Epische Lyrik - Johann Meyer - E-Book

Epische Lyrik E-Book

Johann Meyer

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Beschreibung

Johann Meyer war ein deutscher Schriftsteller. Dieser Band umfasst seine wichtigsten lyrischen Schöpfungen in Hoch- und Plattdeutsch. Inhalt: Belsazer Judith. Jephtha Diagoras Der Mäuseturm Stadthauptmann Jäger Ritter Eppelin von Sailingen Scharfrichter Rosenfeld Der Sckelm von Bergen Dar danzt Bornholm hin Das letzte Fuder Herr Melchior Rantzau Die sterbende Eiche. Cras! Cras! Jungmann und Preußer Der Schiffbruch Am Ohio He De Watermöhl Op de Hochtid Dat Bettelkind Ut ölen Tiden Ole Döntjes. Hinnerk-Ohm to Kieler Umslag Langs de Strat En Hochtid bi de Burn. De Vagelköst De Mehlbüdel. Meerennacht Dat Gewitter Anna Gröndunnersdagag bi Eckerför'. De Konterlör sin Dochder Kassen mit de Hummel.

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Epische Lyrik (Hoch- und Plattdeutsch)

Johann Meyer

Inhalt:

Johann Meyer – Biografie und Bibliografie

Belsazer

Judith.

Jephtha

Diagoras

Der Mäuseturm

Stadthauptmann Jäger

Ritter Eppelin von Sailingen

Scharfrichter Rosenfeld

Der Sckelm von Bergen

Dar danzt Bornholm hin

Das letzte Fuder

Herr Melchior Rantzau

Die sterbende Eiche.

Cras! Cras!

Jungmann und Preußer

Der Schiffbruch

Am Ohio

He

De Watermöhl

Op de Hochtid

Dat Bettelkind

Balladen

Ut ölen Tiden

Ole Döntjes.

Poetische Erzählungen

Hinnerk-Ohm to Kieler Umslag

Langs de Strat

En Hochtid bi de Burn.

De Vagelköst

De Mehlbüdel.

Meerennacht

Dat Gewitter

Anna

Gröndunnersdagag bi Eckerför'.

Erzählungen in Prosa

De Konterlör sin Dochder

Kassen mit de Hummel.

Epische Lyrik, J. Meyer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849631642

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Johann Meyer – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 5. Jan 1829 in Wilster in Holstein, verstorben am 16. Okt. 1904. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Meldorf studierte er in Kiel und wurde Lehrer in Altona. Ab 1862 Direktor der von ihm gegründeten Idiotenanstalt (psychiatrische Klinik) in Kiel, veröffentlichte hochdeutsche Gedichte (2. Aufl. 1887), Gedichte in dithmarscher Mundart (3. Aufl. 1887) sowie Festspiele u.a. Dramen.

Wichtige Werke:

· Dithmarscher Gedichte, Hamburg 1858.

· Gröndunnersdag bi Eckernför, Leipzig 1873.

· Plattdeutsche Gedichte in dithmarscher Mundart,Hamburg 1876

· Uns' ole Modersprak, Hamburg.

· Hochdeutsche Gedichte, Kiel.

· Kleinigkeiten. Sinnsprüche in hochdeutscher Sprache, Hamburg.

Epische Lyrik (Hoch- und Plattdeutsch)

Belsazer

Belsazer, König von Babylon, Saß vor den Gästen auf goldenem Thron'.

Wohl tausend der Ersten und Größten im Reich' Von ihm geladen zum Mahle zugleich.

Des Königs Weiber kredenzten den Wein, Chaldäas blühende Töchterlein;

Und es wogte die Freude und glühte die Lust Bis zum Übermut' in des Königs Brust, Und trunken rief er die Worte:

»Heil unsern Göttern! – der Juden Gott Ist ihnen worden ein Hohn und Spott!

Seine Stadt ist Asche, – zerfallen sein Thron, Sein Volk geknechtet in Babylon!

Wo sind die Schalen, von Golde schwer, Aus seinem Tempel? – Die besten her!

Reicht sie den Weibern! – es ziemt sich gut, Daraus zu trinken der Rebe Blut Auf das Wohl der chaldäischen Götter!«

Und sie bringen die Schalen, dereinst geweiht Dem Herrn zum Dienste zu Salomons Zeit!

Wild schäumte darüber der funkelnde Wein, Hei, wie sie schwelgten, die zechenden Reih'n!

Nun trink', Belsazer! – der Juden Gott Ward deinen Göttern ein Hohn und Spott!

Und der Frauen eine, – die schönste im Saal', Reicht hin dem König' die goldene Schal', Auf daß er den Göttern sie leere.

Schon will er sie fassen, – da fährt er zurück, Es schlottern die Knie, – es stiert sein Blick;

Es wird sein Antlitz so fahl und bleich, Das ist die Farbe vom Totenreich'.

Und sieh, – genüber auf weißer Wand, Was ist's? was ist's? – eine Geisterhand!

Sie schreibt mit Feuer. – es glüht und brennt! Ist keiner hier, der die Worte kennt?Mene mene thekel unpharsin!

Die kennet keiner im ganzen Reich' Von allen Priestern und Weisen zugleich.

Doch gibt es einen, – den Daniel! »Wo ist der Jude? – schafft ihn zur Stell!«

Der König ruft's, – und er wird gebracht, Zu deuten die Schrift ihm in selbiger Nacht. –

Die Nacht ist hin. – verlassen das Mahl, – Am stillen Morgen im öden Saal' Liegt der König Belsazer erschlagen.

Judith.

Aus Ninive zog Holofern Mit lust'gen Zimbelklängen, Am Himmel sollte Assurs Stern Die Sterne all verdrängen. Sein König kannte nur den Sieg, Es zählten seine Heere Der Streiter für den blut'gen Krieg So viel als Sand am Meere.

Und als sie vor Bethulia Genüber auf den Bergen, Da wogten schon den Mauern nah'Des Feldherrn wilde Schergen. Die Tore auf für Holofern, Sonst werdet ihr verderben! Nie Tore zu! – das Volk des Herrn Weiß für den Herrn zu sterben.

Wohl mahnte Achior und bat Und gab ihm offen Kunde: O, Herr, laß ab, dies Völkchen hat, Den höchsten Gott im Bunde; Er führt' es durch das wilde Meer, Und die ihm nachgezogen, Ägyptens König und sein Heer, Begrub er in den Wogen.

Doch Holofern mit grimmem Spott': Das kümmert Assur wenig. Wir kennen keinen Herrn und Gott, Als unsern Herrn und König! Der nur allein regiert die Welt, Der ist's, zu dem wir beten, Und was sich ihm entgegenstellt, Wird in den Staub getreten!

