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Jörg Pochert ist Groundhopper, denn er "sammelt" besuchte Fußballstadien. Seit 2016 bloggt er darüber unter dem Pseudonym "Captain Klobasa", welches an eine tschechische Wurstspezialität angelehnt ist. In den letzten fünf Jahren war Pochert zu Gast bei 676 Spielen in vierzig Ländern. Für das vorliegende Buch hat er die besten seiner Texte aus dieser Zeit versammelt. Er nimmt seine Leser mit auf die Reise und entführt sie sowohl in allseits bekannte Länder wie Polen und Italien, als auch in exotischere Regionen wie den Kaukasus, Palästina, die Isle of Man und Südostasien. Neben den Stadionbesuchen berichtet Pochert lebhaft von seinen Erlebnissen unterwegs und teilt Eindrücke von Land & Leuten. Mit einem gesunden Humor sowie dem Blick für Absurdes und Skurrilitäten, weiß er dabei nicht nur zu erzählen, sondern auch bestens zu unterhalten. "Englische Woche in Armenien" ist ein Buch für alle, die den Fußball und/oder das Reisen lieben und dabei gern über den eigenen Tellerrand hinaus blicken.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 496
Veröffentlichungsjahr: 2021
Als „Englische Woche“ bezeichnet man im Fußballsport einen Zeitraum von sieben Tagen, in denen eine Mannschaft drei Spiele austrägt.
Ein Groundhopper kann darüber nur müde lachen, denn bei ihm ist es umgekehrt. Er besucht regelmäßig sieben Spiele binnen drei Tagen.
Vorwort
Fünf Länder in anderthalb Tagen (April 2016)
Magyareninvasion in Südfrankreich (Juni 2016)
Rumänien & Moldawien (Oktober 2016)
Am Fuße des Vesuv (März/April 2017)
Fiesta Valenciana (April 2017)
Heimatbesuch (Juli 2017)
Ostpolen (August 2017)
Blind geboren (August 2017)
Malta & Gozo (September 2017)
Israel & Palästina (März 2018)
Bulgarien (März 2018)
Aserbaidschan, Armenien & Georgien (März/April 2018)
Oblast Kaliningrad (Russland, Juni 2018)
Litauen & Lettland (Juni/Juli 2018)
Isle of Man & England (September 2018)
Niederlande & Belgien (September 2018)
Hellas (Januar 2019)
Portugal (Februar 2019)
Irland & Nordirland (März 2019)
Estland (Juni 2019)
Tagestrip nach Osttschechien (Juli 2019)
Kali Werra (Juli 2019)
Thailand (September 2019)
Malaysia (September 2019)
Singapur (September 2019)
Indonesien (Oktober 2019)
Kambodscha (Oktober 2019)
Luxemburg (November 2019)
Rheydt (November 2019)
Nordzypern & Zypern (Januar 2020)
Dänemark (März 2020)
Back in game: Tschechien (Juni 2020)
Halbemond (September 2020)
Mommsenstadion (Oktober 2020)
Geisterspiele in Polen (November 2020)
Sebastian ist an allem schuld. Kennengelernt haben wir uns etwa 1997 im Berliner Mommsenstadion. Beide besuchen wir gern Fußballspiele auch über den eigenen Verein hinaus, zudem verbindet uns die Leidenschaft für gitarrenlastige Krachmusik. Und für Tschechien! Was sich bei ihm sogar darin niederschlägt, dass er seit mittlerweile mehreren Jahren einen Sprachkurs an der Volkshochschule belegt, wofür ich viel zu faul bin. Meine Verbindungen in unser südöstliches Nachbarland beschränken sich eher auf ein paar private Kontakte, vor allem aber auf regelmäßige Besuche in Böhmen und Mähren zum Zwecke des Stadionsammelns. Die Reisen ins statistisch gesehen ungesündeste Land der Erde (hinsichtlich ihres Tabakkonsums sind die Honzas weltweit an siebter Stelle, in Sachen Fettverbrauch sogar auf Rang 3 und beim Bierverbrauch tragen sie seit Jahren die Goldmedaille) laufen natürlich nicht ohne Konsum der heimischen Speisen ab. Gulasch und Knödel gehen immer, Pivo sowieso, vor allem aber habe ich ein riesiges Faible für die tschechische Stadionwurst entwickelt, die Klobása. Nicht nur, dass bei jedem Spiel mindestens eine verköstigt werden muss, nein es wird jeweils auch ein Erinnerungsfoto davon geschossen, obendrein lasse ich mich gern über den Genuss zu Bewertungen und elegienartigen Ausführungen hinreißen. Genau das verleitete Sebastian anno 2015 dazu, mir den Spitznamen „Captain Klobasa“ zu verleihen. Dass dies eine Alliteration zur japanischen Fußball-Mangaserie „Captain Tsubasa“ ist, habe ich übrigens erst Jahre später kapiert.
Zwischen 1994 und 2012 als Fanzine-Herausgeber aktiv, erschien im September 2013 mein erstes Buch. Auf „Ayia Napa - Fußballreisen nach Südeuropa“ bin ich nach wie vor stolz, auch wenn ich nach dem aufwendigen Entstehungsprozess des Buches vom Schreiben erst einmal den Kanal voll hatte. Als ich nach zweieinhalbjähriger Veröffentlichungspause wieder mit dem Festhalten meiner Erlebnisse begann, brauchte ich nach einem Namen für meinen neuen Blog nicht lange zu suchen. Sebastian hatte mir schließlich die passende Steilvorlage gegeben! Selbstverständlich hatte ich nachzuweisen, dass ich den durch ihn verliehenen Ehrentitel nicht zu Unrecht trage, und so war Tschechien auch in den kommenden Jahren das neben der Heimat am meisten besuchte Land. Jedoch habe ich mich beim Hoppen noch nie auf ein Zielgebiet beschränkt. Einfach die Mischung aus Neuem und Vertrautem, aus noch nicht bereisten Regionen und zu komplettierenden Ligen in geliebten Ländern, macht aus meiner Sicht einen Großteil dieses faszinierenden Hobbys aus. Selbst wenn mir eine Klobása nie fade wird: Genauso wie andere Mütter schöne Töchter haben, gibt es fast überall leckere regionale Speisen, landestypische Eigenarten und vor allem eine lokale Fußballkultur. Dies alles so umfassend wie möglich kennenzulernen, war immer eine Triebfeder für meine Reisen und wird es hoffentlich noch lange bleiben.
Seit dem Start meines Blogs Anfang 2016 habe ich (bis Ende 2020) insgesamt 675 Fußballspiele in vierzig Ländern besucht. Die aus meiner Sicht besten Berichte aus diesen fünf Jahren wurden nun auf Papier für die Ewigkeit zusammengetragen. Ich habe sie weitestgehend unverändert übernommen und lediglich mit kleinen Stilkorrekturen sowie jeweils ein paar einleitenden Worte versehen. Das komplette Werk incl. Fotos, Satz, Coverdesign usw. ist gänzlich in Eigenregie entstanden. Auch wenn ich altersbedingt nicht zur Generation gehöre, die Photo Shop und Corel Draw bereits in der Schule gelernt hat, denke ich doch, ein vorzeigbares Ergebnis abgeliefert zu haben. Inhaltlich wurde darauf geachtet, dass sich alle in diesem Zeitraum bereisten Länder auch im Buch wiederfinden. Doch nicht nur geografisch habe ich mich um Vielfalt bemüht, sondern auch die unterschiedlichsten sportlichen Facetten des Rundledertretens versucht zu beleuchten. Denn egal, ob es sich um ein EM-Spiel vor 60.000 Zuschauern handelt oder um ein zwölftklassiges Gebolze auf Kreisebene, bei welchem fast ausschließlich Angehörige der Spieler zugegen sind: Jeder Ort, an welchem der Ball rollt, ist einen Besuch wert. Denn dort erlebt man Geschichten wie jene, von denen ihr auf den kommenden 409 Seiten lesen werdet.
Ich wünsche euch dabei mindestens genauso viel Spaß, wie ich ihn auf meinen Reisen hatte.
Jörg aka Captain Klobasa im Januar 2021
Ende April 2016 brach ich zusammen mit Wismar-André und TeBe-Holger auf in ein aberwitziges Wochenende. Es stellte sich heraus, dass wir am Samstag und Sonntag fünf Spiele in fünf Ländern binnen nicht mal anderthalb Tagen würden schauen können. Den Auftakt jedoch machte schon am Freitagabend das tschechische Zweitligaspiel zwischen dem 1. SC Znojmo und dem MFK Frýdek-Místek.
Für Tschechien nimmt man ja eigentlich keinen Urlaubstag, aber da Znojmo bekanntlich kurz vor Wien liegt, ging es nicht anders. Nach dem Komplettieren der 1. Liga vor drei Wochen im Neubau zu Ostrava galt es nun zudem, an den nächsten drei Wochenenden und somit noch während der Saison 2015/16 die fünf fehlenden Zweitligisten einzufahren. Znojmo war also schlichtweg ein Muss! André nächtigte schon in der Nacht vorher bei mir und durfte vor Tourbeginn feststellen, dass ihm nachts schön ins Auto gekachelt worden war. Nach dem Diebstahl deines letzten Autos im Januar läuft das in Berlin ja gerade richtig gut für dich, mein Freund! Als alles polizeilich aufgenommen war, ging es aber los. Holger holten wir gegen 11:45 "zum Feierabend" ab und lagen somit gut in der Zeit, sogar der einkalkulierte Stau rund um Prag kostete nur eine gute Viertelstunde. Lediglich der Vignetten-Kauf dauerte mit 25 Minuten unverhältnismäßig lange, wollte doch eine arabische Großfamilie mit mehreren Autos ebenfalls nach Tschechien. Dann aber gab es einen schweren Unfall, in den fünf Autos verwickelt waren, der uns weitere 45 Minuten kostete, und nochmal derer zwanzig kamen durch drei lange Baustellenampeln zwischen Jihlava und Znojmo dazu. Genau diese trennten uns am Ende vom pünktlichen Anpfiff.
