Emotionen im Unterricht -  - E-Book

Emotionen im Unterricht E-Book

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Beschreibung

Emotionen sind ausschlaggebend für den Erfolg von Lehr- und Lernprozessen. Ob Kinder gerne in die Schule gehen oder nicht, hängt wesentlich davon ab, ob sie im Unterricht und im Umgang mit Lehrkräften, Mitschülerinnen und Mitschülern, schulischen Anforderungen und fachlichen Inhalten eher Freude und Stolz oder Ärger und Angst verspüren. Die einzelnen Beiträge des Bandes beleuchten Emotionen von Lernenden und Lehrenden aus erziehungsphilosophischer, bildungstheoretischer, pädagogischer, psychologischer und fachdidaktischer Perspektive. Auch die Frage, ob fachliche Inhalte ein spezifisches emotionales Aktivierungspotenzial haben und in ihnen selbst Emotionen verarbeitet sein können, spielt eine Rolle. Theoretische und empirische Zugänge werden gleichermaßen berücksichtigt.

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Die Herausgeber*innen

Dr. Michaela Gläser-Zikuda ist Professorin für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt empirische Unterrichtsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Emotionen, Wohlbefinden und Selbstregulation in Schule, Hochschule und Lehrer*innenbildung, empirische Unterrichtsforschung und Schulentwicklung.

Dr. Florian Hofmann ist Akademischer Rat mit Schwerpunkt empirische Unterrichtsforschung am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er lehrt und forscht zu den Themen förderorientierte, kompetenzorientierte und alternative Leistungsmessungen sowie Emotionen und Wohlbefinden in Schule und Hochschule.

Dr. Volker Frederking ist Professor für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Ästhetische Bildung, empirische Erforschung subjektiver, emotionaler und kognitiver Aktivierung im Deutschunterricht, Digitalisierung und digitale Medien im Deutschunterricht, Allgemeine Fachdidaktik und fachliche Bildung.

Michaela Gläser-Zikuda, Florian Hofmann, Volker Frederking (Hrsg.)

Emotionen im Unterricht

Psychologische, pädagogische und fachdidaktische Perspektiven

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-036306-9

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-036307-6

epub:     ISBN 978-3-17-036308-3

 

Vorwort

 

 

 

Schulischer Unterricht kann interessant oder langweilig sein, Angst machen oder Freude wecken. Das weiß jeder Mensch, der eine Schule besucht hat, aus eigener Erfahrung. Systematisch theoretisch und empirisch erforscht werden solche unterrichtlich evozierten Emotionen allerdings erst seit wenigen Jahrzehnten. Pädagogischer Psychologie und Empirischer Pädagogik kommt das Verdienst zu, hier Pionierarbeit geleistet zu haben. Die Fachdidaktiken haben sich des Themas ›Emotionen‹ hingegen erst seit Mitte der 1990er Jahre in theoretischer und empirischer Perspektive intensiver zugewandt. Umso wichtiger, dass im vorliegenden Sammelband alle drei für das Verständnis von schulischen Bildungsprozessen zentralen Forschungsrichtungen erstmals in umfassender Weise versammelt sind.

Der Band gibt in diesem Sinne einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in der Pädagogischen Psychologie, in der Pädagogik und in den Fachdidaktiken.

Aus der Perspektive der Pädagogischen Psychologie wird der disziplinäre state of the art skizziert und an einzelnen Beiträgen vertiefend illustriert. In der Pädagogik werden geisteswissenschaftlich wie empirisch ausgerichtete Perspektiven eingenommen, der Forschungsstand überblicksartig präsentiert und exemplarisch an Beiträgen aus der Grundschul-, Schul- und Medienpädagogik sowie der Lehrer*innenbildung vertieft. In den Fachdidaktiken wird ein Modell fachbezogener Emotionsforschung vorgestellt, um auf dieser Basis den fachdidaktischen Forschungsstand unter besonderer Berücksichtigung der Biologiedidaktik, der Deutschdidaktik, der Fremdsprachendidaktik, der Geographiedidaktik, der Geschichtsdidaktik, der Mathematikdidaktik, der Religionspädagogik und der Sportpädagogik zu vertiefen.

Der vorliegende Band offeriert mithin einen umfassenden (inter)disziplinären Überblick zu verschiedenen Beispielen theoretisch-konzeptioneller und empirischer Arbeiten zu ›Emotionen im Unterricht‹, wobei anhand von Fall- und Praxisbeispielen auch Anregungen für die emotionssensible Gestaltung schulischen Unterrichts und die Professionalisierung von Lehrkräften in fachübergreifender wie fachspezifischer Perspektive integriert werden. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern des Bandes interessante Erkundungen in einem ebenso wichtigen wie lange vernachlässigten Forschungsfeld.

Nürnberg, im Oktober 2021

Michaela Gläser-Zikuda, Florian Hofmann und Volker Frederking

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Vorwort

I Emotionen und Unterricht Gegenstand und Grundlagen

1 Emotionen in Schule und Unterricht aus pädagogischer Sicht

Michaela Gläser-Zikuda & Florian Hofmann

1.1 Emotionen bzw. Gefühl – Merkmale, Entstehung und grundlegende Funktionen

1.2 Emotionen – (k)ein Thema in der Pädagogik?

1.3 Emotionen und ihre Bedeutung für Bildung

1.4 Berücksichtigung von Emotionen in der pädagogisch- didaktischen Unterrichtsgestaltung

1.5 Zusammenfassung

1.6 Gliederung des Bandes bezogen auf den pädagogischen und psychologischen Teil

Literatur

2 Emotionen in Schule und Unterricht aus der Sicht empirischer Lehr-Lernforschung

Tina Hascher & Gerda Hagenauer

Einleitung

2.1 Konzepte und Modelle

2.2 Bedeutung der Emotionsforschung innerhalb der Lehr-Lernforschung

2.3 Weiterführende Themen für Forschung und Praxis

Literatur

3 Emotionen als Gegenstand fachdidaktischer Forschung

Volker Frederking

3.1 Bausteine zu einer fachdidaktischen Theorie der Emotionen. Eine Analyse aus der Perspektive Allgemeiner Fachdidaktik

3.2 Die Subjektseite: Emotionen und Emotionsforschung auf der Ebene fachlich Lehrender und Lernender

3.3 Die Objektseite: Emotionen und Emotionsforschung auf der Ebene fachlicher Gegenstände

3.4 Fachdidaktische Emotionsforschung. Desiderata und Herausforderungen

Literatur

II Emotionen von Lernenden im Unterricht: Pädagogisch-psychologische Perspektiven

