Engagierte Mitarbeitende mit EAP - Karin Esch - E-Book

Engagierte Mitarbeitende mit EAP E-Book

Karin Esch

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Beschreibung

Angebote für Mitarbeitende sind längst Teil des Baukastens im Personalmanagement. Sie reichen vom Obstkorb im Büro über das hauseigene Sport- und Fitnessangebot bis hin zum (eher fragwürdigen) Tankgutschein. Unternehmen versprechen sich dadurch eine bessere Mitarbeiterbindung, mehr Bewerbungen sowie einen Imagegewinn im Sinne des Employer Branding. Häufig wollen sie auch ihrer sozialen Verantwortung stärker gerecht werden. So sensibilisiert Geschäftsführende und Personaler bereits für das Thema sind, so sehr neigen sie gleichzeitig dazu, sich zu verzetteln. Was bringt ein Fitnessstudio, wenn kaum jemand es nutzt? Und muss der Obstkorb gerechtigkeitshalber auch per Paketdienst ins Homeoffice geschickt werden? In wirklich schwierigen Lebenslagen werden Mitarbeitende dagegen oft alleingelassen. Die Suche nach Kinderbetreuung lässt viele Eltern verzweifeln. Coaching steht meist nur Führungskräften zu. Über Suchtprobleme spricht man nicht. Karin Esch zeigt, welche Angebote für Mitarbeitende tatsächlich einen Unterschied machen und Unternehmen auf dem Weg zur sozialen Nachhaltigkeit weiterbringen. Sie plädiert für ein Ende der Beliebigkeit und den Fokus auf das, was Menschen in einer sich wandelnden Arbeitswelt wirklich effektiv unterstützt. Das schließt das sprichwörtliche Sahnehäubchen nicht aus, sofern das Angebot zum Unternehmen passt. Im Mittelpunkt des Buchs stehen vier Praxisfelder: Eltern und Kinder, Pflege, Lebenslagen und Emotionales. Die Autorin stellt größere Kontexte her und eröffnet neue, erhellende Perspektiven. Nach der Lektüre hat die Zielgruppe das Thema Employee Assistance Program (EAP) ganzheitlich durchdrungen und besitzt somit eine solide Basis für die Entscheidung, welche Arten der Mitarbeitendenunterstützung im Unternehmen neu implementiert oder fortgeführt werden sollen.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Print ISBN: 978-3-527-51186-0ePub ISBN: 978-3-527-84747-1

Umschlaggestaltung: Susan BauerCoverbild: Nuthawut - stock.adobe.com

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Einen Unterschied machen

Teil I: PRINZIPIEN

1 Wandel der Arbeitswelt: Die allgemeine Ratlosigkeit

Lösungen finden, damit die Basis weiterhin stimmt

Wenn Arbeit nicht länger das halbe Leben ist

Eltern am Rande ihrer persönlichen Belastungsgrenze

Wer Vielfalt möchte, der muss auch Vielfalt bieten

Auf die Menschen in den Unternehmen stärker eingehen

2 Wirtschaft und Wohlfahrt: Hochzeit der Ungleichen

Von der Kinderbetreuung zu umfassenden Unterstützungsangeboten

Warum Unterstützung für Mitarbeitende jetzt wichtig ist

3 Angebote für Mitarbeitende: Das Ende der Beliebigkeit

Das vermeintlich gute Arbeitsleben an der US-Westküste

Wenn der Postmann mit dem Obstkorb klingelt

Nicht alles Angenehme ist auch eine bedeutsame Erfahrung

Unterstützen, wenn es wirklich darauf ankommt

4 Mitarbeiternahes Personalmanagement: Eine Frage der Haltung

Alle reden über Haltung – aber was ist das überhaupt?

Auf der Werteebene die passende Balance finden

Sobald etwas Leistungsfähigkeit kostet, ist es nicht länger privat

Teil II: PRAXISFELDER

5 Eltern und Kinder: Wenn sich wirklich gekümmert wird

Herausforderungen für Beschäftigte mit Kindern in Deutschland

Für sämtliche Eltern ein passgenaues Betreuungsarrangement finden

Das beruhigende Gefühl, seine Kinder in guten Händen zu wissen

Damit der schönsten Zeit des Jahres nichts im Weg steht

6 Pflege & Co.: Damit niemand an Grenzen kommt

Pflege von engen Angehörigen – der unterschätzte Stressfaktor

Homeoffice ist keine Lösung für die häusliche Pflege

Worauf es ankommt, wenn plötzlich der Pflegefall da ist

Besondere Herausforderungen für berufstätige Pflegende

Unterstützung in besonders herausfordernden Situationen

Begleitung vom Anfang bis zum Ende der Pflegesituation

7 Lebenslagen: Allen Herausforderungen gewachsen

Objektive und subjektive Faktoren für schwierige Situationen

Warum bei Krisen frühe Intervention so wichtig ist

Berufliche Konflikte und private Belastungen sind oft verflochten

Wenn betriebliches Gesundheitsmanagement zu kurz greift

Das Coaching der Zukunft: noch proaktiver und zielgruppengerechter

8 Emotionales: Raum für das, was bewegt

Ein breites Spektrum möglicher emotionaler Belastungen

Was Umgang mit Emotionen mit sozialer Nachhaltigkeit zu tun hat

Die kulturell transformative Kraft der Beschäftigung mit Emotionen

Besondere Herausforderungen für Führungskräfte

Auf dem Weg zu einem emotional lebendigen Unternehmen

Teil III: POTENZIALE

9 Gesunde Eigenverantwortung: Zwischen Hilfe und Selbsthilfe

Angemessenheit, nicht Gerechtigkeit als Richtschnur für Angebote

Mitarbeitendenpersonas als einfaches und praktisches Tool

Eine Frage der Werte und der Kultur

Luxus geht in Ordnung – solange die Basics stimmen

10 Sozial nachhaltige Organisation: Bereit für neue Wege

Gemeinwohlorientierung – oder soziale Nachhaltigkeit?