29.04.16, 19:00: 1. SC Znojmo vs. MFK Frýdek-Místek 2:1 Tschechien, 2. Liga, 1.378 Zuschauer (30 Gäste)
Zwei Tore hatten wir zu allem Übel auch schon verpasst, also galt es, sich erst einmal bei einer Klobasa zu entspannen. Die Wurst selbst war eine mittelmäßige Note 3, mehr leider nicht. Das wirklich gute Spiel, in welchem es - was in der zweiten Honzaliga höchst selten passiert - sogar zwei aktive 30-er Fanblöcke gab, wurde kurz vor Schluss durch Znojmo entschieden, die dadurch weiter ganz kurz vor der Rückkehr in die Synot Liga stehen, im Fanblock gab es nach dem Abpfiff sogar noch ein paar Freudenfeuer zu sehen. Nach dem Spiel checkten wir kurz im benachbarten Hotel ein, wo der Herbergsvater gastfreundlich wie nur wenige seiner Kollegen war, uns proaktiv die besten Tipps für die Abendgestaltung mit auf den Weg gab und wir als Krönung noch eine Dose Gambrinus dafür erhielten, dass wir die ersten Gäste waren, die hier jemals mit Kreditkarte bezahlten (das Lesegerät war erst gestern angekommen). Kult! Den empfohlenen Pub fanden wir zwar nicht, sahen dadurch aber etwas von der wunderschönen Stadt und orientierten uns an der überall zu hörenden Livemusik. Letztlich landeten wir im 3. Stockwerk eines Restaurants, in dem eine Familienfeier stattfand, wir etwas abseits aber trotzdem einen Tisch bekamen. Skurrile Szenen spielten sich nun ab! Gleich an der Tür begrüßte uns ein motivierter 60-jähriger Grauhaar-Vokuhila-Honza, natürlich stilecht mit Schnauzbart und Jeanshemd, mit seinem auf uns gerichteten Zeigefinger und zwinkerndem Auge. Am Nachbartisch saß ein einsamer František, der nichts tat, außer Bier und Wodka zu trinken und dabei apathisch zu schauen. Dazu eine grottenschlechte Live-Band (die so mies aufspielte, dass es schon wieder geil war) und eine Familie "in den besten Jahren", bei der die U16-Fraktion gelangweilt an einem Extratisch saß, an ihrer Kofola nippte und mit dem Smartphone spielte, anstatt gemeinsam was zu starten. Ganz ehrlich? Das hier war besser als jede Vorabendsoap im deutschen Fernsehen. Es war real. Der Hingucker schlechthin war aber ein etwa 22-jähriger Araber im weißen Glitzer-Chic, der nirgends so richtig dazugehörte, und auf der Tanzfläche eine Art Robo Dance aufführte: Rhythmische Bewegungen und, ganz wichtig, nie die Schuhe bewegen. Erst als er an der Bar seinen Kindersekt auffüllen ließ, merkten wir, dass er nicht zu Dekorationszwecken am Boden festgeklebt war. Dazu tanzte er immer mit der Person, die sich gerade direkt in seine Richtung bewegt hatte. Mal mit der fülligen Mittsechzigerin, mal mit der attraktiven Mitdreißigerin, mal mit dem 12-jährigen Jiří. Aber mehrfach auch mit unserem Grauhaar-Vokuhila-Honza, der eindeutig der Star des Abends war. Welche Musik dazu lief, Achtziger-Rock oder tschechischer Schlager, war dabei vollkommen gleich, der Tanzstil des Arabers blieb konsequent gleich. Die Band hörte irgendwann auf zu spielen und für uns war das das Signal zum Rückzug, denn der Samstag sollte sehr lang werden. Ein kurzer, dennoch nicht minder legendärer Abend! Und als bei der morgendlichen Abfahrt auch noch drei Frühstückspakete mit dem Zettel "Jörg Team" im Kühlschrank an der Rezeption lagen, hatte der neue Tag genauso gut begonnen, wie der alte aufgehört hatte.
30.04.16, 11:00: FC DAC 1904 Dunajska Streda vs. FK Senica 0:1 Slowakei, 1. U19-Liga, 37 Zuschauer (0 Gäste)
Nach knapp drei Stunden hatten wir Dunajska Streda erreicht. Hier war ich erst vor gut einem Jahr beim „Ethnischen Derby“ gegen Spartak Trnava gewesen, als sich der DAC als Vertreter der ungarischen Minderheit in der Slowakei und Spartak mit seiner stark nationalistischen Fanszene gegenüberstanden und es auf den Rängen hoch her ging. Da wir vor dem 11 Uhr-Kick noch etwas Zeit hatten, wollte ich meinen Reisekumpanen das herrliche Stadion des FC DAC kurz zeigen. Den Weg hatte ich noch im Kopf, fand jedoch die Flutlichtmasten zur Orientierung nicht mehr, und vor Ort wurde es dann bittere Gewissheit: Nachdem hier am letzten Samstag gegen Podbrezová noch gekickt worden war, wurde vor wenigen Tagen mit dem Abriss begonnen, und die Flutlichtmasten lagen bereits im Innenraum. Was für ein trauriger Anblick! Spätestens als uns das schreiende Geräusch einer Stahlsäge ins Gehör drang, welche sich gerade an einem Wellenbrecher zu schaffen machte, ertrugen wir es nicht mehr und machten uns vom Acker.
Der Sportplatz des TJ Družstevník Vrakúň, der etwa fünf Kilometer vor den Toren der Stadt liegt, war unser eigentliches erstes Tagesziel, denn neben dem heimischen Fünftligisten tragen hier auch die Großfeld-Jugendmannschaften des FC DAC ihre Heimspiele aus. Bis auf eine kleine Tribüne gibt der Ground zwar nicht viel her, ist aber vollkommen ausreichend. Der Kick gegen den FK Senica war dann gut, richtig gut. Besonders erwähnenswert ist, dass sich die Partie von oftmals körperlosen Jugendspielen dahingehend unterschied, dass sich beide Mannschaften nichts schenkten und sich auch ordentlich auf die Knochen hauten, ohne jedoch jemals unfair zu werden. So etwas sieht man heutzutage mittlerweile viel zu selten, dementsprechend haben wir es richtig genossen. Sportlich war der DAC das etwas bessere Team, was Senica aber nicht davon abhielt, per Freistoß kurz vor Schluss den Sieg mitzunehmen. Alles in allem ein schöner Tagesauftakt, nur die Klobása fehlte. Anschließend ging es für uns auf den malerischen Weg nach Ungarn, vorbei an einem Staudamm und dem alten Arm der Donau sowie auf österreichischem Gebiet nahe den Ufern des Neusiedler Sees. Und dies am ersten wirklichen Frühlingstag des Jahres. Groundhopping kann so schön sein!
Znojmo - Městský stadion v Horním parku
Vrakúň - Štadión TJ Družstevník Vrakúň
30.04.16, 16:30: Szombathelyi Haladás FC vs. Ferencvárosi TC 0:1 Ungarn, 1. Liga, 4.137 Zuschauer (300 Gäste)
Unmittelbar hinter der österreichisch-ungarischen Grenze passierten wir die Gedenkstätte „Paneuropäisches Picknick“, an welcher wir einen zwanzigminütigen Zwischenstopp einlegten. Insgesamt sollte der kulturelle Aspekt an diesem Wochenende etwas zu kurz kommen. Aber wenn so etwas direkt auf dem Weg liegt, nimmt man es natürlich mit, besonders wenn man zu den Ereignissen, an die hier erinnert wird, einen persönlichen Bezug hat wie ich als Ostdeutscher. Denn das Picknick war eine Friedensdemonstration ungarischer Oppositioneller, zu dessen Anlass am 19. August 1989 symbolisch für drei Stunden die Grenze geöffnet wurde, die damals noch Teil des „Eisernen Vorhangs“ war. 600 bis 700 DDR-Bürger nutzten diese Gelegenheit damals zur Flucht in den Westen, was der Anfang der Wende war und schließlich keine drei Monate später im Fall der Berliner Mauer gipfelte. Ohne dieses Ereignis hätte ich das Groundhopping als Hobby vermutlich niemals für mich entdeckt oder würde es zumindest nicht ansatzweise im gleichen Ausmaß ausleben können, wie ich es heute tue.
