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Empathische Führung erzielt 50 % höhere Effizienz als andere Führungsstile. Ein Life Hack in Zeiten von Fachkräftemangel und Quiet Quitting
Unsere Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt befinden sich im rapiden Umschwung. Klimawandel, Pandemie, Homeoffice, KI; Unternehmen, die mehr Leistung erwarten, und Mitarbeitende, die weniger arbeiten wollen. Ängste und emotionale Überforderung wirken sich auf unsere Arbeit aus. Mehr denn je wird Empathie zur Superkraft, wenn es darum geht, Mitarbeitende zu führen, zu motivieren und zu stärken, sodass sich alle bestmöglich für die gemeinsame Sache einbringen können. Aber Führung endet nicht an der Bürotür – sie ist ein Hebel, der über das Unternehmen hinaus in die Gesellschaft wirkt. Jede Entscheidung einer Führungskraft hat Folgen für Menschen, Systeme und unser Zusammenleben.
Lunia Hara hat jahrelange Erfahrung im Führen diverser Teams. In ihrem Buch gibt sie konkrete Tipps, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden in den Vordergrund stellen, sie befähigen, ihre Talente und Ziele zu erkennen und so ihr volles Potenzial zu entfalten. Erfolgreicher und zufriedener führen - der täglichen Arbeit mehr Sinn geben: In einer global vernetzten Welt braucht es neue Lösungen, um erfolgreich zu bleiben. Empathische Führung ist ein Life Hack in Zeiten von Fachkräftemangel und Quiet Quitting.
Mit einem Vorwort von Verena Pausder
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 242
Veröffentlichungsjahr: 2025
Empathische Führung führt zu 50 Prozent höherer Effizienz als andere Führungsstile. Ein Life Hack in Zeiten von Fachkräftemangel und Quiet Quitting
Unsere Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt befinden sich im rapiden Umschwung. Klimawandel, Pandemie, Homeoffice, KI; Unternehmen, die mehr Leistung erwarten, und Mitarbeitende, die weniger arbeiten wollen. Ängste und emotionale Überforderung wirken sich auf unsere Arbeit aus. Mehr denn je wird Empathie zur Superkraft, wenn es darum geht, Mitarbeitende zu führen, zu motivieren und zu stärken, sodass sich alle bestmöglich für die gemeinsame Sache einbringen können. Lunia Hara hat jahrelange Erfahrung im Führen diverser Teams. In ihrem Buch gibt sie konkrete Tipps, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden in den Vordergrund stellen, sie befähigen, ihre Talente und Ziele zu erkennen und so ihr volles Potenzial zu entfalten. Erfolgreicher und zufriedener führen – der täglichen Arbeit mehr Sinn geben: In einer global vernetzten Welt braucht es neue Lösungen, um erfolgreich zu bleiben. Empathische Führung ist ein Life Hack in Zeiten von Fachkräftemangel und Quiet Quitting.
Lunia Hara ist Expertin für empathische Führung und wichtige Impulsgeberin für die Themen Modern Leadership, Diversity und Kulturwandel. Mit dem Appell, die eigenen Erfahrungen, Werte und Ansichten zu reflektieren, inspiriert sie Führungskräfte zu mehr Offenheit und mehr Empathie im Job, um ganzheitliche Unternehmenserfolge zu erzielen. Als Director Project Management bei diconium, einem Tochterunternehmen von VW, leitet sie selbst ein diverses Team. Außerdem ist sie Sparringspartnerin für Management-Teams und Executives zum Thema empathische Führung. Lunia Hara schreibt regelmäßig u. a. als Kolumnistin für den SPIEGEL und teilt praktische Erfahrungswerte auch als Speakerin auf verschiedenen Panels und Events. Sie ist LinkedIn TopVoice, erhielt den EDITION F Award 2022 für Mut und wurde 2023 von der Beyond Gender Agenda als Woman of the Year ausgezeichnet.
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Lunia Hara
Wie wir die Arbeitswelt mit Mitgefühl revolutionieren
Mit glücklichen Mitarbeitenden zu nachhaltigem Erfolg
Mit einem Vorwort von Verena Pausder
Deutsche Verlags-Anstalt
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Copyright © 2025 by Deutsche Verlags-Anstalt, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Doreen Fröhlich, Chemnitz
Covergestaltung: Favoritbuero, München
Coverfoto: © Amanda Dahms
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH
ISBN 978-3-641-31699-0V001
www.dva.de
Für meine Mutter Aida Sakala Hara und meinen Vater Ndawa Isaac Hara. Eure Liebe hat mich geprägt, und eure Werte tragen mich bis heute. Alles, was ich bin und erreiche, ist auch euer Werk.
In tiefer, demütiger und selbstbewusster Liebe – für immer.