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN als Kompass

Armut in einem der reichsten Länder der Welt

Was sind Unternehmen bereit, praktisch zu tun?

Soziale Nachhaltigkeit macht »Charity« so gut wie überflüssig

11 Employee Journey: Wer unterstützt wird, bleibt

EAP-Leistungen im Rahmen eines Employee Experience Managements

Angebote entlang der Employee Journey einsetzen und kommunizieren

12 Machbarkeit und Finanzierung: Einfacher als gedacht

Grundsätzliche Erwägungen und Betrachtung der Kostenseite

Kriterien für die Auswahl eines geeigneten EAP-Dienstleisters

Roll-out im Unternehmen: Ziele, Touchpoints und Medienformate

Anhang

Quellenangaben

Die Autorin

Stichwortverzeichnis

End User License Agreement

Illustrationsverzeichnis

Kapitel 1

Abbildung 1.1: Die sieben Kerndimensionen der Vielfalt

Kapitel 11

Abbildung 11.1: Die Phasen der Employee Journey

Orientierungspunkte

Cover

Titelblatt

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Einen Unterschied machen

Fangen Sie an zu lesen

Anhang

Quellenangaben

Die Autorin

Stichwortverzeichnis

End User License Agreement

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Vorwort: Einen Unterschied machen

Soziale Benefits für Mitarbeitende sind in deutschen Unternehmen nichts Neues. Inzwischen sind sie Teil des Baukastens im Personalmanagement. Mehr noch: Angesichts des Fachkräftemangels und des Wertewandels bei der »Generation Z« – die gerade vieles in der Arbeitswelt infrage stellt – versuchen Unternehmen, sich bei verlockenden Angeboten für Mitarbeitende gegenseitig zu überbieten. Sie wollen als Arbeitgebende attraktiv sein und Bewerbende in ausreichender Zahl anziehen. Nicht zuletzt möchten sie die bestehende Mitarbeitendenschaft zufriedenstellen und langfristig binden. In der Folge hat mittlerweile auch mancher kleine Mittelständler einen Sportplatz auf dem Firmengelände. Und sogar als bodenständig geltende Unternehmen bieten ihrer Belegschaft Yoga- und Meditationskurse an. Vorbilder hierfür waren während der letzten Jahre oft die Tech-Konzerne von der US-Westküste, speziell aus dem Silicon Valley. Deren einstige Mitarbeiterparadiese fallen allerdings seit einiger Zeit ei-nem Kahlschlag zum Opfer.

Trotz Obstkorb bleiben Beschäftigte in schwierigen Lebenslagen allein.

Dieses Buch geht von der Frage aus, welche sozialen Benefits für Mitarbeitende einen Unterschied machen und sowohl sie als auch die Unternehmen wirklich weiterbringen. Einige Unternehmen haben nämlich in der Vergangenheit begonnen, sich zu verzetteln. Was bringt ein firmeneigenes Fitnessstudio, wenn es niemand nutzt? Muss der Obstkorb jetzt aus Gerechtigkeitsgründen auch noch per Paketdienst ins Homeoffice geschickt werden? Und ist es wirklich ein prägender Moment der Employee Journey, wenn Beschäftigte ab und zu einmal einen Einkaufsgutschein geschenkt bekommen? Zumal, wenn Mitarbeitende in wirklich schwierigen Lebenslagen dann alleingelassen werden – und das ist leider vielfach der Fall. So lässt die Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung die Eltern unter den Beschäftigten oft verzweifeln. Wenn private Krisen oder Konflikte am Arbeitsplatz die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmenden beeinträchtigen, gibt es nicht überall ein niedrigschwelliges Gesprächsangebot. Und wer Suchtthemen hat oder überschuldet ist, wagt es wegen des gesellschaftlichen Stigmas oft gar nicht, sich am Arbeitsplatz zu öffnen. Werden Probleme jedoch nicht früh genug erkannt und gelöst, können Beschäftigte später für lange Zeit ausfallen.

Es ist Zeit für ein Ende der Beliebigkeit. Fokus auf das, was Beschäftigte in einer sich wandelnden Arbeitswelt wirklich unterstützt! Das schließt das sprichwörtliche Sahnehäubchen nicht aus, sofern das jeweilige Angebot zur Kultur eines Unternehmens passt. Zunächst einmal sollte sich jedoch um die Basics gekümmert werden.

