Endlich guter Sex - Monika Büchner - E-Book

Endlich guter Sex E-Book

Monika Büchner

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Beschreibung

Millionen von Frauen und Männern leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter Phasen von sexuellen Sorgen, Störungen, Problemen. Manche Menschen belasten diese sogar über Jahrzehnte. Die gute Nachricht ist: Guten Sex kann man lernen!Die erfahrene Sexualtherapeutin Monika Büchner berichtet in diesem Buch leicht und ermutigend über die häufigsten Fälle und Themen aus ihrem Praxisalltag: Vaginismus, Orgasmusschwierigkeiten, frühzeitige Ejakulation, Erektionsstörungen, Leistungsdruck, Pornosucht, Lustlosigkeit, unterschiedliche Vorlieben zwischen Mann und Frau, Sexualität im Alter ... Sie klärt auf, gibt Antworten und zeigt, wie Männer, Frauen, Paare es schaffen, in eine freudvolle Sexualität zu finden. Mit vielen realen Fallgeschichten macht sie die Inhalte lebendig und greifbar.In den 12 Kapiteln des Buchs befasst sich die Autorin mit folgenden Themen:- Vaginismus: Meine Scheide ist verschlossen und versiegelt- Frühzeitige Ejakulation: Hilfe, ich komme viel zu schnell- Secret Life: Ich führe ein Doppelleben- Die fünf häufigsten Irrtümer: Wenn Sex in der Realität anders ist als gedacht- Selten Sex: Wir sind ein gutes Team, aber - Keine Lust: Kann ich als Frau Erregung noch lernen?- Weibliche Lust: Die häufigsten Fragen der Frauen- Männliche Lust: Die häufigsten Fragen der Männer- Erektile Dysfunktion: Mein Penis führt ein Eigenleben- Mann und Frau: Unterschiede, die alle kennen sollten- Sex und Alter: Frust oder lieber Lust?- Fit for Sex: Ein Trainingsprogramm für jedes Alter

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Seitenzahl: 366

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Monika Büchner

ENDLICHguterSEX

Fälle aus der Praxiseiner Sexualtherapeutin

Die Ratschläge in diesem Buch sind von der Autorin sorgfältig erwogen und geprüft worden. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens der Autorin. Eine Haftung der Autorin und ihrer Beauftragten für Personen-, Sach-, und Vermögensschäden ist ebenfalls ausgeschlossen.

Die Autorin weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text erhaltene externe Links von der Autorin nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat die Autorin keinerlei Einfluss. Eine Haftung der Autorin für externe links ist daher ausgeschlossen.

Monika Büchner

c/o Block Services

Stuttgarter Straße 106

70736 Fellbach

Copyright © 2021 Monika Büchner

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Ursula Kollritsch, sommerfrisch

Umschlaggestaltung: OOOGRAFIK, Corina Witte-Pflanz

Bildquellen: © beaubelle, © SpicyTruffel, Adobe Stock

Autorenfoto: © Paula Hoyer

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-98594-304-3

Inhalt

Am Anfang steht ein erster mutiger Schritt

1. Vaginismus – Meine Scheide ist verschlossen und versiegelt

2. Frühzeitige Ejakulation – Hilfe, ich komme viel zu schnell

3. Secret Life – Ich führe ein Doppelleben

4. Die fünf häufigsten Irrtümer – Wenn Sex in der Realität anders ist als gedacht

5. Selten Sex – Wir sind ein gutes Team, aber …

6. Keine Lust – Kann ich als Frau Erregung noch lernen?

7. Weibliche Lust – Die häufigsten Fragen der Frauen

8. Männliche Lust – Die häufigsten Fragen der Männer

9. Erektile Dysfunktion – Mein Penis führt ein Eigenleben

10. Mann und Frau – Unterschiede, die alle kennen sollten

11. Sex und Alter – Frust oder lieber Lust?

12. Fit for Sex – Ein Trainingsprogramm für jedes Alter

Anhang

Am Anfang steht ein erster mutiger Schritt

Jeden Tag kommen Männer, Frauen, Paare durch die Tür meiner Praxis. In sich tragen sie alle den sehnlichsten Wunsch, dass ihre Sexualität (wieder) freudvoller wird. Dass auch sie endlich Sexualität – mit allen Sinnen und ganzem Herzen –genießen können.

Es klingelt, ich drücke auf den Türöffner. Ich höre, zwei Etagen tiefer geht die Haustür auf. Schritte nähern sich durch das Treppenhaus. Manche sind schnell, leicht und federnd. Die allermeisten sind langsam, zögerlich, tastend. Dann erblicke ich die dazugehörige Person. Ich stehe in der offenen Tür, sie schaut mich an. Der Blick verschlossen oder eingeschüchtert lächelnd. Ich begrüße freundlich und sage meinen Namen. Die Person tritt ein, hängt die Jacke an die Garderobe. Ich bitte in mein Arbeitszimmer. Lade dazu ein, auf der roten Couch Platz zu nehmen oder auf einem Stuhl. Fast alle wählen die Couch. Ich lade dazu ein, erst mal in diesem Raum des Vertrauens anzukommen. Sich ein Kissen für den Rücken zu nehmen, falls nötig. Wir sitzen uns gegenüber. Ich sitze auf einem Stuhl mit einer geflochtenen Bespannung, das ist bequem und habe selbst ein Kissen im Rücken, das gibt mir Halt.

Jeder, der hier sitzt, ist schon mal eins: richtig mutig. Dieser Weg fällt jedem Menschen schwer. Egal ob Mann oder Frau. Es ist für alle schwer, zuzugeben: Ich habe ein sexuelles Problem. Es geht nicht mehr so weiter. Ich kann es nicht mehr ignorieren. Ich will ein besseres, ein leichteres, ein schöneres Leben haben mit freudiger Sexualität. Ich will Sexualität genießen. Und ich will auch, dass mein Partner, meine Partnerin mit mir zusammen Sexualität genießt. Lange habe ich versucht, es einfach zu ignorieren und gehofft, das wird schon besser mit der Zeit. Aber es wurde nicht besser. Nun bin ich hier. Können Sie mir helfen? Kann es (wieder) lustvoll werden? Was kann ich tun?

Da ist der junge Mann, der schnell und dynamisch die Treppen heraufspringt. Die Jacke lieber anbehält. Er sieht gut aus, sicher ein Frauenschwarm. Nun sitzt er vor mir, der Körper unter Hochspannung, die Hände ineinander verknotet. »Ich komme zu schnell«, sagt er. »Deshalb hat mich meine Freundin verlassen. Es gab ständig Streit. Auch weil ich danach jedes Mal so wütend war. Es wurde immer schlimmer. Was kann ich tun? So werde ich niemals glücklich werden.«

Da ist die junge Frau, die offen zugibt: »Mir macht Sexualität überhaupt keine Freude.« Bei manchen Klientinnen geht es so weit, dass sie sogar nicht die geringste Penetration ertragen können, das nennt man Vaginismus. »Ich bin froh, wenn es vorbei ist. Ich spiele mit, damit es bei ihm schneller geht. Ich habe die Nase voll, von diesem Sex, das ist nichts für mich. Ich überlege manchmal, mich zu trennen. Gibt es da Hoffnung? Was kann ich tun? Ich liebe ihn, und wir sind sonst ein richtig gutes Team.«

Da ist der ältere Mann, der erzählt: »Meine Frau möchte schon seit Jahren keinen Sex mehr. Was kann ich tun? Ich fühle mich fit und dynamisch. Soll das nun alles gewesen sein? Ich habe schon überlegt, mal eine Prostituierte aufzusuchen. Oder vielleicht gibt es Frauen in der gleichen Situation? Eine Affäre wäre denkbar. Oder könnte es doch noch etwas werden, mit dem gemeinsamen Sex mit meiner Partnerin?«

Die Wahrheit ist. Für viele Frauen und Männer ist es gar nicht so einfach mit der Sexualität. Manchmal entwickelt sie sich anders als erträumt. Und überall wird suggeriert, man müsse tollen Sex haben, sonst wäre man nichts und das Leben schlecht.