4 Emotionen im Unterricht der Primarstufe

Katrin Lohrmann

4.1 Förderung der Leistungs- und der Persönlichkeitsentwicklung

4.2 Emotionen im Kontext der Primarstufe

4.3 Empirische Befunde: Freude, Langeweile und Angst

4.4 Erhalt und Förderung positiver Emotionen

Literatur

5 Lern- und Leistungsemotionen im Kontext schulischer Transition

Simon Meyer, Ramona Obermeier & Michaela Gläser-Zikuda

Einleitung

5.1 Der Übertritt von der Grund- in die weiterführende Schule

5.2 Faktoren, welche die Bewältigung des schulischen Übertritts beeinflussen

5.3 Lern- und Leistungsemotionen im Kontext des schulischen Übertritts

5.4 Implikationen für die Praxis

Literatur

6 Emotionen im inklusiven Unterricht

Carmen Zurbriggen & Philipp Schmidt

Einleitung

6.1 Forschungsstand

6.2 Relevanz für den inklusiven Unterricht

6.3 Fazit und Ausblick

Literatur

7 Emotionen und digitale Medien

Thomas Knaus & Nastasja Bohnet

Einleitung: Medien – eine emotionale Geschichte

7.1 Forschungsstand zu Emotionen in der Medienpädagogik

7.2 Medien als Lernobjekte und Lehrmedien

7.3 Medien als Lernwerkzeuge – Vom Objekt zum partizipativen Medium

7.4 Medien zur interaktionistischen Vernetzung

7.5 Ausblick: Bildung und Sozialisation in Zeiten des digitalen Wandels

Literatur

III Emotionen von Lernenden im Unterricht: Fachdidaktische Perspektiven

8 Emotionen im Biologieunterricht

Christoph Randler

8.1 Emotionen im Biologieunterricht. Forschungsstand

8.2 Relevanz von Emotionen für den Biologieunterricht

Literatur

9 Emotionen im Deutschunterricht

Christian Albrecht & Volker Frederking

9.1 Sprachdidaktische Zugänge und Forschungen zu Emotionen im Deutschunterricht

9.2 Literaturdidaktische Zugänge und Forschungen zu Emotionen im Deutschunterricht

9.3 Fachspezifische mediendidaktische Zugänge und Forschungen zu Emotionen im Deutschunterricht

9.4 Fazit

Literatur

10 Emotionen im Fremdsprachenunterricht am Beispiel unterschiedlicher Formen von Angst

Clarissa Blum & Thorsten Piske

Einleitung

10.1 Formen der Angst im Fremdsprachenunterricht

10.2 Das Sprechen in der L2 als besondere Herausforderung

10.3 Möglichkeiten zum Abbau von Fremdsprachenangst im Unterricht

10.4 Fazit

Literatur

11 Emotionen im Geographieunterricht

Jan Schubert & Romy Hofmann

11.1 Die Bedeutung von Emotionen in Geographie und Geographiedidaktik

11.2 State of the art. Fachbezogene Emotionsforschung in Theorie und Empirie

11.3 Konsequenzen für die Geographiedidaktik und den Geographieunterricht

Literatur

12 Emotionen, Geschichte und historisches Lernen

Juliane Brauer & Martin Lücke

12.1 Gefühlte Geschichte?

12.2 Geschichte und Emotionen. Ein Definitionsvorschlag

12.3 Emotionen im Geschichtsunterricht. Forschungsstand und Problemaufriss

12.4 Emotionen im Geschichtsunterricht: Das Bespiel der Shoah

12.5 Fazit

Literatur

13 Emotionen im Mathematikunterricht

Claudia C. Sutter & Tina Hascher

Einleitung

13.1 Forschungsstand

13.2 Interventionen zur Förderung positiver Emotionen für den Mathematikunterricht

13.3 Praxisrelevante Implikationen

Literatur

14 Emotionen im Religionsunterricht

Manfred L. Pirner

14.1 Religion und Emotion

14.2 Gefühle in Konzepten und Ansätzen der Religionspädagogik

14.3 Fazit: Empirische Forschung als Desiderat

Literatur

15 Emotionen im Sportunterricht – eine sportdidaktische Perspektive

Mareike Ahns & Günter Amesberger

15.1 Zum Verständnis von Emotionen im Kontext ›Bewegung und Sport‹

15.2 Forschungsstand zu Emotionen im Sportunterricht

15.3 Relevanz für das sportunterrichtliche Lernen und Lehren

15.4 Überlegungen zum Gegenstandsverständnis von Emotionen im Sportunterricht

15.5 Ein kompetenzorientiertes Unterrichtsbeispiel zu ›Emotionaler Intelligenz‹

15.6 Emotionen anlassbezogen aufgreifen und didaktisch nutzen

15.7 Fazit

Literatur

IV Emotionen mit Blick auf (angehende) Lehrende

16 Emotionen und Emotionsregulation von Lehrpersonen im Unterricht

Gerda Hagenauer & Tina Hascher

16.1 Ein appraisal-theoretisches Modell der Entstehung von Lehrer*innenemotionen und ihren Funktionen

16.2 Empirischer Forschungsstand

16.3 Pädagogische Implikationen

Literatur

17 Emotionen von Lehrkräften in unterrichtsvideobasierten Fortbildungen

Marc Kleinknecht

Einleitung

17.1 Allgemeines und Definitionen: Lernen mit Unterrichtsvideos

17.2 Forschungsstand: Emotionen beim Lernen mit Unterrichtsvideos in der Lehrkräftefortbildung

17.3 Relevanz von Emotionen für die Gestaltung von videobasierten Fortbildungen

Literatur

18 Lern- und Leistungsemotionen von Lehramtsstudierenden in autonomieunterstützenden Lehr-Lernumgebungen

Stefan Markus, Katharina Fuchs, Florian Hofmann, Barbara Jacob, Melanie Stephan & Michaela Gläser-Zikuda

18.1 Lern- und Leistungsemotionen

18.2 Autonomieunterstützung als Bedingungsfaktoren der Sozialumwelt

18.3 Exemplarische Studie zu den Effekten von Autonomieunterstützung auf Lern- und Leistungsemotionen von Studierenden

18.4 Diskussion

Literatur

19 Emotionen und Literatur. Wie Lehramtsstudierende Hör- und Printtexte emotional erleben und verstehen

Silvia Hasenstab

19.1 Der Forschungskontext

19.2 Effekte auditiver Wahrnehmung auf emotionale Facetten von Literatur. Ein Forschungsbericht

19.3 Ausgewählte Forschungsfragen und Ergebnisse

19.4 Diskussion der Ergebnisse

Literatur

20 Emotionale und kognitive Aktivierung durch literarische und faktuale Texte als Ansatzpunkt für demokratische Grundwertebildung im Deutschunterricht

Tabea Kretschmann & Dietmar Gölitz

20.1 Theoretische Grundlagen und Fragestellung

20.2 Erhebungsdesign

20.3 Ergebnisse

20.4 Ausblick

Literatur

Anhang

Autor*innenverzeichnis

 

 

 

I           Emotionen und Unterricht. Gegenstand und Grundlagen

1          Emotionen in Schule und Unterricht aus pädagogischer Sicht

Michaela Gläser-Zikuda & Florian Hofmann

Kurzzusammenfassung

Während Emotionen in der empirischen Lehr-Lernforschung (einschließlich der empirisch ausgerichteten Erziehungswissenschaft) seit geraumer Zeit intensiv erforscht und diskutiert werden, stellt sich die Perspektive im Bereich der eher geisteswissenschaftlich orientierten Pädagogik nicht ganz so eindeutig dar. Der Stellenwert von Emotionen wurde und wird hier weiterhin aus pädagogischer Sicht sehr unterschiedlich bewertet und häufig anhand der Gegenpole ›Rationalität‹ und ›Gefühl‹ diskutiert. In diesem Beitrag wird daher überblicksartig auf wesentliche Diskurse und Ansätze eingegangen, die sich mit dem Stellenwert von Gefühlen bzw. Emotionen aus einer pädagogischen Perspektive beschäftigen.

Schlagwörter: Emotionen, Bildung, Erziehung, Schule, Unterricht

1.1       Emotionen bzw. Gefühl – Merkmale, Entstehung und grundlegende Funktionen

Emotionen erfüllen nicht nur im Bildungskontext, sondern in allen Bereichen des menschlichen Lebens grundlegende biologische und soziale Funktionen, wie bspw. die Antizipation zukünftiger Ereignisse, das Bereitstellen von Handlungsempfehlungen oder die Zuschreibung von Absichten und Zuständen in sozialen Interaktionen. Dabei werden Emotionen durch den biologisch gesteuerten Impuls bestimmt, Lust, Befriedigung und Wohlbefinden zu suchen sowie Schmerz, Gefahr und Ungleichgewicht zu meiden (Damasio, 2010). In interkulturellen Studien wurden schon früh mehrere Basisemotionen ermittelt: Überraschung, Ärger, Abscheu/Ekel, Furcht/Angst, Trauer und Freude/Glück (Ekman & Davidson, 1994). Auch aktuelle Emotionstheorien gehen davon aus, dass es basale, somatische Reaktionen, sogenannte core affects (Barrett, 2015) bzw. primäre Emotionen gibt. Als primäre (und damit angeborene) Emotionen wurden Furcht, Wut, Glück/Freude, Trauer, Ekel, Überraschung und Interesse identifiziert (z. T. auch Verachtung; vgl. für einen Überblick Tracy & Randles, 2011). Erziehung und Sozialisation sowie kulturelle Einflüsse (Ulich & Mayring, 1992) bedingen die Entwicklung von Emotionen und ihre individuelle Ausprägung. Diese sogenannten sozialen oder sekundären Emotionen treten allerdings erst auf, sobald systematische Verknüpfungen zwischen Kategorien von Objekten oder Situationen und den primären Emotionen gebildet wurden (Huber, 2013). Hierzu zählen bspw. Mitgefühl, Verlegenheit, Scham, Stolz, Eifersucht, Liebe, Neid, Dankbarkeit oder Bewunderung.

