Enkopresis und Obstipation bei Kindern - Justine Hussong - E-Book

Enkopresis und Obstipation bei Kindern E-Book

Justine Hussong

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Beschreibung

Für die Behandlung von Enkopresis und Obstipation stehen wirksame, evidenzbasierte Methoden zur Verfügung, die für die meisten Patienten ausreichen. Allerdings gibt es eine Gruppe von Kindern, die nicht "sauber" wird, d.h. nicht die Kontinenz als Behandlungsziel erreicht. Das vorliegende Manual wurde speziell zur Behandlung von Kindern entwickelt, die unter einer solchen therapieresistenten Enkopresis und/oder Obstipation leiden. Das Therapieprogramm eignet sich für Vor- und Grundschulkinder und kann sowohl im Einzel- als auch im Gruppenkontext durchgeführt werden. In 7 Sitzungen werden den Kindern spielerisch Informationen zu Anatomie, Pathophysiologie des Störungsbildes, Toilettennutzung sowie gesundem Essen und Trinken vermittelt. Zudem werden die Themen Stress und Stressregulation behandelt. Fragebögen und Übungen unterstützen die Reflexion und Selbstwahrnehmung der Kinder und erleichtern den Transfer des Gelernten in den Alltag. Die zahlreichen farbig illustrierten Arbeitsmaterialien können direkt von der beiliegenden CD-ROM ausgedruckt werden.

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Justine Hussong

Heike Sambach

Monika Equit

Alexander von Gontard

Enkopresis und Obstipation bei Kindern

Das Therapieprogramm „Auf’s Klo – Wieso?“ zur Darmschulung

Dr. Justine Hussong, geb. 1985. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Seit 2010 tätig in der Spezialambulanz für Ausscheidungsstörungen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg.

Heike Sambach, geb. 1980. Kinderkrankenschwester. Seit 2005 tätig in der Spezialambulanz für Ausscheidungsstörungen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg. Seit 2010 Kontinenztrainerin / Urotherapeutin und Dozentin für Kontinenzschulungen.

PD Dr. Monika Equit, geb. 1978. Psychologische Psychotherapeutin. Seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leitung der Psychotherapeutischen Universitätsambulanz in der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes.

Prof. Dr. Alexander von Gontard, geb. 1954. Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. 2003–2019 Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums des Saarlandes und dort Leiter der Spezialambulanz für Ausscheidungsstörungen. Forschungsschwerpunkt: Ausscheidungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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[email protected]

www.hogrefe.de

Idee Prinzenpaar: Sigrid Bach, Kirkel

Idee Ferdi: Justine Hussong, Homburg, und Heike Sambach, Kirkel

Illustrationen Prinzenpaar und Ferdi: Esther Rohmann, Göttingen

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2020

© 2020 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2983-0; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2983-1)

ISBN 978-3-8017-2983-7

https://doi.org/10.1026/02983-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Theoretische Grundlagen