Sex muss man lernen, so wie fast alles andere auch. Auch die unter uns, die eine unbeschwerte Sexualität genießen, haben es gelernt. Als Kind, durch Wahrnehmen von unwillkürlichen Körperreaktionen des Geschlechtsorgans, dem spielerischen Erforschen von Reiz und Reaktion, dem damit einhergehenden Aufbau von Kontrolle über das Reaktionsmuster. Als Teenager, als junger Erwachsener, als reifer Mensch. Immer wieder, ohne es zu merken, haben sie gelernt und ihre Sexualität weiterentwickelt, an neue Situationen angepasst, vertieft. Natürlich nicht so, wie man in der Schule lernt. Sondern durch Neugier, Ausprobieren, durch Erfolge und Misserfolge, durch das Perfektionieren des Erfolgreichen, und das alles immer wieder aufs Neue. Bei manchen Menschen gab es Hemmungen, Hindernisse, Missverständnisse, fehlerhafte Erkenntnisse und dieser Lernprozess konnte nicht gut funktionieren. Dafür gibt es Sexualberaterinnen, Sexualberater und Sexualcoaches wie mich, die Nachhilfe geben. Denn die gute Nachricht ist: Wenn man Sex lernen muss, bedeutet es auch, dass man Sex lernen KANN!

Ich habe mit vielen Frauen, Männern, Transsexuellen, Paaren gearbeitet, welche ihre Probleme auflösen konnten. Manchmal waren die Lösungen dort, wo man sie anfänglich gar nicht vermutet hätte. Manchmal brauchte es Kreativität und eine Prise Zuversicht. Immer brauchte es disziplinierte Übung und Durchhaltevermögen.

In diesem Buch berichte ich nun über die häufigsten Fälle von sexuellen Themen, die mir in meiner sexologischen Praxis begegnen. Ich habe es geschrieben, um allen Menschen, die direkt oder indirekt von sexuellen Problemen betroffen sind, Mut zu machen. Ich möchte sie informieren, ihnen helfen, mehr Klarheit zu gewinnen, ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind und Einblicke gewähren, wie sie es schaffen können, ihre Probleme aufzulösen und ihr Sexualleben zu verändern.

Damit die Liebe Freude macht!

1 Vaginismus – »Meine Scheide ist verschlossen und versiegelt«

Gabi (26): »Ich bin jetzt seit vier Jahren verheiratet und habe noch nie Sex gehabt. Ich meine richtigen Sex, mit Geschlechtsverkehr, mit Penetration. Nicht ein einziges Mal. Meine Vagina verkrampft so sehr, dass sie völlig zumacht. Und ich kann nichts dagegen tun, das entzieht sich komplett meiner Kontrolle. Das ist nicht normal! Ich bin nicht normal! Ich bin verzweifelt. Mein Mann hat ja viel Geduld mit mir. Aber so langsam fällt uns nichts mehr ein. Die Zeit vergeht, und nichts wird besser. Zu Anfang haben wir noch gedacht, das gibt sich von allein, wenn wir uns erst mal besser kennen. Aber es blieb alles, wie es war. Keine Veränderung. Im Gegenteil. Wie streiten nur noch, es wird immer schlimmer.«

Gabi litt unter Vaginismus. Um sich vorstellen zu können, was das bedeutet, machen Sie einmal folgendes Experiment: Nehmen Sie ihre Hand und bilden eine lockere Faust. Blicken Sie auf die Öffnung, die sich in der Mitte der zusammen gefalteten Finger bildet. Nehmen Sie den Zeigefinger der anderen Hand und gleiten behutsam und langsam in die Öffnung hinein. Der Finger fühlt das Innere der Hand, die Haut, Knochen, Falten. Und die Hand spürt den tastenden Finger. Je lockerer Ihre Faust ist, desto entspannter das Innere. Spannen Sie nun probeweise die Hand ein wenig an und lassen wieder locker. Fühlen Sie die unmittelbare Auswirkung auf den Finger? Ziehen Sie den Finger wieder heraus und schließen die Faust. Pressen Sie die Finger fest zusammen. Fühlen Sie die Kraft der Muskeln in Hand, Unterarm, Oberarm, vielleicht sogar im Oberkörper? Spannen Sie noch etwas fester an. Was macht Ihre Atmung? Die Öffnung ist geschlossen. Tasten Sie mit dem Zeigefinger behutsam darüber. Versuchen Sie, mit der Fingerspitze durch die Öffnung zu kommen. Keine Change. Alles zu. So viel Kraft wie eine Hand hat auch der Beckenboden.

So kann es sich auch in etwa anfühlen für die Scheide einer Frau, die unter einer schweren Form der sexuellen Funktionsstörung, dem Vaginismus, leidet. Sobald sich irgendetwas, ein Finger, das Spekulum eines Arztes oder ein erigierter Penis dem Scheideneingang nähert, entsteht Angst oder sogar Panik, der Beckenboden spannt reflexartig an, die Scheide macht zu. Die Betroffene hat darüber keinerlei Kontrolle, das Anspannen geschieht unwillkürlich. Sie können jetzt Ihre Hand ganz einfach öffnen. Vielleicht möchten Sie diese ein wenig ausschütteln, um sie zu lockern. Ihre Hand hat keinerlei Angst davor, dass es Schmerzen verursachen könnte, wenn sie sich öffnet. Im Gegenteil. Es tut gut, die Spannung aufzulösen. Aber was passiert bei Vaginismus?

Die Angst vor dem Eindringen

Jetzt gebe ich Ihnen eine Vorstellung, die Sie danach bitte gleich wieder abschütteln. Stellen Sie sich vor, sobald Sie der Faust erlauben, sich zu öffnen, würde ein langes, spitzes Messer hineinstechen. Was macht die Hand? So reagieren der Körper und die Psyche bei Vaginismus. Die Scheide macht zu. So zu, wie es nur geht. Angst oder sogar Panik verbreiten sich. Aus Angst vor Schmerzen oder Verletzungen spannen sich die Beckenbodenmuskeln an, ein Eindringen ist nicht möglich. Das Anspannen ist ein Reflex, die betroffene Frau hat keinerlei Kontrolle darüber.

