der EMDR-Therapie und veranschaulicht das Vorgehen anhand von Fallbeispielen. Dabei wird auch auf die Unterschiede in der Behandlungsplanung von PTBS und Komplexer PTBS eingegangen. Die EMDR-Therapie greift Elemente der Verhaltenstherapie, der psychodynamischen und der kognitiven Therapie auf und ergänzt sie mit bilateraler Stimulation mittels Augenbewegungen. Das Vorgehen wird meist als angenehm und zielführend wahrgenommen. Dadurch kommt es zu wenigen Therapieabbrüchen und Motivationsproblemen. Fokus der EMDR-Therapie sind pathogene Erinnerungen an ein belastendes Ereignis, die als Ausgangspunkt dysfunktionaler Verarbeitungs- und Copingstrategien gesehen werden. Diese Erinnerungen werden gesucht und mithilfe freier Assoziation bearbeitet. Die Verarbeitung der Erinnerungen geschieht mit unterschiedlichen Modalitäten – gedanklich, emotional, körperlich und sensumotorisch. Die aktuelle Belastung durch die pathogenen Erinnerungen soll so reduziert oder beseitigt werden. Um Suggestionen im Verarbeitungsprozess der Patientinnen und Patienten zu minimieren, wird ein bis ins Detail operationalisiertes therapeutisches Vorgehen genutzt, das in diesem Band ausführlich beschrieben wird.

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Karsten R. Böhm

EMDR

Fortschritte der Psychotherapie

Band 91

EMDR

Dr. Karsten R. Böhm

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Tania Lincoln, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief, Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier

Die Reihe wurde begründet von:

Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl

Dr. phil. Karsten R. Böhm, geb. 1973. 1998–2003 Studium der Psychologie in Freiburg. 2003-2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stationspsychologe an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 2006 Promotion. 2008 Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten (Verhaltenstherapie). 2009-2011 Leitender Psychologe der psychiatrischen Rhein-Jura Klinik, Bad Säckingen. 2011-2021 Klinikleiter und Leitender Psychologe der Privatklinik Friedenweiler bei Freiburg. 2018 Senior Trainer für EMDR (Europa zertifiziert). Seit 2018 1. Vorsitzender von EMDRIA Deutschland e.V. Seit 2021 in eigener Privatpraxis in Freiburg tätig.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3173-4; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3173-5)

ISBN 978-3-8017-3173-1

https://doi.org/10.1026/03173-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1  Beschreibung der EMDR-Behandlung