Ins alte Stadion von Haladás Szombathely hatte ich es vor vier Jahren nur mal zum Spotting geschafft, mittlerweile existiert es leider nicht mehr. Aktuell entsteht ein Neubau, weshalb der Verein derzeit nach Sopron ausweicht. Heute zu Gast war der bereits feststehende Meister Ferencváros, weswegen nach dem Ticketkauf sogar Trainer Thomas Doll persönlich begrüßt werden konnte. Nachdem wir in einer Kneipe noch
Gedenkstätte „Paneuropäisches Picknick“ bei Sopron
Ehemaliger Grenzzaun zwischen Ungarn und Österreich
Sopron - Káposztás utcai Stadion
Kaisersdorf - Waldsportplatz
meinen langjährigen Weggefährten Markus (er lebt mittlerweile in Wien, nur eine Stunde von hier entfernt) trafen, ging es zusammen ins Stadion. Fradi hatte einen 250-er Haufen mitgebracht, leider ohne die aktive Szene, die bekanntlich seit zwei Jahren den Besuch der Spiele boykottiert. Ein 50-er Szene-Mob hatte sich zudem, zunächst inkognito, auf der eigentlich falschen Tribüne direkt gegenüber dem Gästeblock postiert. Stimmung kam immer mal wieder von beiden Seiten auf, unterm Strich war das aber nichts Weltbewegendes. Auch Haládas riss akustisch keine Bäume aus, aber nach Ungarn fährt man ja schon lange nicht mehr, um akustische Feuerwerke zu erleben. Spielerisch war es dann auch recht dürftig, Fradi gewann unspektakulär mit 1:0 und begrub damit die eh nur noch theoretischen Europapokal-Hoffnungen der Gastgeber. Dank der Konversationen untereinander lief das Spiel ohnehin nur nebenher, und dank Markus' VIP-Status mussten wir dabei auch nicht verdursten. Die anschließende Meisterehrung der Budapester gaben wir uns nicht mehr. Schließlich hatten wir noch einen Anschlusstermin!
30.04.16, 19:30: ASKÖ Kaisersdorf vs. UFC Neckenmarkt 0:0 Österreich, 6. Liga, 195 Zuschauer (15 Gäste)
Nur eine gute halbe Stunde nach der Abfahrt in Sopron standen wir an einem Waldrand im österreichischen Kaisersdorf, hinter dem sich der örtliche Sportplatz befand. Was hatte ich am Freitag vor unserer Abfahrt lange gesucht, ob es nicht noch ein Abendspiel in Österreich geben würde. Auf der superben Homepage des burgenländischen Fußballverbandes wurde ich schließlich in der 6. Liga fündig. Vor Ort wurden wir aufgrund unseres merkwürdigen Dialekts natürlich sofort als Deutsche enttarnt, und fortan hatte man permanent das Gefühl, dass sich unsere Anwesenheit schnell herumgesprochen hatte, denn zahlreiche Leute schauten uns immer wieder strahlend an. Es war aber auch echt schön hier. Dem für diese Liga überraschend guten Spiel fehlte es an nichts, außer an Toren. Das Imbissangebot war super, die Preise fair, und die Einheimischen stellten sich einfach als ein verdammt netter Schlag Menschen heraus. Als besonders an unserem Hobby Groundhopping interessiert, und gut darüber informiert, erwies sich der Herr vom Einlass, Horst. Er lud uns noch auf ein Getränk nach dem Spiel ein, aus dem schnell drei oder vier wurden, und final erhielten wir sogar noch Wurstsemmeln für den Heimweg mit. Dazu kamen wir immer wieder mit Leuten aus dem Verein ins Gespräch, die verdammt gute Geschichten zu erzählen hatten, aber auch uns gegenüber weltoffen und interessiert waren. Einfach nur genial, diese unglaubliche Gastfreundschaft! Hier wären wir alle gern länger geblieben, hatten aber noch eine dreistündige Fahrt nach Tschechien vor uns, an dessen Ende besonders Fahrer André froh war, endlich ins Bett springen zu können.
01.05.16, 10:15: 1. FC Slovacko B vs. MSK Vyškov 0:3 Tschechien, 3. Liga, 145 Zuschauer (15 Gäste)
Nach der langen Fahrt am Vorabend war die Anreise umso kürzer. Vom guten Hotelfrühstück in Bzenec gestärkt, ging es auf die gut 20-minütige Fahrt nach Kunovice, wo der 1. FC Slovacko B seine Heimspiele austrägt, die Reservemannschaft des Erstligisten aus dem benachbarten Uherské Hradiště. Gleich auf der Haupttribüne trafen wir wieder auf JB aus Chemnitz, der uns erst vor drei Wochen in Uničov über den Weg gelaufen war. Manchmal ist die Welt echt klein. Das Spiel in dem schnuckeligen Ground war dann ganz gut. Durch einen üblen Bock der Heim-Hintermannschaft, der Verteidiger hatte einem gegnerischen Stürmer den Ball wirklich par excellence in den Lauf gespielt, ging Vyškov dann in Führung und spielte das Ding souverän herunter.
Mit zunehmendem Bierkonsum wurden auch die drei Autobesatzungen Gästefans akustisch aktiv. Vom Alter her fahren sie schon seit den 70-er Jahren zum Fußball, und in denen sind sie optisch und vom Kleidungsstil auch hängen geblieben. Meine Herren, das war mal wieder Tschechien in Reinkultur. Dank Kuhglockengeläute und Pöbeleien waren einige Slovacko-Fans langsam genervt, so dass wir nur darauf warteten, dass die Shoshonen den Klappstuhl ausgruben, aber es blieb alles ruhig und die künstlichen Gebisse heil. Für einen unterhaltsamen Tagesauftakt hatte der Gast aus Vyškov aber auf jeden Fall gesorgt! Sportlich war es unterm Strich auch in Ordnung, so dass wir die Weiterreise in Richtung Schlesien guten Mutes antraten.
Kunovice - Stadion Na Bělince
Paderborn - Benteler-Arena Gliwice - Stadion Miejski
01.05.16, 18:00: GKS Piast Gliwice vs. MKS Pogoń Szczecin 2:1 Polen, 1. Liga, 8.169 Zuschauer (184 Gäste)
Eigentlich wären wir nun bei Sparta Kutna Hora gewesen. Warum aber haben wir uns nach Gliwice „verfahren“? Nachdem die Tour, durch kurzfristige Verlegungen in Tschechien (Breclav) und der Slowakei (Trencin) kurz vor Ultimo umgeplant wurde, stellten wir fest, dass wir es alle erstmals schaffen könnten, binnen von 36 Stunden Spiele in fünf verschiedenen Ländern zu schauen. Auf den ersten Blick sicherlich nicht unbedingt sinnvoll, aber geografisch war es letztlich gar nicht sooo verkehrt, und mitgemacht haben muss man so etwas auch mal. Mit dem Sender Gleiwitz, der am 1. September 1939 überfallen worden war und dadurch zumindest offiziell zum Auslöser des Zweiten Weltkriegs wurde, konnte zudem ein Kulturpunkt abgehakt werden, welcher an die Stelle der Knochenkirche in Kutna Hora rückte.
Wie üblich bekamen wir wir am Stadion die hier gängigen Thermopapierschnipsel, anderswo Eintrittskarten genannt, überreicht, bevor es emotional wurde: André und ich konnten unsere Kamera nicht mit reinnehmen. Keine Diskussion half, glücklicherweise wurde ich wenigstens noch einmal rausgelassen, um diese im Auto verstauen zu können. Als ich fragte, warum man die Kontrolle denn erst nach dem Entwerten der Tickets durchführte, merkte ich richtig, wie es bei dem minderbemittelten Oberordner "Klick" machte. Somit entstanden hier heute leider nur Handyfotos, ausgeglichen wurde dieses Manko aber durch absolute Bewegungsfreiheit auf unserer Tribüne, so dass man dennoch ein paar vernünftige Eindrücke auf dem Microchip festhalten konnte. Apropos vernünftig: Dies war zum einen das Spiel, welches insgesamt drei absolute Traumtore sah und mit Piast den verdienten Sieger fand. Zum anderen war auch der Support überraschend gut. Klar, Pogoń war nur mit einem kleinen Haufen angereist. Aber in Gliwice hat sich eine durchaus gute Szene entwickelt, die optisch und akustisch zu unterhalten wusste, wenngleich man in der eigenen Stadt nur die Nummer 2 ist und sich immer wieder gegen Überfälle der Torcida Zabrze wehren muss. Daumen hoch also für den heutigen Auftritt! Die ebenfalls anwesende Groundhopperlegende Fari meinte zwar, dass er "so etwas nicht braucht", aber uns hat es gefallen. Die Heimfahrt war dann schnell abgerissen, kurz nach 01:00 Uhr (Holger und ich) bzw. kurz vor 04:00 Uhr (André) waren wir alle wieder daheim. Insgesamt 1.900 Kilometer hatten wir abgerissen, André sogar noch 500 mehr - das kann sich für ein Wochenende doch durchaus sehen lassen! Auch wenn die Aktion, in zwei Tagen fünf Länder zu besuchen, sicherlich so schnell keine Wiederholung erfahren wird. Die eingangs erwähnte Zweitligakomplettierung wurde an den beiden darauffolgenden Wochenenden durch Spielbesuche in Pardubice, Frýdek-Místek, Sokolov und Vlašim übrigens tatsächlich geschafft. Zwar jeweils geografisch auch nicht unbedingt sinnvoll. Aber dass das beim Hoppen nicht immer die oberste Priorität hat, ist sicherlich keine allzu bahnbrechende Erkenntnis…
Radiostacja gliwicka (Sender Gleiwitz)
Bekanntlich wurde im Sommer 2016 die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich ausgetragen. Trotz seinerzeit latenter Terrorgefahr und obwohl ich gar kein Freund von solchen Großveranstaltungen bin, ließ ich mir die Vorfreude nicht nehmen, sondern fuhr mit meinem Berliner Kumpel Arnaud zusammen ins Land der Langbrote. Hierzulande hatte ich bislang erst sechs Grounds gesammelt und nun die Gelegenheit, binnen weniger Tage die erste Liga mehr als halbvoll zu machen. Insgesamt sollten wir Spiele in acht der zehn EM-Stadien besuchen, nur Toulouse und Nizza blieben außen vor. Da die Ereignisse der EURO den meisten Lesern bekannt sein dürften, habe ich mir für dieses Buch nur ein besuchtes Spiel exemplarisch herausgesucht.