Ich habe im Laufe der Jahre mit vielen Frauen gearbeitet, die unter dieser Angststörung litten. Ich bin nicht normal, das höre ich immer wieder von Frauen, die mit dem Thema in meine Praxis kommen. Die einfachste Sache von der Welt kann ich nicht. Warum ist das bei mir so? Viele dieser Frauen sind verzweifelt. Bei einigen geht es darum, ihre Partnerschaft zu retten, bei anderen darum, überhaupt einen Partner zu finden oder ihm näherzukommen. Wieder andere wünschen sich nichts sehnlicher als endlich Kinder.

Kann man Vaginismus lösen?

Mein persönlicher Ansatz als Sexualtherapeutin beruht auf der Verbindung von Coaching und Körperarbeit, von Bewusstmachung und Übungen und hilft dabei, angstbesetzte Vorstellungen durch real erlebte positive Wahrnehmungen zu ersetzen. Die Hälfte meiner bisherigen Klientinnen konnte Ihre Angst vollständig auflösen und ein erfüllendes Sexleben beginnen. Für ein weiteres Viertel der Frauen konnten die Beschwerden zwar nicht vollkommen aufgelöst, aber deutlich gelindert werden, indem sie einen natürlicheren und positiveren Umgang mit Sexualität lernten. Bei etwa einem weiteren Viertel zeigten sich leider kaum Veränderungen. Die große Angst vor dem Eindringen blieb. Es war diesen Frauen immer noch kaum oder nicht möglich, das eigene Geschlecht zu berühren, anzuschauen, zu erkunden, zu stimulieren. Spätestens dann war eine Psychotherapie ratsam, um seelische Ursachen tiefer zu ergründen. Parallel mussten sie zuerst einmal lernen, das Thema in ihr Leben und auch in ihr Liebesleben zu integrieren. Neue, kreative Wege zu finden und das Beste daraus zu machen, um den Druck herauszunehmen. Bis vielleicht eines Tages der Weg frei sein würde für einen neuen Anlauf. Wie eine Vaginismus-Therapie verlaufen kann, schildere ich im Laufe des Kapitels im Rahmen konkreter Fallgeschichten.

Wer ist von Vaginismus betroffen?

Meine Klientinnen sind in der Regel so verschieden wie die Ausprägungen ihres Problems. Da gibt es Frauen mit wenig Wissen über Sexualität sowie informierte Akademikerinnen. Frauen mit Migrationshintergrund ebenso wie ohne. Jüngere Frauen und ältere. Bei einigen ist das Problem von Anfang an da (primärer Vaginismus), bei anderen tritt es erst im Laufe des Lebens auf (sekundärer Vaginismus). Nora zum Beispiel konnte den Vaginismus nicht auflösen und dennoch glückliche Mutter werden. Gabi, die Panik hatte vor allem, das sich ihrem Unterleib näherte, konnte ihm Laufe der Sexualtherapie den Vaginismus lösen. Oder Heidi, die zwar Sexualität mit ihrem Partner genießen konnte, aber ohne Vereinigung. Dann Lilli, die 20 Jahre unsensiblen Sex durchlitten hatte, und deren Schmerzen bei der Vereinigung sich erst nach der Scheidung vollständig auflösen konnten.

Welche Formen von Vaginismus gibt es?

Vaginismus kann verschiedene Ausprägungen haben, diese werden unter der Bezeichnung Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörungen zusammengefasst. (Nora sagt, diese Bezeichnung sei ihr viel sympathischer als Vaginismus. Vaginismus klinge so hart. Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung sei eine weicher klingende Zustandsbeschreibung. Da hat sie recht, allerdings ist Vaginismus prägnanter.)

Variante 1:Bei Angst verschließt der Beckenboden die Scheide so fest wie die zusammengepressten Finger bei unserer Übung mit der Faust. Selbst eine gynäkologische Untersuchung ist nicht möglich. Variante 2:Die Scheide wird zwar als sehr eng empfunden, es darf jedoch unter bestimmten Umständen etwas eindringen, zum Beispiel der eigene Finger, ein Tampon oder ein schmales Spekulum des Arztes. Variante 3:

Dyspareunie, ein Penis kann zwar eindringen, bereitet aber Schmerzen. Diese Schmerzen können verschieden sein in Art und Stärke. Manche Frauen erleben ein Stechen, ein Pochen oder ein starkes Brennen, das sie zunächst gar nicht mit dem Begriff Vaginismus in Verbindung bringen.

Bei allen Varianten ist als Erstes beim Gynäkologen, bei der Gynäkologin abzuklären, welche körperlichen Ursachen es dafür geben könnte. Auch wenn eine Untersuchung nicht möglich sein sollte, kann über den Zustand gesprochen werden. Es ist nämlich zu prüfen, ob organische Hindernisse vorhanden sein könnten, welche die Schleimhaut, das Geschlechtsorgan oder den Beckenboden betreffen. Selten kann auch ein starkes Jungfernhäutchen ein Eindringen verhindert. Wobei in diesem Fall die große Angst vor dem Eindringen, welche für einen Vaginismus charakteristisch ist, nicht vorhanden wäre.

Ist ein Liebessleben trotz Vaginismus möglich?

Das Liebesleben kann durch die sexuelle Funktionsstörung zwar beeinträchtigt sein, ist aber durchaus möglich. Viele Frauen haben gelernt, mit dem Problem umzugehen, hoffen aber darauf, dass es sich irgendwann einmal von allein auflöst. Sie haben zwar Freude am Sex, aber große Angst vor dem Eindringen des Penis. Manch eine Frau erreicht durch die Stimulation der Klitoris durchaus einen Orgasmus, aber die Scheide bleibt außen vor.

Maja berichtet: »Ich liebe es, wenn mein Mann mit seiner Hand meine Klitoris stimuliert und erlebe dabei einen wunderbaren Orgasmus. Wenn er jedoch ein paar Millimeter weiter zum Scheideneingang tastet, dann bekomme ich sofort Angst. Ich werde steif, mein ganzer Körper spannt sich an, und ich rücke von ihm fort. Das kennt er schon. Aber ab und zu tastet er trotzdem Richtung Scheide, um zu prüfen, ob sich etwas verändert hat. Ja, wir haben schönen Sex, indem wir uns gegenseitig verwöhnen. Aber er sowie ich wünschen uns endlich eine Vereinigung.«

Welche Ursachen kann es geben?

Warum kann ein Eindringen in die Vagina so überaus bedrohlich wirken? Es kann viele Gründe geben, die zu Angst vor dem Eindringen führen. Ich schreibe hier von meinen Erfahrungen aus der Sexualtherapie, der Arbeit mit Menschen und erhebe keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit oder Allgemeingültigkeit. Eine wichtige Frage erscheint mir stets, welche Vorstellungen über Erotik und Sexualität wurden dem heranwachsenden Kind vermittelt? War Sexualität natürlich und positiv besetzt? Oder Sünde und verboten? Erhalten ein Mädchen oder ein Junge beispielsweise ständig negative Mitteilungen über das eigene Geschlecht und die Beschäftigung damit, kann die Angst davor immer größer und immer unrealistischer werden. Viele betroffene Frauen sprechen von einem sexualfeindlichen Klima in der Familie, in dem jedes Wahrnehmen des eigenen Körpers verboten war.