Vorwort von Verena Pausder
Intro
Kapitel 1 Mein Weg zu empathischer Führung
Kapitel 2 Was empathische Führung wirklich bedeutet
Das Zusammenspiel von Empathie und Mitgefühl
Die gängigsten Vorurteile gegenüber empathischer Führung
Sei wie ein Nduna: Das Mindset einer empathischen Führungskraft
Mit Empathie führen: Sinnstiftung für alle
Kapitel 3 Die vier Säulen empathischer Führung
Menschlichkeit als Fundament moderner Führung
Selbstreflexion: Klarheit schaffen und Haltung entwickeln
Offenheit als Grundlage für Vertrauen
Feedback als Ausdruck von Fürsorge
Kapitel 4 Diversität und Empathie: untrennbar miteinander verbunden
Diversität als Motor für geistige Flexibilität
Empathischer Umgang mit multikulturellen Teams
Diversität in Führungsteams fördern
Kapitel 5 Empathische Führung in der Praxis
Bewerbungsgespräche empathisch führen
Erfolgreiche Begleitung in der Probezeit
Nachhaltige Beziehung durch regelmäßige Gespräche
Gemeinsame Ziele als Grundlage zum Erfolg
Wertschätzung gezielt einsetzen
Fachkarrieren stärkenbasiert fördern
Gesundheitliche Fürsorge im Arbeitsalltag
Gehaltsgespräche mit Empathie führen
Mitarbeitende in gekündigtem Arbeitsverhältnis unterstützen
Kapitel 6 Selbstfürsorge für Führungskräfte
Empathie bei dir selbst beginnen lassen
Empathie in der Selbstführung anwenden
Bedürfnisse klar kommunizieren
Nachwort Menschlichkeit als Kern empathischer Führung
Danke
Quellenangaben
Empathie. Ein Begriff, der so oft verwendet wird, dass er fast selbstverständlich erscheint. Und doch – in einer Welt, die sich in rasantem Tempo verändert, in der Technologie und Künstliche Intelligenz vieles einfacher, aber auch unpersönlicher machen, wird Empathie zu einer entscheidenden Eigenschaft, zu einer Superpower. Sie ist nicht nur wünschenswert für ein angenehmes Miteinander, sondern ein unverzichtbares Element für echte Veränderung – im Berufsleben, in der Gesellschaft und für jede einzelne Beziehung, die wir führen.
Lunia Hara hat sich in ihrem Buch einem Thema gewidmet, das nicht nur relevant, sondern zukunftsentscheidend ist: empathische Führung. Während viele Bücher über Führung darauf abzielen, Strategien und Methoden zu vermitteln, wagt Lunia Hara einen Blick, der weit über das Offensichtliche hinausgeht. Sie fragt: Was bedeutet es, Menschen wirklich zu führen – nicht nur als Aufgabe, sondern als Verantwortung?
Wir leben in einer Ära, die von disruptiven Veränderungen geprägt ist. Technologie, Globalisierung, Klimawandel, soziale Ungleichheit, politische Konflikte – all diese Themen stellen uns vor Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Doch wie schaffen wir es, ein »Wir« zu entwickeln, in einer Zeit, die uns oft trennt, statt uns zu verbinden?
Die Antwort liegt in der Empathie. Sie ist der Schlüssel, um Brücken zu bauen: zwischen Generationen, Kulturen, Perspektiven und Interessen. Sie befähigt uns, nicht nur unsere eigenen Bedürfnisse und Ziele zu sehen, sondern auch die der Menschen um uns herum. Empathie schafft Verbindung. Und Verbindung ist die Grundlage für jedes Vertrauen – ob in einem Team, einer Organisation oder einer Gesellschaft.
Doch Empathie ist nicht selbstverständlich. Sie erfordert Übung, Reflexion und besonders auch Mut. Denn sie bedeutet, sich in andere hineinzufühlen, auch wenn ihre Sichtweisen oder Erfahrungen völlig anders sind als die eigenen. Sie fordert von uns, zuzuhören, zu hinterfragen und unsere eigene Komfortzone zu verlassen. Unsere eigene Lebensrealität nicht stellvertretend für andere zu empfinden.
Denn seien wir ehrlich: Empathisch zu sein ist nicht immer einfach. Es bedeutet, sich auf Menschen einzulassen, auch wenn wir selbst vielleicht gestresst oder überfordert sind. Es bedeutet, zuzuhören, auch wenn wir das Gefühl haben, keine Zeit dafür zu haben. Es bedeutet, aufeinander zuzugehen und Kompromisse einzugehen, wenn es leichter wäre, den eigenen Weg als den einzig wahren zu sehen. Aber genau diese Momente sind es, die uns wachsen lassen – als Führungskräfte und als Menschen.
Im Berufsleben sehen wir oft, dass Erfolg an Zahlen gemessen wird – an KPIs, Umsätzen, Wachstumsraten. Doch hinter all diesen Zahlen stehen Menschen. Menschen mit Träumen, Ängsten, Stärken und Schwächen. Und diese Menschen bringen ihre gesamte Persönlichkeit in den Arbeitsalltag ein – ob bewusst oder unbewusst.
