Entfesselte Emotionen - Uschi Gassler - E-Book

Entfesselte Emotionen E-Book

Uschi Gassler

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Beschreibung

Sonnige Launen - Schattige Gemüter: Harmonie kann täuschen, Verbitterung verblenden, Beharrlichkeit Befreiung bringen. Authentische Erzählungen und Anekdoten über Mensch und Tier. Lebensnahe Geschichten, die zum Nachdenken anregen, an eigene Erlebnisse erinnern oder über Missgeschicke anderer ein Schmunzeln erlauben. Suchen Sie sich ein gemütliches Plätzchen und lassen Sie die vielschichtigen Storys auf sich einwirken.

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Seitenzahl: 126

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USCHI GASSLER

ENTFESSELTE EMOTIONEN

KURZGESCHICHTEN

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Die Geschichten sind urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen weder

einzeln noch als Gesamtwerk oder Teile daraus in irgendeiner Form

ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder mittels elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die meisten Geschichten sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten

mit lebenden oder verstorbenen Personen beziehungsweise mit

tatsächlichen Gegebenheiten wären rein zufällig und sind nicht

beabsichtigt. Den Erzählungen mit autobiografischen oder wahren

Inhalten wurden erfundene Szenen und Dialoge hinzugefügt.

Covergestaltung: Uschi Gassler

Coverbild © Hans-Jürgen Sperl,

»Häuslicher Urwald«, Stilllebenstudie, 2004

Lektorat: textREIN, Königsbach-Stein,

www.textrein.de

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

DASBUCH

Erzählungen, Anekdoten, Geschichten authentisch und lebensnah als Betthupferln oder Pausensnacks zum Bangen, Hoffen, Schmunzeln.

DIEAUTORIN

Uschi Gassler, 1957 im oberfränkischen Kronach geboren, wohnt mit ihrer Familie im badischen Königsbach-Stein. Nach ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau wechselte sie in ein Kreditinstitut, wo sie bis heute berufstätig ist.

Seit ihrer Kindheit erfindet sie Geschichten. Um ihnen den Weg aufs Papier zu ebnen, durchlief sie die Weltbild-Autorenschule sowie die Fernstudiengänge »Belletristik« und »Roman« der Schule des Schreibens. 2009 wurde im Rahmen einer Ausschreibung der erste ihrer Kurzkrimis veröffentlicht. 2015 erschien ihr Debütroman »Gier ist dicker als Blut« bei Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe.

Sonnige Launen – Schattige Gemüter

Harmonie kann täuschen,

Verbitterung verblenden,

Beharrlichkeit Befreiung bringen.

INHALT

COVER

TITEL

IMPRESSUM

ZITAT

DAS BUCH

Das AUTORIN

PROLOG

TIERISCHES

MIZZI SCHLÄFT

CINDY

WILLY BELLT

MUTTERTAG FÜR LARA

MENSCHLICHES

DER KNEIPENWIRT

DER STREIT

DIE LADY

DAS MÄDCHEN

SEELENSCHWARZ

DAS VERGISSMEINNICHT

YANNICK

DER EINBRUCH

DER NACHRUF

GENÜSSLICHES

MAXX

DAS PAKET

DER LETZTE AKT

LITERARISCH BANALES – LEHRER VS. AUTOR

ABSCHLÜSSLICHES

NACHWORT UND DANKE

VERÖFFENTLICHUNGEN

PROLOG

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Sagt man. Lachen ist Medizin. Das ist bewiesen. Es erleichtert das Herz, befreit die Seele und ist fürchterlich ansteckend. Es schüttet Serotonin aus und lässt uns glücklich sein.

Lachen sollte keiner Boshaftigkeit entspringen. Das wäre leidvoll für den, der zum Opfer würde. Doch niemand muss ein Opfer bleiben, das Leben schenkt hinreichend Kraft und Verstand für eine Selbstbefreiung. Vielleicht hilft ein guter Freund oder gar ein knuffiges Tier, vielleicht leisten stille Stunden in freier Natur gute Dienste.

Nichts ist so facettenreich wie das Leben. Es bietet Zuneigung und Hass, Freude und Leid, Jauchzen und Weinen, Hoffen und Bangen. Begleitet von Sehnsüchten und Illusionen, Enttäuschungen oder Rachegelüsten bis hin zu Machtgebaren und Unterdrückungen.