Und an dem Hang' des Berges schnell Verstopfen sie die Brunnen, Daraus der Labe süßer Quell Bislang zur Stadt geronnen. O, Jammer, als das Bächlein jetzt Die Armen sah'n versiegen! Ob solcher Not muß auch zuletzt Der Mutigste erliegen.

Schaff' Wasser, Wasser, Osia, Und rett' uns vom Verderben! Schaff' Wasser für Bethulia, Eh' Weib und Kinder sterben! Viel schlimmer noch des Durstes Brand, Als blut'ger Tod der Schlachten! Und lieber in der Feinde Hand, Als jämmerlich verschmachten!

O, meine Brüder, habt Geduld Fünf Tage noch zu Ende, Ob nicht «der Herr in Gnad' und Huld Den Jammer von uns wende! – Und sieh, eh' noch die Frist entfloh'n In Angst, Gebet und Flehen, Da hatt' auch Gott die Hülfe schon Nach seinem Rat' ersehen.

In stiller Kammer kniet ein Weib, Demütig, unerschrocken, Der Sack umhüllt den schlanken Leib, Und Asche deckt die Locken, Und im Gebet' von Gott gefeit Zur Retterin vom Leide, Vertauscht sie nun das Trauerkleid Mit einem Kleid' der Freude.

Wie lieblich bist du anzuschau'n, Als wie am Hochzeitsfeste, O, Judith, du von allen Frau'n Die schönste wohl und beste! Doch um dein Leben ist uns bang! Was sinnst du zu vollbringen? Ihn, welchen keiner noch bezwang, Wird auch kein Weib bezwingen!

Und schon der vierte Morgen lacht, Seit sie hinausgegangen, Und schon beginnt die vierte Nacht Und läßt die Sternlein prangen. Wo bleibt das Weib mit ihrer Magd? Was ist aus ihnen worden? Wer zweifelt noch, wer hofft, wer fragt? Gewiß, er ließ sie morden!

Da, horch! – da klopft es laut ans Tor In mitternächt'ger Stunde: Macht auf! macht auf! es harrt davor Ein Weib mit froher Kunde! Da eilen, die sie tot geglaubt, Mit Fackeln schnell zusammen! Und seh'n, o Graus! ein blutig Haupt Im roten Schein' der Flammen!

O sprich, – ist er es? sag' uns an, Wie konntest du's vollbringen?! Er ist's! – ich stürzte den Tyrann! Laßt uns dem Herrn Lob singen! Gelobt sei Gott zu dieser Stund' Und sei's zu allen Tagen! – Und nun vernehmt durch meinen Mund, Wie ihn der Herr geschlagen.

Frisch, Abra, folg' mir unverzagt Und hilf es mir vollenden! – Das arme Weib mit seiner Magd, Bald war's in ihren Händen. Was gibt's? – ein Weib ohn' Schutz und Wehr', – Sie führen es gefangen. Wo willst du bin, wo kommst du her? Und was ist dein Verlangen?

Aus jener Stadt am Berge fern, Damit ich bringe Kunde Dem Holofernes, eurem Herrn, Wie bald sie geh' zu Grunde, Und, rings verfolgt von Hohn und Spott, Durch uns'rer Feinde Scharen Hinschritten wir und baten Gott, Uns gnädig zu bewahren.

Da stand ich denn, vor ihn gebracht, Zu harren seiner Fragen, Ob all der Macht und all der Pracht Mit Furcht und Angst geschlagen. Da stand ich wie in Todesgrau'n, Und wußt nicht, was beginnen, Und keinen Ausweg konnt ich schau'n Und war, als wie von Sinnen.

Doch näher dem ersehnten Ziel' Half Gott dem armen Weibe Und schenkte, daß sie wohlgefiel, Die Schönheit ihrem Leibe. Tritt näher, Weib! – nicht fürchte dich, Kein Unheil soll dir schaden! Was bittest du? – laß hören mich! Dein warten Huld und Gnaden.

O Herr, hab' Dank für solch ein Wort. Es wird dich nimmer reuen! In wenig Tagen bist du dort, Des Sieges dich zu freuen! Und sind erst diese Tore dein, Sind's alle Tor' und Türen; Und nach Jerusalem hinein Will deine Magd dich führen!

Gebrochen ist der Trotz'gen Mut Und Aufruhr in den Gassen; Sie tranken von des Opfers Blut, Nun hat sie Gott verlassen; Es brennt der Durst, der Hunger nagt, – Es herrschen Schand' und Sünde, Drum suchte Rettung deine Magd; Hab' Dank, daß ich sie finde.

Und gabst du diese Gnade mir, O, zürne nicht der Bitte! Gern dient' ich meinem Gott auch hier Nach uns'rer Väter Sitte. Gestatt' uns denn, daß wir zumal Frei aus dem Lager treten Allabendlich für dich im Tal' Zu unserm Gott zu beten.

Wohlan, so tut es! – mir gefällt Das Wort aus deinem Munde; Hier weilt und ruht vor meinem Zelt' Zu jeder Zeit und Stunde, Und ungestört mögt immerhin Ins Tal den Schritt ihr lenken, Das Weib und ihre Dienerin Soll kein Assyrer kränken.

Und als die Nacht ihr Sternengold Herab vom Himmel sandte, Da hat sein Unstern es gewollt, Daß er in Lust entbrannte, Da lud er mich zu seinem Mahl' Und tat mir freundlich winken Und reichte mir die gold'ne Schal' Voll süßen Wein zu trinken.

Und trank und trank ihn Zug auf Zug Dann selber Schal' um Schale. O, Mut, mein Herz! – bald ist's genug! Schwer taumelt er vom Mahle Und sucht die gold'ne Lagerstätt', Von Trunkenheit befangen; Ich aber sah vor seinem Bett' Das Schwert hellblitzend hangen.

Herr Gott, es steht in deiner Macht, So hilf es mir vollenden! Da hieb ich zu, – da war's vollbracht, – Und hielt das Haupt in Händen, – Und hüllt' es in die Decke ein, Von keinem Aug' gesehen. – Nun, Abra, komm', daß wir allein Ins Tal zu beten gehen!

Und keiner fragt woher? wohin? Da wir hinausgetreten; Laßt gehen die Hebräerin, Sie will hinab, zu beten! Und mitten durch der Feinde Schar Mit uns'rer blut'gen Beute, Als noch die Nacht im Lager war, Heimkehreten wir heute.

Und Gott zum Zeugen! – ich bin rein Und unberührt von Schande! Sein Name soll gepriesen sein In jedem Volk' und Lande! Nehmt hin den Kopf, den wir gebracht, Steckt hoch ihn auf die Zinnen! Die Tore auf und in die Schlacht, Ihr werdet sie gewinnen!