Führungskräfte, die dies verstehen und empathisch handeln, haben einen entscheidenden Vorteil: Sie schaffen eine Kultur, in der Menschen sich wohlfühlen, ihr Bestes geben und nachhaltig erfolgreich sein können.
Empathie ist keine »weiche« Eigenschaft, die in der harten Geschäftswelt keinen Platz hat. Im Gegenteil: Sie ist ein Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die empathisch geführt werden, haben weniger Fluktuation, höhere Innovationskraft und eine stärkere Bindung ihrer Mitarbeitenden. Denn wer sich verstanden und wertgeschätzt fühlt, bleibt – und bringt sich mit voller Kraft ein.
Doch es geht nicht nur um Effizienz. Empathie ist auch deshalb so kostbar, weil sie uns Menschlichkeit bewahren lässt. Als mein Vater vergangenen Sommer starb und ich weder funktionieren konnte noch wollte, habe ich mir von jetzt auf gleich eine dreimonatige Auszeit genommen und mein berufliches Umfeld um Verständnis gebeten, alle Termine in meinem Kalender ersatzlos zu streichen. Die Trauer um meinen Vater nahm einfach allen Raum ein, den ich hatte, und alles andere war plötzlich nicht mehr wichtig. Das Verständnis, die Rücksicht und besonders die Empathie, mit der Geschäftspartner und Mitarbeitende auf diese kurzfristige Ankündigung reagierten, hat mich tief bewegt. Denn nicht nur hat mir ihre Reaktion gezeigt, dass man auch in der immer schneller werdenden Arbeitswelt eine Weile stillstehen darf. Es hat auch zu viel tieferen Verbindungen mit Menschen geführt, mit denen ich bisher wenig emotionale Berührungspunkte hatte, und eine Empathie sichtbar gemacht, die ich so nicht erwartet habe.
Lunia Hara schafft es mit ihrem Buch, das Thema Empathie auf den Punkt zu bringen und gleichzeitig tief in seine Facetten einzutauchen. Sie zeigt nicht nur, warum Empathie wichtig ist, sondern auch, wie sie konkret gelebt werden kann. Dabei spricht sie nicht nur Führungskräfte an, sondern jeden, der in irgendeiner Weise Verantwortung trägt – für ein Team, eine Organisation oder einfach für sich selbst und sein Umfeld.
Besonders beeindruckend finde ich, wie sie Empathie als strategische Kompetenz positioniert. Sie zeigt, dass empathische Führung keine Frage des Stils, sondern der Haltung ist. Und sie gibt praktische Tipps, wie wir diese Haltung entwickeln können.
Ob in Start-ups, Konzernen oder der Politik – die Anforderungen an Führungskräfte haben sich grundlegend verändert. Heute geht es nicht mehr nur darum, Entscheidungen zu treffen und Ergebnisse zu liefern. Es geht darum, Menschen zu inspirieren, sich mit ihnen zu verbinden und eine Kultur zu schaffen, die Innovation und Zusammenarbeit ermöglicht.
Dieses Buch ist kein typisches Leadership-Buch. Es ist ein Handbuch für die Zukunft unseres Miteinanders. Eine Zukunft, in der Empathie nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist.
Denn stellen wir uns vor, was passiert, wenn wir diese Haltung nicht nur in unseren Unternehmen, sondern in unserer gesamten Gesellschaft etablieren. Was wäre, wenn wir alle – unabhängig von unseren Positionen oder Rollen – einen Schritt zurücktreten und uns fragen würden: Was braucht mein Gegenüber gerade?
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir Konflikte nicht mit Härte, sondern mit Verständnis lösen. Eine Gesellschaft, in der wir bereit sind, unsere eigenen Bedürfnisse auch mal hintanzustellen, um eine Lösung zu finden. Eine Gesellschaft, in der Erfolg nicht daran gemessen wird, wie viel wir als Einzelne erreichen, sondern wie viel wir gemeinsam bewegen.
Eine solche Gesellschaft wäre resilienter gegenüber Krisen. Sie würde soziale Spannungen nicht eskalieren lassen, sondern Lösungen finden, die alle mitnehmen. Sie würde sich weniger empören und mehr Verständnis entwickeln. Es würde nicht die Lautstärke gewinnen, sondern die Fähigkeit, wirklich zuzuhören und zu vermitteln.
Empathie könnte uns helfen, die Polarisierung zu überwinden, die uns in so vielen Bereichen lähmt. Sie könnte uns befähigen, wahre Solidarität zu leben – nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus echtem Verständnis.
Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, eine Welt zu schaffen, die nicht nur effizienter, sondern auch menschlicher ist.