1.1  EMDR – Geschichte und Begriffsklärung

1.2  Kernmerkmale der EMDR-Behandlung

2  Das AIP-Störungsmodell der EMDR-Therapie

2.1  Wirkmechanismen des EMDR

2.2  Das AIP-Modell

2.3  Spezifische Ableitung des AIP-Modells für die Posttraumatische Belastungsstörung

2.4  Spezifische Ableitung des AIP-Modells für die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung

3  Diagnostik pathogener Erinnerungen und Indikationsstellung

3.1  Die Fallkonzeption pathogener Erinnerungen

3.2  Diagnostische Verfahren

3.3  Indikationen für EMDR

4  Behandlung

4.1  Die acht Phasen der EMDR-Therapie

4.1.1  Phase 1: Anamneseerhebung und Behandlungsplanung

4.1.2  Phase 2: Vorbereitung und Stabilisierung

4.1.3  Phase 3: Aktivierung der zu bearbeitenden pathogenen Erinnerung

4.1.4  Phase 4: Desensibilisierung und Reprozessierung

4.1.5  Phase 5: Verankerung der Erinnerungsreste mit der positiven Kognition

4.1.6  Phase 6: Körpertest

4.1.7  Phase 7: Abschluss der Stimulationssitzung

4.1.8  Phase 8: Behandlungsplan prüfen

4.2  Arten bilateraler Stimulation

4.3  Effektivität und Prognose

4.4  Varianten der EMDR-Therapie und Kombinationen mit anderen Verfahren

4.5  Probleme bei der Durchführung

4.5.1  Probleme bezüglich Rahmenbedingungen und Vorgehen

4.5.2  Kritik an der EMDR-Therapie

5  Fallbeispiele

5.1  Fallbeispiel einer PTBS-Patientin

5.2  Fallbeispiel einer kPTBS-Patientin

6  Weiterführende Literatur

7  Literatur

8  Kompetenzziele und Lernkontrollfragen

9  Anhang

Anamnesebogen

Hilfe zur Kognitionsarbeit

Karten

Ablauf der Stimulationssitzung im Überblick

Hinweise zu den Karten

|1|Vorwort

EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) hat sich zunächst als Methode zur Behandlung von Patient:innen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) etabliert. Ich selbst habe EMDR als leicht magisch anmutende Methode mit einem leichten Nimbus von „Hokuspokus“ und außerhalb der universitären Lernwege etabliert wahrgenommen. Auf der anderen Seite umgab EMDR eben dieser Geist von Aufbruch und Wirksamkeit, die wie aus dem Nichts da war und Leichtigkeit versprach. Gewusst habe ich allerdings nicht, wie EMDR im Einzelnen funktionierte und wie die Abläufe waren. Ich sollte später mehr erfahren und auch etwas desillusioniert werden: EMDR zeigte sich als eine klassische Psychotherapie, die sich gut in die Geschichte der Psychotherapieforschung und -entwicklung einordnen lässt. Erkenntnisse zur Neurobiologie sollten den magischen Charakter für mich reduzieren. Jedoch blieb eines zurück: EMDR machte nicht nur mir in der Anwendung Spaß, sondern auch meinen Patient:innen. Und das ist und bleibt immer mein stärkstes Argument. Im Rahmen meiner Arbeit an der Universitätsklinik Freiburg lernte ich EMDR kennen. Seit der Metaanalyse von van Etten und Taylor (1998) wurde in unseren Forschungsgruppen intensiv über EMDR diskutiert: Ist EMDR so effektiv wie die traumafokussierte Verhaltenstherapie? Und ist EMDR dabei auch noch schneller (d. h. wirksam in weniger Therapiesitzungen) und gibt es auch weniger Therapieabbrecher:innen?

Francine Shapiro, die EMDR entwickelte, hatte zu Beginn ihrer Arbeit zunächst kurz mit NLP geliebäugelt, aber schnell erkannt, dass EMDR deshalb von Therapeut:innen, die in der universitären Lehre tätig sind, abgelehnt wird. Diese Kritik an der kurzzeitigen Kooperation mit dem NLP begleitet die EMDR auch heute noch in einigen Diskussionen.

Shapiro überlegte, wie sie mit der Kritik besser umgehen konnte, und führte daher bald ein, dass EMDR nur noch von in den Ländern zertifizierten und anerkannten Psychotherapeut:innen eingesetzt und erlernt werden durfte. Damit etablierte sie eine strikte Qualitätskontrolle, die bis heute andauert, die jedoch auch immer wieder kritisiert wurde: Einerseits fühlen sich beispielsweise Fachgruppen wie die Heilpraktiker:innen in Deutschland ausgeschlossen, andererseits wurden und werden die Zugangsbegrenzungen zu den Ausbildungen als Schneeballsystem mit dem Ziel des Geldverdienens wahrgenommen.

Shapiro sagte bei einem ihrer letzten Auftritte in Europa, dass sich EMDR ursprünglich als Therapietechnik gebildet hatte, schnell zur Therapiemethode |2|wurde und sich nun auf dem Weg zu einem Therapieverfahren befindet. So gibt es beispielsweise in Portugal mittlerweile sogar eine eigenständige Psychotherapieausbildung in EMDR-Therapie, d. h. angehende Therapeut:innen müssen kein zusätzliches Verfahren erlernen. Psychotherapeut:innen sollten jedoch immer auch die gemeinsamen Wurzeln unterschiedlicher Verfahren erkennen und den Austausch fördern, um psychotherapeutische Entwicklungen so gut es geht zum Wohle ihrer Patient:innen einzusetzen. In diesem Sinne bitte ich Sie auch, dieses Buch zu lesen. Psychotherapie sollte so einfach und niederschwellig sein wie möglich – aber nicht einfacher.