Nun, Feldhauptmann, was schläfst du noch? Auf, führe deine Horden! Die Mäuse krochen aus dem Loch' Und sind gar kühn geworden! Ein Hauptmann aber ohne Haupt, Was sollt' er ihnen frommen? Das Weib, das ihm das Herz geraubt, Hatt' auch den Kopf genommen.

Und kopflos wurden allzumal Die andern vor Entsetzen; Da floß ein roter Quell zu Tal, Die durst'ge Stadt zu letzen, Da wurden wohl im blut'gen Streit' Der Helden viel' gebettet, Und wurde so aus allem Leid' Das Volk des Herrn gerettet.

Drommeten, Pauken und Schalmei'n! Zum Jubel ward die Trauer! Wer schaut denn noch so grimmig d'rein Hoch oben von der Mauer? O, Schmach dir, stolzer Holofern, Daß dich ein Weib vernichtet! Wer also lästert Gott, den Herrn, Den hat der Herr gerichtet!

Jephtha

Dem Bastard keine Rechte, Kein Erbteil und kein Gut! – Doch rollte in dem Knechte Der Väter Heldenblut, So kürt er seine Mannen Wohl unterm Himmelszelt' Und zog damit von dannen, Jephtha, der starke Held.

Und fern der Heimat Fluren Zu Mizpa stand sein Haus, Da gingen, die ihm schwuren, Gewappnet ein und aus; Da waltete im Segen Am Herde und am Schrein' Hold-sittig allerwegen Sein blühend Töchterlein.

Er hielt sie auf dem Schoße Voll süßer Vaterlust. Es lehnte sanft die Rose Das Haupt an seine Brust; Sie küßte ihm die Wangen, Sie hing an seinem Blick', Und so von ihr umfangen, Empfing er all sein Glück.

Da horch', vor seiner Hütte, Wer naht zu dieser Stund'? Es waren Männerschritte Und Stimmen, die ihm kund. Und doch nicht die der Seinen; Er hört sie anderwärts; – Was wollen sie dem einen, Der hier die Tochter herzt?

O komm' und brich die Ketten! Uns zürnet Zebaoth. Komm', Israel zu retten Aus seiner Feindesnot, Vergiß, was dir vor Zeiten Daheim an Leid gescheh'n, Und führe uns, zu streiten Auf Minniths Rebenhöh'n!

Uns züchtigt Javehs Rute, Uns rettet nur der Krieg! O komm', daß Ammon blute, Und führe uns zum Sieg'! Und ist der Feind geschlagen, Dir sei die Ehr' allein! Du sollst zu allen Tagen Uns Haupt und Richter sein!

Da blitzten ihm die Augen, Da zuckte ihm die Hand. So großes soll ich taugen Dem teuren Heimatland'?! Wohlan, ich will euch führen, Wann kommen wird der Tag, Daß Ammons Kinder spüren, Was Israel vermag!

Und bald, bald war er kommen, Der Tag nach langer Nacht; Doch eh' sein Licht entglommen, Zu leuchten blut'ger Schlacht, Da lag in stiller Stunde Jephtha vor Zebaoth Und fleht' aus Herzensgrunde Um Hülfe in der Not.

O, willst du mich erhören Und mir den Sieg verleih'n, So will ich heilig schwören, Ein Opfer dir zu weih'n! Sieh, was mir kommt entgegen Zuerst aus meiner Tür, Hinschlachtend will ich's legen Dir auf den Stein dafür!

Und als der Schwur gesprochen, Die Bitte ward gewährt; Es sank der Feind gebrochen Vor Jephtas Heldenschwert'. Und heim auf blut'gen Pfaden, Geebnet heiß und schwer, Mit Beute reich beladen. Zog jubelnd schon das Heer.

Rings Lust und frohe Leute Den Siegern zum Empfang', Gen Mizpa geht es heute, – O, Jephtha welch ein Klang! Schon luget aus den Zweigen Wer trauten Hütte Dach, Da, horch! – Gesang und Reigen Und lauter Paukenschlag!

Was fliegt im weißen Kleide Lautjubelnd aus der Tür? O, Jammer ob der Freude! Zu viel, zu viel dafür! Nun hält er in den Armen Sein einzig Töchterlein. Erbarmen! – Kein Erbarmen! Das Opfer auf den Stein!!

Diagoras

Trompeten schmettern, Flöten schallen, Des Festes schönster Tag war da. Schon schritten aus des Tempels Hallen Die Sieger von Olympia; Und ihnen folgend, im Gedränge Hinwogte zu der Altis Tor Des Volkes ungeheure Menge, Aufbrausend im gewalt'gen Chor:

        Heil euch! Heil euch im Siegeskranz'!         Heil euch! ihr Edlen und Kühnen!         Ewig wird in der Zeiten Tanz'         Eurem Gedächtnis er grünen!

Ja ewig! – doch so herrlich keinem Von allen in der Sieger Schar, Als aus des Volkes Mitte einem. Am Stab' gebückt, im Silberhaar'! Wer ist der Greis, der Hochbeglückte? Wie heißt die Stadt, woher er kam, Des Name jedes Herz entzückte, Das seiner Taten Ruhm vernahm?

        Heil dir! Heil dir im Siegeskranz'!         Diagoras. Heil dir auch heute!         Mit unvergänglichen Ruhmes Glanz         Kronion dein Leben erfreute!

Diagoras, den Pindars Laute Verewigt schon im hohen Sang', Den zwölfmal schon das Volk erschaute Im Kranz', da er den Preis errang,Diagoras, des edle Söhne Das Vaterherz so tief gerührt, Nun heut' des frischen Kranzes Schöne Den stolzen Scheitel beider ziert!

        Heil euch! Heil euch im Siegeskranz'!         Glückliche Herakliden!         Unvergänglichen Ruhmes Glanz         Euch auch ward er beschieden!

Und nun, den Vater froh erblickend, Hinstürzen sie an seine Brust; Und nun, die Söhne an sich drückend, Wie herzt er sie in sel'ger Lust! Und nun, den Kranz, den sie errungen, Ihm auf die Locken silberweiß! So tragen jubelnd und umschlungen Die Kinder den geliebten Greis!

        O, wollest sterben, Diagoras!         In den Himmel kannst Du nicht steigen!         Es neiden die Götter ohn' Unterlaß,         Wem solch ein Glück ward zu eigen!

Und sieh, was ist dem edlen Greise? Ob er des Volkes Stimme glaubt? Da neigt sich auf die Kinder leise Das schöne, reichgeschmückte Haupt. Ob neidisch schon die Götter walten? Das Schicksal dem Beglückten droht? Hin sinkt er, den die Söhne halten, Und liegt in ihren Armen tot!