Eine weitere strukturelle Eigenschaft von Emotionen ist darin zu sehen, dass sie zum einen als momentane Zustände (Zustands- bzw. state-Komponente) und zum anderen als dispositionelle Reaktionstendenzen (Bereitschafts- bzw. trait-Komponente verstanden werden können (Otto, Euler & Mandl, 2000). Folglich rufen nicht die Ereignisse selbst, sondern die subjektive Interpretation von Ereignissen bei Menschen Emotionen hervor (z. B. Scherer, Schorr & Johnstone, 2001). Damit tritt die Bedeutung von Verarbeitungs- und Reflexionsprozessen ins Blickfeld. Zum Teil sind Emotionen evolutionsbiologisch überlebensnotwendig; man denke nur an die Fluchtreaktion in gefährlichen Situationen. Überwiegend reagieren Menschen aber sehr unterschiedlich in ähnlichen Situationen. Übertragen auf Lehr-Lern-Kontexte heißt das z. B., dass in einer Lerngruppe einmal Freude über den Wissenszuwachs, ein anderes Mal Langeweile oder Ärger entstehen kann. Als eine Erklärung hierfür kann der sogenannte Appraisal-Ansatz (Scherer, Schorr & Johnstone, 2001) herangezogen werden (Kap. 1.2). Pekrun (2000) hat in der Folge den in der Bildungsforschung häufig herangezogenen ›Kontroll-Wert-Ansatz für Lern- und Leistungsemotionen‹ entwickelt. Kontrollappraisals (im Sinne einer Einschätzung, wieviel Kontrolle man darüber hat, ob Erfolg in einer Situation herbeigeführt werden kann) und Valenzappraisals (im Sinne einer Einschätzung der positiven bzw. negativen Bedeutsamkeit oder des Werts von Erfolg bzw. Misserfolg in der jeweiligen Situation) sind für die Entstehung von Leistungsemotionen relevant. Sowohl Kontroll- als auch Valenzappraisals bestimmen die Qualität und Intensität der erlebten Emotionen (Frenzel, Götz & Pekrun, 2009; Kap. 3.3).

Besonders Emotionen in der Schüler-Lehrer-Interaktion bzw. mit Blick auf die soziale Beziehung werden systematisch untersucht (z. B. Wild, Hofer & Pekrun, 2006). Vermehrt werden auch Emotionen von Lehrkräften fokussiert (Becker, Götz, Morger & Ranellucci, 2014). So kann sich eine Lehrkraft bspw. über störende Verhaltensweisen von Schüler*innen im Unterricht ärgern. Auch auf Seiten der Lehrkräfte spielen Kontroll- und Valenzappraisals eine Rolle (Frenzel, Götz & Pekrun, 2008). Darüber hinaus kommt der Emotionsregulierung von Lehrkräften eine wesentliche Bedeutung zu (Krause, Philipp, Bader & Schüpbach, 2008). Neben der Beeinflussung der Emotionen einer Gesprächspartnerin bzw. eines Gesprächspartners (in der überwiegender Zahl der Fälle einer Schülerin bzw. eines Schülers) durch das eigene Verhalten und gezeigte Emotionen zählen auch die Kontrolle und der Umgang mit den eigenen Gefühlen zum professionellen Handeln einer Lehrkraft (Krause et al., 2008; Kap. 3.1).

1.2       Emotionen – (k)ein Thema in der Pädagogik?

Emotionen bzw. Gefühle und ihre Bedeutung im Bildungskontext sind kein neues Thema. Mit Blick auf Erziehung und Bildung wurden Emotionen immer schon berücksichtigt. Bereits in der Antike finden sich beispielsweise bei Platon, Seneca oder Aristoteles entsprechende Hinweise. So unterscheidet Aristoteles drei Teile der menschlichen Seele (vgl. Jakobi, 1981), die für jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen des Menschen zuständig sind; und zwar den rationalen, den sensitiven und den vegetativen Seelenteil. Der sensitive Seelenteil wird als Ursache für Triebe, Affekte und Emotionen gesehen. Im Gegensatz zu den Aktivitäten des vegetativen Seelenteils wird die Kontrolle des sensitiven Seelenteils durch den Verstand als möglich und notwendig erachtet. Hieran wird die Bedeutung von Emotionen bzw. Gefühlen mit Blick auf Bildung deutlich (Kap. 1.3).

In der klassischen Bildungsliteratur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurde beispielsweise häufig über Gefühle und ihre Allgegenwärtigkeit im menschlichen Leben geschrieben. So bedurfte es mit Blick auf Bildung und Aufklärung nicht bloß der »richtigen Begriffe«. Ebenso wichtig war es, »reinere Gefühle […] durch alle Adern des Volks« fließen zu lassen, »Menschlichkeit und Sanftmut in unser Herz« zu senken (Schiller 1784, S. 237, S. 244 f.). Wilhelm von Humboldt spricht von der »Bildung des Gemüths« (von Humboldt, 1809, S. 189) als wichtigem Element »allgemeine[r] Menschenbildung« (ebd., S. 188). Als zentrale pädagogisch-anthropologische Neuorientierungen des 18. Jahrhunderts gelten der Blick auf die Vernunftbegabung des Menschen im Sinne Kants sowie der Gedanke der Entwicklungsplastizität und Perfektionierbarkeit des Menschen (z. B. von Rousseau).

Die beiden bekannten geisteswissenschaftlich orientierten Pädagogen Johann Friedrich Herbart (1776–1841) und Friedrich Schleiermacher (1768–1834) argumentierten, dass erzieherische Aufforderungen immer in der Gegenwart des Kindes liegen, aber immer auch auf seine Zukunft gerichtet sein sollen. Insofern können pädagogische Initiativen des Erziehenden mit den unmittelbaren Interessen und Befindlichkeiten des Kindes kollidieren. Dementsprechend stellt Herbart in seinen Vorlesungen der ›pädagogischen Liebe‹ die Autorität des Erziehers qua Aufgabe und Amt zur Seite (Herbart, 1806). Das Erziehungsmittel ›Liebe‹ gehört diesem Verständnis nach zu den vertrauensbildenden Maßnahmen, über die ein*e professionelle*r Erzieher*in zu verfügen habe. So verstanden ist Liebe nicht mehr nur, wie in der Aufklärungspädagogik, Mittel des Erziehungsprozesses, sondern zugleich auch implizit ein Erziehungsziel. Erst die Kombination aus pädagogischer Autorität und Liebe kann nach dieser Argumentation dem pädagogischen Handeln eine dauerhaft feste Basis geben (vgl. Herbart, 1806, S. 49). Die Diskussion um »Liebe als Ziel von Erziehung« gewann in der Folge, insbesondere in der Jugendbewegung und der beginnenden Reformpädagogik nach 1900, eine weitere Bedeutung. Erziehung wurde als Begegnung und Bildungsgemeinschaft zu einem Hauptthema. Beziehungsmerkmale wie Liebe, Vertrauen, Zuwendung, aber auch Eifersucht, Misstrauen und Enttäuschung zwischen Erziehendem und Zögling sowie pädagogische Autorität werden mit dem Gedanken der Bildung als Persönlichkeitsentwicklung verbunden (vgl. Oelkers, 2001).

Für einen der bedeutendsten Pädagogen, nämlich Johann Heinrich Pestalozzi, sind Gefühle des Kindes ernst zu nehmen und gelten als eine notwendige Voraussetzung für das Lernen mit »Kopf, Herz und Hand« (Kraft, 1996; Seichter, 2007, S. 77). Erziehung unterstützt die Entfaltung sittlicher Grundgefühle der Liebe, des Vertrauens und der Dankbarkeit auf Seiten des Kindes. Neben diesen »Herzenskräften« gilt es, auch die intellektuellen (geistigen) und die handwerklichen Kräfte zu entfalten (Pestalozzi, 1801). Der Reformpädagoge Peter Petersen war ebenfalls bestrebt, in seiner Lehr- und Lernanstalt eine emotionale Geborgenheit zu schaffen, indem er sie in eine Lebensgemeinschaftsschule umwandelte. Dementsprechend ist die Jena-Plan-Schule (Petersen, 1927–1949) an der »ganzen Person« des Kindes interessiert, d. h. auch emotionale Faktoren des Lebens und Lernens finden ihre Berücksichtigung. Auch Hermann Nohl (1924, 1925) hat eine der wichtigsten lernförderlichen Emotionen, nämlich die Freude, zum Kriterium jeder gelungenen pädagogischen Leistung erhoben. In der reformpädagogischen Bewegung wurde versucht, durch die emotionale Aufladung der pädagogischen Beziehung Elemente der sich auflösenden gesellschaftlichen Sozialformen zu bewahren und in Form des »pädagogischen Bezugs« zu institutionalisieren. Generell wurden die Dynamiken der Beziehung als wesentliche Bedingungen pädagogischer Prozesse hervorgehoben. So betont Litt beispielsweise die unauflösbare Dialektik von Führen und Wachsenlassen, Behüten und Freigeben, Unterstützen und Schützen, in der Erziehungsverhältnisse und -handlungen stehen (Litt, 1927).