Ich möchte den Herausgeber:innen dieser Reihe, speziell Martin Hautzinger, danken, dass sie dieses Buch ermöglicht und so wohlwollend in der Entstehung begleitet haben. Susanne Götz möchte ich für ihre wertvollen Korrekturen und meiner Frau Nadja darüber hinaus für ihre unschätzbare Unterstützung danken.

Freiburg und Berlin, Juni 2023

Karsten R. Böhm

|3|1  Beschreibung der EMDR-Behandlung

1.1  EMDR – Geschichte und Begriffsklärung

Nachdem die Posttraumatische Belastungsstörung 1980 erstmals in das amerikanische DSM-III und wenig später durch die WHO in die ICD-9 aufgenommen wurde, stellten sich in den Folgejahren viele Wissenschaftler:innen die Frage, wie diese Störung noch besser und effektiver zu behandeln sei. In der Psychotherapie wurden traumafokussierte Verfahren unter anderem in der Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie entwickelt. 1987 entdeckte die amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Psychologin Francine Shapiro aus Palo Alto in Kalifornien zufällig beim Spazierengehen in einem Park, dass sich belastende und traumatische Erinnerungen an ein eigenes Krebsleiden durch ein Hin- und Herblicken zwischen zwei Punkten veränderten (Shapiro, 2018). Sie arbeitete wenig später am verhaltenstherapeutischen Institut von Josef Wolpe und begann ihre zufällige Entdeckung näher zu erforschen. Anfangs bewegte sie ihre eigenen Augen rhythmisch hin und her und dachte dabei an belastende Erlebnisse. Immer wieder konnte sie dabei deutliche Entlastungen erleben. In der Folge bat sie andere Menschen, das Vorgehen auszuprobieren, bekam aber schnell die Rückmeldung, dass diesen die eigenständigen schnellen Augenbewegungen schwerfallen würden. Daraufhin setzte sie ihre Hand als Hilfsmittel ein, indem sie andere Menschen bat, der Bewegung ihrer Finger zu folgen. Die Betroffenen erlebten eine Erleichterung und Entlastung, was sie unter anderem auf eine Abschwächung der Erinnerungsintensitäten zurückführten. In den folgenden Jahren verließ Shapiro das Institut von Wolpe und widmete sich ganz der Aufgabe, den gefundenen Effekt der Belastungsreduktion durch Augenbewegungen akribisch zu untersuchen. Shapiro entwickelte das heutige EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), das sie anfangs noch EMD (Eye Movement Desensitization) nannte.

Sie forderte ihre Patient:innen anfangs auf, nach jedem Set an Augenbewegungen die Veränderungen der Erinnerung zu berichten. Sie führte die Belastungsreduktion auf eine Desensibilisierung zurück (daher der Name EMD = Desensibilisierung durch Augenbewegungen). Die Augenbewegungssets dauerten meist 45 Sekunden oder länger. Einige Patient:innen begannen jedoch, auch andere Wahrnehmungen und Gedanken zu berichten. Shapiro verstand diese nicht als Vermeidung des Traumainhaltes, sondern als hilfreiche Verarbeitungsmechanismen. Daraufhin forderte sie ihre Patient:innen zunehmend auf, frei aufkommende Gedanken, Bilder, Gefühle oder Körper|4|empfindungen zu berichten. Diese durften auch vom Traumaerleben weggehen oder dieses beiseiteschieben. Sie nannte diesen neuen Mechanismus „Reprozessierung“ und erweiterte schließlich den Namen EMD um das R, sodass sie ab 1991 von EMDR, also von „Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ (Augenbewegungen zur Desensibilisierung und Reprozessierung) sprach. „Reprozessierung“ meint damit die Neuverarbeitung von Gedächtnisinhalten und beinhaltet neben einer Neubewertung von Einstellungen und Interpretationen auch die Verknüpfung mit anderen, oft älteren Gedächtnisinhalten. Shapiro unterscheidet das Reprozessieren vom Prozessieren als einen alltäglichen und automatischen Verarbeitungsmechanismus des Menschen, der in der Therapie ebenfalls erreicht werden soll, nur eben absichtlich – weshalb sie den Begriff des Reprozessierens verwendet. Gerade die Kombination aus Desensibilisierung und Reprozessierung ist nach Shapiro hilfreich, da sie Betroffenen die Freiheit gibt, wie sie letztendlich individuell ihre Belastung verarbeiten.