        Heil dir! Heil dir im Ruhmesglanz'!         Diagoras, schlafe in Frieden!         Sterblichen ward noch kein Totenkranz         Schöner als dieser beschieden!

Der Mäuseturm

Ich will ein Lied euch singen Vom Mäuseturm', im Rhein, Von einem Pfaff' zu Bingen, Des Herz so hart wie Stein. Nicht Macht und Würde seien, Wo Geiz und sünd'ger Spott, Und wo die Steine schreien, Da wird zum Rächer Gott.

Zu Mainz im Schloß war's prächtig, Wie männiglich bekannt, Erzbischof Hatto, mächtig, Regierte Stadt und Land; Er suchte Seinesgleichen An Klugheit und an Geist Und hatt' von allen Reichen Des Reichtums wohl zumeist.

Doch fremd war ihm die Liebe; Dem so das Leben hold, Der höchste seiner Triebe, Das war der Trieb nach Gold. Gold und nach Golde dürften, War seines Heizens Reiz, Und so dem Kirchenfürsten Ein zweiter Gott der Geiz.

Als nun im Feld' mißraten Einmal ein andres Gold, Da kamen sie und baten, Daß Hatto helfen sollt', Zu spenden seiner Kammer Gehäuften Schatz der Not. Zu steuern allem Jammer Des armen Volks mit Brot.

Umsonst war ihre Bitte, Umsonst ihr Hoffnungstraum, In seines Herzens Mitte Hatt' nicht das Mitleid Raum. Er trieb mit harten Worten Die Bürger aus dem Schloß Und stellte vor die Pforten Zum Schutz' der Diener Troß.

Und schlimmer, immer schlimmer Das Elend vor der Tür! Und grimmer, immer grimmer Des Hungers milde Gier! Und ob auch viele starben, – Ihm waren's nicht genug, – Die Faulen, laßt sie darben! – War Hattos sünd'ger Spruch.

Da drängte zu dem Hohen Aufs neu des Volkes Flut. Doch nun mit mildem Drohen Und der Verzweiflung Mut: Hinweg mit deinen Knechten, Uns treibt die grause Not, – Und willst du mit uns rechten, – Die Not hat kein Gebot!

Und bleich vor Angst und Beben Ob solcher Rede Ton, Und zitternd für sein Leben Betrat er den Balkon: Ich füg' mich eurem Willen, Gewährt sei, was begehrt! Den Hunger euch zu stillen, In Fülle Korn gewährt.

Da Dank und Jubel schallen, Als ihm das Wort entfloh'n, Und offen steh'n die Hallen Der Magazine schon. Die Menge, schnell verlaufen, Wo schwellend sie gedroht, Schon schöpft sie aus dem Haufen Nach Herzenslust sich Brot.

Ha, ha! da hätt' ich alle! Die schön sich das gemacht! Die Mäuse in der Falle! Ruft Hatto laut und lacht. Geschwind, eh' sie sich rühren Und mit dem Raube nah'n, Die Riegel vor die Türen Und her den roten Hahn!

Entsetzliches Beginnen! Verruchte Hand, zurück! Noch schwelgen die da drinnen Im unverhofften Glück', Als schon mit rotem Kamme Der Hahn darüber kräht Und sich im Schwall' der Flamme Zum Ungeheuer bläht.

Und breiter, immer breiter Dehnt es sich prasselnd aus, Und weiter, immer weiter Umzüngelt es das Haus, Da knistern schon die Decken, Da sprüht es von der Höh' Und flockt, o Graun und Schrecken! – Ein glüh'nder Feuerschnee.

Erbarmen, Herr, Erbarmen! Wer faßt die Höllenqual! Wie jammerten die Armen, Und flehten allzumal! Welch Krachen und welch Dröhnen! Welch glühend Feuermeer! Welch Wimmern und welch Stöhnen Da drinnen ringsumher!

Wie sollt' es den ergreifen, In dessen Brust ein Stein?!Hört, wie die Mause pfeifen! Schrie lachend er darein. – Hoch zuckten auf die Flammen, Als wär's ob solchem Spott'; Dann fiel der Bau zusammen, Und macht' ein Ende Gott.

Zu Mainz im Schloß beim Mahle Saß Hatto wohlgemut, Vor sich im Goldpokale Der Traube süße Glut, Und ledig aller Plage, Wie freut' sein Herz sich traun! Ein Tag schon nach dem Tage Voll Frevel und voll Grau'n.

Da, horch'! war's nicht wie Pfeifen, Als käm's von einer Maus? Es tat ihn doch ergreifen, Er zog die Stirne kraus. Er schaute auf und nieder Ringsum im großen Saal', Da pfiff's, – da pfiff es wieder, – Und pfiff wohl hundert Mal.

Da klettert's an den Wänden, Da rasselt's unterm Pfühl'! Da kommt's von allen Enden, Ein wirr und wild Gewühl! Da springt es schon so munter Im Teller auf dem Tisch' Und nagt hinauf, hinunter Am Braten und am Fisch'.

Und frecher, immer frecher, Wohin der Blick gewandt, Da schwimmt's ihm schon im Becher, Da klimmt's ihm auf die Hand! Da will's ihn schon verletzen, Na fühlt er schon den Schmerz! Da rieselt's wie Entsetzen Ihm durch sein steinern Herz.

Er schreit, er ruft die Leute Und stürzet aus dem Saal'; Es folgen ihrer Beute Wie Mäuse allzumal, Und Treppen auf und nieder Durchs Schloß, Saal aus, Saal ein. Und wieder, immer wieder Die Mäuse hinterdrein.

Wie sehr der Diener Hände Auch morden hin und her, Sie führen's nicht zu Ende, Sie können's nimmermehr. Kein Beten hilft, kein Fluchen, So muß Herr Hatto fort, Sich ein Asyl zu suchen, Gott weiß, an welchem Ort'.

Im Rhein, im grünen Rheine Da steht ein hoher Turm Aus hartem Felsgesteine, Trotzbietend Zeit und Sturm. Das ist der Turm zu Bingen, So steht er heute noch, Dahin ließ er sich bringen, Vom Schloß ins Bingerloch.

Wird ihn das Wasser schützen? Wird schirmen ihn der Stein? Es sollt' ihm wenig nützen, – Die Mäuse hinterdrein! Sie pfeifen, und sie schwimmen, Sie nahen wie zum Sturm', Sie kommen und erklimmen Auch dort den hohen Turm.

Sie wimmeln, und sie streifen Im öden Turm' umher; Hört, wie die Mäuse pfeifen! Und mehr und immer mehr! Da sind sie schon und Hausen Bei Hatto im Gemach'! Wohin? wohin? o, Grausen! – Er flieht, – sie hintennach.