Nach vergleichsweise kurzer Nacht ging es am Samstagvormittag von Saint Etienne, wo wir am Vorabend noch das Fast-Abbruchsspiel zwischen Tschechien und Kroatien verfolgt hatten, nach Marseille. Unmittelbar nach dem Spiel hatte sich Arnaud auf den 900 Kilometer langen Weg zu einer Hochzeit in Bayern gemacht, welcher er heute beiwohnen sollte, übrigens ohne zwischenzeitlichen Schlaf. Respekt dafür! Das Zimmer in der Nacht und das Gefährt gen Süden teilte ich mir stattdessen mit Benjamin (FC Wohlen), Christin und Johanna, mit denen ich eine gute Zeit hatte. Einen ersten Vorgeschmack von der Stadt Marseille bekamen wir schon beim ersten Durchfahren: Mediterranes Flair, zahlreiche wunderschöne Bauten, aber auch verkehrstechnisch total verstopft. Es gefiel uns dennoch, wenngleich man sich hier eher wie in Italien statt in Frankreich fühlte. Gegen 12:30 Uhr ließen mich die drei knapp 500 Meter vor meiner über Airbnb gebuchten Unterkunft raus, dessen Auffinden mich, nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen, an allem Französischen zweifeln ließen. Denn dort, wo die Hausnummer 122 sein sollte - gemäß meiner Logik zwischen 120 und 124 - war eine kleine Straße, mehr aber auch nicht. Die 122 fand sich schließlich hinter der 130 (!) bergauf, und die Hausnummer entpuppte sich als Wohnanlage mit 700 Appartements. Es ging noch einmal etwa 500 Meter bergauf, bis mich mein Gastgeber Thierry empfing. Ein cooler Mittfünfziger, und in dem tollen Zimmer habe ich mich sehr wohl gefühlt.
18.06.16, 18:00: Island vs. Ungarn 1:1 EM, Vorrunde, 60.842 Zuschauer (10.000 Isländer, 35.000 Ungarn)
Nach kurzem Frischmachen ging es an den Strand, wo die offizielle Fanzone der Stadt Marseille angelegt war. Schon jetzt zeichnete sich ab, dass die meisten Isländer das Spiel hier statt im Stadion schauen würden. Wirklich schade! Ich hatte einige sehr nette Gespräche mit Nordmännern und Ungarn, alles ausgesprochen coole Leute. Gleiches traf auch auf das Stadionpersonal zu: Freundlicher als überall bisher, die Leute hatten richtig Spaß bei der Arbeit und behandelten die Zuschauer endlich mal als Gäste, ganz anders noch als beispielsweise die Vollidioten vorgestern in Lyon. Auch das Hereinbringen der Kamera war gar kein Problem. Mein persönliches Highlight war, als ich mir nach tagelangen Überlegungen die offizielle Baskenmütze zum Turnier zulegte. Derr Herr hinterm Tresen jubelte total darüber, was mich leicht irritierte. Die Lösung: Drei der Verkäufer trugen genau diese Mütze, und sie hatten jeweils um 5 € gewettet, bei wem denn heute zuerst jemand dieses Teil kaufen würde. Dadurch kam man ins Gespräch und ich fotografierte die Drei anschließend, schaut euch einfach mal dieses Lächeln an und ihr seht, wie gut drauf die Leute in Marseille waren. Das machte echt Spaß! Doch das Highlight war natürlich das Stadion. Das Vélodrome, seit vielen Jahren einer meiner Sehnsuchtsorte. Hier wurde heute ein Traum war, und als ich erstmals in diesem Tempel stand, war ich ergriffen. Auch wenn der heutige Anlass leider kein Olympique-Heimspiel sein und ich somit nicht das legendäre Commando Ultra 84 in Aktion erleben würde, war das hier schon vor dem Spiel ein Highlight.
Drinnen bewahrheitete sich auch, was ich vorhin schon erahnte: Nämlich, dass nur etwa ein Drittel der in der Stadt anwesenden Isländer auch tatsächlich im Stadion sein würden. Ganz anders dagegen die Ungarn: Waren es am Dienstag in Bordeaux gegen Österreich noch weniger als 10.000 gewesen, so liefen hier heute etwa 35.000 auf. Eine wahnsinnige Anzahl! Die Stimmungshoheit war somit schon vor dem Anpfiff geklärt, doch bei dieser Anzahl können natürlich nicht alle Ungarn zusammen stehen. Dies führte dazu, dass sich von links und rechts gleichzeitig einige hundert Fans an einem Sturm auf die Hintertortribüne versuchten. Und bis die Polizei eingriff und mit Schlagstöcken und Pfefferspray agierte - vollkommen idiotisch, denn hier wurde niemand angegriffen, auch keine Ordner, es ging einzig und alleine um den Blockwechsel! - schafften es auch die meisten. Der Unterrang wurde somit kurzerhand zum Stehplatzblock erklärt und die Ungarn starteten einen 90-minütigen Support, der bei dieser EM bisher konkurrenzlos war. Mitten hinein in diese Stimmung fiel das 1:0 für die Isländer, mit denen ich eigentlich sympathisierte, was der Unterstützung der Ungarn aber keinen Abbruch tat. Ich schnackte derweil mit Daniel und André aus der Nähe von Koblenz. Beide nette und gute Jungs, die die Fahrt nach Frankreich anlässlich Daniels Abi spendiert bekommen hatten. Dessen Vater ist Ungar, weswegen die Sympathien der beiden klar waren - beste Grüße an euch, falls ihr das lest. Weniger cool dagegen war die Reutlinger Reisegruppe hinter mir, die zunächst Irland bepöbelte (bis ich denen erklärte, dass hier Island spielte und nicht Irland) und in der zweiten Halbzeit immer wieder forderte, dass die Ungarn doch einfach mal eine Flanke auf den Szalai schlagen sollen, der würde das Ding schon rein machen. Blöd nur, dass Szalai zu diesem Zeitpunkt noch auf der Bank saß. Aber Hauptsache, der Ultras Marseille-Schal saß! Genug geärgert, das Spiel war viel zu spannend! Ungarn erzielte kurz vor Schluss den 1:1-Ausgleich, und der Torjubel war wirklich vom Allerfeinsten. Durchdrehende Spieler, Pyro, hüpfende Menschen und vor allem eine Mega-Lautstärke. Der beste Torjubel der gesamten EM für mich, maximal auf einer Stufe mit dem 1:0-Führungstreffer der Iren gegen Schweden. Das hier war wahre Freude, die man eben nur noch bei den kleinen Mannschaften in dieser Intensität sieht. Und fast wäre den Magyaren sogar noch der Siegtreffer gelungen, was aber zu viel des Guten gewesen wäre. Spannend war’s, und verdient. Das vermutlich am meisten unterschätzte Spiel des gesamten Turniers war ein echtes Highlight! Und nachdem ich im „Commando Ultra“-Shop noch ein paar Euros ließ und es auf dem Heimweg ein fabulöses Merguez-Baguette gab (was trotz allem nie an eine Klobasa bei Sulko Zábřeh oder Banik Sokolov heranreicht!), war ich auch schon wieder im Appartement. Vom Balkon aus gab es hier einen Blick auf die untergehende Sonne über dem Mittelmeer, kühles Kronenbourg 1664 sowie Portugal vs. Österreich im Fernseher. Gediegener hätte der letzte Abend in Frankreich kaumausfallen können. Am Folgetag schließlich nahm ich mir noch Zeit für eine ausgiebige Erkundung der Stadt, die mir neben Lyon am besten von allen während der EM besuchten Orten gefiel. Hier war ich sicherlich nicht zum letzten Mal. Per Flieger führte es mich via Rom schließlich abends heimwärts, und am kommenden Wochenende sollte es zum Achtelfinalspiel der deutschen Mannschaft gegen die Slowakei in Lille nochmals nach Frankreich gehen. Alles in allem eine wirklich positive Überraschung, diese EURO!
Prachtbude: Das Stade Vélodrome in Marseille
Die freundlichsten Volunteers des Turniers
Einer der beeindruckendsten Orte der Stadt: Das Palais Longchamp
Vieux Port: Der Hafen von Marseille
Traumhaftes Stadion vor traumhafter Kulisse in traumhafter Stadt
Kennt jemand das Buch „Matchball in Moldawien“ von Tony Hawks? Es sei hiermit dringend empfohlen! Dieser verrückte Engländer, der auch schon in Begleitung eines Kühlschranks durch Irland trampte, wettete darin mit einem Kumpel darum, alle elf Fußballspieler der moldawischen Nationalelf, die am 10. September 1997 im Wembley-Stadion gegen England gespielt hatte, in einem Tennismatch zu schlagen. Ob er es geschafft hat? Lest selbst. Spätestens seitdem ich diesen Schmöker vor etlichen Jahren förmlich verschlungen habe, hatte ich Bock auf das selten von Touristen bereiste Land. Da mir im Spätsommer 2016 zudem noch ganze sechs UEFA-Länderpunkte fehlten, war es allerhöchste Zeit…
Ganze zwei Wochen waren seit meinem letzten Bukarest-Besuch vergangen, bevor es am Freitagmorgen wieder los ging. Wie gehabt mit Ryanair für 9,99 Euro, und wie vor zwei Wochen gemeinsam mit Fin und Gavi. Die Runde komplettierte Rumänien-Neuling Pippo. Bei meinem vierten Bukarest-Besuch wollte ich tatsächlich das erste Mal Sightseeing betreiben, was aber mit dem Pressepalast, dem Triumphbogen und dem Siegesplatz nur sehr geringfügig gelang. Doch solange die Flüge hierhin so spottbillig sind, wird es mich noch häufiger herführen. Letztlich wurden in der Nachbarschaft des obligatorisch besuchten Hard Rock Cafés auch schon die ersten Getränke konsumiert. Am frühen Nachmittag galt es dann, in Richtung Juventus-Stadion aufzubrechen. Der Spielplanansetzungs-Gott, der im Rumänien leider immer erst 2-3 Tage vor dem Wochenende tätig wird, meinte es einerseits überhaupt nicht gut mit uns, hatte er doch das Auswärtsspiel des AFC Rapid beim CS Cadet auf 10:00 Uhr angesetzt (Ja, an einem Freitag, keinem Feiertag, in der untersten Liga. Wohlgemerkt keine 42 Stunden nach dem Abpfiff des letzten Rapid-Punktspiels!). Bei einer Ansetzung nur zwei Stunden später wäre heute ein Doppler möglich gewesen. Andererseits hatten wir Glück damit, dass Juventus auf 16:00 Uhr terminiert wurde. Damit würde der Zweitliga-Spitzenreiter fallen und somit der, neben dem bisher nur von außen besuchten Nationalstadion-Neubau, klassenhöchste noch fehlende Ground der Hauptstadt. Für mein kleines Jubiläum, es war der 400. Auslands-Ground, also nicht schlecht.