Große Bandbreite an Möglichkeiten durch Employee Assistance Programs

Hier sind Employee Assistance Programs (EAP) ein wichtiger und empfehlenswerter Baustein. Dieses Buch zeigt die ganze Bandbreite der Möglichkeiten auf, die sich Unternehmen durch EAP bieten. Doch darum geht es nie allein. Sondern immer auch um den größeren Kontext, um gesellschaftlichen Wandel und veränderte Arbeits- und Lebensbedingungen. Ich werde anhand vieler Beispiele aus der Praxis zeigen, wie eine Strategie zur Mitarbeitendenunterstützung in einer sich wandelnden Arbeitswelt aussehen kann. Im Mittelpunkt des Buchs stehen vier Praxisfelder: Eltern und Kinder, Pflege, herausfordernde Lebenslagen sowie »Emotionales«, das sich vom Arbeitsplatz nicht fernhalten lässt, beispielsweise Kriegs- und Fluchterfahrungen oder Betroffenheit angesichts von Katastrophen. In der Summe erhalten Sie eine Entscheidungsgrundlage für Ihr Unternehmen, welche Arten der Mitarbeitendenunterstützung bei Ihnen implementiert oder fortgeführt werden können und sollten. Somit wird das Thema Employee Assistance ganzheitlich durchdrungen. Denn EAP ist mehr als Obstkorb und Yoga! Es geht immer darum, Menschen (wieder) in Balance zu bringen und ihnen die beste Basis dafür zu bieten, ihr Potenzial zu entfalten.

Hier noch ein Hinweis: In diesem Buch finden sich reale Beispiele aus deutschen Unternehmen und Fallschilderungen von deren Beschäftigten. Aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes sind diese jedoch teilweise anonymisiert und stark verfremdet. Insbesondere geografische Orte, Angaben zu Branchen genannter Unternehmen sowie Familienkonstellationen habe ich geändert, da diese nicht zur Sache beitragen. Im Kern entsprechen jedoch sämtliche Beispiele den praktischen Herausforderungen des Lebens von Mitarbeitenden.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit zudem nutzen, dem Team von awo lifebalance zu danken: für die vielen Inspirationen im Rahmen dieses Buchprojekts und die tägliche Zusammenarbeit – damit das Leben von Menschen in Balance bleibt.

Eine gewinnbringende Lektüre wünscht Ihnen

Karin Esch

Teil IPRINZIPIEN

1Wandel der Arbeitswelt: Die allgemeine Ratlosigkeit

Wie chaotisch erscheint die Welt und wie ist sie tatsächlich?

»Wir leben in einer Zeit des Chaos – we are in an age of chaos«: Mit diesen dramatischen Worten begann der US-Zukunftsforscher Jamais Cascio im April 2020 seinen international viel beachteten Beitrag »Facing the Age of Chaos«. Cascio brachte mit diesem Artikel vier Buchstaben in Umlauf, die die Wirtschaftswelt seitdem faszinieren: BANI. Doch dazu weiter unten. Zunächst einmal möchte ich Sie fragen: Wie geht es Ihnen mit der These, dass wir im Chaos leben? Nehmen Sie »Ihre« Welt als chaotisch wahr? Ich meine nicht die Welt der Medien, sondern die Welt, in der Sie tatsächlich leben und arbeiten. Wie chaotisch oder nicht nehmen Sie Ihre Organisation und die Menschen darin wahr? Wie erleben Sie Ihren Markt, Ihre Liefernden, Ihre Kundinnen und Kunden? Was spiegeln Ihnen Bewerbende in Jobinterviews? Vielleicht hat sich in Ihrem Unternehmen während der vergangenen Jahre einiges verändert, so wie in vielen anderen Unternehmen. Würden Sie deshalb von Chaos sprechen? Oder vielleicht eher von einem Übergang, in dem Sie trotz aller Schwierigkeiten an der Vision einer positiven Zukunft festhalten? Und wenn Sie einmal an die gesamte Belegschaft denken: Wie geht es Ihrer Einschätzung nach dem Monteur, der Schreibkraft oder der Ingenieurin, sobald diese glauben, es herrsche Chaos?

Aus VUCA wurde BANI – und was löst das emotional aus?

Der Punkt ist: In einem chaotischen Umfeld gibt es eine vorherrschende Emotion, nämlich Angst. Gleichzeitig mangelt es eklatant an Gefühlen der Kontrolle und Sicherheit. Beides sind emotionale Grundbedürfnisse des Menschen. Wenn wir allzu leichtfertig Chaos heraufbeschwören, kann emotional so einiges schieflaufen. Sollten Menschen in Unternehmen nicht besser ermutigt werden, sich den vielfältigen Herausforderungen des Lebens zu stellen? Brauchen sie nicht eher einen sicheren Anker als eine Leadership-Kultur, in der man über Chaos philosophiert?