Noch einmal und nicht wieder. Er hält's nicht länger aus! Ermattet sinkt er nieder, Halbtot vor Angst und Graus. Und in des Turmes Grunde, Welch Wimmein, welche Qual! Da pflegten sich zur Stunde Viel' Tausende beim Mahl'.

Nicht Macht und Würde feien, Wo Geiz und sünd'ger Spott, Und wo die Steine schreien, Da wird zum Rächer Gott. Erbarmen für die Armen In Lieb' mit Rat und Tat! Wer findet kein Erbarmen, Wer kein Erbarmen hat!

Stadthauptmann Jäger

Ei, guten Morgen, Herr Stadthauptmann! Guten Morgen, Herr Bürgermeister; Wann greift ihr mal das Raubvolk an? Es wird uns täglich dreister.

Heißt ihr nicht Jäger? frisch auf die Jagd, Zur Ehre für euren Namen! Schon wieder zwei sind umgebracht, Als von der Messe sie kamen.

Wohl heiß' ich Jäger – und jagt' auch gern Und würd' das Wild schon fangen, Sobald von einem der hohen Herr'n Nur der Befehl war' ergangen.

Im Namen von Senat und Rat Ich leg' ihn in eure Hände; Tut nach Belieben! – – Und damit hat Die Morgenbegrüßung ein Ende.

Zu Rathaus schritt der eine hinan, Für Lübecks Wohl zu raten; Herr Jäger aber, der Stadthauptmann, Exerzierte seine Soldaten.

Und als es Abend geworden war. Da zog er hinaus zum Jagen; Es folgte seiner Reiterschaar Mit Mönch und Frohn ein Wagen.

Und wo die Straße führt in den Wald, Na hielt er mit den Knechten, Da legt' er einen Hinterhalt Zur Linken und zur Rechten.

Und sieh, ein Ritter mit seinem Troß Will reiten zum späten Gelage, Auch solch ein Schnapphahn, gar stolz zu Roß, Der Bürger Geißel und Plage.

Hui! saus'ten die Schwerter aus dem Hag' Im dunklen Schlachtgewitter, Bis des Ritters Häuflein erschlagen lag Und bis gefangen der Ritter.

Wohlan! ruft da der Stadthauptmann, Zur lustigen Jagd nun, ihr Leute! Der edle Junker soll voran, Heraus uns zu locken die Beute!

Fort geht's im Dunkein, – und als der Zug Zur nächsten Raubburg gekommen, Da hat Herr Jäger mit grausigem Fluch' Wen Junker beim Kragen genommen,

Und hat gekitzelt ihn mit dem Dolch' Und hat zum Stoß' ihn gehoben: Nun rufst du, was ich dir sage, Strolch, Mit lauter Stimme nach oben.

He, Torwart! – he Torwart! – ruf deinen Herrn, – Ruf' deinen Herrn, – vor die Pforte! – Vor die Pforte! – Ein Freund, – ein Freund, – der gern, – Der gern, – ihn spräch' ein paar Worte! –

Ihn spräch' ein paar Worte! – Der Torwart in Eil' Geht, seinem Herrn es zu sagen; Stadthauptmann Jäger packte derweil Den Junker noch fester beim Kragen.

Na, ruft es oben: Bist Du es, Freund? Ich bin es! antwortet's im Grunde. Herrn Jäger's Fäuste preßten vereint Dem Armen das Wort aus dem Munde.

Wohlan, ich komme! – und richtig, er kam; Doch war er kaum gekommen, So war auch der Ritter lobesam Gefangen schon genommen.

Zum Pfaffen, das ihm werde sein Lohn! Und rückwärts ging es, zum Wagen; Die Beichte war kurz, und Meister Frohn Besorgte das Kopfabschlagen.

Und vorwärts ging es; dem Zuge voran, Auf gute Fährt' ihn zu leiten, Mit seinem Junker der Stadthauptmann Zur nächsten Raubburg, der zweiten.

Und wiederum mußte der Junker vor, Ob's noch so sehr ihn verdrossen, – Herr Jäger drängte, – zu locken ans Tor, Mit falscher Red' den Genossen,

Und auch mit dem ging flott und schnell Die Beichte bei dem Pfaffen. Und flott und schnell tat der rote Gesell Alsdann das Weit're beschaffen. –

Und wiederum eilte von dannen der Zug, Ein anderes Wild zu erjagen. Halt' ein, Herr Jäger, nun ist's genug, Bald wird der Morgen tagen.

Herr Jäger aber noch gute Weil' Am Waidwerk' sich erfreute, Von einer Burg zur andern in Eil', Und immer dieselbe Beute.

Hei, war das eine lustige Jagd! So flogen wohl, wie die Pfröpfe Beim Zechgelage, in einer Nacht Herunter neun Junkertöpfe.

Nun kam der Zehnte an die Reih', Für seinen Dienst zum Lohne Halt' er beim Mönch die Beichte frei Und frei Quartier beim Frohne.

Da half kein Bitten und kein Flehn, Kein Zittern und kein Erblassen, Es mußt' zuletzt auch Nummer Zehn Den Kopf im Wagen lassen.

Vorbei ist die Jagd, vorüber die Nacht, Der Morgen sonnig und heiter; Nach Lübeck haben sich aufgemacht Herr Jäger und seine Reiter.

In Lübeck sitzen allzumal Im Kragen und Ornate Am langen Tisch' im Rathaussaal' Die Herren vom hohen Rate.

Da klopft's, – herein! – da steht er schon, Gar schnell in allen Stücken. Und hinten grinst der Meister Frohn Mit einem Sack' auf dem Rücken.

Ei, guten Morgen, Herr Stadthauptmann! Guten Morgen Herr Bürgermeister! Wer solch ein Wild erjagen kann, Stadthauptmann Jäger heißt er!

Er spricht's. – da löst der Frohn das Band Vom Sack', dem schweren, vollen, – Und dumpf hin über den Dielensand Zehn blutige Köpfe rollen.

Ritter Eppelin von Sailingen

Zu Nürnberg auf dem Schlosse, Hurrah! sie hatten ihn Mit seinem wilden Rosse, Den Ritter Eppelin, Zu Nürnberg – und da hangen Sie leinen, wie ihr wißt, Bevor sie ihn gefangen, Auch wenn's ein Ritter ist.

O weh, du kühner Reiter, Nun geht's dir ans Genick! Am Galgen lehnt die Leiter Und baumelt schon der Strick; Schlägst nun der Stadt zum Schrecken Nicht mehr ihr Söldnerheer, Und machst den Pfeffersäcken Nicht mehr das Leben schwer.