Eine besonders zentrale Definition von Erziehung in diesem Zusammenhang ist die von Hermann Nohl, der sie in seinen Vorlesungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts als »das leidenschaftliche Verhältnis eines reifen Menschen zu einem werdenden Menschen, und zwar um seiner selbst willen, dass er zu seinem Leben und zu seiner Form komme« (ebd., S. 134) definierte. Diese Verortung von Erziehung hat Nohl insbesondere in seinem Verständnis des »pädagogischen Bezugs« (ebd., S. 134 ff.) weiterentwickelt. Das Verhältnis des bzw. der Erziehenden zum Kind ist demnach doppelt bestimmt, nämlich von der Liebe zu ihm in seiner Wirklichkeit und von der Liebe zum Ideal des Kindes, welche das Ziel hat, das Kind zu erziehen, zu fördern, anzuleiten und »das höhere Leben in ihm zu entfachen« (ebd., S. 136). Alle Anstrengungen, sowohl des bzw. der Erziehenden als auch des Kindes, dienen dazu, die zukünftige Entwicklung des jungen Menschen durch Erziehung und Bildung zu unterstützen und ihn zu Selbstständigkeit und Selbstverantwortung zu führen.

Erzieherische Ziele sind demzufolge erfolgreicher, wenn sie durch Bemühungen um eine bewusst gestiftete Bindung begleitet werden. Dieses Bemühen ist nicht technologisch und lässt sich niemals vollständig professionell operationalisieren und ist daher immer dem »Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen« unterworfen (Spranger, 1969, S. 354). Eine dieser »Nebenwirkungen« besteht prinzipiell in der Gefahr unterschiedlichster Dimensionen von Missbrauch. Das Ausmaß des Missbrauchspotenzials der sogenannten »pädagogischen Liebe« wurde erst in jüngster Vergangenheit vor allem in Internaten und Landerziehungsheimen der reformpädagogischen Tradition sichtbar (Drieschner & Gaus, 2011). Vor diesem Hintergrund wird mit Blick auf die heutige professionstheoretische Ausrichtung der Lehrer*innenbildung vermieden, über den Begriff der pädagogischen Liebe zu diskutieren. Vielmehr werden eher psychologische und soziologische Begriffe und Konzepte wie Selbstregulation, Bindung, pädagogische Beziehung oder Macht verwendet (Baumert & Kunter, 2006; Fischer & Richey, 2018; Helsper & Reh, 2012; Raufelder, 2007). Einerseits wird positive Affektivität in der pädagogischen Beziehung als zentrales Erziehungsmittel gewertet, andererseits als Grundlage bzw. Ziel von Bildung verstanden. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die der Lehrer-Schüler-Beziehung zugrunde liegende Emotionalität bewusst professionell reguliert und reflektiert wird, damit »Nähe« bzw. »Liebe« nicht übergriffig und missbräuchlich werden (Drieschner & Gaus, 2011). »Ein pädagogischer Ethos ist für den Lehrerberuf (notwendig) […] und kein pädagogischer Eros« (so Peter Fauser in der Süddeutschen Zeitung, 21.04.2010, S. 6).

1.3       Emotionen und ihre Bedeutung für Bildung

Die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema Gefühl bzw. Emotion weist neben der auch kritisch geführten Diskussion um den pädagogischen Bezug eine nicht zu übersehende Zweiteilung auf: Zum einen wird der emotionale Gehalt pädagogischer »Klassiker« betont; zum anderen aber fällt hinsichtlich der Thematisierung von Emotion bzw. Gefühl eine einseitige, eher kognitiv-rationale Auffassung von Erziehungs- und Bildungsprozessen auf. Erziehung und Bildung dienten diesem Verständnis nach der Entwicklung und Förderung menschlicher Vernunft und dementsprechend der »Bändigung von Trieben«, »der Kalmierung und Sublimierung von Gefühlen« und garantierten somit die Nichtanwesenheit von »Emotionalität, die mit Irrationalität gleichgesetzt wurde« (Gieseke, 2007, S. 18). Dieses einseitige Verständnis von Erziehung und Bildung geht vermutlich auf den sogenannten »Leib-Seele-Dualismus« von Descartes zurück, also die radikale Trennung von denkendem Geist und nicht-denkendem Körper (Beckermann, 2001, S. 29 ff.). Emotionen und Gefühl wurden demzufolge als wenig relevant und zuweilen gar als hinderlich für Bildungsprozesse betrachtet – zumal unter »Bildung« in erster Linie die Entwicklung von Vernunft, Verstand, Urteilskraft und Rationalität verstanden wurde. Bildung galt im Sinne eines reflektierenden Umgangs mit sich und der Welt als ein der Vernunft geschuldetes Geschehen, in dem Emotionalität keine nennenswerte Bedeutung beigemessen und sie zuweilen sogar als ihr Gegenspieler konzeptualisiert wurde (Huber, 2018; Kap. 2.1.4).

Erschwerend kommt eine ungünstige Positionierung der Erziehungswissenschaft hinzu: Diese war lange Zeit bestrebt, ihre disziplinäre Eigenständigkeit und damit eine Abgrenzung von anderen Disziplinen (insbesondere von der Psychologie) und vermeintlich disziplinfremden Konzeptionen – zu denen auch Emotionen gezählt wurden – zu betonen (Tröhler, 2014). Die erwähnte Trennung von Körper und Geist sowie das damit einhergehende Verständnis von Emotion beherrschten den Diskurs in der Emotionsforschung disziplinübergreifend (Ulich & Mayring, 1992) und waren nicht zuletzt eine Argumentationsgrundlage für die Abgrenzung der Erziehungswissenschaft von der Psychologie. Diese Aufspaltung wurde vor allem von den Neurowissenschaften zurecht kritisiert (Barrett, 2017; LeDoux, 1996).

Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der späten 1960er und der 1970er Jahre erfolgte eine Neuorientierung in der Pädagogik, die durch die Hoffnung motiviert war, durch eine veränderte Erziehung künftiger Generationen gesellschaftliche Veränderungen bewirken zu können. Weite Teile der 68er-Generation standen der geisteswissenschaftlichen Pädagogik kritisch gegenüber. Unter Rekurs auf die Frankfurter Schule wurde u. a. mit Bezug auf Jean Jaques Rousseau und Reformpädagog*innen, wie insbesondere Berthold Otto sowie Maria Montessori, in der sogenannten ›antiautoritären Erziehung‹ davon ausgegangen, dass man das Kind sich selbst entsprechend seiner Natur entfalten lassen müsse, ohne es negativ zu beeinflussen (vgl. Bernhard, Kremer & Rieß, 2003). In den folgenden Jahren entwickelten sich einige pädagogische Ansätze, welche die Relevanz von Emotionen für Erziehung und Bildung explizit hervorhoben (z. B. Macha, 1988; Oerter & Weber, 1975; Roth, 1971). Weber (1975) beispielsweise hebt die Relevanz des Emotionalen im Zusammenhang mit Erziehung und Bildung hervor. Die Erziehung zur Mündigkeit als das zentrale Bildungsziel bedarf einer Synthese von kritischer Rationalität und reifer Emotionalität. Zunächst geht er auf die Bedeutung der positiven emotionalen Zuwendung in der frühen Lebenszeit und auf die Herausbildung des Urvertrauens ein. Pädagogische Situationen im Verständnis humaner Erziehung sollen seiner Ansicht nach von Wohlwollen, Solidarität, Wertschätzung, Verständnis und Rücksicht geprägt sein. Moralische und sittliche Erziehung sind aus dieser Perspektive mit emotionaler Erziehung verbunden.

Im Zusammenhang mit der Funktion von Erziehung für den zwischenmenschlichen Umgang hebt Hildegard Macha (1988) in ihrem Aufsatz die Bedeutung von Gefühl als »In-etwas-Involviertsein« (Heller, 1980) und als Motor des Handelns hervor. Die Aufgabe von Erziehung ist demzufolge, den Qualitätenreichtum, die Tiefe und Spannung des Gefühls beim Denken und Handeln zu erhalten. Allerdings sollte mit Emotionen auch verantwortlich umgegangen werden. Dabei führt sie fünf Schritte auf, die zum verantwortlichen Umgang mit Gefühlen führen:

1.  Wahrnehmen der Gefühle meint, dass das Erleben eigener Gefühle positiv gewertet wird. Gefühle sind subjektiv »richtig«, sind aber durch Gefühle anderer einzugrenzen. Empathie als Verstehen der Gefühle anderer und die Akzeptanz durch die Erzieher bzw. Lehrer gehören ebenfalls dazu.