Nora berichtet, alles was mit »dem Unterleib« oder Sexualität zusammenhing, war in der Familie tabu. Eine Frau, die einen Rock trug, der eine Handbreit überm Knie endete, galt als »Nutte«. Als Kind berührte sie ihr Geschlecht über der Schlafanzughose. Diese war an dieser Stelle öfter durchgescheuert und die Mutter musste nähen. Sie tat es, aber mit abwertenden Kommentaren. Nora entwickelte ungeheure Scham. Ihr eigenes Geschlecht blieb ihr fremd. Sie hatte die ständigen Abwertungen und Ermahnungen so verinnerlicht, dass sie im Erwachsenenalter nicht mehr in der Lage war, ihr Geschlecht zu berühren. So als würde es nicht dazugehören. Sie konnte einfach keine Verbindung aufbauen zwischen den erotischen Fantasien in ihrem Kopf und ihrer Vagina. Ihren Vaginismus konnte sie nicht auflösen. Aber sie wurde dennoch Mutter. Wie das möglich war, werden Sie in der Fallgeschichte erfahren.

Umgekehrt kann auch zu viel Freizügigkeit die Seele eines Kindes oder Heranwachsenden belasten. Heidi erinnerte sich zunächst an nichts Besonderes, was beeinträchtigt haben könnte. Sexualität schien völlig frei zu sein in ihrem Elternhaus, allerdings freier als ihr lieb war. Die Eltern liefen nackt durchs Haus, deshalb brachte sie niemals Freunde mit. Als sie als Pubertierende den Vater nicht mehr nackt Zähneputzen sehen wollte und seine Badezimmertür schloss, nannte er sie prüde. Abends, wenn die Eltern sich liebten, hörte sie lautes Stöhnen durch die Wand. Und sie schämte sich. Sie fühlte sich allein. Verschloss sich immer mehr auch vor sich selbst. Zum Glück lernte sie bald ihren Freund kennen, war immer öfter bei ihm. Das war ihre Rettung, sagt sie. Sie zog nach kurzer Zeit zu ihm, und die beiden hatten viele Jahre lang eine vertrauensvolle und harmonische Partnerschaft. Erotik war zwar möglich und schön, aber Geschlechtsverkehr gelang nicht. Sobald er sich dem Scheideneingang näherte, geriet sie in Panik. Sie trennten sich nach vielen Jahren als gute Freunde. Heidi kam ins Coaching, nun wollte sie sich endlich um sich selbst kümmern. Sie konnte im Laufe unserer Zusammenarbeit den Vaginismus vollständig auflösen. Wie das gelang, davon berichte ich in der Fallgeschichte.

Weitere Frauen, mit denen ich arbeitete, haben sexuellen Missbrauch durchlitten. Dann braucht es in der Regel besonders viel Zeit und Vertrauen, um den Vaginismus aufzulösen. Dann müssen wir in der Körperarbeit in sehr kleinen Schritten vorwärtsgehen. Die Klientin möchte jede neue Erfahrung in aller Ruhe auf sich wirken lassen, um dann eventuell einen nächsten Schritt zu wagen.

Es kann viele Gründe geben, die Freude am Geschlechtsverkehr verhindern und auch viele Wege, die zu einer neuen Zufriedenheit führen können. Ich möchte nun anhand vier eindrucksvoller Fallgeschichten von mutigen Klientinnen einen Einblick in die Realität des Vaginismus teilen.

Fallgeschichte: Gabi (26) »Ich bin seit vier Jahren verheiratet und noch Jungfrau.«

Während des Erstgespräches sitzt Gabis Ehemann neben ihr auf der Praxiscouch. Er sitzt an das Polster gelehnt, die Hände gefaltet. Sagt kaum etwas. Ich kann sehen, dass er sich unwohl fühlt. Er schaut meistens zur Wand oder zum Boden. Es ist ihm offensichtlich sehr peinlich, hier zu sitzen. Sein sexuelles Eheleben hat er sich sicher anders erträumt. Gabi berichtet, dass sie beide keinerlei Erfahrungen hatten, als sie heirateten. Das mit dem Sex klappt leider gar nicht. Sobald sich sein Penis ihrer Scheide nähert, entsteht Panik bei ihr. Ihr ganzer Körper spannt sich an, sie weicht zurück und gibt angstvolle Laute von sich, was ihn wiederum zurückweist. Diese Reaktion kann sie leider nicht überwinden. Gleichzeitig schämt sie sich dafür. Alle ihre Schwestern haben Kinder. Nur sie nicht. Die Mutter fragt häufig, warum nicht? Deshalb ist sie hier. Ich frage, ob es denn Zärtlichkeiten gibt zwischen ihnen? Ob sie sich gegenseitig streicheln? Sie schaut auf ihren Mann. Er schaut zur Wand. Eher nicht.

Zum nächsten Termin kommt Gabi allein. Das ist mir recht, so kann Gabi offen sprechen. Selbstbefriedigung kennt sie nicht, aber Erregung schon. Als sie sich kennenlernten, fand sie ihren Mann sofort sehr attraktiv und spürte ein angenehmes Kribbeln im Unterleib. Das änderte sich erst, als er ihr nahekam. Sie hat eine wichtige Frage an mich und beugt sich vor ...

Kann sich ein Mann in Erregung steuern?

»Hat er die Kontrolle?« Ich frage, was sie genau meint? Sie sagt: »Wenn er eindringt, kann er dann steuern, wie er sich bewegt? Oder geht das automatisch hin und her, bis er ejakuliert? Kann er stoppen? Kann er auch langsam machen? Hat er die Kontrolle? Oder hat ein Mann keine Kontrolle, wenn er erregt ist?« Ich antworte ihr, dass Erregung durchaus eine große Kraft ist, die den Mann oder auch die Frau durchströmt und das Hirn auch mal umnebeln kann. Aber ein Mann hat durchaus die Kontrolle, auch in Erregung, wenn er das will. Er kann ganz langsam eindringen, er kann stoppen oder weitermachen. Auch für einen Mann ist es angenehm, sich Zeit zu lassen und zu genießen. Denn je langsamer, desto mehr fühlt er. Ich frage, wie sie denn darauf komme, dass er keine Kontrolle haben könnte?

Ihre Gedanken schweifen ab in ihre Vergangenheit: Sie war ungefähr zwölf. In dem kleinen Dorf, das früher ihre Heimat war, sollte eine Hochzeit gefeiert werden. Die Frauen waren bei den Vorbereitungen, saßen im Kreis und schnippelten dies und das. Dabei sprachen sie über das Fest, die Braut, den Bräutigam und über die bevorstehende Hochzeitsnacht. Zunächst machten die Frauen nur vage Andeutungen. Doch so langsam steigerten sie sich hinein, eine übertrifft die andere. Sie berichten sich gegenseitig von ihren schrecklichen Erlebnissen, während der Hochzeitsnacht. »Bum, bum, bum«, Gabis Stimme ist laut. Die Handfläche der einen Hand schlägt hörbar auf die Faust der anderen. »Bum, bum, bum! So ist es, wenn er eindringt. Das Jungfernhäutchen reißt. Immer weiter bum, bum, bum.« Sie breitet die Arme aus. »Und alles voller Blut.« Sie lässt die Arme sinken. Tränen strömen aus ihren Augen. Sie sucht in ihrer Tasche. Erschrocken springe ich auf und reiche ihr ein Papiertaschentuch. Schenke ein Glas Wasser ein. Erst mal Beruhigung.