30.09.16, 16:00: SC Juventus București vs. CS Unirea Tarlungeni 6:0 Rumänien, 2. Liga, 600 Zuschauer (0 Gäste)
Vor dem Spiel wurden noch zwei Bergenbier (das heißt wirklich so!) geleert und kurz vor dem Kick Off ging es zum Stadion, an dessen Kasse es ein Novum gab: Nämlich sehr schöne Eintrittskarten mit Datum und Gegneraufdruck, die aber komplett kostenlos waren. So etwas hatte ich, wenn ich mich recht entsinne, im höherklassigen Fußball erst ein einziges Mal, nämlich vor zweieinhalb Jahren beim gibraltarischen Pokalfinale. Auch wenn Juventus Bukarest als Verein eine christliche Philosophie verfolgt (Nächstenliebe und so) bleibt es mir schleierhaft, warum man hier nicht wenigstens angemessene 10 Lei an Eintritt nimmt, um die Unkosten des Spieltages zumindest halbwegs zu decken. Oder sowas wie ein Imbissangebot anbietet, denn hier gab es gar nichts. Nicht mal Wasser (was bei 26 Grad gar nicht verkehrt gewesen wäre, zumal der Großteil der Besucher in der knallenden Sonne saß) oder die obligatorischen Sonnenblumenkerne. Egal. Das Stadion an sich war zwar eines aus dem Baukasten, aber es hatte zumindest Flair, da es über weite Strecken von einem herrlichen Ostblock-Plattenbaupanorama umgeben war. Etwa 600 Zuschauer waren vor Ort (offizielle Zahl: 350), die eine sportlich klar überlegene Juventus-Elf sahen. Wie schon vor zwei Wochen beim anderen Rapid-Nachfolger CSM CFR Miscarea, endete das Tour-Auftaktspiel mit 6:0, und auch hier hätte es ein zweistelliges Ergebnis werden können, wenn die Chancenverwertung gestimmt hätte. Ich gehe davon aus, mit Juventus einen kommenden Erstligisten gemacht zu haben. Dass die in dieser Bude aber auch gegen Steaua oder Dinamo spielen, darf zumindest bezweifelt werden. Pünktlichst mit dem Abpfiff verließen wir den Ground, die verspätete Anpfiffzeit sowie die unnötige Nachspielzeit des Schiedsrichters holten wir aber dadurch wieder rein, dass wir bereits drei Minuten nach dem Abpfiff in der Tram saßen, der Umstieg auch nur zwei Minuten kostete und wir somit am Gara de Nord noch 55 Minuten Zeit hatten.
Der eigentliche Anlass der Tour war, wie eingangs schon erwähnt, der Länderpunkt Moldawien. Für mich Nummer 58, der vorletzte auf dem europäischen Kontinent und der sechstletzte in der der UEFA. Bereits vor zwei Wochen waren vollkommen entspannt die Zugtickets gekauft worden. Im Gegensatz zu meinem vorletzten Aufenthalt vor 15 Jahren gibt es mittlerweile einen Schalter für internationale Fahrkarten innerhalb des Bahnhofs Gara de Nord, und man muss nicht mehr zum einige hundert Meter entfernt liegenden Büro der Rumänischen Bahn CFR laufen. Der Fahrkartenkauf für die vier Returntickets dauerte übrigens ganze fünf Minuten, für ein Viererabteil in der 1. Klasse zahlten wir pro Nase etwa 57 Euro und die Zahlung ging bequem per Kreditkarte über die Bühne. Es tut sich was in Südosteuropa und auf die Zugfahrt freuten wir uns alle, neben den Spielen, eigentlich am meisten. Doch als wir unser Abteil betraten, waren wir schon kurzzeitig etwas geschockt, wie eng das alles war. Aber die etwa sechs Quadratmeter reichten im Endeffekt vollkommen aus. Schon eher problematisch war die saunaartige Hitze, da sich nur auf dem Gang zwei Fenster öffnen ließen und der Zug über keine Klimaanlage verfügte. Nach etwa einer halben Stunde Fahrtzeit war jedoch alles im erträglichen Bereich, zudem hatten wir uns mit ein paar Getränken bereits gut abgekühlt. Der Zug selbst war schon ein geniales Teil, Baujahr 1982, gefertigt in Halle/Saale, mit entsprechenden Schildern versehen: VEB Waggonbau Ammendorf / Deutsche Demokratische Republik. Sehr geil. Die Waggons waren wirklich noch im Originalzustand, lediglich versehen mit Gardinen der Moldawischen Staatsbahn, absoluter Kult! Nur die Toiletten hätten gern mal modernisiert werden dürfen, so aber wurden diese lediglich im Stehen genutzt. Auch Steckdosen gab es nur wenige auf den Gängen, denn Anfang der achtziger Jahre war an Handys und Laptops noch nicht zu denken. Dazu gab es ein paar kühlende Getränke und als alle Dosen leer waren, legten wir uns nach etwa sechs Fahrstunden schlafen. Wir wurden nur von den rumänischen und moldawischen Grenzern zwecks der Passkontrollen jeweils kurz geweckt. Die Rumänen waren sehr freundlich und die Moldawier stressten zumindest um diese Uhrzeit nicht herum. Da hatte ich an Grenzen schon ganz andere Dinge erlebt!
Pünktlich auf die Minute erreichten wir Chişinău um 09:15 Uhr, bis zum Bahnhof hatten wir bereits etliche feinste Plattenbauten passiert. Der Vormittag lief dann leider nicht so gut. Zunächst stellte sich heraus, dass mein vermeintlich strategisch kluger Zug, ein Appartement nur wenige Meter vom Bahnhof zu buchen, nicht der erhoffte Geistesblitz war, hatte ich doch schlichtweg in der Nähe des falschen Bahnhofs zugeschlagen. Sucht mal selbst nach Chişinău Railway Station bei Google Maps und ihr werdet aufs gleiche und falsche Ergebnis stoßen. Also hatte ich die Idee, uns schnell ein Taxi zu rufen, die Mehrheit der Gruppe war aber dafür, dass wir die 2,7 Kilometer laufen. Der verkündete Preis von etwa 2 Euro für die Fahrt war offenbar trotz Zeitdruck zu hoch. Das Ergebnis war, dass wir nach einer Stunde immer noch umherirrten, da wir unser Haus einfach nicht fanden. Denn bei booking.com fand sich auf der Übersichtsseite die korrekte Hausnummer 72/5, auf der verwendeten Kartenansicht aber die 75/2 (mittlerweile ist es dort nach einer Email von mir korrigiert). Nachgefragt wurde in einem Restaurant, und als man dort auch nicht weiterhelfen konnte, die Hütte aber insgesamt sehr gediegen aussah, schlug ich vor, einfach dort in Ruhe etwas zu essen. Das 12:00 Uhr-Spiel konnten wir mittlerweile eh knicken, da es bis zu dessen Anstoß mittlerweile keine 45 Minuten mehr waren und den Weg nach Niromeni niemand von uns ungeduscht antreten wollte. Nach dem Essen könnten wir einfach per Taxi zum Appartement zu fahren, denn zumindest ein einheimischer Fahrer würde die Adresse wissen. Also ließen wir es uns erst einmal schmecken. Im Taxi fiel dann auch der Irrtum mit der Adresse auf, letztlich befand sich unsere Unterkunft 200 Meter vom Restaurant entfernt. Der Kutscher fuhr also genau zweimal um die Kurve, aufgrund des vermeintlichen Ärgernisses bekam er aber von uns trotzdem den Preis für eine Fahrt durch die gesamte Stadt (eben knapp unter 2 Euro). Über das verpasste Spiel ärgerte ich mich übrigens noch lange, obwohl es ein räudiger Grottenkick geworden wäre, doch die superbe Wohnung ließ unsere Stimmung wieder aufhellen.
