Entflammte Herzen - Alissa Sky - E-Book

Entflammte Herzen E-Book

Alissa Sky

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Beschreibung

Um sich an Prinz Cedric zu rächen, der ihn einst schroff abwies, überschreitet Fürstensohn Alastair die Grenzen jeglichen Anstands und nimmt sich, was er immer wollte: Cedrics Körper. Als er die wahren Gründe für dessen Abweisung erfährt, scheint es für ihre Liebe bereits zu spät. Sind die Flammen der Liebe aber jemals wirklich erloschen? Und wieviel kann ein Herz ertragen, ehe es endgültig zerbricht? Illustration: Haruno Hisetsu

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Seitenzahl: 229

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Alissa Sky

Die Chroniken der Elementarmagie

Entflammte Herzen

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2019

http://www.deadsoft.de

© the author

Art: Haruno Hisetsu

Coverart: Haruno Hisetsu

Coverbearbeitung:

Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-277-9

Inhaltsverzeichnis

Klappentext4

Kapitel 16

Kapitel 224

Kapitel 339

Kapitel 469

Kapitel 585

Kapitel 698

Kapitel 7119

Kapitel 8137

Kapitel 9149

Epilog177

Leseprobe:180

Klappentext

Kapitel 1

Die Kerker unterhalb der Burg waren kalt, feucht und selbst am hellsten Tage düster. So hatte der Fürst es bestimmt und so war es von seinem Bauherren umgesetzt worden. Für den blaublütigen Gefangenen aus dem Westen hatte man die hinterste der Zellen zumindest etwas angenehmer gestaltet– mit einem Tisch, einer Pritsche mit echtem Bettzeug anstatt Stroh und mehreren Fackeln, die zumindest den Hauch von Wärme vorgaukelten.

Alastair war die vielen Treppen zum Verlies sofort hinuntergestiegen, als man ihm von den Gefangenen berichtet hatte, die unerlaubt durch ihr Reichsgebiet gezogen waren. Glauben konnte er es nicht, auch wenn ihm das Herz bis an den Hals schlug. So dumm konnte Cedric, Prinz von Herant, nicht sein. Mit nur wenigen Soldaten in das Reich zu kommen, mit dem sein Vater seit Jahrzehnten im Streit lag … Nein, derartige Dummheit konnte nicht nur einem einzigen Kopf entsprungen sein.

Alastair blieb vor der Tür stehen und lugte durch die Gitterstäbe des kleinen Fensters, durch das sonst nur die Wachleute schauten, um sicherzugehen, dass die Gefangenen noch lebten. Die zusätzlichen Fackeln halfen. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Sein Herz war gerast, nun blieb es einen Moment stehen. Allerdings tatsächlich nur einen Moment, denn die Hitze unbändiger Wut flammte in Alastairs Brust auf. Er hätte die Tür aufbrechen und Cedric mit den Trümmern erschlagen können. Das hätte allerdings niemandem etwas gebracht – auch ihm selbst nicht. Nein, er musste seinen Vorfahren alle Ehre machen und strategisch handeln. Immerhin hielt er das Leben eines Prinzen in seiner Hand. Wenn er den Worten seines Bruders Glauben schenkte, und das tat er, war auch die weibliche Gefangene diejenige, als die man sie zu erkennen geglaubt hatte: Holentgard, die einzige Tochter von König Bastian. Das bedeutete die doppelte Menge an Lösegeld. Das und Informationen. Er musste sich nur zurückhalten und durfte seinem Gefangenen nicht sofort den Hals umdrehen.

„Sieh mal einer an!“ Alastair schlug die schwere Tür mit einem Knall hinter sich zu. „Wer hätte gedacht, dass wir uns so bald wiedersehen würden?“

„Bald?“, fragte Cedric und runzelte die Stirn. „Es ist beinahe ein ganzes Jahr her, dass wir zur selben Zeit zur Wallfahrt …“

„Wir haben euch auf unserem Reichsgebiet ertappt. Was denkst du, wird mein Vater tun, wenn er es erfährt?“

„Dein Vater ist nicht hier. Sonst würde er mit mir diese Unterhaltung führen.“

„Und was lässt dich glauben, dass ich meinem Vater so unähnlich bin, dass ich nicht dieselbe drakonische Strafe vollstrecken werde?“ Alastair ließ eine kleine Flamme über seine Fingerspitzen tanzen. Feuermagie war seit jeher Segen und Fluch für die seinen gewesen. Segensreich in jeder Schlacht und ebenso der Ursprung jedes gebrochenen Abkommens, weil die Könige des Kontinents sie ebenso fürchteten wie als Teufelswerk verachteten. Im Moment war sie ersteres. Alastair konnte die unterdrückte Angst in dem schönen Gesicht erkennen, das er damit erleuchtete.