Ich sage, Sexualität kann ganz anders sein. Zart und behutsam. Langsam. Intim. Tastend. Ein Jungfernhäutchen, das die Scheide verschließt, gibt es bei den allermeisten Frauen gar nicht. Denn sie ist schon offen. Im Mutterleib, in einer frühen Phase der embryonalen Entwicklung, ist die Scheide noch geschlossen. Das Häutchen öffnet sich bereits vor der Geburt. Die Reste des Häutchens umranden die Vaginalöffnung wie ein Kranz (Korona, Hymen, Scheidenkranz). Wie alles andere am Körper, sind auch Hymen verschieden. Bei manchen Frauen ist der Schleimhautsaum etwas fester, bei anderen weicher. Er wird sich im Laufe der Zeit während der Sexualität immer weiter dehnen. Der Beweis dafür, dass die Scheide schon offen ist, ist die Menstruation, die sonst nicht abfließen könnte. Bleibt eine Scheide geschlossen, was äußerst selten vorkommt, wird das Hymen durch einen kleinen chirurgischen Eingriff geöffnet. Wie sich dein Hymen anfühlt, kannst du mit deinem Finger prüfen. Es braucht also gar keine Verletzungen zu geben, wenn sich das weibliche Geschlechtsorgan entspannt. Streicheln ist wunderbar. Zärtlichkeiten sind wunderbar. Dass da ein blutiges Tuch aus dem Fenster gehängt werden kann, ist keine Realität. Das ist ein Mythos. Da wurde wohl sogar Blut von armen Tieren genommen, damit das drastischer wirkt.

Sie spricht davon, dass es Ärzte gäbe, die für viel Geld Botox in die Scheide injizieren, um die Vagina zu betäuben und so die Penetration möglich zu machen. Sie habe daran gedacht, ob das eine Lösung sein könnte. Was ich davon halten würde? Nichts, sage ich. Denn es geht ja gerade darum, dass das weibliche Geschlecht Vertrauen gewinnt und im Laufe der Zeit lernt, immer differenzierter zu fühlen, damit die Angst abnimmt vor dem Unbekannten. Eine Penetration in eine betäubte Vagina wäre ja genau das Gegenteil. Ich empfehle, behutsamen Hautkontakt auszuprobieren, zunächst einmal beim gegenseitigen Streicheln. Das ist der Anfang. Dann Erotik ganz langsam und in kleinen, achtsamen Schritten zu beginnen. Alles ist gut, was Körper und Seele entspannt. Ich bespreche mit ihr, was sie selbst tun kann, um sich zunächst einmal selbst kennenzulernen.

Das Paar-Coaching

Nach drei Einzelterminen kam ihr Mann wieder mit, und das war gut. Dieses Mal wirkte er entspannter. Nun ging es vorwärts. Seine Präsenz und Aufmerksamkeit waren gefragt. Wir besprachen die Hausaufgaben, die sie zu Hause durchführen sollten. Erst mal der Austausch von Streicheleinheiten, Zärtlichkeiten ohne sexuellen Kontakt. Ohne Erregung. Ohne Druck. Erst mal sich gegenseitig kennlernen, beieinander ankommen.

Was so einfach klingt, war für die beiden durchaus gewöhnungsbedürftig. Das Licht war bisher immer ausgeblieben, nun ging es darum, genauer hinzuschauen. Zunächst einmal bei Kerzenschein. Er freute sich darauf. Sie war zurückhaltend. Sie mussten regelmäßig üben, mehrmals die Woche, egal ob ihnen danach war oder nicht. Sie mussten immer wieder Grenzen dehnen und neue Erfahrungen sammeln, stetig kamen weitere Herausforderungen hinzu. Zum Glück fanden beide großen Gefallen am gegenseitigen behutsamen Austausch von Zärtlichkeiten.

Im Laufe der Wochen wurde das Vertrauen größer, sie lernten sich körperlich immer besser kennen. Gabis Angst schmolz. Ich sagte, sie wären nun so weit. Nun könnten sie einen Schritt weitergehen. Sie sollten nun das weibliche Geschlecht einmal ganz genau betrachten, am besten mit Spiegel und Taschenlampe. Gabi brauchte ein paar Tage, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Dann war sie einverstanden. Sie hatte ja auch nichts zu verlieren, sondern alles zu gewinnen. Sie machten es sich im Bett bequem, Spiegel und Taschenlampe neben sich.

Der Blick auf die angstvolle Scheide

Warum ist das wichtig? Um ein Problem zu lösen, ist es von Vorteil, es ganz genau zu kennen. Es kann für einen Partner sehr berührend sein, den Vaginismus mit eigenen Augen zu erkennen, denn der Scheide sieht man in der Regel die Anspannung an. Sie wirkt dann wie von innen hineingezogen. Die äußeren Schamlippen pressen zusammen, die inneren verschwinden dazwischen. Der Scheideneingang ist manchmal kaum zu erkennen, zwischen dem angespannten Gewebe oder sehr fest zusammengekniffen. Kein Wunder, dass viele Frauen vermuten, dort drinnen sei viel zu wenig Platz für einen Penis. Aber eine Scheide kann sich lustvoll dehnen, dann, wenn sie entspannt ist.

In meiner Arbeit ist es für mich stets sehr berührend wahrzunehmen, wie sich das Aussehen eines weiblichen Geschlechts im Laufe eines Coachings komplett verändern kann. Zunächst zusammengezogen und fest, ein paar Monate später locker und entspannt. Das ist immer wieder ganz erstaunlich.

Warum ist es von Vorteil, wenn der Partner die angespannte Vagina mit eigenen Augen sieht? In der Regel wird ein Mann, der die Angst erkennt, vorsichtiger und einfühlender agieren. Das Problem ist nicht mehr nebulös, sondern wird ganz konkret erfassbar. Er erkennt die Not der Frau und kann mitfühlen. Er erkennt, es ist nicht so, dass sie nicht will, sie kann nicht. Das ist entlastend für beide und nimmt den Druck aus einem Liebesspiel. In der Regel ist das gemeinsame Anschauen der Vagina, ohne Erregung, ohne den Zwang irgendetwas Erotisches tun zu müssen und schon gar nicht, eindringen zu müssen, einfach nur um sich mit der Umgebung vertraut zu machen, am besten mehrmals hintereinander, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Auflösung des Problems.

Zurück zu Gabi. Gabi schämte sich. Es fiel ihr schwer, die nackte Vulva im Schein der Taschenlampe zu betrachten. Aber als sie die Scham einfach mal beiseite stellte und ihre Neugier aktivierte, so wie eine Forscherin beim allerersten Ausflug auf einem unbekannten Planeten, da veränderte sich etwas in ihr. Sie bekam Mitgefühl mit diesem kleinen unschuldigen Körperteil, das da verschreckt zusammenkniff. Bisher war sie wütend auf das nicht funktionierende Organ. Jetzt begriff sie, es kann ja nichts dafür.