01.10.16, 16:00: FC Zimbru Chişinău vs. FC Saxan Ceadîr-Lunga 2:0 Moldawien, 1. Liga, 370 Zuschauer (0 Gäste)
So also machten wir uns wie geplant frisch und fuhren zum Ground, wo wir eine halbe Stunde vor dem Spielbeginn eintrafen. Dass heute nicht im großen Stadion, sondern leider nur nebenan gespielt werden würde, stand bereits seit Mittwoch fest. Ärgerlich, doch nicht mehr zu ändern, zumindest kurz reingeschaut in die gute Stube wurde trotzdem mal. Vor dem Kartenkauf trafen wir, wie mittlerweile fast überall in Europa, auf andere Groundhopper. Es waren Juri aus Moskau und seine Frau Ekaterina. Juri war mir zumindest vom Namen her bekannt, etliche gemeinsame Bekannte haben wir auf jeden Fall. Er ist einer der bekanntesten Hopper und Ultra-Experten Osteuropas, mittlerweile in Dnepropetrovsk wohnhaft, und von ihm bekamen wir auch die Info, dass es heute eine kleine Choreographie und Pyro geben würde, da die Ultras von Zimbru ihren zwanzigsten Geburtstag feiern. Das nenn ich doch mal Glück, hatten wir angesichts des Gegners Saxan doch mit gar nichts gerechnet. Kaum drinnen, erblickten wir auch Landsleute. Zunächst kamen wir mit Stefan aus Jena und Frommel aus Bad Langensalza ins Gespräch, wenig später stellte sich heraus, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt noch ein weiterer Hopper aus Ratingen saß. Somit waren drei unabhängig voneinander angereiste deutsche Hoppergruppen anwesend. Das ist ja mittlerweile eher Standard als außergewöhnlich, aber hier in Moldawien hatte ich wirklich nicht damit gerechnet. Wie wir später erfuhren, waren am Vorabend beim Spiel von Academia Chişinău sogar weitere Stadionsammler (München & Rostock) anwesend. 15 deutsche Hopper zeitgleich hier, nicht schlecht. Die beiden Thüringer hatte Gavi übrigens erst vor wenigen Wochen in Tschechien getroffen, die Welt ist doch echt ein Dorf. Mit Stefan begab ich mich in der ersten Halbzeit auf die Gegengerade, um bei der Pyroaktion direkt gegenüber vom Mob zu sitzen. Diese fand dann aber, weil zum Anpfiff noch zu wenige Ultras anwesend waren, erst zu Beginn der zweiten Halbzeit statt, so dass wir uns auf das Spiel konzentrieren konnten, was nicht mal schlecht war. Halt maximal auf Drittliganiveau, aber mit ein paar schönen Spielzügen und einer ungefährdeten 2:0-Halbzeitführung für Zimbru. Die Choreo, die übrigens fürs große Stadion vorbereitet worden war und bei der man dank der kurzfristigen Verlegung auf ein paar Elemente verzichten musste, und die Pyroshow waren anschließend nett anzusehen, aber insgesamt unspektakulär. Man hat halt schon andere Dinge gesehen. Da aber auch der Zimbru-Support sehr ansprechend war, zumindest in der ersten Stunde, war das hier alles deutlich über dem, was wir erwartet hatten, auch wenn die Gäste aus der autonomen Republik Gaugasien keine Fans im Gepäck hatten. Den Länderpunkt Moldawien kann man auf jeden Fall schlechter machen. Die letzte halbe Stunde wurde mit den Hobbykollegen verlabert. Das absolute Highlight war zweifelsfrei der Ausspruch des Ratingers, der erzählte, die Tour erst vor zwei Wochen gebucht und dafür aber ein Schnäppchen gemacht zu haben, schließlich hätte er für die Flüge über Istanbul nur 240 Euro bezahlt. Was somit etwa 70 Euro mehr waren, als uns jeweils die komplette Tour inklusive wirklich allem gekostet hat, also auch samt Essen und Trinken.
Plattenbauromantik I: București - Stadionul Juventus
Plattenbauromantik II: Chişinău - Stadionul Zimbru
Mit den Thüringern, Ekaterina und Juri ging es nach dem Spiel in die Innenstadt, übrigens per O-Bus, für knapp 11 Cent. (Anm. Frommel sollte mir das Geld übrigens anderthalb Jahre später in Georgien tatsächlich zurückzahlen.) Im Zentrum Chişinăus fand heute ein Weinfest statt, das uns von einigen Leuten dringendst empfohlen wurde. Ort des Geschehens war der Platz zwischen dem Triumphbogen und dem Regierungsgebäude. Im Gegensatz zu manchen Weinfesten in Deutschlands war hier nicht nur der Eintritt kostenlos, sondern sogar der Wein. Komplett. Dazu spielten Bands, und es waren wirklich tausende Leute unterwegs, alles bei einer sehr friedlichen und tiefenentspannten Stimmung. Ein absoluter Pflichtbesuch für jeden Weinfreund, zumal der moldawische Wein zu den besten der Welt gehören soll. Es hätte alles so schön sein können. Wenn es ein Bierfest gewesen wäre. Denn Wein rühre ich schon seit bestimmt 16-17 Jahren nicht mehr an, das Zeug schmeckt mir einfach nicht. So also wurde die Lokalität gewechselt, um dem einzig wahren Kaltgetränk zu frönen. Die lokale Marke „Chişinău“ schmeckte dabei ganz hervorragend: Relativ mild, aber extrem süffig. Den Old Bus Pub hatte uns übrigens Wladimir empfohlen, der mittlerweile zur Gruppe gestoßen war. Er ist einer der Gründer der Ultras Zimbru, mit dem es sehr interessant wurde, so wie auch mit Ekaterina und Juri. Nur die Thüringer mussten zwischenzeitlich zum Flughafen verabschiedet werden. Jedoch auch der schönste Abend geht irgendwann zu Ende, für Fin und mich sogar noch früher, da wir beide platt und etwas angeschlagen waren. Pippo und Gavi besuchten sogar noch eine Party der Ultras Zimbru, zu der wir beim Spiel eingeladen worden waren. Alles in allem also ein super Tag, trotz des schlechten Beginns. Und gerade, als ich dachte, dass dieser ellenlange Bericht endlich sein Ende gefunden hat, merke ich, dass ich noch fast keine Worte zur Stadt Chişinău an sich verloren habe. Uns hat es insgesamt gut gefallen. Na klar, man sieht hier sehr viele Plattenbauten und es gibt fast keine Sehenswürdigkeiten. Zumindest das Zentrum ist aber sehr nett anzusehen, mit zahlreichen schönen und alten Gebäuden, liebevoll gestalteten Parks und einigen Denkmälern. Dazu ist alles noch eher ursprünglich geprägt, mit starkem sowjetischen Einschlag. Und auch wenn es hier schon McDonalds gibt, so hoffe ich doch sehr, dass sich die Globalisierung oder auch das, was man allgemein als Weiterentwicklung bezeichnet (Aber ist es das überhaupt, wenn sich jedes Land x-beliebig den westlichen Lifestyle überstülpen lässt, ohne sich eigenständig und natürlich zu entwickeln?!?), noch etliche Jahre Zeit lässt. Wir haben uns auf jeden Fall jederzeit wohl und zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise unsicher gefühlt. Erwähnenswert ist ebenfalls die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft aller Menschen, die wir getroffen haben. Hier ist man als Tourist wahrlich etwas Besonderes, denn bei nur 11.000 Besuchern pro Jahr ist Moldawien das, pro Einwohner gesehen, Land mit den weltweit drittwenigsten Touristen. Dementsprechend neugierig und gastfreundlich, aber auch angenehm zurückhaltend, sind die Leute. Und obwohl wir erst einen guten halben Tag im Land waren, hieß es morgen schon wieder Abschied zu nehmen. Das Interesse, mehr von Moldawien zu sehen, war auf jeden Fall schon geweckt. Vor der Abreise am Sonntagnachmittag sollte es aber noch ein Fußballspiel geben. Denn als Groundhopper hasse ich fast nichts so sehr, wie in einem bereisten Land nur ein Stadion auf meiner Liste zu haben.
Happy Birthday! 20 Jahre Utras Zimbru
Chişinău - Stadionul Buiucani
Nach einer kurzen Nacht, die man aufgrund offenbar hoher Qualität der moldawischen Braukunst ohne Kopfschmerzen überstanden hatte, hieß es schon wieder Abschied von Chişinău zu nehmen. Natürlich nicht ohne vorher ein zweites Spiel hier zu sehen, das aber kein besonders sinnvolles sein sollte. Unser Favorit war die U19 von Zimbru, die aber auf demselben Platz spielen sollte wie gestern die Männer. Wir hatten uns also zu entscheiden, zwischen einem weiteren Frauenspiel im Vorort Nimoreni oder einem U16-Spiel in Chişinău. Die Wahl fiel auf letzteres, hauptsächlich aufgrund des brauchbaren Grounds. Riesigen Bock darauf hatten wir zwar alle nicht, ist doch U16 echt hart an der Grenze des Zumutbaren. Aber Groundhopping ist nun mal kein Wunschkonzert, sondern darf auch hin und wieder wehtun.