Jamais Cascios Thesen verbreiteten sich seit 2020 viral und werden heute vor allem dort gern zitiert, wo man sich Gedanken über New Work und digitale Transformation macht. »Aus VUCA wird BANI« ist unter führenden Köpfen der Wirtschaft zu einer häufig verwendeten Formel geworden. Bereits das Akronym VUCA wurde oft bemüht, um neuartige Bedingungen zu charakterisieren, denen sich Organisationen und ihre Mitarbeitenden anzupassen hätten. In einer Welt, die unbeständig (volatile), unsicher (uncertain), komplex (complex) und mehrdeutig (ambiguous) ist, scheinen größtmögliche Flexibilität und agile Arbeitsweisen die einzig passenden Antworten zu sein. Dabei stammt das Konzept einer »VUCA«-Welt ursprünglich gar nicht aus der Wirtschaft. Das Akronym wurde vielmehr bereits Anfang der 1990er-Jahre vom US-Militär geprägt, um die weltpolitische Lage nach dem Ende des Kalten Krieges zu charakterisieren. Inzwischen sind wir also bei BANI angekommen. Die Welt ist nicht mehr nur unbeständig, sondern sogar zerbrechlich (brittle). Sie ist nicht bloß unsicher, sondern angsteinflößend (anxiuous). Zudem ist sie außer komplex auch sprunghaft und unlogisch (non-linear). Alles in allem erscheint sie unbegreiflich (incomprehensible). Mit einem Wort, das alle diese BANI-Aspekte einschließt, nennt Jamais Cascio das dann Chaos. Nur: Was löst auch das Akronym BANI bei Menschen emotional aus? Ich habe die Frage oben bereits im Hinblick auf das Wort »Chaos« gestellt und wiederhole sie hier. Vielleicht fällt es einigen ja gar nicht einmal auf, dass das BANI-Konzept durch und durch negativ ist. Unter seinen vier Elementen findet sich kein einziges positives Merkmal! Zerbrechlichkeit, Angst und Unbegreiflichkeit sind eindeutig negativ. Nicht-Linearität mag vielleicht grundsätzlich neutral sein, da nicht alles eine Frage der Logik ist. Trotzdem wäre es für Unternehmen ein klarer Nachteil, wenn alles auf Dauer immer sprunghafter würde. Ein Akronym aus vier tendenziell negativen Begriffen soll also unsere Zeit am treffendsten beschreiben? Was sagt das über den Zeitgeist aus?

Seien wir realistisch: BANI ist am Ende nur ein Gedankenspiel einiger Eliten. Nicht alle sehen sich von Chaos und Kontrollverlust bedroht. Da sind auch diejenigen, die sich mehr als früher fragen, was ihnen im Leben wichtig ist und inwiefern ihre Arbeit es ihnen ermöglicht, ihre Werte zu leben. Sie fürchten sich weniger vor der nächsten Rezession als davor, dass ihre Arbeit keinen Sinn ergeben, keinen positiven gesellschaftlichen oder ökologischen Beitrag leisten, also verschwendete Lebenszeit sein könnte. Einige haben jetzt bereits den Entschluss gefasst, weniger zu arbeiten als ihre Eltern und Großeltern. Manche engagieren sich politisch für ein voraussetzungsloses Grundeinkommen, von dem sie sich ein Ende des Zwangs zur Erwerbsarbeit und mehr soziale Gerechtigkeit versprechen. Auf wen sollen sich Geschäftsführende und Verantwortliche im Personalbereich also heute ausrichten? Auf angsterfüllte Mitarbeitende mit dem vorherrschenden Gefühl, dass wir alle am Rande des Chaos stehen? Oder auf solche, die am Arbeitsplatz entspannt im Hier und Jetzt sinnvolle Erfahrungen machen möchten? Oder auf beide? Und wenn Letzteres, wie wird man beiden dann ganz praktisch gerecht? Auch wenn niemand es gerne zugibt: Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit.

Lösungen finden, damit die Basis weiterhin stimmt

Leadership und Personalmanagement brauchen eine Ressourcenperspektive.

VUCA oder BANI mögen als Denkanstöße intellektuell interessant sein und ihre Berechtigung haben. Für Mitarbeitendenführung und Personalmanagement sind sie wenig hilfreich. Negativität zieht negative Kreise. Wir müssen uns die Welt nicht schlechter reden, als sie ist. Leadership sollte stets eine Ressourcenperspektive einnehmen. Das bedeutet im Hinblick auf Mitarbeitende: Was lässt sie effizient und effektiv sein? Was bindet sie mit ihren jeweils besonderen Qualifikationen ans Unternehmen? Und was lässt sie vielleicht sogar zu positiven Botschafter*innen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Institution werden? Die Fokussierung auf Ängste, wie überhaupt negative Emotionen, dient dem allen nicht. Gleichzeitig muss zeitgemäßes Personalmanagement aber vorhandene Ängste von Mitarbeitenden ernst nehmen und auf neu aufkommende Befürchtungen angemessen reagieren. Die Kunst besteht darin, mit Ängsten wie Hoffnungen von Menschen gleichermaßen gut umzugehen. Eine Mitarbeiterin, die sich Sorgen macht, ob sie die Pflege ihrer demenzkranken Mutter auf Dauer mit ihrem Job wird vereinbaren können, sollte von ihrem Arbeitgebenden nicht nur mit Worten ermutigt, sondern auch praktisch unterstützt werden. Gleichzeitig gilt es, Auszubildenden zuzuhören, wenn diese zum Beispiel Arbeitsanweisungen als antiquiert empfinden oder sich aus eigener Initiative Gedanken über ökologisch nachhaltigere Verbrauchsmaterialien machen. Und wenn es plötzlich Ereignisse gibt, die eine ganze Belegschaft emotional berühren – etwa die Ankunft von Geflüchteten am Unternehmensstandort –, dann sollten Unternehmen darüber nicht etwa hinweggehen und die Gefühle der Menschen zur Privatsache erklären.