Es brauchte drei Monate bis es möglich war, dass Gabis Ehemann seine Hand auf ihre nackte Scheide legen durfte und sie nicht angstvoll davor zurückschreckte, sondern die Berührung im Laufe der Zeit sogar genoss. Die warme Männerhand vermittelte nach einiger Zeit und viel Geduld sogar Geborgenheit. Es machte beiden Freude, die Geschlechtsorgane, das weibliche und das männliche, behutsam zu erkunden. Wie fühlt es sich an, wenn eine Fingerkuppe behutsam über die Schamlippen streichelt? Oder zwei Finger langsam die Klitoris umkreisen? Oder ein Finger still auf dem Scheideneingang liegt? Wie fühlte es sich an, wenn eine zarte Frauenhand sanft über den Penis gleitet? Behutsam über den Hoden streichelt? Mehrere Fingerkuppen federleicht auf der Eichel kreisen?

Es brauchte insgesamt neun Monate intensiver Arbeit, bis der erigierte Penis am Scheideneingang liegen durfte und Gabi dabei entspannt bleiben konnte. Sie erkannte, ja, mein Mann hat die Kontrolle. Ich bin stolz auf ihn. Und auch sie selbst hatte die Kontrolle. Sie war schon lange nicht mehr passiv und zurückgenommen, sondern konnte das Liebesspiel selbst aktiv gestalten. Sie nahm den Penis behutsam in die Hand, legte die Eichel an ihre Schamlippen. Bewegte ihren Körper ein ganz klein wenig, sodass eine winzige Reibung entstand. Dann führte sie die Eichel zur Klitoris, drückte ein wenig dagegen. Das war erregend. Und fand für sich die richtige Stellung: Sie lagen beide auf der Seite, hintereinander, um die Eichel ganz in Ruhe auf den Scheideneingang zu legen. Er ließ sie machen und bewegte sich kaum. Sie hörte sein leises Stöhnen hinter ihrem Ohr. Ein ganz klein wenig kam die Angst zurück. Sie atmete tief in ihren Beckenboden. Fühlte seinen warmen Körper ganz dicht hinter ihrem. Fühlte seine Erregung in ihren Händen, fühlte ihre eigene Erregung aufsteigen. Sollten sie es für heute dabei belassen und das nächste Mal weiter spielen? Gabi wünschte sich Vereinigung, und sie gelang.

Der letzte Termin. Der Ehemann lächelte die ganze Zeit. Beide wirkten wie frisch verliebte Teenager. Sie suchten dauernd Körperkontakt zueinander. Während sie auf der Couch saßen, lehnte sie an ihm. Er legte den Arm um ihre Schulter. Sie sagte, wenn ich das nächste Mal in meinem Heimatdorf bin, werde ich berichten, dass es schön ist.

Auch ich war glücklich über die gute Entwicklung meiner Klientin und ihres Mannes. Ich freute mich sehr, dass die gemeinsame Arbeit von Erfolg gekrönt war. Als die beiden zum ersten Termin in meine Praxis kamen, war ich nicht sicher, ob sie wirklich dran bleiben würden und dran bleiben könnten. Es ist ja für ein Paar, das so gut wie keine sexuellen Erfahrungen hat und noch dazu negative Vorurteile, nicht leicht, die eigenen Grenzen im Kopf immer wieder ein Stückchen zu dehnen. Es ist ja für viele Frauen und Männer, auch ohne Vaginismus, manchmal gar nicht so einfach, genau hinzuschauen und Geschlechtsorgane so selbstverständlich kennenzulernen wie einen Arm, ein Bein oder eine Hand.

Im nächsten Fall berichte ich von meiner Arbeit mit Heidi. Heidi genoss Erregung, hatte jahrelang eine aufmerksame und liebevolle Beziehung. Aber auch sie hatte panische Angst vor allem, was sich ihrer Scheide näherte. Das war nicht nur ein Problem für ihre Sexualität, sondern auch für die Dinge des Frauenalltags.

Fallgeschichte: Heidi (24)»Mein Körper hat Angst vor allem, was eindringen will.«

Heidi sagt, ihr wichtigstes Ziel sei es, eine gynäkologische Untersuchung möglich zu machen. Ihre Frauenärztin habe sie hergeschickt und ein Sexualcoaching empfohlen. Heidi habe panische Angst davor, dass eine gynäkologische Untersuchung wehtun könnte. Sie verkrampfe sofort. Ihre Vagina sei blockiert. Sie könne auch keine Tampons benutzen. Und »selbstverständlich« auch keinen Geschlechtsverkehr haben. Sie und ihr langjähriger Freund haben sich vor kurzem getrennt. Zurzeit ist sie froh, dass sie alleine ist. Sie will zunächst einmal klären, was mit ihrem Körper los ist. Ihr Ex-Freund war zwar stets verständnisvoll, trotzdem hat das Eindringen nie geklappt. Ihr Beckenboden verkrampfe sofort. Ihre Angst: Was passiert, wenn der Penis darin steckenbleibt? Ihr Herz rast. Sie hat Panik. Sie empfindet Wut. Wut auf sich selbst. Das kriegt doch jede Frau hin! Sie hat versucht, ihren eigenen Finger einzuführen. Das klappt nicht. Ja, Erregung ist da. Selbstbefriedigung tut gut. Es ist schön, die Klitoris zu stimulieren. Einen Orgasmus erreicht sie leicht. Durch ihre eigene Hand, durch die Hand des Ex-Freundes oder durch seinen Mund. Trotzdem hält die Scheide zu. Sie sagt, in der Scheide gibt es einen Widerstand. Sobald sie diesen fühlt, steigt Panik auf. Sex sei erregend, angenehm. Alles sei schön. Alles, außer Geschlechtsverkehr.

Ich frage, welches Verhältnis sie zu ihrem Körper hat? Fühlt sie sich in sich selbst zu Hause? Sie meint, sie fühle sich sehr weit weg von ihrem Körper. Sie fühlt sich in sich selbst nicht wohl. Auch habe sie Schuldgefühle ihrem Ex-Freund gegenüber, weil das mit dem Eindringen nicht klappte. Zwingen könne sie sich nicht, obwohl sie es sogar versuchte. Woher kommt die Angst? Sie weiß es nicht. Da ist ein Bild. Sie ist ein kleines Mädchen und spielt mit ihrer Freundin. Sie haben eine Luftpumpe und pusten sich gegenseitig Luft auf die Scheide. Ich frage, haben sie vielleicht versucht, die Luftpumpe einzuführen? Ist sie steckengeblieben? Sie sagt, sie weiß es nicht.

Sie sagt, das Vertrauen zu Jungs fällt ihr sehr schwer. Obwohl ihr Freund stets aufmerksam war. Sie hat Angst vor Kontrollverlust. Sie hat Angst, die Kontrolle zu verlieren, wenn der Mann erst mal erregt ist. Es falle ihr schwer, loszulassen. Sie sagt: »In intimen Verbindungen kann ich mich nie ganz gehen lassen, weil ich Angst habe, dass es wehtun könnte.«

Ich beruhige Heidi. Wir werden zunächst einmal den Körper in aller Ruhe und ohne Druck erkunden. Damit sie ihren eigenen Körper zunächst einmal in aller Ruhe kennenlernen kann.