02.10.16, 12:50: CSCT Dacia / Buiucani vs. FC Zaria Balti 0:1 Moldawien, 1. U16-Liga, 86 Zuschauer (0 Gäste)
Als wir ankamen, lief noch das Vorspiel der U15, so dass wir erst einmal in einem benachbarten Kiosk Essen und Getränke kauften. Um bei der Rückkehr zehn Minuten vor dem Kick Off zu merken, dass unsere Partie bereits lief und wir die ersten beiden Minuten verpasst hatten. Tolle Wurst, wobei das Wort 'verpasst' hier zu relativieren ist, denn natürlich war bisher gar nichts passiert, was sich auch während der restlichen Spielzeit nicht ändern sollte. Das hier war schwere Kost (wir haben es ja so gewollt!), wenigstens wusste das Panorama halbwegs zu überzeugen, das Wetter war schön und die Brühe schmeckte auch schon wieder. Kurz vor Schluss fiel dann sogar noch das 0:1, was hauptsächlich Fin erfreute, der somit auch das 66. Spiel in Folge ohne ein 0:0 überstanden hatte. Per Taxi ging es anschließend zum Bahnhof und zu einem (unterdurchschnittlichen) Griechen, und aufgrund unserer anfänglichen Zögerlichkeit bei der Wahl des Restaurants und einer demotivierten Bedienung kamen wir am Ende sogar noch in Zeitnot. In der letzten Viertelstunde konnten aber noch genügend feste und flüssige Lebensmittel für die abermals mehr als 13 Stunden andauernde Zugfahrt organisiert werden. Diese verging ähnlich unspektakulär wie die Hinfahrt anderthalb Tage zuvor, nur das Heben unseres Zuges von der sowjetischen auf die europäische Spurbreite war echt mal ein Erlebnis. Weniger lustig war, dass wir uns bis dahin natürlich schon ordentlich begast hatten, für den Hebevorgang aber ohne Vorwarnung die Toiletten geschlossen wurden. Was für ein Mist! Als ich es dann nicht mehr aushielt, stellte ich mich auf dem letzten Wagen des Zuges auf den Tritt hinter das Geländer und pieselte einfach drauf los. Aaaahhhh, was war das für ein befreiendes Gefühl. Das Plätschergeräusch bekam dann ein Bahnmitarbeiter mit, der mich mächtig ausschimpfte. Was mir egal war. Witzigerweise fuhr der Zug genau in diesem Moment weiter. Bei der Ankunft in Bukarest zollte Gavis Körper den Anstrengungen der letzten Tage Tribut, letztendlich kamen wir aber unaufgeregt, von sinnlosen Streitigkeiten mit der im Rumänien besonders schlimmen Taximafia um den Fahrpreis mal abgesehen, wieder zum Flughafen und zurück nach Berlin. Und auch dem Gavi ging es nach der Landung schon wieder besser. Seine Bronchitis hatte er "dankenswerterweise" an mich weitergegeben. Sie sorgte dafür, dass ich in der Woche zwar normal arbeiten ging, ich mich ansonsten aber aufs Auskurieren konzentrierte und somit auch am Folgewochenende komplett auf Fußball verzichtete. Fazit: Eine Kurzreise ohne die ganz großen Highlights. Sowohl sportlich, als auch hinsichtlich der Städte. Die aber trotzdem unwahrscheinlich viel Spaß gemacht hat, bei der man zahlreiche interessante Leute kennengelernt hat und bei welcher die Besatzung auch menschlich zu 100 Prozent gepasst hat. Diese Vierercombo wird hoffentlich mal wieder zusammen was machen. Und wenn es nach mir geht, sehr gern wieder in die ehemalige Sowjetunion. До свидания!
Nachtrag: Eine krasse Pointe erfuhr diese Tour etwa zwei Jahre später. Dann nämlich trafen sich Gavi und Juri irgendwo in der Weltgeschichte wieder und letzterer erzählte, was noch auf der Party der Zimbru-Ultras passiert war, nachdem Gavi und Pippo diese verlassen hatten. Etwa eine Stunde später waren Leute aus der Unterwelt Chişinăus aufgetaucht, teilweise wohl richtig hohe Tiere der Mafia. Als es ein paar Meinungsverschiedenheiten gab, griff einer der Partygäste unvermittelt zur Waffe und knallte einen der Mafiosi einfach ab. Daraufhin war ein Großaufgebot an Polizei angerückt und irgendjemand hatte dieser wohl gesteckt, dass auch ein paar Deutsche auf der Party anwesend gewesen waren. In Folge dessen wurde die Staatsmacht wohl in etlichen Hotels vorstellig, auf der Suche nach insgesamt vier Gästen aus Deutschland, welche aber nicht angetroffen wurden. Wie gut, dass wir damals ein Privatappartement gebucht hatten. Und wie gut, dass wir das alles erst lange im Nachhinein erfuhren. Denn die Aussicht darauf, wegen möglicher Verstrickungen in einen Mord hinter moldawische Gardinen zu kommen, hätte uns sicherlich jeglichen Spaß an der Tour geraubt. Und wie wäre es erst gewesen, wenn uns die Staatsmacht tatsächlich gefunden hätte? Unterm Strich ist uns natürlich überhaupt nichts passiert. Aber die oft zitierte Weisheit, dass es wichtigere Dinge gibt als Fußball, traf wohl selten derart zu wie in diesem Fall.
Es war wie so oft: Ende März / Anfang April wollte ich mit meiner Süßen für ein verlängertes Wochenende irgendwohin fahren, aber entweder fehlte die Inspiration oder die Flugpreise stimmten nicht. Den Weg wies mir mal wieder der Fußball bzw. der Matchkalender auf Soccerway. Napoli gegen Juve, das klang fett. Zudem übte die Stadt Neapel seit jeher eine Faszination auf mich aus wie beispielsweise lange auch Marseille, und da die Flugpreise wirklich ein Witz waren (56 € pro Nase retour mit Easyjet) und auch eine bezahlbare Unterkunft in Top-Lage gefunden worden war, war die Buchung eine Sache von Minuten.
Am Donnerstag angekommen, wurde der Rest des Tages für einen ausgiebigen Stadtbummel genutzt, bevor am Freitag schon der nichtfußballerische Höhepunkt unseres Aufenthalts folgen sollte, nämlich eine Wanderung auf dem weltbekannten Weg der Götter. Ohne dass dies hier in einen Reiseführer ausartet: Wer hier in der Gegend ist und mal einen Tag zur Verfügung hat, dem sei der Weg der Götter dringend empfohlen. Wenngleich man durchaus ein wenig Kondition und vor allem gute Wanderschuhe braucht, denn über etwa elf Kilometer geht es immer wieder wechselhaft bergab und bergauf, oft auf Naturtreppen, die teilweise im sehr schlechten Zustand sind, so dass es durchaus auch ein paar nicht ganz ungefährliche Stellen gibt.
01.04.17, 16:00: ASD Portici 1906 vs. ASD OP Savoia 1908 1:0 Italien, 5. Liga, 1.500 Zuschauer (0 Gäste)
Am Samstag dann sollte endlich der Ball rollen. Und dies tat er passenderweise gleich vor den Toren Napolis, stand hier doch das Spitzenspiel der 5. Liga Kampaniens an. Tabellenführer Portici empfing den Zweiten Savoia, und zumindest Letztgenannter dürfte einigen Lesern ein Begriff sein, wurde er doch 1923 italienischer Vizemeister. Nur die Wenigsten von euch dürften damals live zugesehen haben, als gegen Genova in zwei Endspielen mit 1:1 und 1:3 verloren wurde, aber vor drei Jahren spielte die Mannschaft aus Torre Annunziata noch drittklassig. Bekannt ist Savoia auch durch seine heißblütigen Fans, so dass ich insgeheim auf ein Spektakel vor 3.000 - 4.000 Zuschauern hoffte. Um es vorweg zu nehmen: Savoia durfte nicht fahren, was ich aber erst im Stadion mitbekam. Zum Ort des Geschehens brachte mich die Circumvesuviana (Regionalbahn der Region), von Napolis Hauptbahnhof Garribaldi binnen zwanzig Minuten nach San Giorgio a Cremano. Vom hiesigen Bahnhof aus waren es noch etwa eintausend Meter durch die dichtestbesiedelte Stadt Italiens (!) zu Fuß. Das Ticket gab es für fünf Euro, und als ich als erster Zuschauer überhaupt das Innere betreten hatte, fand ich eine schöne Ranzbude vor. Mit vier baugleichen Seiten, nämlich bogenartig gebauten Tribünen, die jeweils hinten von einer Mauer begrenzt waren. Das sah doch gut aus, der Zustand war Italien-typisch auch nicht der beste, dazu gab es noch ein paar Graffiti. Mehr brauchte ich heute gar nicht, um glücklich zu sein. Okay, eine Imbissbude wäre noch nett gewesen, gab es aber nicht, so dass ich mit Backwaren und Mineralwasser aus dem Rucksack Vorlieb nehmen musste. Und das war angemessen, denn die Sonne knallte gut, und schon im Schatten waren es 22 Grad, also T-Shirt-Wetter.