Kapitel 1 Enkopresis

1.1 Definition und Klassifikation

1.2 Prävalenz

1.3 Ätiologie

1.4 Psychische Komorbiditäten

1.5 Diagnostik

1.6 Therapie

Kapitel 2 Obstipation

2.1 Definition und Klassifikation

2.2 Prävalenz

2.3 Ätiologie

2.4 Psychische Komorbiditäten

2.5 Diagnostik

2.6 Therapie

Kapitel 3 Sonderformen

3.1 Toilettenverweigerungssyndrom

3.2 Toilettenphobie

II. Therapiemanual

Kapitel 4 Aufbau des Therapiemanuals

4.1 Entwicklung des Therapiemanuals

4.2 Anwendung des Behandlungsprogramms

4.3 Inhalte der Schulung

4.4 Ablauf der Schulung

Kapitel 5 Durchführung der Sitzungen

5.1 Erste Sitzung: Einführung, Problem- und Zielanalyse

5.2 Zweite Sitzung: Anatomie und Physiologie des Gastrointestinaltraktes

5.3 Dritte Sitzung: Pathophysiologie, Entstehung des Einkotens und der Verstopfung

5.4 Vierte Sitzung: Trinken macht Spaß

5.5 Fünfte Sitzung: Ernährung und Bewegung

5.6 Sechste Sitzung: Stressmanagement

5.7 Siebte Sitzung: Zielerreichung, Abschluss mit Ausblick

5.8 Modifikationen für spezielle Subgruppen

Kapitel 6 Evaluation des Schulungsmanuals

6.1 Stichprobe und Ablauf

6.2 Methode

6.3 Ergebnisse

6.4 Diskussion

6.5 Fazit

Literatur

Anhang

Übersicht über die Materialien auf der CD-ROM

Materialien auf CD-ROM

|7|Vorwort

Ausscheidungsstörungen (Einnässen und Einkoten) sind häufige Störungen im Kindesalter. Im Alter von 7 Jahren nässen noch ca. 10 bis 15 % aller Kinder nachts ein, 5 bis 10 % nässen tagsüber ein und etwa 1 bis 5 % koten noch ein.

Die Mehrheit der Kinder mit Einkoten (= Stuhlinkontinenz/Enkopresis) haben eine begleitende Verstopfung (= Obstipation), die mit seltenen, harten und schmerzhaften Stuhlgängen einhergeht. Dies führt zu einem Teufelskreis, denn viele Kinder halten aus Angst vor Schmerzen den Stuhlgang zurück, was wiederum zu einer Verschlimmerung der Obstipation und zu unkontrolliertem Einkoten führen kann.

Die Behandlung des Einkotens erfolgt nach genauer Diagnostik und Psychoedukation der Eltern und des Kindes und besteht aus dem sogenannten „Toilettentraining“ und, bei begleitender Obstipation, aus einer Laxanzienbehandlung. Diese Standardbehandlung reicht bei 50 bis 70 % der Kinder aus, um einen initialen Erfolg zu erzielen. Bei den restlichen 30 bis 50 % an therapieresistenten Kindern sind weitere intensivere Behandlungsmodule (z. B. Verhaltenstherapie, Elternberatung, (teil-)stationäre Behandlung) notwendig.

Zur Behandlung von Kindern mit therapieresistenter Harninkontinenz (Einnässen) ist 2013 das Gruppenschulungsmanual „Ausscheidungsstörungen bei Kindern und Jugendlichen: Ein Therapieprogramm zur Blasen- und Darmschulung“ (Equit et al., 2013) erschienen, das auch zwei zusätzliche Sitzungen für Kinder mit begleitender Enkopresis enthielt. Die Evaluation zeigte eine gute Wirksamkeit bezogen auf die Verbesserung des Einnässens, jedoch nur kurzfristige Effekte auf die Verbesserung des Einkotens.

Um die Heilungsrate trotz Therapieresistenz langfristig zu erhöhen, wurde die Darmschulung „Auf’s Klo, wieso?“ entwickelt. Das vorliegende Manual lehnt an das o. g. Schulungsmanual an, wurde aber speziell für Kinder mit Enkopresis und/oder Obstipation komplett neu entwickelt, durch viele zusätzliche Materialien ergänzt und ist somit ein eigenständiges Programm.

Das Therapieprogramm zielt hauptsächlich darauf ab, die Motivation der Kinder zu steigern, an der Behandlung ihrer Ausscheidungsstörung „dranzubleiben“ und ihre Selbstwirksamkeit zu fördern. Die Behandlung der Enkopresis und/oder Obstipation kann langwieriger als die der Harninkontinenz sein und erfordert daher „einen langen Atem“. Zusätzlich haben betroffene Kinder die höchste Rate an psychischen Komorbiditäten, was hohe Belastungen für die Kinder und deren Familien mit sich bringt. Von daher ist es unbedingt notwendig, dass die Betroffenen eine intensivere Schulung mit mehr Einheiten erhalten, um die gleichen Erfolge wie für die Harninkontinenz zu erzielen. Deswegen brauchen viele Kinder eine intensivere Betreuung und mehr Übungseinheiten, um zu lernen, wie sie mit ihrem Problem besser umgehen können. Ein weiteres Ziel war auch, ein Schulungskonzept zu entwickeln, das den Kindern und auch den Therapeuten Freude bereitet und sich in einer spielerischen Art mit dem Thema „Ausscheidung“ beschäftigt. So kann eine offene therapeutische Atmosphäre geschaffen werden, in der es den Kindern leichter fällt, über ihr „peinliches“ Problem zu sprechen.