Verloren scheint der, der sich als Versager denunzieren lässt. Zukunftsvertrauen und Charakterstärke erobern die Freiheit zurück. Aber immer mit dem Wissen, dass die eigene Freiheit an der Grenze zur Freiheit des anderen endet.

TIERISCHES

Stubentiger

Hütet Mauseloch

Lauernde Anspannung ermüdet

Konzentrationsmanko vs. pfeilschnelle Nagetiertaktik

Katzenjammer

MIZZI SCHLÄFT

Dort, auf der Bank vorm Haus, da liegt sie. Eingerollt auf Omas alter Kuscheldecke, die Hinterpfoten entspannt zur Seite gelegt, auf den vorderen ruht ihr Kopf. Das wuschelige Ende des buschigen grauen Schwanzes reicht bis vor das Näschen, der ausströmende Atem lässt die feinen Fellhaare tanzen.

Die Sommersonne hält ihre Kraft noch zurück, es ist ein klarer Sonntagmorgen. Die Glocken im nahen Kirchturm fordern energisch laut zum Kirchgang auf.

Oma berührt das gar nicht, sie lässt ihre warme Hand über das Katzenköpfchen gleiten, seufzt laut auf mit einem Lächeln im Gesicht und geht ins Haus, die Zubereitung des Mittagsbratens ruft.

Das sanfte Streicheln scheint auch der tief schlafenden Mizzi gefallen zu haben, eine Pfote fährt hoch, streicht über die Schnurrhaare, um dann wieder schlaff auf die Decke zu fallen und ruhig liegen zu bleiben.

Eine Biene nähert sich. Mit bedrohlich lautem Summen surrt sie um Mizzi herum, stellt wohl fest, dass es weder im sonnenheißen Fell noch auf der fusseligen Decke etwas Nahrhaftes für sie gibt, duckt sich weg, als ein Katzenohr zuckt, und nimmt rasch Kurs auf das Blumenmeer im Vorgarten. Lässt sich schwebend abwärtstreiben und verschwindet in einer lila Riesendolde.

Das Summen ist verstummt, die Glocken schweigen mittlerweile ebenfalls. Energisch zänkisches Vogelgezwitscher und Geträller drängt aus dem Geäst der Birken, die mitten auf dem Dorfplatz stehen, oder auch aus dem Buschwerk drum herum. Sonst ist es still, lediglich dezentes Geschirrklappern drängt aus dem offenen Küchenfenster und Omas fröhliches Pfeifen, das vielleicht eine Melodie aus dem Radio begleitet. Von Opa hört man nichts, er ist wohl versunken in seine »Bild am Sonntag«.

Mizzi stört das alles ohnehin nicht, so tief entrückt in ihrem Traum, der all ihre Sinne einfordert. Die Hinterpfoten zucken auf, als setzten sie zum Sprung an, dann gespannte Ruhe.

Unter den halbgeschlossenen Lidern bewegen sich nervös die Augäpfel hin und her, ein lauerndes Verfolgen eines Spielobjektes. Etwa eine Maus? Hat sich die zu weit herangewagt? Sitzt sie gar auf ihrem kleinen Popöchen, baut vor der Katzennase ein Männchen und lugt mit mutigem Knopfäugleinblick in Mizzis Pelzgesicht? Will sie prüfen, was die reglose Feindin da tut?

Du freche Maus, das geht doch nicht! Gleich kriegst du’s hinter deine Mauseohren.

Ein Beben jagt durch Mizzis Körper, der Kopf schreckt hoch, die Augen irren suchend umher. Wo ist das dreiste Nagetier, wie kann es so schnell verschwinden?

Schade, ach schade, die Oma hätt sich arg gefreut, wenn Mizzi ihr das Spielzeug in die Küche hätte bringen können.

Der Opa sicher nicht.

Mizzi streckt und reckt sich, gähnt und lässt ihren Blick lauernd umherschweifen. Nein, die Maus ist weg.

Na warte, du vorwitziges Ding, bis zum nächsten Mal!