2.  Interpretation der Antriebe (soziale Gefühle): Die Auswirkungen auf andere sollen kennengelernt, Echtheit in Ausdruck und Erlebnis sollen geschult werden. Wichtig ist, bei der Interpretation immer die Grenze der betreffenden Person zu wahren.

3.  Das Äußern von Gefühlen soll situativ angemessen und interaktiv möglich sein, um zu lernen, ob der andere dadurch verletzt oder eingeschränkt wird. Wichtig ist hierbei die Stärkung des sozialen Mitgefühls, der Empathie und der Ambiguitätstoleranz.

4.  Vermitteln im sozialen Feld: In Interaktionen können nun eigene Emotionen mit denen anderer in Einklang gebracht werden. Emotionale Erziehung vermittelt auf dieser Stufe den praktischen Umgang mit Handlungsstrategien, wie z. B. Regeln der Kommunikation.

5.  Aufbau eines überdauernden Wertbewusstseins: Emotionale Erziehung soll ihr Ziel im Aufbau eines selbstverantwortlichen Umgangs mit den eigenen Gefühlen, der Fähigkeit zur Empathie und dem Erlangen eines überdauernden Wertbewusstseins als Grundlage für verantwortliches Handeln erreichen (Macha, 1988, S. 430 ff.).

Aus der Perspektive der Humanistischen Pädagogik beschäftigt sich Buddrus (1992) mit den »verborgenen« Gefühlen in der Pädagogik. Emotionalität wird explizit in Bezug auf Lehr-Lern-Settings thematisiert. Aus seiner Sicht ist diagnostisches Wissen über die Unterscheidung von Gefühls-Regung (akute Gefühle), Gefühls-Haltung (Bereitschaft zu bestimmten Empfindungen) und Gefühls-Stimmung (habituell) hilfreich für die didaktische Gestaltung (vgl. Buddrus, 1992, S. 87 f.). Ähnlich argumentiert Montada (1989) in seinem Aufsatz zur »Bildung der Gefühle«.

Darüber hinaus findet sich im Bildungsverständnis der UNESCO-Empfehlung »Learning – The Treasure within« (Frevert & Wulf, 2012, S. 5) der Hinweis, dass nicht nur der Erwerb von Wissen, sondern eine allgemeine Bildung des Menschen (im Sinn des »human development«) anzustreben ist. In der globalisierten Welt soll diese vier Dimensionen umfassen: learning to know, learning to do, learning to live together/learning to live with others, learning to be (Deutsche UNESCO-Kommission, 1997). Somit sind diesem umfassenden Verständnis von allgemeiner Bildung nach nicht nur kognitive, sondern auch handlungsbezogene, soziale sowie identitätsbildende und affektive Dimensionen (und demnach emotionale Aspekte) des menschlichen Seins adressiert (Frevert & Wulf, 2012).

1.4       Berücksichtigung von Emotionen in der pädagogisch-didaktischen Unterrichtsgestaltung

Zweifelsohne nehmen schulische und unterrichtliche Bedingungen Einfluss auf Emotionen von Lernenden (Hänze, 2000). Der Auftrag von Schule liegt nicht nur in der Vermittlung von Wissen bzw. der Unterstützung beim Erwerb fachlicher Kompetenzen, sondern auch in der Förderung einer positiven emotional-motivationalen Haltung von Schüler*innen gegenüber schulischem Lernen und Leisten (Bieg & Mittag, 2011; Hagenauer, 2011). Vor allem soziale Vergleichsprozesse im Kontext von Leistungsbeurteilung führen allerdings häufig dazu, dass die Entwicklung der Lernfreude vom Kindergarten bis zur 5. Klassenstufe ungünstig verläuft (Helmke, 1993). Für Bildungs- und Lernprozesse ist es daher von besonders großer Bedeutung, dass Emotionen bei der Gestaltung von Bildungs- bzw. Lernangeboten berücksichtigt werden. Einige Ansätze wurden diesbezüglich entwickelt.

Der FEASP-Ansatz von Astleitner (2000) ist ein Beispiel dafür, wie Emotionen in Bezug auf Lehr-Lernsituationen zu berücksichtigen sind. Auf der Grundlage eines emotional orientierten Instruktionsansatzes, des F(ear)E(nvy)A(nger)S(ympathy)P(leasure)-Ansatzes, wird vorgeschlagen, die fünf genannten Emotionen von Lernenden systematisch in Lehr-Lernsituationen zu berücksichtigen: (1) Zur Reduktion bzw. Vermeidung angstauslösender Situationen sind Erfolge im Unterricht sicherzustellen, Fehler als Chance zum Lernen zu begreifen und eine entspannte Lernatmosphäre zu erzeugen. Des Weiteren wird die Transparenz der Leistungsanforderungen als bedeutsam erachtet. (2) Zur Reduktion bzw. Vermeidung ärgerauslösender Situationen werden Strategien der Ärgerkontrolle und das Zulassen konstruktiven Ärgerausdrucks sowie das Aufzeigen flexibler Sichtweisen vorgeschlagen. (3) Zur Reduktion bzw. Vermeidung neidauslösender Situationen werden eine konsistente und transparente Leistungsbewertung (mit individuellen und sachbezogenen Vergleichsmöglichkeiten) sowie die Vermeidung ungleich verteilter Privilegien betont. (4) Als Sympathieauslöser gelten die Intensivierung von Beziehungen, eine kooperative Lernkultur und die Förderung gegenseitiger Hilfe im Unterricht. (5) Als Auslöser von Vergnügen/Freude gilt das Meistern von Aufgaben im Sinne des Kompetenzerlebens, das Aufrechterhalten allgemeinen Wohlbefindens, die Einrichtung offener, spielorientierter Lernumgebungen und der Einsatz von Humor (vgl. Astleitner & Hascher, 2008).

Götz, Frenzel und Pekrun (2007) beschreiben Rahmenbedingungen, Verhaltensweisen und Lernsituationen, die positive Emotionen fördern. Wie in nahezu allen einschlägigen Darstellungen sieht auch dieses Konzept beim institutionalisierten und individuellen Lernen als ersten Schritt die Vermeidung negativer Emotionen vor. Das von den Autor*innen konzipierte theoretische Modell, welches die Wirkungen von Emotionen beim Lernen abbildet, verdeutlicht vor allem, dass Emotionen Lernstrategien, Motivation und kognitive Ressourcen maßgeblich beeinflussen und so auch das am Ende eines Lehr-Lernprozess stehende Produkt, die Schulleistung (mit)steuern (Götz, Frenzel & Pekrun, 2007). Folglich müssen in einem zweiten Schritt konstruktive Umsetzungsüberlegungen folgen. Konkret formulieren die Autor*innen acht Empfehlungen (Götz, Frenzel & Pekrun, 2007, S. 17 ff.):

1.  Strukturiert unterrichten

2.  Schüler*innen Kontrollerfahrungen machen lassen

3.  Eine Kultur des Fragens entwickeln

4.  Einen offenen Umgang mit Fehlern etablieren

5.  Den spielerischen Charakter des Lernens hervorheben

6.  Mehr die Arbeitsprozesse und weniger die Resultate loben

7.  Individuelle Leistungsfortschritte unabhängig vom Leistungsniveau der anderen loben

8.  So unterrichten, dass es einem selber Spaß macht

Da Unterricht und Lehr-Lernprozesse aber auf einer Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden basieren, spielen Emotionen auch in der Lehrer-Schüler-Kommunikation eine entscheidende Rolle (vgl. Götz, Frenzel & Pekrun, 2007; Pekrun, 2000).