Herzlichst,
Verena Pausder
Ich sitze im Jahresgespräch mit einem Projektmanager aus meinem Team, David, Ende 20, Vollbart und kurze Haare. Ich freue mich darauf, ihn zu sehen. Seit zwei Jahren im Unternehmen, hat sich David ausgezeichnet entwickelt. Daher danke ich ihm gegen Ende des Gesprächs für seine tolle Leistung und lade ihn ein, weiterzumachen. Außerdem eröffne ich ihm, dass wir ihn befördern werden. David strahlt und bedankt sich.
Dann wird es ruhig. Kennst du diese unerträgliche Stille, die entsteht, wenn etwas im Raum hängt, aber keiner es anspricht? Ich frage ihn, ob er noch etwas loswerden möchte. David verneint – und damit beende ich unseren Termin.
Vielleicht ahnst du es bereits: Müsste der beförderte Projektmanager nicht auch eine Gehaltserhöhung bekommen?
Auf jeden Fall. Aber ich führe empathisch, und ich möchte, dass David etwas für ihn Wichtiges lernt. Daher bitte ich ihn zwei Tage später erneut zum Gespräch und erkundige mich nach der Begrüßung ganz direkt: »Warum hast du nicht nach einer Gehaltserhöhung gefragt?«
»Das kann ich nicht. Ich kann bei so etwas nicht gut über Geld reden.«
Dass David Schwierigkeiten hat, seine eigene Leistung herauszustellen und für sich selbst einzustehen, ahnte ich bereits. Umso mehr bin ich erfreut, dass er sich mir offen anvertraut. Also sage ich ihm: »Pass mal auf, David. Ich gebe dir jetzt eine Gehaltserhöhung, weil du sie verdient hast. Aber wenn du in Zukunft nicht danach fragst, bekommst du keine. Über dein Gehalt zu sprechen, gerade wenn du eine solche Beurteilung und eine Beförderung bekommen hast, musst du lernen. Ich möchte, dass du das mitnimmst. Denn nicht alle Führungskräfte werden so reagieren wie ich. Woanders wärst du vielleicht leer ausgegangen.«
Dieses Beispiel zeigt sehr gut, worum es bei empathischer Führung geht – nämlich darum, den Menschen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen und ihn sowohl in seiner fachlichen als auch in seiner persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Die Schwächen des oder der Mitarbeitenden proaktiv auszugleichen und sie nicht auszunutzen. Das fördert wahres Vertrauen und Bindung.
Diese Art des Führungsstils schafft einen Einklang zwischen den individuellen Herausforderungen und Zielen der Mitarbeitenden und den Unternehmenszielen. Damit ist sie der Schlüssel für tiefere Verbundenheit des oder der Einzelnen mit dem Unternehmen, mit dem Team und der Führungskraft – und auch für den unternehmerischen Erfolg.
Die positiven Effekte von Empathie im Leadership sind längst wissenschaftlich belegt. Eine Studie von Microsoft Deutschland aus dem Jahr 2021 zeigt: Fast zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Mitarbeitenden mit einer empathischen Führungskraft sind zufrieden, und beeindruckende 83 Prozent fühlen sich gesehen und wertgeschätzt. Empathische Führung hat auch messbare Vorteile: Führungskräfte, die empathisch handeln, erzielen nachweislich eine bis zu 50 Prozent höhere Effizienz im Arbeitsfluss, verglichen mit ihren weniger empathischen Kolleg:innen.
Unsere Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt befinden sich in einem kontinuierlichen und radikalen Wandel. COVID, Krieg, Klimawandel, Diversität, Demografie, Digitalisierung – und nun der zunehmende Rechtsruck: All diese Faktoren erzeugen eine Unsicherheit, die etablierte Geschäftsmodelle, Arbeitsweisen und Bewältigungsstrategien infrage stellt. Angesichts dieser massiven Umwälzungen haben Unternehmen keine andere Wahl: Sie müssen sich verändern. Sie müssen sich anpassen – und noch mehr die Menschen, die in diesen Unternehmen arbeiten.
Denn diese äußeren Einflüsse belasten Mitarbeitende stark. Ängste und emotionale Überforderung sind keine Privatsache. Sie beeinflussen unmittelbar, wie wir arbeiten, führen und Entscheidungen treffen. Ignorieren wir sie, gefährden wir nicht nur die Gesundheit der Einzelnen, sondern auch die Zukunft der Organisationen. Genau deshalb braucht es empathische Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden dort abholen, wo sie stehen. Führungskräfte, die nicht werten, sondern stärken, unterstützen und Orientierung geben. Die Teil der Lösung sind und nicht des Problems. Nur so können sie selbst langfristig erfolgreich bleiben. Durch Menschen, die sich unterstützt, getragen und wertgeschätzt fühlen.
Empathie und Mitgefühl sind dabei keine netten Extras, sondern entscheidende Fähigkeiten. Denn ein soziales, unterstützendes Miteinander aller stärkt die Widerstandsfähigkeit der und des Einzelnen.