Die Körperarbeit

Sie liegt mit Sporthose und T-Shirt bekleidet auf der Liege. Ich stehe daneben. Ich sehe, dass Kiefer, Hals, Oberkörper und Bauch angespannt sind. Der Atem fließt flach, Brust und Bauch heben sich kaum. Ich frage, ob ich meine Hände auf den Körper legen darf. Ich darf. Ich lege eine Hand auf ihren unteren Bauch, die andere auf das Brustbein. Ich spüre in den Körper hinein, spüre die Körperspannung unter meinen Händen. Ich frage, was fühlst du? Sie sagt, eine Hand fühlt sich schwerer an als die andere und auch wärmer. Die Wärme sei angenehm. Sie fühle sich vollkommen entspannt. Ich sehe und fühle jedoch, wie die Muskeln festhalten. Ich erkläre ihr, die Anspannung ist so normal für ihren Körper geworden, dass sie sich entspannt fühlt, obwohl alle Muskeln festhalten. Meine Aufgabe ist nun, ihre Wahrnehmung zu erweitern, damit sie selbst sowohl Anspannung also auch Entspannung fühlen kann. Erst wenn sie die Anspannung fühlt, kann sie immer ein wenig mehr davon loslassen.

Wir arbeiten mit dem Atem. Nun liegen ihre eigenen Hände auf Brustbein und unterem Bauch. Was fühlt sie? Was hebt und was senkt sich, während die Luft ein- und ausströmt?

Heidi berichtet, wenn sie einatmet, werde ihr Bauch flach. Die Luft bleibt im Oberkörper. Sie atmet »verkehrt herum« bzw. eingeschränkt. Beim Einatmen zieht sie den Bauch ein, beim Ausatmen lässt sie los. Ich sage, so ist das bei vielen Frauen, die unter Vaginismus leiden. Aber es ist für den Bauchraum entspannender, wenn er beim Einatmen losgelassen wird. Es geht nicht darum, »nur« über den Bauch zu atmen, sondern »auch« über den Bauch. Dafür kann sie das Atmen einmal bewusst umgekehrt probieren. Einatmen, Bauch loslassen. Geht das?

Es fällt ihr schwer, beim Einatmen loszulassen: Bauch, Po, Kiefer, Oberschenkel, ihr ganzer Körper befindet sich permanent unter Spannung. Sie berichtet, nachts trägt sie eine Schiene für den Kiefer, damit sie nicht mit den Zähnen knirscht.

Wir arbeiten mit Wahrnehmungsübungen. Ich frage, wie es sich anfühlt, den Anus anzuspannen und langsam wieder loszulassen? Den Scheideneingang nach innen zu ziehen und loszulassen? Die Harnröhrenöffnung nach innen zu ziehen und loszulassen? Die Klitoris nach innen zu ziehen und loszulassen? Kann sie die unterschiedlichen Bereiche orten?

Mein Körper vermeidet urinieren

Wie sitzen uns wieder gegenüber und besprechen die eben gemachten Erfahrungen. Heidi sagt, die größte Problemzone sei ihre Harnröhrenöffnung. Wenn sie Wasser lassen möchte, dann wisse sie schon vorher, dass das Entspannen eine Weile dauern wird, gefühlte zehn Minuten. Das Entspannen sei richtig harte Arbeit für sie. Am schlimmsten sei es, wenn sie ein Konzert besuche und sich vor der Toilette schon eine Schlange gebildet habe. Dann wisse sie schon während des Wartens, dass es bei ihr eine Weile dauern wird, bis sie wieder herauskommt. Sie gehe überhaupt nicht gerne zur Toilette. Deshalb vermeide sie dies und gehe so selten wie möglich. Normalerweise nur zweimal pro Tag. Einmal morgens, einmal abends. Sie trinke extra wenig, damit das klappt. Am liebsten würde sie sich überhaupt nicht mit dem »dort unten« beschäftigen, denn das mache ihr nur Ärger. Sie weint. Die langen Haare fallen vors Gesicht. Der Körper schüttelt sich. Ich empfehle erst mal Beruhigung. Entspannen. Dann schlage ich Bewegung vor.

Ich lege Musik auf, wir arbeiten mit Lockerungsübungen im Stehen. Wir tanzen. Ich staune, wie schnell Heidi ihre Anspannung vergisst und losgelöst tanzen kann. Das ist ein gutes Zeichen, ermutige ich sie.

Der entspannte Blick auf das weibliche Geschlecht

Zwei Monate später. Heidi sitzt auf der Liege, das eine Ende ist hochgeklappt, damit sie entspannt daran anlehnen kann. Zwischen ihren Beinen steht ein runder Spiegel. Wir betrachten in aller Ruhe ihre Vulva. Wir sprechen darüber, was wir entdecken. Das Anschauen ihres Geschlechtsorgans mit mir zusammen ist eine große Herausforderung. Wir freuen uns über ihren Mut. Nun kann die Vulva aus ihrer dunklen Ecke auftauchen und an das Tageslicht treten. Wir können sie betrachten, wir können über sie sprechen, wie über einen ganz natürlichen Körperteil, der sie ja auch ist. Wo sind die Schamlippen? Die äußeren, die inneren? Die Klitoris?

Ich ermuntere Heidi, sich selbst mit ihren Händen zu erforschen. Wie fühlt es sich an, wenn ihre Finger über die Schamlippen streicheln? Wie kann sie dabei entspannt weiteratmen, ohne die Luft anzuhalten? Ich gebe ihr viel Gleitgel auf die Hände, damit die Finger sanft gleiten können. Ich ermuntere, die Hände rechts und links der Schamlippen zu legen und die Vulva behutsam ein wenig auseinanderzuziehen. Wir betrachten den Scheideneingang. Er scheint sehr eng und zusammengezogen. Wieder rege ich zum entspannten Atmen an, um besser loszulassen. Ist es ihr möglich, die Fingerkuppe ihres Zeigefingers auf den Scheideneingang zu legen und entspannt zu bleiben? Es ist möglich. Wie fühlt sich das an, frage ich? Warm. Gekräuselt. Angenehm.

Ich schlage vor, den Scheideneingang einmal bewusst anzuspannen und wieder loszulassen. Ist das an ihrem Finger spürbar? Heidi lacht. Sie spürt an ihrer Fingerkuppe eine ganz kleine Bewegung, wie ein ganz kleines Schnappen. Das Ausprobieren scheint die Angst ein wenig in den Hintergrund zu drängen. Es ist ein spannendes Projekt, ein Erkundungsabenteuer.

Der nächste Termin. Wir wollen ausprobieren, ob ich das Geschlechtsorgan berühren darf. Der Körper sagt »ja«, er bleibt entspannt. Ich trage Silikonhandschuhe, das ist angenehmer für uns beide. So muss ich nicht befürchten, mit eventuellen rauen Stellen an meiner Hand oder Fingern zu irritieren. Und es sorgt für ein wenig Distanz, die es leichter macht. Wie fühlt es sich an, wenn meine Hand auf dem Schamhügel liegt? Wenn meine Fingerspitzen leicht über die Schamlippen gleiten? Es geht darum, reale Wahrnehmungen zu vermitteln, die durch die Hände fühlbar werden. Es geht darum, wegzukommen von der Vorstellung, dass Berührungen Schmerzen verursachen könnten. Hinzu kommt: Es fühlt sich wunderbar an, aufmerksam berührt zu werden. Meine Fingerkuppe liegt auf dem Scheideneingang, ohne dass Angst entsteht. Ich ermuntere Heidi, einzuatmen und sich vorzustellen, sie würde dabei meine Fingerkuppe einen Millimeter in sich hineinziehen. Ich spüre das Anspannen und Loslassen der Muskeln an meiner Fingerkuppe. Heidi ist voller Freude, denn sie spürt es auch. Wir lassen das für den heutigen Termin so stehen. Zunächst einmal sollen sich die neuen Erfahrungen in aller Ruhe in Körper und Hirn einsortieren.