Und auf dem Schloßwall' stehen Im Kragen und Ornat', Dem Schauspiel zuzusehen, Die Herrn vom hohen Rat'. Nun sprich! nach alter Sitte Wird jedem Delinquent Noch eine letzte Bitte Gewährt vor seinem End'.

Habt Dank! ich fürcht' mit nichten Des jähen Todes Qual. Und gern will ich verzichten Auf euer Henkersmahl: Nur einmal noch laßt reiten Mich heut' mein edles Roß, Was mir zu allen Zeiten Der treueste Genoß.

Wohlan! dir soll in Milde Gewährt die Bitte sein. Bringt her das Roß, das wilde! – Da bringen sie's herein. Aufwiehernd laut vor Wonne. Wie drängt es in den Raum! Wie glänzt es in der Sonne, Wie sprüht der Nüstern Schaum!

Komm her und laß dich herzen Zum letzten Male heut', Gefährte meiner Schmerzen, Gefährte meiner Freud'! Laß deine Kraft erproben Im Fluge um die Bahn Und zeig' den Herrn dort oben, Wie du mir zugetan!

Da schwingt mit Blitzesschnelle Der Ritter sich hinauf. Da setzt es von der Stelle Und stürmt im milden Lauf' Rundum, rundum im Bogen, Daß ihm die Flanken glüh'n, Und wo es kommt gepflogen, Hell auf die Funken sprüh'n.

Hurra! durch Wald und Heide, So haben unverzagt Nach heißem Strauß' wir beide Gar oft den Feind gejagt! Nun gilt's! – an dieser Stätte Droht Schmach und bitt'rer Tod! Greif' aus, greif' aus und rette Den Herrn aus seiner Not!

Hei, wie das stürmt und sauset Und rast im milden Flug'! Und die es seh'n, die grauset; – Halt' ein! es ist genug! Halt' ein? – Hol' aus zum Sprunge! Da bäumt es jäh empor Und setzt in macht'gem Schwunge Hinweg hoch übers Tor.

Und weiter, immer weiter, Ins grüne Tal hinein Fortfliegen Roß und Reiter, Wer holt sie wieder ein? Und ließe sich erbitten Der Tod am Hochgericht' Und kam' daher geritten, Er überholt' sie nicht!

Zu Nürnberg durch die Gassen Heimkehren im Ornat' Gar ratlos und verlassen Die Herrn vom hohen Rat'. Zu Nürnberg, – ja, da hangen Sie keinen, ob sie ihn Auch hätten schon gefangen, Ist's nur ein Eppelin!

Scharfrichter Rosenfeld

Was drängt das Volk in Scharen dicht? Hinaus zum Tor' sieht man es wogen; Hammonia saß zu Gericht, Und heute wird der Spruch vollzogen. Verlassen stehen Haus und Herd. Kaum kann der Grasbrook alle fassen; Einhundertfünfzig sind dem Schwert' Des blut'gen Henkers überlassen.

Nun zeige, Meister Rosenfeld, Was du vermagst im Kopfabschlagen! Von solchem Blutbad' wird die Welt Noch reden in den spätsten Tagen. Die Hamburgs schlimmste Geißel war, Harrt, – Dank der bunten Kuh von Flandern! Nun deiner, – die Piratenschaar, – Und soll den Weg des Todes wandern.

Der Störtebecker, welch ein Mann! Wie aller Blicke an ihm hangen! Ein Riese, – schreitet er voran Und will zuerst den Streich empfangen. Und vor den Henker tritt er hin: Noch keinem beugt' ich mich im Leben, Du weißt, daß ich der Hauptmann bin, Laß stehend mich das Haupt dir geben!

Fürwahr, er war ein ganzer Held, War er in Ketten auch geschlagen! Noch ließ sich Meister Rosenfeld Zum zweiten Male das nicht sagen. Wohlan, der Wunsch sei dir gewährt. Daß meine Kunst gepriesen werde!

Steh' fest! – und hui! – da saust das Schwert, Und dröhnend fliegt der Kopf zur Erde.Doch was ist das? – noch steht der Rumpf, – Der Kopf ist nur allein gefallen, Und vorwärts stiebt der mächt'ge Stumpf, Entsetzlich! – unbegreiflich allen! Der Henker schreckt zurück, ihn graust, Ihm rieselt's kalt durch alle Glieder, Es greift nach ihm die blut'ge Faust, Und krachend stürzt der Leichnam nieder.

Ha! ha! lacht Meister Rosenfeld, Umsonst sind deine Teufelsfaxen! Warst du auch alle Zeit ein Held, Dem Henker warst du nicht gewachsen! Hier ist zu Possen nicht der Ort! So magst du in die Hölle wandern! Und mit dem Fuß' rollt er ihn fort, Sich Platz verschaffend für den andern.

Und durch die Menge geht es dumpf: Paßt auf, das wird nicht günstig enden! Saht ihr es, wie der tote Rumpf Hin nach ihm griff mit blut'gen Händen? Und saht ihr's, wie er sich entsetzt! – Kaum konnt' das Grausen er bezwingen; Doch an sein Blutwerk geht er jetzt, Laßt sehn, ob er es wird vollbringen?

Und Schlag auf Schlag nimmt er sie her, Und Kopf auf Kopf rollt ihm zu Füßen. Ob er's vollbringt? fragt keiner mehr, Der Brook beginnt von Blut zu fließen. Und immer kleiner wird die Zahl, Mit jedem Schlage mehr gelichtet Bis er sie endlich allzumal, Einhundertfünfzig, hingerichtet.

Nun stützt er auf sein Schwert und ruht, Von Haufen Leichen rings umgeben. Bis an die Knöchel tief in Blut'; Man sieht's, wie ihm die Pulse beben. Und furchtbar schaut er um sich her Und läßt am Griff' die Finger spielen, Als fehlten noch der Opfer mehr, Ihm seine Mordlust ganz zu kühlen.

Und schaudernd sagt sich jeder still: Wann war der Alte wohl wie heute? Wer weiß, wie das noch enden will? So packt der Wahnsinn seine Beute! Wagt keiner sich zu ihm heran? 's wird Zeit, das Schwert ihm zu entwenden! Der Störtebecker tat's ihm an, Der nach ihm griff mit blut'gen Händen. –

Da spricht zu ihm ein Herr vom Rat': Nun, Meister, mögt ihr ruh'n vom Morden, Ihr seid wohl müde, – in der Tat, Wer wär' nicht müd' davon geworden?! – Ich müde?! – lacht er, – nimmermehr! Ich müd'?! – wo denkt ihr hin?! – mit nichten! Ich könnte noch, bei meiner Ehr', Am ganzen Rat' mein Amt verrichten!