Liebe

sie wächst

mit jedem Herzensschlag

Dankbarkeit ist dir gewiss

Hundetreue

CINDY

Memorandum an »Cinderella vom Rotenberg«, unsere erste, quirligste und lustigste Rottweiler-Hündin. Eine autobiografische Erzählung.

Acht lange Wochen sehnten wir ungeduldig den Einzug unseres ersten Hundes herbei. Fast, als wären wir in Erwartung eines Kindes, wälzten wir etliche Nachschlagewerke und überlegten und stritten uns über einen passenden, klangvollen Namen. Ich verteidigte hart »Cinderella«, denn in diesen Namen war ich seit meiner Kindheit vernarrt gewesen, bis schließlich mein Mann aufgab, »Cleo« durchsetzen zu wollen, und wir uns auf »Cindy« einigten.

Jeden Tag besuchten wir Cindy und ihre drei Geschwister, was sehr einfach war, da sich ihre Mutter Cora im Besitz unseres Nachbarn von gegenüber befand, und beobachteten und begutachteten das Heranwachsen der maulwurfartigen Winzlinge. Die Hundefamilie gehörte der Gattung Rottweiler an, und trotz der damals schon herrschenden Vorurteile gegenüber dieser Rasse hatten wir uns von ihrem treuen, ruhigen Wesen und guten Charakter überzeugen lassen.

Endlich, es war Samstagvormittag, wurden wir vom Lampenfieber erlöst und durften unser Hundebaby nach Hause holen.

Obwohl ich schon Erfahrung im Halten von Tieren vorweisen konnte, weil ich einige Zuchtkaninchen besaß und auch großgezogen hatte – natürlich nur zum Schmusen und keinesfalls zum Essen, war das aufgeweckte, frech herumtobende Wesen etwas völlig Neues.

»Rottis brauchen eine feste und strenge Hand!«, hatte uns unser Nachbar eingeprägt.

Das war leicht gesagt. Ich traute mich nicht, richtig zuzupacken, aus Furcht, ich würde Cindy wehtun, obwohl mir schien, der kompakte und stämmige Körper könnte durchaus schon einiges aushalten. Und ob ich jemals die benötigte Strenge würde aufbringen können, stand zu jenem Zeitpunkt noch in den Sternen.

Das neue hellbraune Lederband schien viel zu groß für den kleinen Hundehals zu sein, außerdem störte das ungewohnte störrische Ding. Cindy versuchte vergeblich, es loszuwerden.

Ich lachte laut auf, als ich ihr zusah, wie sie sich abmühte, den abstehenden Lederriemen zu erhaschen. Unbeholfen drehte sie sich um die eigene Achse, geriet aus dem Gleichgewicht und purzelte auf die Seite. Als ob ich die Schuld an ihrem Missgeschick getragen hätte, bellte sie mich vorwurfsvoll mit ihrer noch hohen Stimme an. Kaum vorstellbar, dass sich daraus einmal ein stattlich sonores Rottweilerbellen entwickeln würde.

»Du bist so süß!«, stieß ich verzückt aus. Ich konnte einfach nicht anders und nahm sie in den Arm, streichelte, drückte, knuddelte sie.

Da schleckte sie fiepend mit ihrem zarten, samtigen Zünglein über mein Gesicht und schaute mich prüfend mit ihren dunkelblauen Knopfaugen an. Sie machte mich glücklich.

Am Nachmittag bereiteten mein Mann und ich den Zwingerbau vor. Cindy tollte quirlig zwischen uns herum. Die Kleine war neugierig und lebhaft – dank der vorzüglichen Aufzucht. Vor nichts schreckte sie zurück. Jeder Strauch, jeder Baum, sogar der Kaninchenstall wurde genauestens erkundet. Ich bemühte mich angestrengt, sie nicht aus den Augen zu verlieren.

Schließlich entdeckte Cindy die steinernen Treppenstufen, die zu unserer Terrasse auf dem Garagendach hinaufführten. Das Schnäuzchen, gefolgt von vier beachtlichen Pfoten, tastete sich untersuchend Stufe um Stufe empor.

Ich ließ sie gewähren, nicht ahnend, wie wendig und schnell sie die restlichen Stufen erklimmen würde. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie die Terrasse erobert.