Gleichzeitig steigen auch die Ansprüche der Mitarbeitenden an ihre Arbeitgeber. Es reicht ihnen nicht mehr, nur die Produkte oder den Umsatz »ihres« Unternehmens zu kennen. Sie wollen wissen: Welchen Beitrag leistet dieses Unternehmen für unsere Gesellschaft? Wo früher Arbeitgeber boykottiert wurden, die aktiv Schaden anrichteten – ob in Bezug auf das Klima oder die Gesellschaft –, werden sie heute fürs Schweigen und Nichtstun abgestraft. Mitarbeitende wissen, dass Unternehmen die Macht haben, Missstände zu beheben – wenn sie es wollen. Und sie erwarten, dass diese Macht genutzt wird. Bekanntheit und Profit sind nicht mehr die einzigen Gradmesser der Bewertung eines Arbeitgebers. Es geht darum, wie glaubwürdig er gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Die Machtverhältnisse verschieben sich. Mitarbeitende fordern Einsicht, Transparenz und Einfluss auf die unternehmerischen Ziele und Strategien. Als wesentliche Erbringer der Unternehmensleistung genügt es ihnen nicht länger, nur mitzuarbeiten. Sie wollen mitgestalten.
Ob und wie Unternehmen die aktuellen Herausforderungen bewältigen, wird entscheidend davon abhängen, wie gut sie es schaffen, nicht nur die Bedürfnisse ihrer Kund:innen, sondern vor allem die ihrer Mitarbeitenden zu erkennen, zu verstehen und darauf einzugehen.
Studien zeigen: Viele Studierende nehmen finanzielle Abstriche in Kauf, um in nachhaltigen oder sozial verantwortungsbewussten Unternehmen zu arbeiten. 80 Prozent der Studierenden aus verschiedenen Fachbereichen sehen Nachhaltigkeit als entscheidenden Faktor bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Future Talents zeichnen sich durch ein starkes Bewusstsein für soziale und ökologische Verantwortung aus.
Damit gehört der klassische Top-down-Führungsstil der Vergangenheit an. Es ist an der Zeit, viel stärker auf Werte, Einstellungen und Mindsets zu achten. Führungskräfte, die flexibel adaptieren und ihre Teams aktiv einbeziehen, werden nicht nur Herausforderungen besser bewältigen, sondern auch die besten Talente für sich gewinnen.
Empathische Führung ist ein transformativer Ansatz, der die Unternehmenskultur nachhaltig prägt. Sie basiert auf vier zentralen Säulen, die ich dir in diesem Buch näher vorstellen möchte: Menschlichkeit, Selbstreflexion, Offenheit und Feedback.
Menschlichkeit: Menschlichkeit zeigt sich im Arbeitsalltag, wenn wir Mitarbeitende nicht nur als Erbringer:innen von Leistungen sehen, sondern als Menschen wahrnehmen. Wenn Menschen sich gesehen und geschätzt fühlen, entsteht eine Atmosphäre, in der sie ihr volles Potenzial entfalten können. Das bedeutet auch, Verantwortung über den eigenen Schreibtisch hinaus zu übernehmen – zum Beispiel für faire Arbeitsbedingungen entlang der Wertschöpfungskette.Selbstreflexion: Wer andere verstehen will, muss zunächst sich selbst verstehen. Empathische Führung beginnt mit der ehrlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Werten, Überzeugungen und frühkindlichen Prägungen. Welche Erfahrungen habe ich gemacht? Welche Werte steuern mein Handeln – bewusst oder unbewusst? Und wie beeinflussen sie meine Entscheidungen als Führungskraft? Diese Reflexion hilft, persönliche Stärken und Schwächen besser zu erkennen. Wer sich dieser Zusammenhänge bewusst ist, kann authentisch führen und andere Menschen mit ihren Bedürfnissen besser verstehen.Offenheit: Offenheit ist der Schlüssel zu Vertrauen. Führungskräfte, die ehrlich über ihre eigenen Schwächen und Fehler sprechen, schaffen eine Atmosphäre, in der auch Mitarbeitende sich trauen, authentisch zu sein. In einem Umfeld, das Fehler nicht verurteilt, sondern als Lernchancen betrachtet, können Kreativität und Innovation wachsen.Feedback: Ehrliches Feedback ist Fürsorge. Es gibt Mitarbeitenden Orientierung, hilft ihnen, sich zu entwickeln, und zeigt, dass sie nicht übersehen werden. Viele Führungskräfte scheuen sich jedoch davor, klares Feedback zu geben – aus Angst vor Konflikten oder Unsicherheit. Empathische Führung erkennt, dass Feedback ein Ausdruck von Interesse und Engagement ist. Ohne Feedback bleibt echtes Wachstum aus.Diese vier Säulen verändern die Arbeitsweise einer Führungskraft grundlegend. Sie geben der eigenen Arbeit ein klares und sinnstiftendes Ziel: die Unterstützung und Entwicklung anderer. Das steigert nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, sondern auch die der Führungskraft selbst. Empathische Führungskräfte teilen ihr Wissen großzügig, anstatt es für sich zu behalten. Sie agieren als Mentor:innen und schaffen die Voraussetzungen, damit jedes Teammitglied in seine volle Power kommt. Das stärkt nicht nur die Bindung, Motivation und Leistung, sondern auch die psychologische Sicherheit, weil Mitarbeitende am Arbeitsplatz sie selbst sein können. Wenn empathische Führung überzeugt und konsequent gelebt wird, hat sie das Zeug dazu, nicht nur die Unternehmenskultur, sondern die gesamte Arbeitswelt nachhaltig und radikal zu verbessern.