Und vollends packt ihn nun der Wahn, Er will das Schwert aufs neue schwingen; Jedoch zum Glück, eh' er's getan. Sieht man herzu die Knechte springen. Vergeblich ist des Alten Wut. Bald wird das Schwert der Faust entwunden. Und auf dem Richtplatz' liegt im Blut' Der Meister Rosenfeld gebunden.

Und was sein Mund gesprochen hat, Das kann ihm Gott allein vergeben. Er hat geschmäht den hohen Rat Und hat dafür verwirkt das Leben. Der Störtebecker hat's gewollt, – Man sieht die Menge scheu entweichen, Und schon nach kurzer Pause rollt Des Henkers Leiche zu den Leichen.

Der Sckelm von Bergen

Im Römer, dem alten Kaisersaal', Bei der Kerzen funkelndem Glänze Reih't Paar an Paar sich nach festlichem Mahl',Und Trompeten schmettern zum Tanze. Mit der Kaiserin am Arm' In dem lustigen Schwarm', Wo so viele die Freude vereinet, Barbarossa, der Kaiser, erscheinet.

Rings schallender Jubel dem herrlichen Paar' Durch die hohen, glänzenden Hallen; Traun! schöner und anmutbezaubernder war Als die Kaiserin keine von allen. So im Heiligenschein' Wohl ein Engel mag sein, Daß verwundert die Männer, die Frauen Eine Himmlische wähnten zu schauen.

Nun freue sich der, den sie huldvoll erseh'n Und gewürdigt zu fürstlichen Ehren! Denn so will es der Brauch, und was früher gescheh'n. Nicht sollte das Fest es entbehren. Wer zumeist ihr gefällt, Wird zum Tanze bestellt Und hat, bis verstummt ist der Reigen, Die Hand seiner Fürstin zu eigen.

Und die Edlen alle, die Ritter im Kreis Verharrten mit wonnigem Bangen, Es nährete still nach so lieblichem Preis Wohl jeder ein glühend Verlangen; Doch ob Ritter, ob nicht, Sie war ledig der Pflicht. Und zum Tänzer nach eignem Gefallen Erkor sie den Schönsten von allen.

Wer mag es sein in dem lockigen Haar', Dem so hohes Glück ward gegeben? O, seht nur das blitzende Augenpaar Und der Wangen blühendes Leben! Und die edle Gestalt! Und des Zaubers Gewalt In des Tanzes anmutender Weise! So fragt und so flüstert man leise.

Doch keiner kennt ihn von allen im Saal'; So mag er selber es sagen!Und als verstummt die Trompeten zumal, Beginnt ihn der Kaiser zu fragen: Ei, du schmucker Gesell, Nun verkünde mir schnell. Wer du bist, dem, vor allen ersehen, Der Ehren höchste geschehen?

Da überströmt's ihn wie Purpurglut, Und zur Erde blickt er beklommen, O, Herr, verzeiht mir den Frevelmut, Daß zu eurem Fest' ich gekommen, Und vergebt mir die Schuld Um der Kaiserin Huld! Mit dem niedrigsten hat sie der Schergen Getanzt, mit dem Schelme von Bergen.

Dem Schelm' von Bergen?! – wer das vernahm, Nicht Freude mehr fand er am Feste; Es bebte der Kaiser, – es überkam Wie Schaudern und Grausen die Gäste, O der Schmach und der Schand', Daß mit blutiger Hand Ein Schelm die Kaiserin berührte Und ein Henker zum Tanze sie führte:

Das wirst du büßen wohl hundertfach. Du Schelm! – ein Wort, – und es blitzen Ringsum die Schwerter, zu sühnen die Schmach Und dein sündig' Blut zu verspritzen! Ein Wort! – doch es spricht Noch der Kaiser es nicht, Weil mit zärtlichem Blick' für den Armen Ihn die Kaiserin fleht um Erbarmen.

Und der Henker sieht's, – und mit keckem Mut' Zum Kaiser spricht er aufs neue: Herr Kaiser, und wollt ihr zur Sühne mein Blut, Den Tod erleid' ich ohn Reue! Viel zu hoch und zu hehr Ist der Kaiserin Ehr', Als daß mit frevelnden Händen Ein Henker vermöcht' sie zu schänden!

Und streckt' mich zur Strafe das rächende Schwert Im jähen Tod' auch darnieder, Was mir die Menschen so herzlos verwehrt, Vom Himmel hab' ich es wieder, Denn ein Ehrlicher schon Ward von Bergen der Frohn, Als zum Tanz' er die Kaiserin führte, Dieweil ihn ein Engel berührte!

Und alles blickte auf den Kaiser hin Und den frechen, verwegenen Sprecher; Nicht frommt es, hochherzige Kaiserin, Noch zu bitten für den Verbrecher, Denn mit donnerndem Wort' Herrscht der Kaiser sofort: Du Schelm von Bergen, zur Erde Daß dein Lohn, der verdiente, dir werde!

Und nieder knieet er mit neigendem Haupt', Und es zückt schon das Eisen, o Grauen! Sein Herr und Kaiser, daß männiglich glaubt, Den gerichteten Henker zu schauen; Bis das blitzende Schwert In den Nacken ihm fährt, Und der Seele genommen die Schranke, Traun! ein Augenblick nur, – ein Gedanke!

Noch eh' er verschwunden, und eh' er gedacht. Da hatte mit kräftigem Schlage Schon Kaiser Friedlich ein Ende gemacht Der grausigen, schrecklichen Lage, Hatt' von Bergen der Frohn Schon empfangen den Lohn Für alles, was er verbrochen, Und der Kaiser die Worte gesprochen:

Zum Ritter hab ich mit diesem Schwert Dich, Schelm von Bergen, geschlagen! Als Ritter mögest du, ehrenwert, Fortan es führen und tragen! – Und er reicht' es ihm hin Mit gewogenem Sinn', Und so ward aus dem niedrigsten Schergen Das Geschlecht der Schelme von Bergen.

Dar danzt Bornholm hin

Nun blieb dem Könige keine Wahl, Die Dänen waren geschlagen; Es lag der lübische Adimral Schon hart vor Kopenhagen. Nie siebenundsiebenzig Hänse Und siebenundsiebenzig Gänse, Schon setzen sie lustig allzumal Ans Land, den Sturm zu wagen.

Und Boten sandte der König aus: Herr Wittenborg, laßt euch grüßen! Ihr habt gelegt im blutigen Strauß' Mein Recht zu euren Füßen; Bornholm habt ihr genommen, Trotzdem seit mir willkommen! Und heut' im Schloß bei Tanz und Schmaus Da laßt uns Frieden schließen.

Und heut' im Schloß erglänzet der Saal Und tragen die Tische das Beste, Geburtstag feiert des Königs Gemahl Und heißt willkommen die Gäste; Zwischen ihr und dem König inmitten, Willfahrend freundlichen Bitten, Einnimmt der lübische Admiral Den Ehrenplatz auf dem Feste.