Gläser-Zikuda, Fuß, Laukenmann, Metz und Randler (2005) entwickelten ein emotional orientiertes Unterrichtskonzept (ECOLE – Emotional-Cognitive Learning), um positive und negative Lern- und Leistungsemotionen sowie schulische Leistungen von Schüler*innen der Sekundarstufe I im Rahmen einer Interventionsstudie positiv zu beeinflussen. Das Unterrichtskonzept wurde in drei Schulfächern (Biologie, Deutsch, Physik) an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien der 8. Klassenstufe über einen Zeitraum von mehreren Wochen implementiert und auf der Grundlage eines quasi-experimentellen Designs in 24 Schulklassen empirisch auf seine Wirkung überprüft. Das Konzept orientiert sich an den Empfehlungen von Götz, Frenzel und Pekrun (2007) und beinhaltet basierend auf dem Forschungsstand zu Unterrichtsqualität (im Überblick Helmke, 2007), zu selbstreguliertem (Boekaerts, 1999) und selbstbestimmten Lernen (Deci & Ryan, 1993), zur Interesseorientierung (Krapp, 1999) und zu Prüfungsangst (Strittmatter, 1993) fünf Module (Struktur, Wertbezug, Transparenz, Selbstregulation und soziale Kontakte). Das Modul »Struktur« ist durch Formen direkten Unterrichts (z. B. strukturierte Zusammenfassungen und Erklärungen durch die Lehrperson) und Unterrichtsmaterial, das Selbstbestimmung mit Selbstkontrollmöglichkeiten im Sinne formativen assessments (Wiliam & Leahy, 2007) einschließt, gekennzeichnet. Das Modul »Wertbezug« fokussiert auf die Interessen der Schüler*innen und den Lebensweltbezug der Unterrichtsthemen. Ein drittes Modul zielt darauf ab, die »Transparenz« des Unterrichts sowie der Anforderungen zu gewährleisten. Die Schüler*innen wurden z. B. zu Beginn der Unterrichtseinheit über Inhalte und Ablauf informiert, differenzierte Lehr-Lernmaterialien (mit unterschiedlichem Leistungsniveau) wurden eingesetzt und ein angekündigter und unbenoteter Übungstest durchgeführt. Jede*r Schüler*in erhielt eine individuelle Rückmeldung zum aktuellen Leistungsstand in Form eines schriftlichen Feedbacks sowie Hinweise für eine individuell optimierte Vorbereitung der Klassenarbeit. Das vierte Modul (»Selbstregulation«) war für die Realisierung schülerorientierter Unterrichtsformen und für die Förderung der Lernmotivation zentral. Handlungsorientierung und Individualisierung fanden hier Eingang in das Unterrichtskonzept. Das fünfte Modul schließlich griff die Bedeutsamkeit harmonischer »sozialer Kontakte« in Lernprozessen auf. Kooperative und spielorientierte Lernformen wurden in den Unterricht integriert. Insgesamt konnten in dieser Interventionsstudie Effekte hinsichtlich der Förderung positiver und der Reduzierung negativer Lernemotionen ermittelt werden, die sich allerdings nicht in allen Unterrichtsfächern gleichermaßen zeigten. Demgegenüber konnte die Leistung der Schüler*innen durchgängig gesteigert werden. Die Relevanz selbstbestimmten Lernens und insbesondere der Autonomieunterstützung für das positive emotionale Erleben im Unterricht wurde ebenfalls deutlich (Markus & Gläser-Zikuda, 2021).

Eine umfassendere quasi-experimentelle Interventionsstudie (Sutter-Brandenberger, Hagenauer & Hascher, 2018) mit dem Titel »Maintaining and fostering students’ positive learning emotions and learning motivation in maths instruction during early adolescence« (kurz »EMo-Math«), die ebenfalls die Förderung positiver sowie die Reduzierung negativer Emotionen zum Ziel hatte, basierte auf Schülerworkshops im regulären Klassenkontext im Mathematikunterricht über einen Zeitraum von zwei Schuljahren in der 7. und 8. Klassenstufe (Kap. 1.2). Die Schülerworkshops als Intervention beinhalteten z. B. den Umgang mit eigenen Emotionen, Motivierungs-, Lern- und Selbstregulationsstrategien (vgl. Perels et al., 2003), das Formulieren von Lernzielen und die Auseinandersetzung mit der Nützlichkeit von Mathematik. Außerdem wurden in einer der Interventionsgruppen Workshops für Lehrpersonen angeboten, und zwar zu Themen wie Motivationsunterstützung im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1993), positive Fehlerkultur und Feedback sowie Umgang mit Schüleremotionen. Die Lehrpersonen wurden gezielt über die Materialien der Schülerworkshops informiert und dazu aufgefordert, diese in den Unterricht zu integrieren. Insgesamt zeigten die Befunde dieser Studie die Wirksamkeit eines kombinierten Interventionsprogramms (Schüler- und Lehrerworkshops) für das 7. Schuljahr. Diese basierte einerseits auf der direkten Unterstützung der Schüler*innen bei der Emotionsregulation, andererseits auf indirekten Einflüssen durch die Gestaltung des Unterrichts (vgl. Brandenberger & Moser, 2018).

1.5       Zusammenfassung

Zweifellos ist menschliches Leben ganz grundlegend von Gefühlsregungen geprägt, und demzufolge begleiten entsprechende Gefühle bzw. Emotionen auch Menschen in pädagogischen Einrichtungen und Bildungsinstitutionen wie Kindertagesstätten, Schulen oder Hochschulen – also Kinder, Jugendliche, Erwachsene und professionelle Akteure. Erziehung und Bildung im schulischen Kontext werden begünstigt, wenn sie auf einer vertrauensvollen Beziehung zwischen allen Beteiligten, die auch durch deren Emotionen beeinflusst wird, basieren (Sann & Preiser, 2017). Allerdings zeichnet sich der zwischenmenschliche Umgang sowie die gesamte Lehr-Lernkultur im Bildungssystem, und damit auch in Schulen, nach wie vor durch eine Überbetonung kognitiver und eine mangelnde Berücksichtigung affektiver Aspekte aus.

Es gilt zu bedenken, dass positive Emotionen bei Kindern und Jugendlichen nicht immer von vornherein vorhanden sind und auch nicht automatisch durch interessante Unterrichtsinhalte hervorgerufen werden (Götz, Frenzel & Pekrun, 2007). Wesentlich zu deren Förderung tragen professionelle Lehrpersonen bei, die sich offen, respektvoll und unterstützend den Kindern zuwenden, ihr Fach enthusiastisch vertreten und dies auch vermitteln können. Gelingende Emotionsregulation ist auch ein wichtiger Aspekt professionellen pädagogischen Handelns. Pädagogische Professionalität umfasst pädagogische, fachspezifische und fachdidaktische Handlungskompetenzen sowie personale und selbstregulative Kompetenzen, einschließlich emotionaler Zuwendung, und Berufsethos (Baumert & Kunter, 2006; Oser, 1996). Durch eine solche besondere personale Qualität der Zuwendung ist Erziehung gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass Lehrer*innen sich nicht nur als Fachvertreter*innen verstehen, die Fachunterricht halten, sondern auch als Pädagog*innen, die Kinder und Jugendliche als Individuen mit persönlichen Bedürfnissen und Emotionen wahrnehmen und respektieren, sie zum Lernen einladen und anleiten, während des Lernprozesses kontinuierlich unterstützen und ihnen in ihrer bildungsbezogenen Entwicklung zur Seite stehen.

Emotionen bzw. Gefühle werden häufig eher nicht thematisiert und oftmals erst dann wahrgenommen, wenn sie als störend erachtet werden und bereits Probleme entstanden sind, wie z. B. bei aggressivem Verhalten oder bei Schul- und Prüfungsangst. Eines der herausragenden Ziele zeitgemäßer pädagogischer Bemühungen muss es daher sein, die Emotionen von Schüler*innen in der pädagogischen Beziehung zu Lehrpersonen sowie bei der Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen und in positiver Weise zu unterstützen. Dies setzt voraus, dass Lehrpersonen die Kompetenz besitzen, eigene Emotionen und die der Schüler*innen zu diagnostizieren und zu regulieren. Ein adäquater Umgang mit eigenen Emotionen und denen der Lernenden setzt ein umfassendes Verständnis von Emotionen voraus (Hülshoff, 2012).

Es kann somit resümiert werden, dass Gefühle bzw. Emotionen in der Pädagogik und Erziehungswissenschaft auf allen Ebenen pädagogischen Denkens und Handels thematisiert wurden, und zwar nicht nur als Teil des jeweils vorherrschenden Menschenbildes, sondern auch als grundlegende pädagogische Prämissen und Ziele von Erziehung und Bildung. Somit sind Emotionen als Voraussetzung für einen pädagogischen Grundgedanken – auch mit Blick auf die pädagogische Beziehung zwischen Erziehendem und zu Erziehendem – und damit als wesentlich für die Bildung des Menschen sowie für die pädagogische Praxis zu betrachten (Caruso & Frevert, 2013). Einige neuere Publikationen greifen die Bedeutung von Emotionen bzw. Gefühlen aus einer pädagogischen Perspektive verstärkt auf. Exemplarisch sei hier auf die Arbeiten von Göppel und Dörr (2003), Klika und Schubert (2004), Seichter (2007), Wulf und Prenzel (2011), Huber und Krause (2018) sowie ganz aktuell Rubach und Lazarides (2021) verwiesen. Insofern versteht sich auch der vorliegende Band als Beitrag zu dieser insgesamt doch optimistisch stimmenden Entwicklung hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Emotionalen in Schule und Unterricht.