„Wie geht es meiner Schwester? Wo ist sie?“

„Das ist es, was dich interessiert? Nicht die Frage, ob ich in den Untergrund gestiegen bin, um dich gleich hier und jetzt in ein Häufchen Asche zu verwandeln?“

„Wo ist sie?“, wiederholte Cedric seine Frage mit dem Mut eines verletzten Tieres.

„Die Fixierung von Männern wie dir auf das ach so holde, liebliche Geschlecht! Nun gut, die Schöße der Frauen sind unbezahlbar“, spottete Alastair. „Solange sie unberührt sind, natürlich. Und doch lässt sich ihr Wert recht genau abschätzen, wenn man das Vermögen derer betrachtet, die sie schwängern sollen.“

„Fass Holentgard ja nicht an!“, warnte Cedric zwischen Zischen und Fauchen. „Ich bringe dich um, wenn man ihr auch nur ein Haar krümmt! Ich werde euch alle umbringen! So, wie mein Großvater nach den Schlachten durch die Reihen der Besiegten ging und nicht einen übrigließ!“

„Du bist nicht in der Verfassung, mir zu drohen.“ Alastair zog den Arm nach rechts und ließ zwei der drei Fackeln in einem Feuerregen explodieren. Danach verdichtete sich die Dunkelheit innerhalb der Zelle. „Ihr seid meine Gefangenen und dank der Abwesenheit meines Vaters obliegt es mir, jede Entscheidung nach meinem eigenen Gutdünken zu fällen. Welchen Ruf habe ich hinter den Grenzen? Fürchtet man mich nicht bereits ebenso wie ihn?“

„Wir können verhandeln“, versuchte der fremde Prinz, die Lage zu entschärfen. „Ich bin der zweitgeborene Sohn des Königs von Herant. Wenn ich mein Wort gebe, dann ist es so, als hätte er selbst …“

„Dann ist es so, als wäre nicht ein Wort gesprochen“, blockte Alastair den Versuch ab. „Man kann euren Versprechen nicht trauen, weil eure Königshäuser keinerlei Opferbereitschaft zeigen. Ein paar Äcker aus Freundschaft gegeben, hätte eure Länder für immer beschützt. Mein Volk wäre euer Schild und euer Schwert gewesen. Aber nachdem wir für euch die Reiterhorden aus dem Osten besiegt hatten, waren alle Versprechen vergessen. Derartiges Verhalten prägt sich ein. Man vergisst es nicht. Auch nicht zwei Generationen später. Behalt deine Schwüre also für dich. Handle mit den Kaufleuten am Markt um ein paar Münzen weniger, aber bleib mir damit vom Leibe!“

„Ich bin nicht mein Großvater! Mein Wort halte ich stets und ich bin bereit für Opfer … nicht nur für meine Schwester!“

Alastair schaute ihn einen langen Moment an. Es war Cedric anzusehen, wie sehr das seine angespannten Nerven strapazierte. Seine Wangenpartie arbeitete, sein Blinzeln verdoppelte sich. Es war erschreckend erregend, diese Macht über ihn zu besitzen.

„Wie weit?“, fragte Alastair und funkelte sein Gegenüber bösartig an. Sein rechter Mundwinkel schob sich nach oben. „Wie weit würde ein liebender Bruder gehen, um seine Schwester zu schützen?“

„Du hast selbst eine! Die Antwort auf deine Frage solltest du also wissen!“

„Ich weiß nur, dass man eurem Volk nicht trauen kann. All die unglücklichen Opfer meines Volkes schreien es aus ihren Gräbern. Die Frage ist also, wie es mit eurer Treue aussieht, wenn es um eure eigenen Leute geht.“

„Das hat damit nichts zu tun! Holentgard und ich sind Geschwister und … dieser Krieg ist lange schon vorbei!“