Führung bedeutet heute immer weniger Anweisung und Kontrolle und immer stärker Unterstützung von Mitarbeitenden. Das kommt in dem Schlagwort »Servant Leadership« prägnant zum Ausdruck. Robert Greenleaf prägte es bereits vor Jahrzehnten, doch erst in jüngster Zeit verstehen sich wirklich immer mehr Führungskräfte als »Dienstleistende« der Mitarbeitenden. Solche Führungskräfte, die sich als Dienende und Ermöglichende verstehen, tun gut daran, mehr als früher Mitarbeitende als ganze Menschen in den Blick zu nehmen. Vieles, was in der Vergangenheit pauschal als »privates Problem« von Mitarbeitenden galt – zum Beispiel Suchtthematiken oder Überschuldung –, wird mittlerweile vielfach neu bewertet und zumindest auch als Sache des Arbeitgebenden angesehen. Schließlich handelt es sich bei vielen der vermeintlich privaten Probleme auch um seelische Hürden für ein effizientes und qualitätvolles Arbeiten.

Der beste Umgang mit Schwierigkeiten ist es, Lösungen anzubieten.

Der beste Umgang mit schwierigen Themen besteht meist darin, konkrete Lösungen anzubieten. In zahlreichen mittelständischen Betrieben herrscht heute zum Beispiel Angst vor einer weiter fortschreitenden Digitalisierung und dem dadurch drohenden Verlust von Arbeitsplätzen. Häufig ist diese Sorge auch ein Stück weit berechtigt. Sie sollte von der Unternehmensleitung nicht schöngeredet, sondern ernst genommen und nach Möglichkeit aktiv aufgegriffen und diskutiert werden. Menschen brauchen das Gefühl, ihre Ängste äußern zu dürfen und sie nicht verdrängen zu müssen. Zeitgemäße Führung muss nun aber im nächsten Schritt nicht heißen, über Globalisierung zu philosophieren und die Belegschaft auf harte Zeiten einzuschwören. Stattdessen sollten die Augen möglichst aller Menschen im Unternehmen auf die Lösungsfindung gerichtet werden. Ein Mittelständler mit Hauptsitz in Süddeutschland macht es vor. Das Familienunternehmen mit rund 10 000 Mitarbeitenden ist im Hausbau tätig. Scheinbar kein Bereich, der sich revolutionär digitalisieren ließe. Vor einiger Zeit stellte das Unternehmen jedoch ein »Haus aus dem 3D-Drucker« vor. Inzwischen wurde sogar schon ein Mehrfamilienhaus per 3D-Druck realisiert.

Solche oder ähnliche visionäre Produkte müssen nicht unbedingt sofort Geld verdienen oder Märkte erobern – wobei dies natürlich ausdrücklich erlaubt ist. Ebenso wichtig ist es, mit neuen Lösungen den eigenen Mitarbeitenden Mut zu machen und ihnen gute Gründe zu liefern, zuversichtlich nach vorn zu blicken und darauf zu vertrauen, dass der eigene Arbeitsplatz sicher ist. Vorausschauendes Management, Innovation und guter Umgang mit der Mitarbeitendenschaft gehen somit mehr denn je Hand in Hand. Unternehmen wollen wachsen und gutes Geld verdienen. Das ist erstens legitim und zweitens die Voraussetzung für ein angemessenes Personalmanagement. Sobald die betriebswirtschaftliche Basis stimmt, ist heute mehr denn je die Frage, was Mitarbeitende unterschiedlicher Generationen von ihren Arbeitgebenden an Unterstützung benötigen, um sich mit ihren jeweiligen Talenten in das Unternehmen einbringen zu können.

Wenn Arbeit nicht länger das halbe Leben ist

Eine 22-jährige Bewerberin sitzt im Einstellungsgespräch dem 49-jährigen Personalleiter eines international tätigen mittelständischen Unternehmens gegenüber. Die Bewerberin hat in Rekordzeit studiert und ihr Diplom mit der Bestnote 1,0 erworben. Während ihres Studiums absolvierte sie verschiedene Praktika bei Unternehmen in Deutschland, Frankreich, China und den USA. Der Personalleiter freut sich, dass sich hier offensichtlich ein Ausnahmetalent beworben hat. Er schildert sein Unternehmen als Arbeitgebenden in leuchtenden Farben. Mitten im Gespräch sagt die Bewerberin dann plötzlich: »Ich möchte übrigens maximal 25 Stunden pro Woche arbeiten.« Der Personalleiter ist für einen Moment sprachlos. Damit hat er nicht gerechnet. »Warum nur 25 Stunden?«, hakt er nach. Die Bewerberin antwortet: »Ich habe noch so viele andere Interessen, dafür möchte ich weiter genügend Zeit haben.« Ihr Wunsch scheint für sie selbstverständlich zu sein. Sie bleibt ganz entspannt. Der Personalleiter dagegen muss sich gedanklich erst einmal sortieren und überlegt, was er als Nächstes sagen soll.

Wie mit den Werten und Bedürfnissen der ganz jungen Generation umgehen?

Immer öfter sind Führungskräfte aus der Generation der »Boomer« und der »Generation X« heute ratlos, wenn sie mit den Wertvorstellungen und Bedürfnissen von Bewerbenden oder Mitarbeitenden der ganz jungen Generation konfrontiert werden. Sie sind von der klassischen Arbeitsgesellschaft geprägt und haben Werte wie Leistung und Selbstdisziplin verinnerlicht. Sie machen sich auch durchaus Gedanken über Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Aber sie kommen nicht ohne Weiteres auf die Idee, dass ein Vollzeitjob mit allen seinen Vorteilen für Bewerbende nicht mehr attraktiv sein könnte. Als Autorin dieses Buchs, Jahrgang 1973, will ich mich da selbst nicht ausnehmen. Wenn ein junger Mann nur eine halbe Stelle will, um noch genügend Zeit zum Kitesurfen zu haben, dann widerspricht das im ersten Moment den Werten, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich weiß jedoch, dass meine Werte genauso relativ und zeitgebunden sind wie die jedes anderen Menschen. Deshalb bin ich der Überzeugung, dass wir den jungen Menschen zuhören und uns auf ihre Werte und Emotionen einlassen sollten.