Alle Menschen werden mit Empathie geboren. Wie stark sie sich entwickelt, hängt von Erziehung, Sozialisierung und persönlichen Erfahrungen ab. Doch das Beste daran: Empathie ist erlernbar und trainierbar. Empathische Führung macht Führungskräfte nicht nur zu besseren Leadern, sondern langfristig auch zu besseren Menschen. Sie eröffnet die Möglichkeit, nicht nur Unternehmen erfolgreicher zu machen, sondern unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern, mit einem Blick für das Wohl aller.
Eine Studie aus den USA hat den Einfluss von Führungskräften auf Väter untersucht – mit bemerkenswertem Ergebnis: Männer, die von ihren Führungskräften schlecht behandelt werden, sind oft auch schlechtere Väter. Dieses Resultat hat mich nicht überrascht. Stell dir vor, jemand geht täglich zur Arbeit, wo er oder sie nicht wertgeschätzt wird, Gefühle unterdrücken muss oder sogar verbal erniedrigt wird. Diese aufgestaute Energie verschwindet nicht von selbst. Sie sucht ein Ventil und entlädt sich – leider oft zu Hause. Die Kinder dieser Väter werden mit der negativen Energie konfrontiert, tragen die Last weiter. Was bedeutet das für sie, und wie prägt es die nächste Generation?
Etwas weitergedacht: Wenn schlechte Führung solch negative Auswirkungen auf Menschen haben kann, kann eine gute Führung doch auch das Gegenteil bewirken, oder? Welche Kraft liegt dann in guter Führung? Was geschieht, wenn jemand tagtäglich im Unternehmen gesehen und wertgeschätzt wird, ehrliches Feedback erhält und echte Fürsorge erlebt? Stell dir vor, deine Führungskraft erkennt deine Ziele und unterstützt dich dabei, diese zu erreichen. Du musst dich nicht zurückhalten, sondern erhältst den Raum, wirklich du selbst zu sein und dein Bestes zu geben. Welche positiven Wellen könnte das schlagen – für dich, dein Team und das Unternehmen? Für die Gesellschaft, in der wir leben?
Es ist höchste Zeit, Führung neu zu denken. Führung darf nicht länger nur Mittel zur Steuerung von Unternehmen sein – sie muss Teil der Lösung für die großen Probleme unserer Zeit werden. All unsere gegenwärtigen Krisen wurzeln in Entscheidungen von Führungskräften, egal ob in Unternehmen oder der Politik. Entscheidungen, die bewusst oder unbewusst getroffen wurden und verheerende Folgen hatten. Das können wir uns nicht mehr leisten. Wir brauchen Führungskräfte, die Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Führung, die empathisch, vorausschauend und werteorientiert ist. Mit der richtigen Einstellung verringern sich Fehler, weil die strategische Richtung allen klar ist. Schlechte Führung ist nicht länger eine Option: Wir brauchen neue Standards, einen neuen Typ Führungskraft. Wir brauchen empathische Führungskräfte – jetzt mehr denn je!
Empathische Führung ist für mich längst mehr als eine berufliche Haltung – sie ist zu einem Lebensstil geworden. Ich lebe diese Prinzipien nicht nur bei der Arbeit oder in meinen Social-Media-Aktivitäten, sondern in jeder Interaktion mit anderen, egal ob beruflich oder privat. Das ist nichts, was von einem Tag auf den anderen passierte. Es ist ein Prozess, und auch ich darf noch jeden Tag dazulernen. Ich werde jeden Tag besser.
Wie ist es bei dir? Spürst du den Wunsch, Teil dieser Ära der neuen Führungskräfte zu sein? Willst du deine Mitarbeitenden unterstützen und dabei nicht nur das Unternehmen, sondern gleichzeitig auch unsere Gesellschaft nach vorn bringen?
Seit einigen Jahren gibt es vermehrt Artikel, die auf die Wichtigkeit von Empathie in der Führungsarbeit hinweisen, das Thema ist immer mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Das wundert mich nicht, denn ein empathischer Führungsstil schafft eine engere Verbindung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Ich durfte das in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Mitarbeitenden in unterschiedlichen Unternehmen erleben und möchte in diesem Buch meine Beobachtungen mit dir teilen.