„Das ist er nicht!“, fuhr ihn Alastair wütend an. „Ihr intrigiert gegen uns! Ihr habt die Kleine bis an die Grenze zu Wernhers Reich geführt, um eure Armeen gegen uns zu vereinen! Gib mir also nur einen Grund, wieso ich nicht meine ganze Armee über sie herfallen lassen sollte, damit der ach so edle Wernher sich alleine schon vor dem Gedanken an ihren Schoß ekelt!“

„Nein!“, rief Cedric mit einer Stimme, die nicht mehr nach ihm klang. „Nein, bitte! Es ist wahr! Es ist alles wahr! Mein Vater will sich mit Wernher und Gonnert zusammenschließen … aber das ist nicht ihre Schuld! Sie ist nur ein Mädchen … ein Spielball unseres Vaters! Dafür kann sie nichts!“

„Doch, natürlich. Als mein Vater einen Mann für meine Schwester vorschlug, der ihr missfiel, hat sie ihn vor versammeltem Hof zusammengeschlagen, bis er bei den alten Göttern geschworen hat, niemals vor einem Priester zu ihr Ja zu sagen, selbst wenn man ihn zwingen sollte.“

„Das kann man nicht vergleichen! Ihr … ihr seid ein Kriegervolk! Eure Frauen sind genauso stark wie eure Männer! Ihr trainiert mit ihnen und kämpft mit ihnen … meine Schwester hat nur das Nähen, Sticken und Singen gelernt … Und wenn ein Mann spricht, hält sie den Mund und nickt bedächtig, auch wenn sie etwas zu widersprechen hätte. Dafür kann sie nichts.“

„Und doch ist ihre Jungfräulichkeit ein Problem. Für sie und für mich. Vor allem für mich. Aber umso leichter lässt sich dieses Problem aus der Welt schaffen. Außer …“

Cedric hielt seinem Blick stand. „Außer was?“

Alastair trat vor ihn und starrte seinem Gefangenen ins Gesicht. „Außer du zeigst mir, dass man deinen Leuten doch trauen kann … dass ihr wirklich bereit seid, Opfer zu bringen, euch selbst hinten anzustellen. In deinem Fall heißt das: ob du bereit bist, ihr Schicksal auf dich zu nehmen.“

Cedric machte einen Schritt zurück. Jeder Tropfen Blut wich aus seinen Wangen. Er hatte also verstanden, was ihm gerade vorgeschlagen worden war. Alastair hätte diesen Moment nicht derart genießen dürfen und doch tat er es. Er streckte sogar eine Hand nach Cedric aus und fuhr ihm durchs Haar. Der Prinz schlug sie fort. Alastair musste deswegen lachen.

„Heißt das nein?“

„Du weißt, dass es das nicht heißt!“, fuhr ihn Cedric wütend an.

Das ließ Alastairs Lachen ersterben. Es war nicht die Antwort, die er erwartet hatte. Er kannte Cedric, er hatte seine Selbstgerechtigkeit am eigenen Leib erfahren und er hatte ihm die erniedrigende Abweisung nie verziehen. Es war blanker Hass, der in ihm hochkroch, als die schönen Augen ihn erneut mit Verachtung straften. Der Mistkerl dachte wohl, er konnte ihn immer noch wie eine Marionette tanzen lassen!

So war es aber nicht! Niemals mehr!

„Dann sag es!“ Alastair legte den Kopf schief und zeigte ein überlegenes Lächeln. „Ich will, dass du mit deinen Worten zustimmst … oder ich gehe und kümmere mich selbst um dein liebliches Schwesterchen.“

Cedrics Miene veränderte sich. Die Falten gruben sich tiefer in seine Stirn, seine Lippen verkamen zu einer schmalen Linie und seine Lider flogen irrwitzig schnell über seine feucht werdenden Augen. Er wird mitspielen, dachte Alastair, noch ehe die erste Silbe von seinem Gefangenen kam. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, ihn an der Kehle zu packen.

„Du hast Zeit, bis die Fackel das nächste Mal knistert. Dann ist mein Angebot null und nichtig.“

„Ich stimme zu“, erklärte Cedric, obwohl seine Stimme trocken und brüchig klang.