1.6       Gliederung des Bandes bezogen auf den pädagogischen und psychologischen Teil

Mit dem vorliegenden Band wollen wir gleichermaßen pädagogische, psychologische sowie fachdidaktische Perspektiven, die bislang kaum thematisiert wurden, auf die Bedeutung des Emotionalen im schulischen Unterricht hin akzentuieren. Die Beiträge nehmen sowohl schulstrukturelle als auch lehr-lernbezogene und akteursbezogene Perspektiven ein. Dabei sind die pädagogischen, psychologischen bzw. erziehungswissenschaftlich-empirischen Perspektiven im vorliegenden Sammelband folgendermaßen strukturiert:

Tina Hascher und Gerda Hagenauer (Kap. 2) geben aus Sicht der empirischen Lehr-Lernforschung einen grundlegenden Überblick zur Bedeutung von Emotionen in Schule und Unterricht. Sie beschreiben zentrale Erkenntnisse aus der empirischen Lehr-Lernforschung, die als wichtiges Grundlagen-, Handlungs- bzw. Orientierungswissen zu Emotionen im Kontext guten Unterrichts zu verstehen sind.

Wie die ersten Schuljahre das emotionale Erleben in Bezug auf Lernen, Unterricht und Schule generell beeinflussen, thematisiert Katrin Lohrmann (Kap. 4). Sie gibt einen Überblick zu empirischen Befunden und diskutiert, wie die Grundschule insbesondere mit ihren spezifischen institutionellen Rahmenbedingungen zum Erhalt und zur Förderung positiver Emotionen beitragen kann.

Die Bedeutung von Lern- und Leistungsemotionen im Kontext schulischer Transition heben Simon Meyer, Ramona Obermeier und Michaela Gläser-Zikuda hervor (Kap. 5). Empirische Befunde zu Bedingungen emotionalen Erlebens, deren Bedeutung für schulisches Lernen sowie Implikationen für die Gestaltung des Übergangs von Primar- in Sekundarstufe werden vorgestellt und diskutiert.

Mit Emotionen im inklusiven Unterricht beschäftigen sich Carmen Zurbriggen und Philipp Schmidt (Kap. 6). Sie zeigen, dass Binnendifferenzierung, Individualisierung und kooperatives Lernen – als zentrale Merkmale eines inklusiven Unterrichts – sich positiv auf das emotionale Erleben von Schüler*innen auswirken und somit Bildungsprozesse wesentlich unterstützen.

Der Beitrag von Thomas Knaus und Nastasja Bohnet (Kap. 7) beleuchtet das Verhältnis von Emotion und (digitalen) Medien aus einer allgemein pädagogischen sowie einer spezifisch medienpädagogischen Perspektive. Im Fokus stehen Medien im Unterricht sowie konkrete Unterrichtsbeispiele zu lebensweltbezogenen Lehrmedien, Handlungsorientierung sowie interaktionistisch-konstruktivistische Unterrichtsmethoden.

Gerda Hagenauer und Tina Hascher machen in ihrem Beitrag (Kap. 16) auf das Erleben von vielfältigen Emotionen bei Lehrkräften aufmerksam und verdeutlichen, wie sie das Unterrichtsverhalten (z. B. die Schülerzentrierung) beeinflussen und welche Bedeutung der Emotionsregulation auf Seiten der Lehrperson für Emotionen von Schüler*innen, aber auch mit Blick auf das berufliche Wohlbefinden von Lehrkräften zukommt.

Marc Kleinknecht beschäftigt sich mit der Rolle von Emotionen beim Einsatz von Unterrichtsvideos in der Lehrer*innenbildung (Kap. 17). Der Beitrag hebt die Bedeutung von Emotionen als Mediator für Lernprozesse von Lehrkräften in Fortbildungen hervor. Zudem wird die Qualität von Feedback und dessen Einfluss auf Emotionen dargestellt, um Konsequenzen für die Lehrerfortbildung zu skizzieren.

Der Beitrag von Stefan Markus, Katharina Fuchs, Florian Hofmann, Barbara Jacob, Melanie Stephan und Michaela Gläser-Zikuda (Kap. 18) zeigt basierend auf einer empirischen Studie mit Lehramtsstudierenden die Bedeutung von autonomieunterstützenden Lehr-Lernumgebungen für das Erleben von Lern- und Leistungsemotionen auf.

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von Wulf, Ch. & Prenzel, M. (Hrsg.) (2011). Themenschwerpunkt Emotion. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 14(2).

2          Emotionen in Schule und Unterricht aus der Sicht empirischer Lehr-Lernforschung

Tina Hascher & Gerda Hagenauer

Kurzzusammenfassung

Die Erforschung von Emotionen in Schule und Unterricht ist wichtig, um die Prozesse des Lernens und die Wirkung von Lernumgebungen besser zu verstehen. In der empirischen Lehr-Lernforschung liegen dazu bereits zentrale Erkenntnisse vor, obschon der Forschungsbereich noch keine sehr lange Tradition aufweist. Der vorliegende Text gibt einen Überblick über den Forschungsbereich, der wichtiges Grundlagen-, Handlungs- bzw. Orientierungswissen zum Thema guter Unterricht bereitstellt.

Schlagwörter: Emotionen; Lehr-Lernforschung; Lernprozesse; Wirkung von Lernumgebungen

Einleitung

Mit der Aussage, die Schüler*innen-Emotionen seien »ein blinder Fleck der Unterrichtsforschung«, beschrieb Pekrun (1999, S. 230) den Stand der deutschsprachigen empirischen Lehr-Lernforschung vor gut zwanzig Jahren. Inzwischen lässt sich konstatieren, dass sich die Forschungslage – davon zeugt auch dieses Buch – im deutschsprachigen Raum rasant weiterentwickelt hat (im Überblick Götz, 2017; Hagenauer & Hascher, 2018). International besehen hatte sich die Forschung zu Emotionen in Schule und Unterricht zwar schon länger etabliert, vor allem was die Erforschung von Prüfungsangst anbelangt (z. B. Doyal & Forsyth, 1972). Andere Emotionen wurden jedoch vor allem erst ab dem Jahr 2000 untersucht (im Überblick siehe Pekrun & Schutz, 2006; Pekrun & Linnenbrink-Garcia, 2014). Es lässt sich damit konstatieren: Emotionen haben sich als ein Forschungsthema etabliert, auch wenn dieses noch nicht zum Mainstream der Lehr-Lernforschung gehören mag.

Im vorliegenden Beitrag möchten wir der folgenden Frage nachgehen: Was zeichnet den Forschungsbereich »Emotionen in Schule und Unterricht« im Kontext der Lehr-Lernforschung aus? Während sich die meisten Beiträge im vorliegenden Sammelband mit spezifischen Teilbereichen befassen und beispielsweise die Rolle von Emotionen in bestimmten Schulphasen oder für einzelne Schulfächer diskutieren, soll hier ein Überblick über den Forschungsbereich gegeben werden. Als Grundlage für unsere Ausführungen dient die Definition der empirischen Lehr-Lernforschung, wie sie von Gräsel und Gniewosz (2015, S. 18) formuliert wurde: »Die Lehr-Lernforschung ist jener Teil der Bildungsforschung, der sich mit der empirischen Untersuchung von Lernprozessen und der Wirkung von Lernumgebungen befasst.« Empirisch fundierte Kenntnisse über Entstehungsbedingungen und Wirkungen von Emotionen sind insofern wichtig, als sie einen wichtigen Beitrag zum Grundlagen-, Handlungs- bzw. Orientierungswissen über erfolgreiches Lernen und guten Unterricht leisten.

2.1       Konzepte und Modelle

Der Begriff Emotion ist schwierig zu fassen, und es gibt eine Vielzahl von Konzepten, die unterschiedlich in der Lehr-Lernforschung aufgenommen wurden. Im Folgenden werden zentrale Ansätze und Modelle vorgestellt.