Auf dem Sentiero degli Dei, dem Weg der Götter
Portici - Stadio San Ciro
Bis zum Anpfiff füllte sich die 7.500-er Bude zu einem Fünftel, von den 1.500 Besuchern standen etwa 1.430 auf der Geraden unterhalb des Vesuvs, was für mich ein schönes Fotomotiv von meinem Standort auf der Hintertorseite ergab. Zum Spielbeginn gab es zwei Spruchbänder und etwas Rauch. Letztgenannter wurde übrigens während des Spiels immer wieder gezündet, genau wie Bengalos, aber jeweils nur vereinzelt. Schade, denn genug Material für eine sehenswerte Pyroshow war hier durchaus vorhanden, so aber wurde damit offenbar immer nur die Stimmung angefacht. Aber klar, wenn sich ein Mob gerade in Ekstase singt, und dann ein Bengalo aufflammt, steigt die Motivation eben noch einmal um ein paar Prozent an. Stimmungsmäßig war das Gebotene wirklich gut. Selbstverständlich gemessen daran, dass hier ein Fünftligaspiel lief. Besonders vor dem Seitenwechsel wurde von 150 - 200 Leuten pausenlos gesungen, hier war echt nie Ruhe, und neben einigen youtube-Hits und den gängigen italienischen Kurvenklassikern gab es auch 2-3 mir vollkommen unbekannte Melodien zu hören. Dafür Daumen hoch! Gleich aber wieder runter für das, was fußballerisch gezeigt wurde. Meine Fresse, war das schlecht. Okay, der katastrophale Rasen hätte ohnehin kein Tiki-Taka zugelassen, aber hier stimmte ja fast gar nichts bis auf den Einsatz. Selten ging ein Spielzug mal über mehr als drei oder vier Stationen, so dass ich mich ernsthaft mehrfach fragte, wie denn bitte dies die beiden besten Mannschaften der Liga sein können, sprich: Wie mies müssen erst die anderen sein und was wird einem gar in den weitaus tieferen Spielklassen geboten? Verglichen mit Berlin, hätten hier einige A-Kreisligisten gewonnen und darüber hinaus einen weitaus schöneren Ball gespielt. Tore würden hier wohl genauso viele fallen, wie Gästefans anwesend waren. Nachdem ich also mehr als ein halbes Jahr von einem 0:0 verschont geblieben worden war, stand nun also der zweite Nuller binnen einer Woche bevor (nach Altlüdersdorf vs. TeBe letzten Sonntag). Bis der Schiedsrichter plötzlich auf den Punkt zeigte. Warum, habe ich gar nicht so genau gesehen, aber wohl zu Recht. Nach 64 Minuten stand es also plötzlich doch 1:0, und viel mehr gibt es zum Spiel auch gar nicht mehr zu berichten, denn mangels spielerischer Fähigkeiten schaffte es Savoia nicht mehr, wirklich konsequent auf den Ausgleich zu drängen - wenngleich am Ende doch noch so etwas wie Spannung aufkam und Portici sogar noch zwei Platzverweise zu beklagen hatte: Einmal den des an der Seitenlinie dauerpöbelnden Trainers und den eines Abwehrspielers in der 95. (!) Minute, der aber niemanden mehr störte. Denn wenig später war der Sieg in trockenen Tüchern und somit ein Fünf-Punkte-Vorsprung, der am Saisonende zum Wiederaufstieg in die Serie D berechtigen sollte, wohlgemerkt erstmals seit 1976. Entsprechend euphorisch waren die Feierlichkeiten, denen ich noch kurz beiwohnte, ehe ich mich auf den Rückweg in die Quartieri Spagnoli machte. Da uns beiden der Vortag noch ein wenig in den Knochen bzw. vor allem in den Waden steckte, verließen wir abends nicht mehr das Haus, sondern kochten nur noch ein paar Spaghetti Arrabiata, und nach zwei 0,66 Liter-Flaschen Moretti ging auch schon kurz nach 22 Uhr das Licht aus.
02.04.17, 14:30: SS Juve Stabia vs. Casertana FC 2:2 Italien, 3. Liga, 1.289 Zuschauer (220 Gäste)
Auf dieses Spiel hatte ich mich an diesem Wochenende am meisten gefreut. Juve Stabia ist in Sachen Stimmung eine bekannte Adresse, verfügt über eine idyllisch von Schirmpinien gesäumte Hintertortribüne sowie über einen generell schönen Ground, zudem sollte das heutige Spiel durchaus so etwas wie Derby-Atmosphäre mit sich bringen. Bis vor kurzem stand das Duell zwischen Juve Stabia und Casertana zwar eher für eine Freundschaftsparty, jene Allianz ist aber vor kurzem zerbrochen, weswegen ich mich durchaus gespannt auf den Weg machte. Erneut per Circumvesuviana verließ ich Napoli, bis ich nach etwa 50 Minuten Castellammare di Stabia erreicht hatte, genauer gesagt den Bahnhof Via Nocera, von dem das erste heutige Tagesziel nur noch etwa 500 Meter entfernt liegt. In der auf halbem Weg zum Stadion liegenden Bar „Dolci Momenti“ wurde problemlos das Ticket gekauft, hier ließ ich mich auch noch für einen Kaffee nieder, bevor es gut eine Stunde vor dem Kick Off in die gute Stube ging. Aufgrund der Regenvorhersage und des abendlichen Termins fiel die Wahl ausnahmsweise mal auf die 25 Euro teure Haupttribüne. Vor deren Erklimmung waren mir mit Christian (Mönchengladbach) und seiner Freundin zwei weitere Deutsche über den Weg gelaufen. Es ist schon echt geil, dass man sich selbst 1.500 Kilometer von der Heimat entfernt fast drauf verlassen kann, Kollegen zu treffen - seid gegrüßt!
Nun aber schnell ab ins Innere und ein paar Fotos machen, bevor sich die gute Stube füllt - leider nur mit dem Handy, da ich die Kamera in Italien in den oberen Ligen nach mehreren Erfahrungen bekannter Hopper heute besser daheimlasse. Klar ist es ärgerlich, anschließend nur mittelmäßige Bilder zu haben, aber viel wichtiger ist doch jeweils, das eigentliche Erlebnis in vollen Zügen zu genießen. Und dies tat ich heute definitiv. Denn kurz vor dem Spielbeginn begannen beide Mobs mit einer Show, die es in sich hatte. Besonders der etwa 500 Mann große Stabia-Mob hatte es mir angetan. Genau wegen dieser absoluten Passion hatte sich die Reise spätestens ab diesem Zeitpunkt gelohnt. Der Mob fuhr seinen komplett eigenen Stil, mit verschiedensten Gesängen, darunter einigen Eigenkreationen, sowie permanent umherfliegenden Armen. Halt den typischen Zutaten einer italienischen Kurve, nur eben Klassen besser als das meiste bisher Gesehene, eben aufgrund der unglaublichen Leidenschaft, mit der Team und Stadt besungen wurden. Das hier heute war mein insgesamt 23. Spiel auf dem Stiefel und die erste Halbzeit war die beste, die ich in Bella Italia bislang erlebt hatte. Und das nicht nur wegen Juve Stabia, auch Casertana drehte stimmungsmäßig gut auf, kam aber schon aufgrund der geringeren Mannstärke nicht an die Heimkurve heran. Nicht nur auf den Rängen wurde großer Sport geboten, untypischerweise für Italien konnte man sich auch das Spiel sehr gut anschauen. Den Verlauf der ersten 45 Minuten als stimmungsfördernd zu beschreiben, ist dabei eine enorme Untertreibung. Denn schon nach sechs Minuten ging Juve Stabia in Führung, nach einem Freistoß schön aus einem Gewühl heraus. Ein Casertana-Spieler lag schon halb auf dem Ball, und im Gestochere wurde definitiv nicht nur die Kugel getroffen. Das Tor zählte merkwürdigerweise trotzdem. Weitere sechs Minuten später folgte eine sehr heftige Szene. Casertanas Ivan Rajčić schüttelte seinen Gegenspieler dadurch ab, indem er diesem seinen Ellbogen voll in die Kauleiste schlug. Als daraufhin der Stabesi Capodaglio angerannt kam, schlug Rajčić erst in dessen Magengegend und verpasste ihm, da der Schlag nicht wirklich getroffen hatte, noch einen Kopfstoß, woraufhin sich Capodaglio mit einem Schwinger revanchierte und Rajčić noch von zwei weiteren Gegenspielern kassierte. Unfassbar, wie besonders der Kroate in den Reihen der Gäste Amok gelaufen war, er und Capodaglio flogen selbstredend mit Rot vom Platz. Der unglaublich schlechte Schiri hatte das Spiel während dieser Phase in keinster Weise im Griff. Und wie bislang alle sechs Minuten passierte auch in der 18. Minute etwas Unglaubliches, nämlich ein absolut lachhafter Elfmeterpfiff zugunsten der Gäste, die sich die Chance zum Ausgleich nicht entgehen ließen. Dass wenig später Juve Stabia ein wesentlich klarerer Strafstoß verweigert wurde, lasse ich ebenso unkommentiert, wie, dass das Publikum mittlerweile vollkommen austickte, wild rumpöbelte, und sich die Kurve dadurch zu gesanglichen Höchstleistungen animiert fühlte. Ab und zu wurde auch eine Fackel angerissen - ganz ehrlich, besser geht es kaum. Die Italiener sind ja ohnehin dermaßen geil drauf, wenn sie sich direkt gegenüber stehen und nahezu anschreien, so dass man als Außenstehender denken könnte, dass gleich die totale Eskalation folgt. Dabei ist das einfach nur die Art der Leute sich zu unterhalten, und bei einer auf mich als halbwegs zivilisierten Menschen total aggressiv wirkenden Lautstärke, untermalt von den typisch italienischen Gesten, streiten die sich nicht mal. Nee, das ist hier normal, das ist eben Süditalien. Und jeder, der einmal in diesem Landstrich zu Gast war, kann sich vorstellen, was hier angesichts der Schilderungen los war. Alles Fanatiker hier, nur geil. Der Durchdrehfaktor wurde dadurch noch erhöht, dass Casertana kurz vor der Pause zum 1:2 traf: Schön herausgespielt, zwar unglücklich abgefälscht, aber ausnahmsweise ganz ohne entscheidenden Einfluss des Schiedsrichters. Diese Halbzeit hatte es wahrlich in sich, und die Floskel, dass in der Pause die Gemüter etwas abgekühlt werden können, traf hier absolut zu. Zum Runterkommen gönnte ich mir zwei Café Borghetti (Kaffeelikör) und kaschmaukte mich durch den Pressebereich auch mal auf die andere Tribünenseite, um den Casertana-Mob wenigstens kurz in Augenschein zu nehmen: Mehrheitlich Altultras in den Vierzigern - sehr gut!