„Nein.“ Alastair schüttelte den Kopf und drückte fester zu. „Das reicht mir nicht. Sag es!“

„Ich für sie.“

Immer noch so viel Stolz und Eitelkeit!

Inzwischen musste der Druck um seinen Hals schmerzen. Alastair war es gleich. Er würde bekommen, was er wollte – auf die eine oder andere Art.

„Nimm dir meinen Körper! Er gehört dir!“, presste Cedric schließlich hervor. Es war kein Funken Angst an ihm zu sehen.

Alastair ließ ihn los, aber nur, um ihn an der Schulter zu packen und nach rechts zu stoßen. „Dann dreh dich um! Los! Und beug dich über den Tisch!“

Er ließ Cedric kaum die Zeit, um dem Befehl zu gehorchen. Es lag nicht an ihm. Alastair konnte sich nicht mehr beherrschen. Obwohl es nur Erpressung gewesen war, hatten die Worte etwas in ihm entflammt. Er drängte sich an den bebenden Körper, zwang ihn in die passende Haltung und packte ihn hart an. Cedric fühlte sich groß unter seiner Kleidung an. Alastair spürte einen Schauder über seinen Rücken fahren, aber die Hitze seiner aufkommenden Lust trieb sie ihm aus dem Leib. Am Prinzen war aber noch immer keine Angst zu bemerken. Das missfiel Alastair. Sich seinen Körper nur zu nehmen, reichte nicht. Er wollte ihn in seinen Grundfesten erschüttern.

„Fünfzig“, gab er sich gespielt gönnerhaft. „Ich sagte, eine ganze Armee, aber Männer wie du halten nicht viel aus. Und ich will dich doch lebend mit deiner Schwester wieder vereinen und danach für eine schöne Truhe Lösegeld an deinen Vater zurückschicken.“

* * *

Alastair nahm einen weiteren Schluck. Der Wein schmeckte aber nicht. Es war, als hätte er Metall im Mund. Auch setzte die berauschende Wirkung nicht ein. Ein paar Tische weiter lachte eine der Serviererinnen auf. Der Mann neben ihr hatte sie auf seine Knie gezogen und drückte ihr einen Kuss auf die roten Wangen. Dieses Szenario unterschied sich zu keinem anderen nach einer gewonnenen Schlacht. Sie hatten die einfallende Horde im südlichen Gebiet zwar schon vor drei Tagen in die Flucht geschlagen, aber die Siegesstimmung und Freude, am Leben geblieben zu sein, erfüllte noch jedes Herz innerhalb ihrer Mauern. Und Alastair dachte bei sich, dass ein Tag mehr auf dem Schlachtfeld vielleicht gereicht hätte, damit Cedric und der Brautzug unbemerkt durch ihr Gebiet hätten schleichen können.

„Wenn“ war ein Wort, mit dem er sich innerhalb des letzten Jahres häufig herumgeschlagen hatte. Aber so, wie sein Vater und dessen vor ihm es schon immer gehalten hatten, so wollte auch er es tun: Es gab nur eine Realität und mit dieser musste man sich arrangieren …

Und trotzdem fragte er sich immer wieder, wie dieser Tag ausgeklungen wäre, wenn er nach der Feier der Doppelmonde nicht an Cedric herangetreten und ihm seine Liebe gestanden hätte. Der Prinz hätte ihn dann nicht von Ekel gebeutelt abgelehnt und in seiner Brust wäre keine alles verzehrende Wut gewesen, als er vom gefangengesetzten Brautzug erfahren hatte. Möglicherweise hätte er sogar …

Was?

Was hätte er schon tun können? Sein Vater hätte Alastair tot geprügelt, wenn er erfahren hätte, dass er ein Komplott gegen ihr junges Reich nicht mit aller Härte zerschlagen hatte.

Nur wie er Cedric bestraft hatte … Das war unpassend gewesen. Er hatte ihm seinen männlichen Körper aufgezwungen, obwohl ihn diese anekelten. Kein Verlangen, keine Einschüchterung, keine Strafe für das Eindringen ihres Hoheitsgebietes hatte ihn dazu getrieben … Es war Rache und sonst nichts gewesen.