Ich bin eine ausgebildete systemische Coach – und eine praktisch erprobte Führungskraft mit inzwischen 25 Jahren Berufserfahrung, davon über 13 Jahre in Führungspositionen; eine prägende und wichtige Zeit meines Lebens, in der ich mich intensiv mit dem Thema Empathie in der Arbeitswelt auseinandergesetzt habe.
Aus der Praxis kann ich bestätigen, dass empathische Führung wirkt. Sie verbessert die Zusammenarbeit, erhöht das Vertrauen und stärkt die Loyalität und Motivation.
Leider erzählen nur wenige der erwähnten Artikel, wie sich empathische Führung im Arbeitsalltag umsetzen lässt, was genau sie umfasst, wie sie praktiziert und erfolgreich gelebt wird. Diese Lücke möchte ich mit meinem Buch schließen – und dich bestärken, für dein Leben im Beruf und auch außerhalb eine empathische Denkweise zu kultivieren.
Vielleicht bemühst du dich schon um eine möglichst »politisch korrekte« Sprache und einen freundlichen Umgang? Achtest darauf, deine Mitarbeitenden regelmäßig zu loben? Dann ist das auf jeden Fall ein guter Anfang – macht aus dir aber noch keine emphatische Führungskraft. Empathische Führung geht noch viel weiter!
Bevor wir jedoch tiefer einsteigen, möchte ich dir zuerst erzählen, wer ich bin und wie ich überhaupt zum Thema emphatische Führung kam.
Ich bin im Alter von zehn Jahren von Sambia nach Deutschland gezogen – ohne meine Eltern. Das mag für deutsche Verhältnisse befremdlich klingen. In meinem Heimatland allerdings war es gang und gäbe, die eigene Familie früh zu verlassen; auch dort wäre ich vielleicht zu einem älteren Bruder, einer Schwester oder einem Cousin gekommen, um die Chance auf eine bessere Bildung zu erhalten, als sie bei uns im Dorf möglich gewesen wäre. Zudem bietet diese Praxis einigen die Möglichkeit, sich ein lohnfreies Dienst- und Kindermädchen ins Haus zu holen. Ungewöhnlich war bei mir nur, dass ich den Kontinent verließ. Ich zog zu meiner 17 Jahre älteren Schwester, die sich in Berlin ein neues Leben mit ihrem deutschen Ehemann aufgebaut hatte.
Deutschland hieß für mich, alles neu zu lernen: Von einem Tag auf den anderen war ich mit einer mir fremden Kultur, fremden Sprache, fremdem Essen konfrontiert – und sogar damit, plötzlich in einer Wohnung zu leben.
In dieser für mich nicht ganz einfachen Situation konnte ich jedoch auf einiges zurückgreifen, was meine Familie mir mitgegeben hatte. Meine Mutter, die nie Lesen und Schreiben gelernt hatte, war trotz der klassischen Rollenaufteilung meiner Eltern eine sehr starke Frau und lebte ihren 14 Kindern – davon vier Stiefkinder aus der früheren Ehe meines Vaters – im Rahmen ihrer Möglichkeiten Unabhängigkeit vor. Zum Beispiel ließ sie sich von meinem Vater ein Feld zuteilen, um ihr eigenes Geld zu erwirtschaften. Sie war sehr selbstbewusst und scheute sich nicht, meinem Vater vor uns Kindern Kontra zu geben. Für mich als Mädchen war das eine wichtige Lektion und vielleicht mit ein Grund, warum eine vermeintliche finanzielle Absicherung durch Heirat für mich nie infrage kam.
Hinzu kam der Antrieb durch meinen Vater, dem Bildung sehr wichtig war. Dafür sollte immer Geld da sein. Für damalige Verhältnisse ungewöhnlich war, dass er sich gleich stark für die Bildung aller seiner Kinder einsetzte und keinen Unterschied zwischen seinen Töchtern und Söhnen machte. Obwohl Jahrgang 1922, war er in solchen Dingen recht modern eingestellt.
Vor allem in Sachen Bildung und Vorankommen war die Abwesenheit meines Vaters in Berlin schwierig für mich. Bis dahin war er mein Leitstern gewesen und plötzlich nicht mehr da, ich war auf mich allein gestellt, was die Planung meines zukünftigen Lebens betraf. In all meinen Überlegungen, wie es nun weitergehen sollte, war er jedoch immer präsent für mich.
Nie vergaß ich, dass er sich während meiner Schulzeit regelmäßig Zeit für mich genommen hatte. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, ließ er mich neben sich sitzen, während er die Nachrichten im Radio leiser stellte, um sich meine Schulhefte anzusehen. Er lobte mich für meine Fortschritte und die Anstrengung, die ich zeigte, stellte Fragen zu meinen Gedankengängen und bot seine Hilfe an, wo ich sie benötigte. Ich fühlte mich von ihm wertgeschätzt, gesehen und gehört. In seiner Gegenwart fühlte ich mich ermutigt, weiterzumachen und mich stets zu fragen: »Was kommt als Nächstes?«
Was mein Vater mir mitgegeben hatte und worauf ich mich in den folgenden Jahren immer verlassen konnte, war die Einstellung, dass sich harte Arbeit auszahlt. Früh hatte er mich gelehrt, mir Ziele zu setzen und immer nach mehr zu streben. Die Einflüsse sowohl meines Vaters als auch meiner Mutter halfen mir, in Deutschland meinen neuen Weg zu gehen.