Rasch rannte ich ihr nach. Das war falsch. Denn Cindy dachte an ein Spiel, hüpfte vor Freude fort und visierte sogleich etwas Neues an. Den handbreiten Spalt zwischen Blumenkasten und Hauswand. Ehe ich zu einer Reaktion fähig war, machte sie einen Satz in diese Richtung.

Ich trat einen Schritt auf sie zu und versuchte, sie zu ergreifen. Das war wieder falsch. Cindy wandte sich zwar zu mir um, zwängte sich jedoch rückwärts in den Spalt.

Ohne nachzudenken warf ich mich auf die Knie und langte nach ihr. Aussichtslos. Mein Arm war zu kurz. Es war zum Verzweifeln. Die Öffnung musste von außen verschlossen werden. Aber dazu brauchte ich einen Besen. Also rief ich nach meinem Mann, der im hinteren Gartenbereich arbeitete.

Inzwischen kroch Cindy im Rückwärtsgang immer näher dem zweieinhalb Meter tiefen Abgrund entgegen. Sie konnte ihn weder sehen noch erahnen.

»Cindy, komm!«, versuchte ich, sie zu locken. Hätte ich mir sparen können.

»Schnell!«, rief ich ein weiteres Mal nach meinem Mann. »Hilf mir! Cindy fällt …«

Und schon baumelte ihr Hinterteil in der Luft. Ihre Vorderpfoten versuchten, sich verkrampft festzuklammern, ihre Äuglein schauten mich hilfesuchend an. Alles vergebens, mein kleines Hundebaby rutschte lautlos in die Tiefe.

»Cindy!«, kreischte ich, rappelte mich auf und wäre ihr am liebsten nachgesprungen.

Mein Mann kam mit einem Besen in der Hand, ließ reaktionsschnell das nun nutzlos gewordene Stück fallen, packte mich am Arm und zerrte mich mit. Wir rannten nach hinten, die Treppen hinab und durch die Garage – das Tor stand offen – bis hin zu dem benommenen Häufchen Elend von Hund. Aus dem Näschen troff ein dünnes Rinnsal Blut. Ihre Augen hielt Cindy halb geschlossen.

Das war’s, dachte ich traurig. Nicht mal einen Tag lang bist du in der Lage, auf eine Handvoll Hund aufzupassen.

Resigniert kniete ich mich neben den kleinen Körper, streichelte behutsam darüber – und stockte. Cindy atmete. Zwar kaum spürbar, dennoch fühlte ich es.

Im selben Moment stürzte unser Nachbar aus seiner Haustür, stürmte auf die Straße und rief: »Hab’ alles gesehen – ich hol’ die Mutter!«

Er spurtete um sein Haus herum, in Richtung seines Zwingers. Die Sekunden zogen sich hin. Ich wagte nicht, meine zitternde Hand von Cindy zu entfernen. Mein Mann stand neben uns, sah herab und wirkte ebenso hilflos wie ich.

Endlich tauchte Cora auf, zunächst erhaben und gemächlich zottelnd, dann immer schneller trabend und schließlich die letzten drei, vier Meter im vollen Galopp. Sofort schien sie zu begreifen, zögerte nicht, schubste mich beiseite und schleckte ihr Baby ab.

Bis das Wunder geschah: Cindy nieste, hob ihr Köpfchen, rappelte sich auf, schüttelte sich wankend und suchte gierig nach einer Zitze. Der Hunger war wohl stärker als der Schock. Nach ein paar schmatzenden Schlucken der kräftigenden Nahrung tapste sie zur Gartenmauer und machte ein Pfützchen.

»Danke, Cora!« Überglücklich fiel ich der verdutzt dreinschauenden Hündin um den Hals.

Auch die beiden Männer zeigten sich erleichtert. Trotzdem gingen wir unverzüglich zum Tierarzt, um sicherzugehen, dass Cindy keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.

Das war der Auftakt zu einer aufregenden, anstrengenden und stürmischen Zeit mit Cindy, unserem ersten Hund. Geboren im Sommer 1986. Ihrem nicht zu bändigenden Temperament erlegen im Frühjahr 1988.

Bellende Hunde beißen nicht.

Weiß das denn auch jeder Wicht?