Und doch hatte er nicht gewonnen. Nicht wirklich. Cedric hatte ihn währenddessen immer wieder zweifeln lassen, dass er ihm etwas antat … dass er ihm überhaupt etwas aufzwang. Er hatte ihn einmal mehr wie ein Instrument gespielt, bekommen was er wollte und ihn dabei so verwirrt, dass er sich tief in seine Gedanken gegraben hatte. Das war widerlich! Ändern konnte Alastair es aber nicht mehr. Er hatte sein Wort gegeben.

Verflucht!

Alastair rammte den Becher mit solcher Wucht auf die Tischplatte, dass er sich verbog. Unmittelbar danach sprang er auf und marschierte nach rechts die Treppen zum Nordturm hinauf. Er machte sich nicht die Mühe, erst zu klopfen. Das war eine Höflichkeit, die einer Gefangenen nicht zustand.

Die Prinzessin saß immer noch in Brautgewand und Mantel gekleidet am Fenster und sprang erst auf, als er die Tür wieder zuschlug. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, verlor dann aber ihren Mut und blieb wie angewurzelt da stehen, wo sie sich gerade befand. Nur die Steine ihrer schweren Ohrringe schlugen noch aufeinander und erfüllten den Raum mit einem gespenstischen Geräusch. Man hätte eine Nadel fallen hören, denn auch Alastair war sich plötzlich nicht mehr sicher, was er überhaupt von seiner Gefangenen wollte. So geschah es, dass tatsächlich die junge Frau zuerst das Wort ergriff: „Wo ist mein Bruder? Wo ist Cedric?“

Alastair stemmte die Arme in die Seiten. Er ließ es noch bleiben, sie mit seinem Feuer zu erschrecken. Immerhin wollte er, dass sie redete. Stumm wie ein Fisch war sie wertlos für ihn. „Im Verlies. Wo ein Feind des Reiches hingehört.“

„Lasst mich bitte zu ihm gehen!“

„Genieße die Vorzüge dieses Zimmers und sehne dich nicht nach einer Zelle! Sonst wird dein Wunsch unverhofft schnell wahr!“

„Um bei Cedric zu sein, würde ich jeden Kerker diesen Annehmlichkeiten vorziehen!“

„Wenn ich dich ins Verlies werfe, dann am weitesten von seinem Loch entfernt, wie es diese Burg mir auch nur gestattet!“, warnte Alastair ohne einen Funken Mitleid.

„Wie könnt Ihr nur so grausam sein?“

Die Kleine spielte mit ihrem Leben. In seinen Fingerspitzen fühlte er das Kribbeln, das einem ungewollten Feuerstoß vorausging. Er ballte die Hände besser zu Fäusten. Immerhin hatte er einen Pakt mit Cedric geschlossen und er hielt sein Wort – immer. Anstatt der Prinzessin eine Lehre zu erteilen, ließ er sich also dazu herab, ihr zu antworten: „Ihr seid selbst schuld, dass wir so gnadenlos geworden sind und keinem von euch mehr trauen. Wenn man bedenkt, dass mein Volk in diesen Teil der Welt kam, um sich euren Königen anzuschließen! Niemand von uns wollte ein eigenes Reich gründen. Wir wollten nur genug Raum, um gut darauf leben zu können … unter der Herrschaft von Menschen wie deinem Großvater. Nur als wir betrogen wurden, mussten wir unser Verhalten ändern, uns gegen euch wenden und jeden weiteren Vertrag mit euch ausschließen.“

„Seit diesen Geschehnissen sind zwei Generationen vergangen. Ihr habt Euch ein kleines, aber sehr mächtiges Reich erschaffen, das als unbezwingbar gilt. Es muss kein böses Blut mehr zwischen uns herrschen. Wir können friedliche Nachbarn sein und Handel miteinander treiben, so, wie mein Vater es mit allen anderen Reichen des Kontinents tut.“

„Pah!“ Alastair konnte nicht verhindern, dass seine Abneigung mit jeder Silbe aus ihm hervorquoll wie das Wasser der Bergquellen, die ihnen das Leben an diesem Ort erst ermöglichten. Das ihre konnte dennoch jeden Augenblick enden. „Und doch schickt der ‚ehrenwerte‘ König seine gerade erst erblühte, unverheiratete Tochter mit einem Tross über die Grenze. Mein schönes Prinzesschen, selbst ein Dummkopf wüsste, dass durch deinen jungfräulichen Leib ein Bündnis geschmiedet werden soll. Und von der Richtung deines Brautzuges abgelesen, soll es Wernher sein … ein Mann, der sich immer wieder besonders hervortut, indem er gegen mein Volk und unser Reich wettert.“

Sie schaute ihn mit ihren großen Augen an, die – wenn schon nicht von der makellosen Farbe – doch in ihrem Grün und Blau mehr leuchteten als jene ihres Bruders. Oder das gleichmäßige Scheinen der Kerzen stand ihr besser zu Gesicht als das Flackern der Fackel im Verlies Cedric.