Im Verlauf der weiteren Erprobung der EMDR-Behandlung entwickelte Shapiro eine umfassende Intervention bestehend aus acht Phasen (vgl. Kapitel 4). Dabei stellte sich vor allem ein Problem: Wie können Patient:innen im therapeutischen Setting am besten auf eine möglichst gut verlaufende Traumaverarbeitung vorbereitet werden? Hierzu integrierte Shapiro unter anderem Ideen der Kognitiven Therapie, indem sie einen gedanklichen Perspektivenwechsel (einer negativen Kognition eine positive Alternativkognition gegenüberzustellen) in die Vorbereitung einbaute. Hinzu kamen Ideen der Körpertherapie, wie die Idee, dass Traumainhalte nicht selten somatisch abgespeichert sind und eine Verarbeitung über Körpermodalitäten möglich und wichtig sein kann. Einige Grundlage ihrer Ideen kamen zudem aus der humanistischen und analytischen Psychotherapie. Individuelle Verarbeitungswege zu fördern und Suggestionen zu vermeiden sah Shapiro als zentrale Ziele einer intensiven Verarbeitung an. Die Aktivierung von Selbstheilungskräften wurde von ihr dabei stark betont.

Bei der weiteren Erprobung der Intervention zeigte sich, dass für einige Patient:innen die Augenbewegungen nicht immer umsetzbar waren, sodass Shapiro auch andere bilaterale Stimulationen (Tappen, akustische Reize) ausprobierte und zu ähnlichen Erfolgen kam. Der Name „EMDR“ blieb jedoch erhalten, auch weil Shapiro überzeugt war, dass die Augenbewegungen die stärksten Belastungsreduktionen erzeugten. In ihrem ersten großen Lehrbuch „Eye Movement Desensitization and Reprocessing: Basic Principles, Protocols and Procedures“ fasste sie 1995 das Vorgehen in der Behandlung detailliert zusammen.

1996 führte Arne Hofmann EMDR in Deutschland ein. 1998 wurde EMDRIA Deutschland e. V. gegründet, das unter anderem Qualitätskriterien für zertifizierte EMDR-Therapeut:innen definiert. 2006 wurde EMDR für die Be|5|handlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in Deutschland vom Wissenschaftlichen Beirat anerkannt und 2014 schließlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Deutschland für die Abrechnung mit den Krankenkassen in der Behandlung Erwachsener zugelassen – was dann ab 2015 erfolgte. Die Anerkennung von EMDR für die Behandlung der PTBS erfolgte in den USA bereits im Jahr 1998 (durch die American Psychological Association [APA]) und in Großbritannien im Jahr 2001 (durch das United Kingdom Department of Health [UK DH]). Die Anerkennung durch die WHO (World Health Organisation) erfolgte im Jahr 2013. Am 16. Juni 2019 starb Francine Shapiro in den USA.

Seinen Ursprung und die nach gegenwärtigem Wissensstand größte Effizienz hat EMDR in der Behandlung von belastenden Erinnerungen an Traumafolgen. Zudem werden auch deutliche Entlastungen bei der Bearbeitung von Ängsten, depressiven Gedanken und anderen belastenden Erinnerungen beschrieben und zunehmend empirisch untersucht.