Trompeten und Pauken und Fackelschein Bei lustiger Tafelrunde! Für all' die Gäste fast war zu klein Das Königsschloß am Sunde;Rings leerten schäumende Becher Unzählige durstige Zecher, Und die Königin selber kredenzte den Wein Dem Admiral vom Bunde.

Herr Johann Wittenborg, seid auf der Hut! Wie soll das werden und enden? Verlockender flammt nicht des Nektars Glut In Hebes schimmernden Händen! Die Schönste ist sie von allen, Wer ihrem Zauber verfallen, Zu Grunde geht er, wie meti es tut, Und kann's nicht ändern und wenden,

Trompeten und Pauken und Fackelschein, – Nach dem Mahle folgte der Reigen. Herr Wittenborg tat sich gar ritterlich fein Vor des Königs Gemahlin verneigen: O Herrin, wollet gewähren Die Hand mir zum Tänzchen in Ehren, Dürft' solcher Huld sich mein Herz erfreun, Der Himmel war' ihm zu eigen!

Und lächelnd spricht sie mit schlauem Sinn': Zwar gern, – doch der Freundschaft ein Zeichen, Was ich könnt', zu sehen, wie wert ich euch bin, Mit so schönen Worten vergleichen! Und wolltet ihr das zu Gefallen, Mir geben, – es würde vor allen Die Hand Alt-Dänemarks Königin Euch alleine zum Tanze nur reichen!

Und sie tat es, – und da sie im strahlenden Licht' Durch den Saal hinschwebten die Runde, Ihm war's, als fühlt' er im Angesicht' Ihren Hauch aus rosigem Munde; Ihm war's, als hörte er lüstern Von üppigen Lippen es flüstern: O, meine Bitte, versagt sie nicht, Und die Glücklichste wär' ich zur Stunde!

Was wollt' ihr? fragt er mit glühendem Blick', O, sagt es, daß ich's gewähre! Sie flüstert leise: Bornholm zurück!Bornholm, meine Perle im Meere! Und der erste hättet, der Beste, Also ihr zum heutigen Feste Zugleich gespendet das wonnigste Glück Dem Geburtstagskinde zur Ehre!

Und es tanzte Herr Wittenborg Inmitten seiner Getreuen Nur mit einer die ganze Nacht hindurch, Das mochte baß ihn erfreuen. Und was sagten die Seinen? – sie sagten:Dar danzt Bornholm hin! sie klagten:Dar danzt Burnholm hin! – Verblendeter, sorg', Daß es nimmer dich möge gereuen!

Und die Nacht ging zu Ende, das Fest war aus, Und zu Ende war's mit dem Kriege. Herr Johann Wittenborg schiffte nach Haus, Gen Lübeck nach ruhmvollen Siege, Bornholm, Bornholm ist genommen! Willkommen sei uns, willkommen, Und froh empfangen nach blutigem Strauß' Daheim in der Stadt deiner Wiege!

Herr Johann Wittenborg, bangt euch nicht Ob allem, was da geschehen? In Lübeck halten sie strenge Gericht, Müßt Red' und Antwort ihm stehen; Bornholm, Bornholm ist verloren! O, wäret ihr nimmer geboren! Im Leichtsinn habt ihr vergessen der Pflicht, An den Kragen könnt' es euch gehen! –

Und im Turm' zu Lübeck in Not und Sorg' Und der Knechte schmutzigen Händen, Da sitzt und schmachtet Herr Wittenborg Und kann sein Schicksal nicht wenden; Ein Jahr verronnen ist eben. Seit zurück Bornholm er gegeben Und seit er tanzte die Nacht hindurch, – Wie soll das werden und enden?!

Und ein Glöckchen läutet mit klagendem Ton', Und manch Antlitz tut sich entfärben, –Im roten Mantel hinschreitet der Frohn; Wem droht so jähes Verderben? Durch die Gassen lärmend Gedränge, Und den Marktplatz füllet die Menge, – Ein armer Sünder empfängt den Lohn Und wird geleitet zum Sterben.

Und die umstrickte ihm Herz und Sinn, Daß Bornholm zurück er gegeben, Alt-Dänemarks blühende Königin, Geburtstag feiert sie eben Bei lustiger Tafelrunde, Und sie lacht, den Becher am Munde: Skaal, Voldmar! – Heut' tanzte Bornholm dahin,Herr Wittenburg soll leben!

Das letzte Fuder

Der Tag ist heiß, der Tag ist schwül! Kein Lüftchen regt sich leis' und kühl! Fahr' zu Johann! fahr zu! ich mein': Wer heimsen will im Sonnenschein, Muß mit der Stunde geizen, – Und von der Koppel muß herein Mir heute noch der Weizen.

Es geht nicht, Herr, – 's ist gar zu viel, Wir kommen heut' nicht mehr ans Ziel, Und wollt' ich's selbst auch noch so gern, Und tät' ich mir für meinen Herrn Auch heute noch so sauer, – Es geht nicht, Herr, – der Bläß und Stern Die haben nicht die Dauer.

Sie sind schon alt, was liegt daran? Schlag' nur darauf und treib' sie an! Gib mir die Peitsche, gib, geschwind! Der Hahn am Turm zeigt andern Wind, – Und wie die Fliegen stechen! Es kann noch, eh' wir fertig sind, Herein das Wetter brechen.

Da schlug der Herr den Bläß und Stern, Das schmerzt' Johann, – er sah's nicht gern, – Sie lebten stets in Zärtlichkeit, Sie dienten treu in Freud und Leid Dem Herrn seit vielen Jahren, Und all sein Korn, in all der Zeit Sie hatten's eingefahren.

Sie hatten stets der Pflicht genügt, Zur rechten Zeit das Land gepflügt. Zur rechten Zeit Jahr aus, Jahr ein Wen goldnen Schatz gebracht hinein, Kein Fuder war verdorben, Und hatten, wollt' er ehrlich sein, Den Wohlstand ihm erworben.

Sie hatten auch in diesem Jahr' Geschafft, daß wenig übrig war, Und Haus und Scheune bargen schon Im Überfluß des Fleißes Lohn; Es war die letzte Koppel, – Nun sollt' noch, eh' der Tag entfloh'n, Der Weizen von der Stoppel.

Und rastlos ging es auf und ab, Und dann nach Haus in scharfem Trab', Und dann in scharfem Trab' zurück, Des Weg's war doch ein gutes Stück; – Die armen alten Pferde! Sie ruhten keinen Augenblick, Der Schweiß troff auf die Erde.

Es geht nicht, Herr, wir zwingen's nicht! Der alte Knecht voll Mitleid spricht!