Das Schulungsmanual umfasst diverse Therapiekomponenten zur Behandlung von Enkopresis und Obstipation, z. B. kindzentrierte Psychoedukation, Informationen zur Pathophysiologie, kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden, Stressmanagement, Entspannungsverfahren, Förderung von sozialen Kompetenzen, spieltherapeutische Elemente sowie Beratungselemente für Eltern. Zudem werden den Kindern viele Informationen zu Ausscheidungsstörungen, Verstopfung, Essen und Trinken vermittelt, sodass sie selbst „Experten“ ihrer Störung werden.

|8|Das Programm kann als Gruppen- oder Einzelbehandlung durchgeführt werden und ist auch in abgewandelter Form schon im Vorschulalter anwendbar. Die Behandlung kann ambulant durchgeführt werden. Es richtet sich an alle Berufsgruppen, die Ausscheidungsstörungen bei Kindern behandeln, d. h. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater, Kinder- und Jugendärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Urotherapeuten, Physio- und Ergotherapeuten sowie Mitarbeitern in pflegerischen und pädagogischen Berufen und Beratungsstellen.

Wir möchten uns bei allen Kindern, Jugendlichen und Eltern bedanken, mit denen wir in den letzten Jahren gearbeitet haben, die uns auf die eine oder andere Idee brachten und von denen auch wir viel lernen konnten. Wir danken auch den Mitarbeitern des Hogrefe Verlags (vor allem Frau Weidinger, Frau Velivassis und Frau Rohmann), die unserem Vorhaben aufgeschlossen gegenüberstanden und uns während des Entstehungsprozesses so positiv unterstützt haben.

Homburg, Frühjahr 2020

Justine Hussong

Heike Sambach

Monika Equit

Alexander von Gontard

|9|I. Theoretische Grundlagen

|11|Kapitel 1Enkopresis

1.1 Definition und Klassifikation

Für die Enkopresis oder auch Stuhlinkontinenz liegen Diagnose- und Klassifikationskriterien aus drei aktuellen Klassifikationssystemen (ICD-10, DSM-5, ROME-IV) vor. Diese werden im Einzelnen vor- und einander gegenübergestellt.

Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10 bzw. ICD-11)

Nach der Definition der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – Ausgabe 10 (ICD-10) wird die nichtorganische Enkopresis (F98.0) definiert als wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen (World Health Organization [WHO]/Dilling et al., 2015). Die Diagnose wird ab dem Alter von 4 Jahren vergeben, wenn organische Ursachen des Einkotens ausgeschlossen wurden (WHO/Dilling et al., 2015). Nach den Forschungskriterien der ICD-10 muss das Einkoten mindestens einmal im Monat über mindestens 6 Monate hinweg auftreten (WHO/Dilling et al., 2016). Zudem werden drei Spezifizierungen der Enkopresis genannt: ‚ohne physiologische Darmkontrolle‘, ‚mit adäquater Darmkontrolle‘ und Überlaufeinkoten mit Retention‘ (Remschmidt, Schmidt & Poustka, 2017).

In der Version der ICD-11, die 2019 von der Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) verabschiedet wurde, wird die Enkopresis unter den „Elimination disorders“ (6C01) aufgeführt (ICD-11 Coding Tool, 2019). Die Diagnosekriterien der ICD-10 werden beibehalten, jedoch die Angaben zur Häufigkeit des Einkotens (mindestens einmal im Monat über einige Monate hinweg) leicht abgeändert. Zudem werden die beiden Subtypen Enkopresis mit Obstipation oder Überlaufinkontinenz (6C01.0) und Enkopresis ohne Obstipation oder Überlaufinkontinenz (6C01.1) unterschieden (ICD-11 Coding Tool, 2019).

Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-5)

Auch nach der aktuellen Klassifikation der American Psychiatric Association (APA), dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), wird die Enkopresis als wiederholtes, willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorhergesehene Stellen definiert. Das Einkoten muss über 3 Monate hinweg mindestens einmal im Monat auftreten und darf nicht Folge einer organischen Erkrankung oder Wirkung einer Substanz sein (APA, 2013). Die Enkopresis kann ab dem Alter von 4 Jahren diagnostiziert werden und wird unterteilt in die beiden Subtypen Mit Obstipation und Überlaufinkontinenz und Ohne Obstipation und Überlaufinkontinenz (APA, 2013).

Klassifikation der funktionellen gastrointestinalen Störungen (ROME-IV)

Die Klassifikation der pädiatrischen Gastroenterologen für das Kindesalter (sog. ROME-IV-Kriterien) fasst das Einkoten unter den funktionellen Defäkationsstörungen (H3) zusammen und unterscheidet die Funktionelle Obstipation (H3a) mit oder ohne Einkoten und die Nicht-retentive Stuhlinkontinenz (H3b; Hyams et al., 2016). Im Gegensatz zur ICD-10- und DSM-5-Klassifikation werden hier genaue zeitliche und inhaltliche Kriterien genannt, anhand derer die Diagnosen zu stellen sind. Außerdem stellt die Obstipation die übergeordnete Diagnose dar, die mit oder ohne Einkoten auftreten kann, wohingegen sowohl in der ICD-10 als auch im DSM-5 Einkoten als übergeordnet betrachtet wird, das mit oder ohne Obstipation auftreten kann (WHO/Dilling, 2015; APA, 2013). Die Kriterien für die funktionelle Obstipation (H3a) gemäß der ROME-IV-Kriterien sowohl für Kinder ≥ 4 Jahre (Hyams et al., 2016) als auch für Kinder unter 4 Jahren (|12|Benninga et al., 2016) werden in Kapitel 2.1 ausführlich vorgestellt. Eine zusätzliche Stuhlinkontinenz wird diagnostiziert, wenn das Einkoten mindestens einmal pro Woche über 1 Monat hinweg auftritt (Hyams et al., 2016). Die nicht-retentive Stuhlinkontinenz wird ab dem Alter von 4 Jahren diagnostiziert, wenn der Stuhl an soziokulturell unangemessenen Stellen abgesetzt wird (über 1 Monat hinweg), und eine Obstipation sowie andere körperliche Ursachen ausgeschlossen werden können (Hyams et al., 2016).

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Beschreibung bzw. Definition der Enkopresis aller drei aktuellen Klassifikationssysteme. Prinzipiell können sowohl die Begriffe „Enkopresis mit Obstipation“ und „funktionelle Obstipation mit Einkoten“ als auch „Enkopresis ohne Obstipation“ und „nicht-retentive Stuhlinkontinenz“ synonym verwendet werden. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede in den Klassifikationssystemen zur Häufigkeit und Dauer der bestehenden Symptomatik, die bei der Diagnosevergabe beachtet werden müssen.

Tabelle 1: Vergleichende Gegenüberstellung der diagnostischen Kriterien der Enkopresis nach den gängigen Klassifikationssystemen

Klassifikationssystem

ICD-10a

DSM-5b

ROME-IV c

Symptom

Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Faeces an dafür nicht vorgesehene Stellen (z. B. Kleidung, Fußboden). (Kriterium A)

A. Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Stuhl an nicht dafür vorgesehenen Stellen (z. B. Kleidung, Fußboden).

Einkoten, Absetzen von Stuhl an soziokulturell unangemessenen Stellen

Häufigkeit und Mindestdauer

Mindestens ein Einkoten pro Monat. (Kriterium C)

Dauer von mindestens 6 Monaten. (Kriterium D)

B. Das Verhaltens muss mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten vorkommen.

Mindestens einmal pro Woche.

Über einen Monat hinweg.