WILLY BELLT

Eine autobiografische Erzählung.

Willy bellt. Er bellt morgens um sechs, er bellt mittags um zwölf, er bellt abends um zehn. Ununterbrochen, unermüdlich, minutenlang. Seine Stimme hört sich nach stattlichen fünfzehn Jahren schon merklich heiser an, das tut seiner Bell-Euphorie allerdings keinen Abbruch.

Willy ist ein Dackel, genauer gesagt, ein Jagddackel. Sein Revier und unser Garten liegen nah beieinander, und um uns herum gibt es weitere schmucke Häuser und Gärten.

Es gibt auch andere Hunde. Zum Beispiel den betagten Boxer-Rüden, der Willy nur ab und zu Kontra gibt. Sonst schweigt er. Er kennt Willy schon sehr lange und hat es aufgegeben, mit ihm um die Wette zu bellen. Und es gibt unser Rottweiler-Mädchen Mira. Sie ist zwei Jahre alt und stört sich an Willys Energieausbrüchen überhaupt nicht. Sie respektiert den älteren Herrn.

Ich stehe im Bad, richte mich her und höre wieder einmal das Gekläff des Jagddackels durchs offene Fenster hereindringen. Das heißt, es dauert einige Minuten, bis ich es bewusst wahrnehme. Meist fällt es mir schon gar nicht mehr auf. Doch habe ich gerade den Föhn abgestellt, und es herrscht Stille, als das gleichmäßige Bellen bei mir ankommt.

»Wau, wau, wau, wau«, und immer so weiter, immer gleichmäßig, im gleichen Ton, im gleichen Tempo, heiser und rhythmisch.

»Willy bellt schon wieder«, höre ich Doreen, unsere jüngere Tochter, aus ihrem Zimmer herüberrufen. Bis in ihren Halbschlaf ist sein Gebell gedrungen. Sie kennt nichts anderes. Sie ist ja vier Jahre jünger als er.

Während ich überlege, was Willy uns diesmal alles mitzuteilen hat, denke ich an die Zeit zurück, als der Welpe Willy seinen Garten in Beschlag nahm und gut vernehmbar seine Anwesenheit anmeldete.

Damals beaufsichtigte meine Schwiegermutter regelmäßig unsere Tochter Jasmin, bevor diese in den Kindergarten kam. Gemeinsam lauschten sie beharrlich und aufmerksam Willys Darbietungen. Ich höre heute noch, wie sie zu ihrer Enkelin sagte: »Horch!« Dabei hob sie ihren Zeigefinger. »Horch, der Willy bellt.«

Es dauerte nicht lang, da ahmte Jasmin es ihr nach. »Oma, Willy bellt!«

Aufgeregt stieg sie jedes Mal auf ihren Hocker und schaute zum Fenster hinaus. Es gefiel ihr, dem kleinen Hund zuzusehen, wie er im Gras unweit seiner Haustür stand, das Schwänzchen wedelnd hin und her wippen ließ und munter in die Welt kläffte. Meine Schwiegermutter gesellte sich mit Vergnügen zu ihr, und gemeinsam amüsierten sie sich über Willy.

Noch lustiger empfanden es Oma und Jasmin, wenn unser knapp einjähriger Rottweiler-Rüde Jumbo von Remchingen zurückbellte. Er saß draußen im Zwinger und verstand vermutlich bestens, was Willy kundtat. Jasmin hätte gern gewusst, was sich Hunde so erzählen. Aber da konnte ihr sogar die Oma nicht helfen.

Nach Wochen wurde es Jumbo anscheinend zu dumm, er gab sein Gebell auf. Nicht jedoch Willy. Allmählich spielten sich gewisse Zeiten ein, vielleicht meldete er sich vom Gassigehen zurück oder wartete, bis es losging, oder er bewachte einfach nur den Garten.

Bald geschah das Unvermeidliche: Das erste Zusammentreffen zwischen Jumbo und Willy. Beide Hunde, jung, aufgeweckt und impulsiv, der eine groß und schwarz, der andere klein und braun, kannten sich bisher nur vom Bellen her. Beziehungsweise aus der Ferne, wenn wir Willy seinem Herrchen hinterhertrotten sahen.