2.1.1     Was versteht man unter Emotionen?

Wissenschaftliche Texte zum Thema Emotionen weisen häufig darauf hin, dass über 100 verschiedene Definitionen des Begriffs Emotion existieren (z. B. Kleinginna & Kleinginna, 1981). Diese unübersichtliche Vielfalt hat vor allem damit zu tun, dass zahlreiche Disziplinen sich mit der Erforschung von Emotionen beschäftigen. Im Kontext der Lehr-Lernforschung spricht man von akademischen Emotionen oder Lern- und Leistungsemotionen und meint damit vor allem Emotionen, die »in Bezug auf leistungsbezogene Aktivitäten und die Ergebnisse dieser Aktivitäten erlebt werden« (Frenzel & Stephens, 2017, S. 29), z. B. Angst in einer Prüfungssituation, Stolz bei einem richtig gelösten Arbeitsblatt oder Scham, wenn man eine Frage der Lehrperson falsch beantwortet. Emotionen sind zudem äußerst komplexe Phänomene. Ist eine Schülerin oder Lehrerin beispielsweise wütend, so denkt sie negativ über die wutauslösende Person oder Situation, ihre Herzfrequenz steigt, ebenso die Handlungsbereitschaft; sie zeigt einen bestimmten Gesichtsausdruck, den Mitmenschen schnell als Wut oder Zorn oder Ärger interpretieren; Redebeiträge im Klassengespräch werden ungehalten oder haben einen etwas aggressiven Tonfall. Emotionen »are seen as multi-component, coordinated processes of psychological subsystems including affective, motivational, expressive and peripheral physiological processes« (Pekrun, 2006, S. 317) und werden entsprechend in sog. Mehrkomponentenmodellen abgebildet (Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Mehrkomponentenmodell der Emotionen (Götz, Zirngibl & Pekrun, 2004, S. 51)

Durch den Mehrkomponentenansatz ergeben sich allerdings auch Herausforderungen. So ist z. B. noch nicht abschließend geklärt, in welchem Verhältnis Emotion und Motivation zueinander stehen: Wenn Emotionen eine motivationale Komponente aufweisen, dann stellt sich die Frage, wie sich diese vom Konstrukt Motivation unterscheidet. Zugleich finden sich Motivationsformen, wie beispielsweise die intrinsische Motivation, die sich durch das Freudeerleben auszeichnen. Hier sind also Überschneidungen festzustellen. Der Mehrkomponentenansatz stellt zudem hohe Ansprüche an die Erforschung von Emotionen durch die Untersuchung der einzelnen Komponenten. Dabei zeigt sich, dass in der Lehr-Lernforschung nicht alle Emotionskomponenten gleichermaßen gut untersucht werden können ( Kap. 1.2.3).

Wichtig ist für die Lehr-Lernforschung, dass sich Emotionen weiter systematisieren und gruppieren lassen. Zum einem gibt es unterschiedliche Valenzen von Emotionen: positive (angenehm erlebte Emotionen wie Freude) und negative (unangenehm erlebte Emotionen wie Scham). Emotionen unterscheiden sich zum anderen hinsichtlich ihrer Erlebnisdauer und -häufigkeit. Schutz, Aultmann und Williams-Johnson (2009) identifizierten drei Formen: core affect (die aktuelle emotionale Gesamtbefindlichkeit), emotional episodes (situationsspezifische Emotionen wie Langeweile bei einem wenig interessanten Unterrichtsthema) und affective tendencies (immer wiederkehrende emotionale Reaktionen, z. B. Ängstlichkeit bei Vorträgen vor Gruppen). Des Weiteren lassen sich generelle Emotionen (z. B. Freude in der Schule oder beim Lernen) und fachspezifische Emotionen (z. B. Freude im Mathematikunterricht) differenzieren. Die aktuelle Lehr-Lernforschung konzeptualisiert Lern- und Leistungsemotionen zumeist fachspezifisch, da wiederholt gezeigt werden konnte, dass die Emotionen der Schüler*innen zwischen den Fächern stark variieren können (Goetz, Frenzel, Pekrun & Hall, 2006).

2.1.2     Welche Theorien sind leitend?

Analog zur Vielfalt an Emotionsdefinitionen findet sich auch ein breites Angebot an Emotionstheorien bzw. -konzepten. Sie reichen von Stimmungstheorien – z. B. zur Frage, ob Menschen in positiver Stimmung anders lernen als in negativer (vgl. im Überblick Edlinger & Hascher, 2008) – bis hin zu Konzepten emotionaler Kompetenz – z. B. welche Emotionsregulationsstrategien das Lernen unterstützen (vgl. u. a. Jennings & Greenberg, 2009; Buckley & Saarni, 2009). In Bezug auf die Lehr-Lernforschung lässt sich eine klare Präferenz für kognitive Emotionstheorien, sog. »appraisaltheoretische Zugänge«, feststellen, allen voran die Kontroll-Wert-Theorie der Emotionen von Pekrun (2006). Appraisal-Theorien gehen davon aus, dass die kognitive Bewertung von Ereignissen oder Situationen das emotionale Erleben bestimmt und differenziert. Die Kontroll-Wert-Theorie der Emotionen nimmt an, dass zwei Bewertungen in Lern-Leistungskontexten besonders wichtig sind: Kontroll- und Wertappraisals. Das heißt, die Lernenden schätzen Rahmenbedingungen und Situationsmerkmale (also z. B. die von der Lehrperson gestaltete Unterrichtsstunde) im Hinblick auf deren Kontrollierbarkeit und Wert ein. Man unterscheidet kategoriale Wertappraisals (wird eine Situation positiv oder negativ beurteilt, z. B. ist die Unterrichtsstunde interessant und klar strukturiert?) und dimensionale Wertappraisals (wie wichtig ist der Person die Situation, z. B. sind die Inhalte relevant?). Je nachdem, wie die Appraisals zusammenwirken, entstehen unterschiedliche Emotionen. Die kategoriale Werteinschätzung legt fest, ob man positive oder negative Emotionen erlebt. Die Kontrolleinschätzung bestimmt die jeweilige Emotionsqualität, und das dimensionale Appraisal beeinflusst die Intensität der Emotion (Pekrun, 2006). So entsteht Lernfreude beispielsweise dann, wenn die Lernumgebung als positiv eingeschätzt (kategoriales Wertappraisal), die Kontrolle über die Lernanforderungen als hoch (hohes Kontrollappraisal) und die subjektive Wichtigkeit der Lerninhalte ebenso als hoch bewertet wird (dimensionales Wertappraisal).

2.1.3     Wie werden Emotionen in Modellen der Lehr-Lernforschung aufgegriffen?

Als ein Vorreiter- und wegweisendes Modell zu Emotionen in der Lehr-Lernforschung kann das Modell von Bloom (1974/1976) bezeichnet werden. Bloom ging es darum, sowohl die Eingangsbedingungen als auch die Effekte des schulischen Lernens zu systematisieren. Dabei berücksichtigte er Emotionen zweifach: als affektive Eingangscharakteristika der Lernenden (z. B. Angst vor Mathematik) und affektive Lernergebnisse (z. B. Erleichterung bei einem weitgehend korrekt gelösten Aufgabenblatt). Die Entstehung dieser Emotionen begründet er einerseits in Vorerfahrungen zum Lernen, andererseits mit der Vielzahl spezifischer Lernerlebnisse, in denen Schüler*innen Erfolge und Misserfolge erfahren.

Blooms explizite Berücksichtigung der Rolle der Emotionen für das Lernen setzte sich in der Lehr-Lernforschung bisher allerdings nicht durch, was sich am derzeit sehr populären Angebot-Nutzungs-Modell von Helmke (2012) illustrieren lässt: Emotionen werden in diesem Modell lediglich indirekt unter den Kategorien Voraussetzungen auf der Lehrpersonen- bzw. der Schüler*innenseite thematisiert, wohingegen z. B. Intelligenz und Lernmotivation unter »Lernpotenzial« subsummiert werden. In leicht modifizierten Modellen (Abb. 2.2) wird immerhin direkt auf »emotionale Voraussetzungen des Lernens« sowie »Lernfreude« als Lernergebnis verwiesen (Hascher & Kittinger, 2014; Lipowsky, 2006). Der Fokus liegt dabei aber klar auf den Emotionen der Lernenden und weniger auf den Emotionen der Lehrenden.

Abb. 2.2: Vereinfachtes Angebot-Nutzungsmodell (Lipowsky, 2006, S. 48)

2.2       Bedeutung der Emotionsforschung innerhalb der Lehr-Lernforschung

Wenn sich die Lehr-Lernforschung mit Emotionen beschäftigt, dann primär deshalb, weil sie anhand von Untersuchungen der Emotionen beim Lernen und Lehren mehr darüber erfahren kann, welche Faktoren auf welche Art und Weise den Lernprozess und die Wirksamkeit von Lernumgebungen beeinflussen. Es geht darum, sowohl Grundlagen- als auch Handlungs- bzw. Orientierungswissen aufzubauen, was guten Unterricht auszeichnet. Mit dem Blick auf Emotionen erweitert die Lehr-Lernforschung ihr Analysespektrum und kann Zusammenhänge zwischen Kognition, Emotion und Motivation untersuchen. Wie im Folgenden gezeigt wird, war das nicht immer so, sondern hat sich über viele Jahre hinweg entwickelt.

2.2.1     Welche Grundlagen und welche Entwicklungen gibt es?