Bedürfnisse, wie sie jetzt von der ganz jungen Generation geäußert werden, können in vielen Unternehmen sogar ein Weckruf sein. Denn sie laden zur Reflexion darüber ein, inwieweit diese in der Vergangenheit ihre Mitarbeitenden als ganze Menschen mit allen ihren Werten und Emotionen gesehen haben. War es nicht während der letzten Jahrzehnte häufiger so, dass allein die Ergebnisse zählten? Manchmal sogar bloß die Kennzahlen? Natürlich ist es notwendig, dass Unternehmen ausreichend Gewinne machen. Die Frage lautet jedoch immer auch: Um welchen menschlichen Preis entsteht ein monetärer Gewinn? Jetzt kommen 20-Jährige in die Unternehmen, die sagen: »Wir sind keine Leistungsmaschinen! Wir wollen einen sinnvollen Beitrag leisten, keine Frage. Aber wir haben noch sehr viel Leben außerhalb der Unternehmensmauern.« Über die Hintergründe einer solchen Haltung lohnt es sich nachzudenken. Im Führungskräftecoaching sitzen manchmal knapp 40-Jährige, die schon am Rande des Burn-outs sind. Teilweise trifft man in dem Alter auch Menschen, die den ersten Burn-out schon hinter sich haben und noch über andere gesundheitliche Probleme klagen. Haben sie es wirklich besser gemacht als die jungen Menschen, die stärker an ihre Bedürfnisse denken? Und dienen sie ihrem Unternehmen langfristig wirklich mehr als jemand, der sich seine Kräfte von Beginn an einteilt?

Weniger arbeiten zu wollen, heißt nicht notwendig Hedonismus.

Neulich hörte ich von einer jungen Mitarbeiterin, die einige Tage Urlaub nahm, weil ihr Ehrenamt sie gerade sehr beanspruchte. Auch darin spiegelt sich die Haltung einer neuen Generation, die veränderte Werte hat. Mein Jahrgang ist noch in einer Welt aufgewachsen, in der Urlaub allein der Erholung diente, dem »Abschalten«. Gegen Ende des Urlaubs wurde oft gejammert, dass man jetzt wieder »arbeiten muss«. Es ist leicht, jungen Mitarbeitenden Hedonismus zu unterstellen, wenn sie weniger arbeiten wollen. In Wirklichkeit wägen einige heute durchaus ab, wo und wie sie am meisten Sinnvolles bewirken können. Einen Teil ihrer Zeit engagieren sie sich im Unternehmen, einen anderen Teil im Ehrenamt oder bei sozialen, ökologischen oder demokratischen Initiativen. Und einen weiteren Teil dann vielleicht in der Familie oder als Bewohnende von Mehrgenerationenhäusern, in denen sich Menschen im Alltag gegenseitig unterstützen. Es wäre fatal, wenn ältere Führungskräfte mit Kopfschütteln reagierten, nur weil sie Haltungen, Werte und Bedürfnisse ihrer sehr jungen Mitarbeitenden noch nicht vollständig verstanden haben. Dass Verantwortliche bei Angeboten für Mitarbeitende von ihren eigenen Werten, Bedürfnissen und Vorlieben ausgehen, ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, auf das ich in einem späteren Kapitel noch einmal zurückkommen werde. Zieldienlicher ist es, sich zu öffnen und wahrzunehmen, was Menschen heute brauchen, ohne dies zu bewerten. So demonstriert man als Führungskraft übrigens auch Souveränität.

Eltern am Rande ihrer persönlichen Belastungsgrenze

Die Bedürfnisse 22-jähriger Einser-Absolvent*innen sind selbstverständlich nur eine Facette der Veränderungen der Arbeitswelt und sollten nicht der Maßstab für alle sein. Der gesellschaftliche Wertewandel mit seinen Konsequenzen betrifft sämtliche Milieus und Altersgruppen. Deutlich zeigt sich dies bei Eltern mit kleinen Kindern. Die Anforderungen an die Leistung von Arbeitnehmenden sind zumindest subjektiv gestiegen. Die Bereitschaft, sich ständig fortzubilden und weiterzuentwickeln, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Das ist im Prinzip auch völlig legitim. Gleichzeitig stellt sich so die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung mit neuer Dringlichkeit. Es finden sich heute immer seltener Jobs, die es erlauben, einfach einmal für ein paar Jahre finanzielle Sicherheit zu haben, um sich vor und nach der Arbeit den Kindern widmen zu können. Von Mitarbeitenden, die »nur« 25 Stunden in der Woche arbeiten, wird heute während dieser Zeit ein genauso hohes Engagement erwartet wie von einer Vollzeitkraft.

Das familiäre Netzwerk wird dünner, mehr Familien bestehen aus »Patchwork«.