„Ich habe die Bestätigung meines Verdachtes von den Lippen deines Bruders selbst.“

Die Prinzessin nickte. Sie wirkte eher wie ein Vögelchen, zierlich und gebrechlich. Alastairs Schwester hätte sie mit einem einzigen, gezielten Schlag töten können. Sie nickte und sprach sehr leise, vielleicht nur für sich selbst: „Ich habe es mir gedacht …“

„Soll ich glauben, dass du ahnungslos warst?“

„Ein Brautzug geschieht sonst mit allen Ehren. Das Leben unserer Frauen gehört unseren Männern. Der Brautzug und der Hochzeitstag aber gehören uns. So schäbig auf den Weg geschickt zu werden … aber wir sollten wohl nicht auffallen.“

Ihre Erschütterung ist nicht gespielt, dachte Alastair und ließ das nicht zu sehr an sich herankommen. Er hatte seine Vorsicht einmal bei ihrem Königsgeschlecht sinken lassen und war bitter enttäuscht worden. Es war das Übel, das Cedric nun selbst traf – härter noch als es ihn an jenem Morgen vor fast einem Jahr getroffen hatte.

Cedric.

Seine Schwester anzusehen und ihr so nahe zu sein, war nicht klug. Alastair war nicht sicher, ob er seinen Teil der Abmachung einhalten konnte, wenn sie ihn weiterhin erzürnte. Er musste gehen.

„Leg dich hin und ruh dich aus!“, befahl er der Prinzessin und deutete auf das Bett, das man für einen so edlen Besuch ausgestattet hatte. „Du sollst doch bei Kräften sein, wenn ich dich für einen Schatz eintausche.“

„Einen Moment … bitte!“

Er hielt tatsächlich vor der Tür an. Alastair erwies ihr sogar die Ehre, sich noch einmal zu ihr umzudrehen. Seine Lippen blieben allerdings geschlossen. Sie sollte sagen, was sie zu sagen hatte, mehr nicht.

„Ihr werdet ihm nichts tun, nicht wahr?“ Holentgards Stimme war kläglich, aber es war ein Funken Hoffnung in ihrem schönen Gesicht zu sehen. „All die Gerüchte über die Grausamkeiten an diesem Hof …“

„Sind wahr.“

„Aber weil ihr einander so wichtig seid, beschützt Ihr ihn vor dem Zorn Eures Vaters, nicht wahr? Wir haben nur den Wünschen unseres eigenen entsprochen.“

Wie?

„Was soll das heißen?“, fragte Alastair und warf ihr einen drohenden Blick zu.

Die Prinzessin wurde rot und schaute zu Boden. Sie begann nervös an ihren Ringen zu spielen. „Verzeiht! Es ist ungehörig, etwas so Intimes laut auszusprechen … und natürlich hätte auch Cedric niemals jemandem davon erzählt! Seid nicht wütend auf ihn! Ich erfuhr nur davon, weil ich ihn beim Beten überraschte und er sich mir danach erklären musste. Sonst hätte er … das weiß ich bestimmt … sonst hätte er nie von seinen Gefühlen für Euch gesprochen.“

Die Welt schien sich ins Gegenteil zu verkehren. Das alleine konnte es sein, denn einem Krieger schwindelte nicht, nur weil er Worte hörte. Eine Rede, die genauso gut eine Lüge sein konnte noch dazu! Nein, die Welt war es, nicht der Schock einer unfassbaren Vermutung.

„Leg dich endlich hin und schlaf, Prinzessin!“, befahl Alastair wütend und schlug die Tür hinter sich zu, kaum, dass er sie durchschritten hatte.