Während der nächsten Termine geht die Erfahrungsarbeit weiter. Ich mache Vorschläge, Heidi bestimmt, was getan wird. Es mag sich für eine Leserin, die vom Problem auch betroffen ist, eigenartig anhören und anfühlen, dass so eine intime Arbeit mit einer Therapeutin möglich ist. Aber die Arbeit geht langsam vor sich und baut Schritt für Schritt aufeinander auf. An jedem Punkt hat die Klientin die Möglichkeit, abzubrechen, etwas anderes zu wollen. Es geht um ihren Körper, ich helfe ihr dabei, diesen zu erkunden, zu erleben, zu erfahren. Ganz in Ruhe. Immer in ihrem eigenen Tempo. Meine Fingerkuppe liegt in der Scheide, ungefähr ein Zentimeter im Inneren. Die Scheide ist nicht weit aber auch nicht mehr besonders eng. Sie hat sich in der wochenlangen Arbeit bereits entspannt. Heidi ist sehr glücklich. Behutsam tastet der Finger weiter, Millimeter für Millimeter. Ich stoppe, um zu fragen, was Heidi fühlt. Es fühlt sich »normal« an. Mit Hilfe des Spiegels kann sie kontrollieren, dass der Finger wirklich in ihr verschwunden ist, obwohl nichts wehtut. Beim nächsten Termin kann bereits ein zweiter Finger hinzukommen. Ich sage, zwei aneinander liegende Finger sind in etwa so breit wie ein normaler Penis. Das heißt, auch ein Penis würde passen. Du bist so weit.

Zu diesem Zeitpunkt, hat sich das Aussehen der Vulva bereits komplett gewandelt. Zu Beginn der Körperarbeit zusammengezogen und eng. Jetzt ist das Gewebe locker und entspannt. Da ist mehr Zwischenraum zwischen den äußeren Schamlippen. Die inneren Schamlippen schauen ein wenig hervor. Auch der Bereich um die Klitoris herum tritt deutlicher hervor. Der Scheideneingang wirkt gelöst und ist gelöst.

Zu Hause übt Heidi, ihre eigenen Finger einzuführen und das mit Erregung zu verbinden. Sie nutzt einen Dildo, sie nennt ihn Bruno, der ist nicht besonders klein und gleitet dennoch ohne Probleme in ihre Scheide. Auch die Harnröhrenöffnung hat sich entspannt. Wasserlassen ist einfacher geworden. Den Widerstand in der Scheide, von dem Heidi zu Beginn sprach, haben wir übrigens nie gefunden. Sie sagt, das entspannte Atmen bis in den Bauch hinein helfe ihr, auch in anderen Bereichen des Lebens lockerer und entspannt zu bleiben. Zum Beispiel im Büro.

Wir haben fast ein Jahr lang miteinander gearbeitet. Dazu kamen regelmäßig Hausaufgaben. Es ist geschafft. Heidi ist über alle Maßen glücklich. Ich auch. Ich bin stolz auf uns. Es fühlt sich an wie eine Win-win-Situation. Das Ziel ist erreicht. Sie vereinbart nun einen Termin mit ihrer Gynäkologin. Sie vermutet, dass die Untersuchung zwar gelingen wird, rechnet aber damit, dass sie Zeit brauchen wird, um zu entspannen. Es klappt viel besser als erwartet. Das Spekulum kann ohne Weiteres eindringen. Sie sagt, sie war total überrascht. Sie hatte überhaupt gar keine Angst mehr. Sie berichtet, danach sei sie zunächst einmal in das Café gegenüber gegangen und habe sich zur Feier des Tages einen großen Eisbecher genehmigt. Während sie diesen genüsslich löffelte, habe sie sich innerlich auf die Schultern geklopft. Du hast es geschafft! Endlich. Du bist so weit. Jetzt kann es weitergehen.

Im der nächsten berührenden Fallgeschichte geht es um Nora, die ihren Vaginismus leider nicht auflösen konnte. Dennoch konnte sie ohne medizinischen Eingriff ihren sehnlichsten Wunsch nach einem Kind erfüllen. Wie hat sie das geschafft?

Fallgeschichte: Nora (38)»Kann ich trotz Vaginismus Mutter werden?«

Nora hatte – wie die meisten der Frauen, die unter Vaginismus leiden – große Angst vor allem, was sich ihrer Scheide nähert. Noras Angst war besonders intensiv und sehr fest verankert. Zu Anfang unserer Arbeit geriet sie bereits in Panik, wenn ich nur neben der Liege stand, auf der sie bekleidet lag. Dennoch schafften wir es durch Atemübungen und viel Vertrauen, dass sie sich allmählich etwas entspannen konnte.

Nora war außergewöhnlich mutig. Trotz ihrer schrecklichen Angst, ging sie immer wieder ein Stück weiter. Allerdings war es Nora nach längerer Zusammenarbeit immer noch nicht möglich, sich selbst intim zu berühren und damit Kontakt mit ihrem Geschlecht aufzunehmen. Ich sprach oft davon, wie wichtig es sei, Hausaufgaben zu machen, um weiterzukommen. Wie wichtig es sei, das weibliche Geschlecht regelmäßig zu berühren, zu erkunden und auch zu stimulieren. Dennoch war und ist es ihr nicht möglich, sich selbst zu berühren. Es ist nicht so, dass sie nicht will, sie kann nicht. Das Verbot, die ständigen Ermahnungen, die abwertenden Äußerungen der Mutter über alles, was mit Körperlichkeit oder Sexualität zu tun hatte, zeigen Wirkung, weit über die Kindheit hinaus.

Zu Anfang des Coachings vermutete sowohl ihr Psychotherapeut als auch ich, dass ein sexueller Missbrauch hinter der schrecklichen Angst stecken müsse. Aber es gab keinerlei konkrete Hinweise dafür, dass sie in der Vergangenheit Opfer eines Missbrauchs geworden war. Mutmaßungen sind daher fehl am Platz. Man kann zwar nie hundertprozentig sicher sein, welcher der Auslöser für eine Angststörung ist, doch nach meinen Erfahrungen mit vielen betroffenen Frauen und Männern, kann das Heranwachsen in einem sexualfeindlichen Klima bei einigen Menschen durchaus ausreichen, um große Scham und große Angst vor Sexualität zu entwickeln. Als Kind war Erregung bei Nora durchaus vorhanden. Ihr Körper funktionierte. Sie erinnert sich, dass der Stoff ihrer Schlafanzughose im Schritt ab und zu durchgescheuert war, weil sie sich häufig dort berührte. Die Mutter flickte die Stelle immer wieder, mit den entsprechenden Ermahnungen: »Du willst doch kein schmutziges Mädchen sein?« Nora schämte sich. Als Erwachsene hatte sie durchaus erotische Fantasien im Kopf, befand sich sogar in einer Art ständiger Erregtheit. Diese fanden jedoch keinen Weg ins Geschlechtsorgan. Kopf und Körper blieben getrennt.