Parallel wird das familiäre Netzwerk, das Eltern bei der Kindererziehung unterstützt, häufig dünner. Das ist die unmittelbare Folge eines Wertewandels hin zu Individualismus und Selbstverwirklichung. Trennungsraten sind heute höher als früher und es gibt immer mehr Alleinerziehende und Patchwork-Familien. Auch Familienangehörige sind nicht mehr so selbstverständlich für Kinder da wie noch vor einigen Jahrzehnten. Heute verbringen die rüstigen Großeltern vielleicht viel Zeit mit ausgedehnten Reisen und stehen dann für Enkelbetreuung nicht zur Verfügung. Onkel und Tanten sehen manche Menschen heute bereits als entfernte Verwandte an, die man nur noch bei Geburtstagsfeiern oder Beerdigungen zu Gesicht bekommt. Alle haben ihr eigenes Leben und ihre eigenen Interessen. Es ist insofern nicht mehr selbstverständlich, dass man sich innerhalb der Familie hilft.

Die einen Mitarbeitenden wollen also ein Plus an Freiheit, während die anderen nach Stabilität streben. Die jungen Mitarbeitenden mit dem Hochschulabschluss und den vielen Hobbys, Interessen und Verpflichtungen haben häufig – noch – keine Kinder. Junge Mütter auf der anderen Seite haben oft schon die meisten ihrer früheren Hobbys gestrichen und trotzdem noch Schwierigkeiten, Job und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Zeitgemäßes Personalmanagement sollte Wege finden, beiden Gruppen gerecht zu werden, ohne die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen zu bewerten. Es ist eine Herausforderung für die Arbeitswelt, dass es »den« Mitarbeiter oder »die« Familie einer Mitarbeiterin heute nicht mehr gibt. Wenn Menschen sich bei einer Organisation bewerben sollen, dann muss ihre Wertewelt dort ebenso integrierbar sein wie ihre Lebenswelt. Ich kenne viele Unternehmen, vom Mittelständler bis zum Konzern, die hier bereits vorbildlich agieren. Sie gehen mit der Zeit und bemühen sich wirklich, für sämtliche Mitarbeitende passende Modelle zu finden.

Geben und Nehmen zwischen Unternehmen und ihrer Mitarbeitendenschaft

Dies ist ein Geben und Nehmen, denn Mitarbeitende danken es mit Loyalität, wenn ihre Arbeitgebenden sich anstrengen, ihren persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das ergibt sich nicht allein aus dem psychologischen Prinzip der Reziprozität, also unserer Grundneigung, positive Erfahrungen mit eigenen positiven Handlungen zu erwidern. Sondern es liegt auch daran, dass Menschen gerade in Zeiten weniger stabiler familiärer Beziehungen einen Anker suchen. Immer häufiger ist der sichere Arbeitsplatz in einem Unternehmen heute der alles entscheidende Faktor für soziale Stabilität. Das zeigt sich auch darin, dass im Kollegenkreis selbstverständlicher über Themen gesprochen wird, die früher als privat galten. Kollegiale Beziehungen sind für viele zum nicht mehr wegzudenkenden Teil des persönlichen Unterstützenden-Netzwerks geworden. Manchmal wird deshalb heute in Managementkreisen abschätzig über Unternehmen als »soziale Begegnungsstätten« gesprochen. Dabei wird stillschweigend unterstellt, das Soziale gehe auf Kosten der Produktivität. Nach meiner Erfahrung ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall: Ist der Arbeitsplatz ein verlässlicher Anker im Leben eines Menschen und bekommen auch emotional bewegende Themen während der Arbeitszeit ihren Raum, so wirkt sich dies langfristig positiv sowohl auf die Motivation als auch die Loyalität der Mitarbeitenden aus. Auch vor diesem Hintergrund ist der schon in vielen Unternehmen beobachtbare Wandel von Human Resources zu People & Culture so wichtig.

Wer Vielfalt möchte, der muss auch Vielfalt bieten

In nahezu sämtlichen Unternehmen und öffentlichen Organisationen wird die Mitarbeitendenschaft zunehmend »bunter«. Gleichstellung und Vielfalt sind während der letzten gut zwei Jahrzehnte vom Randthema zu einem Hauptfokus des Personalmanagements geworden. Das liegt zunächst einmal an äußeren Faktoren, wie der demografischen Entwicklung oder dem Wandel von Lebenswelten aufgrund veränderter Werte. Es ist heute jedoch auch Konsens innerhalb der politischen und gesellschaftlichen Mehrheit, Menschen in ihrer Individualität und ihrem Bedürfnis nach Entfaltung der Persönlichkeit wahrnehmen und in bestehende soziale Strukturen bestmöglich integrieren zu wollen. Wenn sich die Arbeitswelt beispielsweise dadurch verändert, dass mehr Frauen erwerbstätig sind oder Geflüchtete in Deutschland auf Dauer arbeiten, so ist dies nicht allein »aus der Not geboren«. Vielmehr ist die resultierende Vielfalt auch das Ergebnis bewusster Entscheidungen von Verantwortlichen auf der Basis humanistischer Werte. Längst haben Unternehmen zudem erkannt, welche Vorteile sich aus mehr Vielfalt innerhalb der Mitarbeitendenschaft ergeben. Vielfalt gilt heute allgemein als Chance für Kreativität und Innovation in der Wirtschaft.