Sein Herz pochte dennoch so wild gegen seinen Brustkorb, als wollte es ihn zertrümmern, sein Atem kam in Schüben und seine Fäuste wollten sich nicht mehr entspannen. Wie auch!

Nein, es musste ein Trick sein. Ein übler Plan, um sich herauszureden, um ihn milde zu stimmen.

Aber wenn Cedric sich vor der Liebe zwischen Männern ekelte, wie er es ihm bisher glauben gemacht hatte, wäre er niemals auf einen für ihn so demütigenden Plan gekommen. Wann hätte er ihn auch aushecken sollen? Das Geschwisterpaar hatte erst erkannt, wer sie gefangen genommen hatte, als man sie schon auseinandergerissen hatte.

Und doch gab es nur diese Lösung für seine konfusen Fragen. Nur das konnte die Wahrheit sein.

Die Wunde jenes Vormittags brach erneut in ihm auf, nur weil er daran dachte. Wie er sich für Cedric geöffnet und ihm seine Gefühle gestanden hatte, nur um eiskalt abgewiesen zu werden! Mit welcher Grausamkeit Cedric ihn von sich gestoßen hatte! Jedes Wort wie ein Messer, jede Geste wie ein Schlag … Dieser schlimmste Moment seines Lebens, der die Stich- und Brandwunden so manchen Kampfes in seiner Erinnerung noch überflügelte. Und nun kam dieses Gör … dieses halbe Kind … daher und stellte unmögliche Behauptungen auf …

Beim Beten? Als ob es eine Sünde wäre, zu lieben!

Und doch war es genau so im jüngsten Glauben seines Volkes. Konnte es sein, dass Cedric von seinen Gefühlen so beschämt um Vergebung gebeten hatte, dass er seine Schwester nicht bemerkt hatte und trotz ihrer Gegenwart von seiner Liebe zu ihm …

Nein, das konnte nicht sein! Es war Wunschdenken, dass ihn gefährlich nahe an das Netz trieb, das die Prinzessin so geschickt gesponnen hatte … und doch erwachte erneut der Zweifel, der ihn schon im Verlies beschlichen hatte: Es hatte sich nicht wie eine Vergewaltigung angefühlt.

Es gab nicht genug Wein, um diese Gedanken fortzuspülen. Alastair versuchte es dennoch, als er sich im Festsaal angekommen erneut unter die Feiernden mischte, bis selbst der zweite Mond nicht mehr im Nordfenster zu sehen war.

„Du hier? Mit so viel Krügen noch dazu?“ Vortingern setzte sich auf den Tischrand und musterte ihn mit einem Lächeln. Es sah nicht danach aus, als hätte er vor, bald wieder zu gehen. „Was machst du hier?“

„Ich feiere einen Sieg.“

„Eher eine Entführung.“

„In diesem Fall doch dasselbe, oder nicht?“ Alastair griff nach seinem Becher, füllte ihn bis zum Rand und hielt ihn seinem Bruder hin.

Dieser nahm ihn an, ignorierte die Worte aber für eine eigene Frage: „Was hast du mit den Gefangenen vor?“

„Ich weiß es noch nicht. Du bist aber der Erste, den ich darüber aufklären werde. Immerhin bist du meine ‚rechte Hand‘.“

„Was auch immer du für richtig hältst, soll geschehen. Egal, wozu du dich aber auch immer entscheidest, du solltest es schnell tun.“

„Bevor Vater zurückkommt, meinst du.“

„Auch. Natürlich. Du weißt, was Vater mit den Enkeln von Roderich tun würde, wenn er sie in die Hände bekommen würde.“

Alastair nickte. Es war nicht schwer zu erraten. „Vater würde sie töten.“

„Man kann es ihm kaum verdenken. Er hat den Tod unserer Großmutter nie überwunden.“ Vortingern stellte den geleerten Becher auf den Tisch. „Es muss unerträglich gewesen sein, die Hinrichtung der eigenen Mutter mit ansehen zu müssen. Vor allem in seinem Alter damals. Er war jünger als wir, als wir die Erzählung das erste Mal hörten.“