Das war nicht immer leicht. Besonders in der Schule wurde mir bewusst, dass ich mich nun in einer völlig neuen Realität behaupten musste. In Sambia war ich eine der besten Schülerinnen gewesen, in Berlin gehörte ich nun zu den schlechten. Die Grundschule verließ ich mit einer Empfehlung für die Realschule, die mich auf die mittlere Reife vorbereiten sollte. Ich weigerte mich jedoch, auf die Realschule zu gehen, und konnte durchsetzen, dass ich auf die Gesamtschule kam, die es mir ermöglichte, Abitur zu machen. Denn mein Ziel war genau das – Abi!
Doch es reichte nicht. Ich verließ die Gesamtschule nach der zehnten Klasse mit einer Empfehlung für das Gymnasium. Nach dem zweiten Anlauf in der elften Klasse gab ich frustriert auf, ging ab und startete ein Freiwilliges Ökologisches Jahr bei einer Demeter-Großbäckerei. Die Arbeit im Büro machte mir Spaß und inspirierte mich dazu, Bürokauffrau zu werden. Die Bäckerei hätte mich gern als Azubi behalten, konnte mir jedoch keinen Ausbildungsplatz anbieten. Einen anderen fand ich nicht, also wurde ich in eine sogenannte Übungsfirma vermittelt, wo all jene landeten, die auf dem freien Arbeitsmarkt keinen Ausbildungsplatz fanden – mehrheitlich waren wir junge Menschen mit Migrationsgeschichte. In der Übungsfirma schoben wir Waren und Dienstleistungen auf dem Papier hin und her und übten die Abwicklung. Ich stellte fest, dass Bürokauffrau mir lag, auch wenn es mich etwas langweilte. Doch ich dachte an meinen Vater und entschied mich, nicht aufzugeben. Irgendein Schein ist besser als kein Schein! Dass ich die Ausbildung um ein halbes Jahr verkürzen durfte, weil sie mir so leichtfiel, motivierte mich, wieder größer zu denken. Vielleicht war ich doch geschaffen fürs Abitur?
Nach der Ausbildung meldete ich mich auf einer Schule an, die mich auf das Wirtschaftsabitur vorbereiten sollte. Als ich das Fachabi mit 1,9 in der Tasche hatte, schrieb ich mich an einer Fachhochschule für BWL ein. Und ahnte schnell, dass das mit dem Studium eine harte Nuss werden würde! Nicht inhaltlich, sondern finanziell. BAföG bekam ich keins, es stand mir nicht zu, weil meine Eltern nie in Deutschland gelebt hatten. Dass der gleiche Staat meine gesamte Schullaufbahn ab der dritten Klasse, einschließlich Ausbildung und Abitur, finanziert hatte, tat dabei nichts zur Sache.
Nach zwei Semestern sah ich ein: Ein neuer Plan musste her. Ich konnte immer sehr gut sagen, was ich nicht wollte, doch das gab mir keine Antwort auf die Frage, was ich werden wollte. Als ich mir mal wieder den Kopf zermarterte, was aus mir und meiner Zukunft werden sollte, rief mich ein Kumpel an, und ich klagte ihm mein Leid. »Was ist eigentlich mit Musik? Du hast doch in diesem Bereich schon so viel gemacht«, warf er ein. Und plötzlich wusste ich: Er hatte vollkommen recht. Dass es Jobs gab, die mit meinem Hobby zu tun hatten, war mir bis dahin gar nicht in den Sinn gekommen. Mein neues Ziel war geboren. Ich wollte bei einem Musiklabel anfangen … und reichte zwei Wochen später meine Bewerbungsunterlagen für ein Praktikum in Frankfurt ein.
Es war mein Traumjob, in meiner Traumfirma und der Ausweg aus meiner finanziellen Misere. 1000 Mark Praktikumsgehalt reichten aus, um meine Miete, Versicherung und Fahrkarte zu bezahlen. Mit Schwung warf ich mich in diese Herausforderung und arbeitete mich von der Praktikantin über die Marketing- und A&R-Assistentin bis zur Produktmanagerin hoch. Ich liebte einfach alles an dieser Branche: Musik abhören, Fotosessions organisieren, Styling, Marketingstrategien entwickeln, Videodrehs, die Kommunikation mit den Künstler:innen. Dazu kam der Zugang zu großartigen Events, Konzerten und ein neues Netzwerk mit lauter Kreativen. Von Anfang an übernahm ich Verantwortung und konnte mich in viele Richtungen austoben.