Die Phasen der Entwicklung von Gleichstellung und Vielfalt

Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte, so ging es zunächst um den Kampf gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz – besonders im Hinblick auf Frauen und hier wiederum mehr in den westlichen als den östlichen deutschen Bundesländern. Die ehemalige DDR hatte einen großen Vorsprung gegenüber dem Westen bei der Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben – gleichzeitig jedoch auch viel Nachholbedarf bei der Integration von Arbeitnehmenden mit Migrationsgeschichte. Das Ringen um Gleichstellung, Chancengleichheit und den Abbau von offener wie verdeckter Diskriminierung ist trotz zahlreicher Erfolge noch lange nicht beendet. Wirkliche Gleichheit zwischen Frauen und Männern ist auch außerhalb der Führungsetagen in vielen Unternehmen noch längst nicht gegeben. Spätestens seit den 2000er-Jahren wird allerdings versucht, das Thema Gleichstellung und Vielfalt in seiner Breite zu sehen und dabei stärker eine Chancen- und Ressourcenperspektive einzunehmen. Während es unverändert um den Abbau von Diskriminierung geht, ist gleichzeitig in den Fokus gerückt, wie ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander sich positiv auf die Produktivität der Mitarbeitendenschaft auswirken kann.

In diesem Sinne haben seit 2006 Tausende deutsche Unternehmen die »Charta der Vielfalt« unterzeichnet. Unter anderem DAX-30-Unternehmen sowie große und bekannte Mittelständler verpflichten sich darin, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sämtliche Beschäftigte dieselbe Wertschätzung und Förderung erhalten. Dabei werden die sieben Kerndimensionen der Vielfalt (Diversity) zugrunde gelegt (Abbildung 1.1), wie sie bereits in den 1970er-Jahren am National Training Laboratories Institute for Applied Behavioral Science in den USA entwickelt wurden.

Nahezu alle großen deutschen Unternehmen verpflichten sich also, Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem Alter, ihrer ethnischen Herkunft und Nationalität, ihrer Religion und Weltanschauung, ihrer sozialen Herkunft sowie gegebenenfalls ihrer Behinderung gleiche Chancen einzuräumen. Selbstverpflichtungen wie die Charta der Vielfalt – oder auch Aktionen wie der »Tag der Vielfalt« – haben ein Umdenken in den Unternehmen angestoßen und oft eine Veränderung der Haltung seitens der bisher Privilegierten bewirkt. Allerdings wird auch häufig kritisiert, das Bekenntnis zur Vielfalt bringe den Unternehmen zwar einen Imagegewinn, sei jedoch mit keinen oder nur wenigen Verpflichtungen verbunden. Die Charta der Vielfalt wird mittlerweile von einem eingetragenen Verein verantwortet, dem hauptsächlich große Unternehmen angehören und der eng mit dem oder der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration kooperiert. Eine Überprüfung, inwieweit die Unterzeichnenden der Charta die in ihr enthaltenen Forderungen auch umsetzen, ist seitens des Vereins nicht vorgesehen.

Abbildung 1.1  Die sieben Kerndimensionen der Vielfalt

Es ist an der Zeit, alle Formen von Diversity noch aktiver zu fördern.

Diese Beobachtung bringt mich zur dritten und entscheidenden Phase in der Entwicklung des Themas Gleichstellung und Vielfalt: Nach dem ursprünglichen Kampf gegen Diskriminierung – maßgeblich auf den Weg gebracht von Feministinnen und Gewerkschafterinnen – und der späteren Entdeckung der Chancen von Vielfalt durch das Management der Unternehmen ist es nun an der Zeit, Diversity viel aktiver als bisher zu fördern. Wer die Früchte der Vielfalt in Form von Produktivität und Innovation ernten will – oder auch »nur« weiterhin ausreichend Fachkräfte haben möchte –, der muss dafür mehr tun. Menschen wollen heute in ihrer Einzigartigkeit nicht bloß toleriert, sondern gesehen und unterstützt werden. Es ist kein Argument mehr gegen Angebote für Mitarbeitende, sie würden lediglich auf eine »kleine Minderheit« zielen. Personalmanagement muss den Spagat schaffen, sowohl Angebote für alle als auch solche für manchmal nur kleine Zielgruppen zu machen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Mitarbeitende mit Fluchterfahrung die Möglichkeit bekommen, ihre oftmals traumatischen Erlebnisse im Rahmen eines psychologischen Coachings aufzuarbeiten. Oder es kann heißen, dass ein Unternehmen den Umgang mit transgeschlechtlichen Personen in der Mitarbeitendenschaft zum Thema macht und auch nach außen Offenheit für transgeschlechtliche Menschen als Mitarbeitende signalisiert. Nach von Bundesregierung und EU beauftragten Studien sind zwischen 40 und 50 Prozent der transgeschlechtlichen Menschen in Deutschland arbeitslos – im Vergleich zu fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. 47 Prozent der Betroffenen äußern, dass sie am Arbeitsplatz niemals offen mit ihrer Transidentität umgehen würden. Gleichzeitig geben über 90 Prozent an, dass sich ihre Lebenssituation verbessern könnte, wenn sich mehr Personen aus Politik, Wirtschaft und öffentlichen Institutionen für die Unterstützung von Trans-menschen stark machen würden. Über Gleichstellung und Vielfalt wird heute viel gesprochen – und das ist gut so. Jetzt ist es an der Zeit, mehr dafür zu tun.

Auf die Menschen in den Unternehmen stärker eingehen