„Sie zu hören, hat mich stets angespornt, Großmutter nachzueifern. Sie muss unfassbare Selbstbeherrschung besessen haben.“ Als Knabe hatten ihm bei der Schilderung der Folter die Haare zu Berge gestanden. Inzwischen war er erwachsen und hatte selbst grauenhafte Taten verübt. Geblieben war nur die Bewunderung für seine Großmutter. „Sie hat so lange durchgehalten, bis der Regen gestoppt und sie eine Feuerlanze in den Himmel hatte schicken können. An ihrer Stelle hätte ich anders gehandelt. Ich hätte als letzte Handlung Rache an meinem Mörder genommen. Sie aber hat ihre letzte Magie benutzt, um ihr Kind zu retten. Kanja sagt, nur so konnten sie Vaters Standort rechtzeitig ausfindig machen.“

Vortingern nickte. „Eine solche Art von Hingabe kennen wir nicht.“

„Nein, das tun wir nicht.“

„Aber ich kenne die Geschichte. Wieso also erzählst du sie?“

Alastair wich Vortingerns Blick nicht aus, gerade weil er ahnte, was sein Bruder als Grund vermutete. In der Tat wusste er es aber selbst nicht so genau. „Ich schinde keine Zeit, wenn du das glauben solltest.“

„Aber du willst etwas tun, für das Vater dir zürnen wird.“

Niemand anders auf der Welt konnte derart in ihm lesen. Alastair brüstete sich sogar damit, dass es niemand konnte – niemand außer seinem Bruder. Er war auch kein schlechter Verlierer und gab es offen zu: „Was hat mich verraten?“

„Die Geschichte unserer Großmutter ist ein Beispiel für reine Loyalität. Und du fühlst dich unwohl dabei, gegen Vaters Wunsch zu handeln.“

„Es wäre doch Irrsinn!“, meinte er viel zu emotional. „Zwei königliche Geiseln einfach zu töten, anstatt sie für einen Berg Gold einzutauschen!“

„Oder zwei“, stimmte Vortingern zu. „Aber noch hast du Zweifel.“

„Da ich Vaters Willen genau kenne, wäre ein Zuwiderhandeln Verrat.“

„Niemand kann den Willen eines anderen genau kennen. Es ist, wie ich sagte: Wozu auch immer du dich entscheiden magst, tu es schnell!“

„Und deswegen hast du nach mir gesucht?“ Alastair runzelte die Stirn. „Um mir Ratschläge zu erteilen?“

„Nein, weil ich wissen wollte, ob du wirklich damit einverstanden bist.“

„Womit?“

Langsam verärgerte ihn das Rätselraten und Vortingern bemerkte es, denn er kam direkt zum Punkt: „Die Wachen behaupten, dass du ihnen freie Hand lässt.“

Alastairs Miene verfinsterte sich. Es fiel ihm trotzdem nicht leicht, zu antworten: „Keine Sonderbehandlungen oder Vergünstigungen. Er ist ein Gefangener wie jeder andere auch.“

„Das ist er eben nicht. Er ist Bastians Sohn. Und die Wachleute wissen das. Denkst du wirklich, nur Vater hätte eine Rechnung zu begleichen? Wenn du ihn gegen Gold eintauschen willst, sollte er zumindest bis zur Übergabe am Leben bleiben.“

„Traust du unseren Wachleuten wirklich einen Meuchelmord zu?“

„Es sind nicht ‚unsere‘ Wachleute. Es sind Vaters Wachleute. Von ihm persönlich ausgesucht, weil sie seine Überzeugungen und Methoden teilen.“

„Sie würden ihn nicht umbringen“, beharrte Alastair auf seiner Meinung, auch wenn sich Unbehagen inzwischen durch seinen ganzen Körper bohrte. „Sie müssen mit einer harten Strafe rechnen, wenn sie eigenmächtig handeln.“

„Das tun sie aber nicht, wenn du ihnen tatsächlich gesagt haben solltest, dass sie freie Hand haben. Ich behaupte auch nicht, dass sie ihn gleich zu Tode prügeln wollen. Er wäre allerdings nicht der Erste, der dort unten Wundfieber bekommt und verreckt. Und ich bin fest davon überzeugt, dass man mehr Lösegeld für einen Lebenden als einen Leichnam einfordern kann.“

„Lass es gut sein! Ich habe verstanden!“ Alastair erhob sich und marschierte an Vortingern vorbei nach links. Er zwang sich zumindest bis zur Tür, dieselbe Geschwindigkeit beizubehalten.

Kapitel 2