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Mit der Alterung der Gesellschaft rollt eine gigantische Erbwelle in Billionenhöhe auf uns zu. Doch auf den Umgang mit diesem Geldsegen sind die wenigsten Menschen vorbereitet. Besonders Frauen fühlen sich überfordert. Sie lehnen es oft ab, sich mit Geld zu beschäftigen und haben Schamgefühle - erst recht, wenn es zum Erbstreit kommt. Die Finanzcoachin Irene Genzmer und die Journalistin Ulrike Scheffer weisen den Weg in die finanzielle Selbstbestimmung. Einfühlsam und empowernd zeigen sie, wie Frauen sinnvoll mit ihrem Erbe umgehen und ihr Geld verwalten und erhalten können. Ihr praxiserfahrener Ratgeber zeigt: Erbinnen können ihr Geld im Einklang mit ihren Lebensvorstellungen und Werten managen, es investieren oder weitervererben - und so ihr eigenes Leben positiv verändern.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Erben für Anfängerinnen
Irene Genzmer ist seit Mitte der 2000er bei der GIZ in Eschborn, zuerst in der PR und Unternehmenskommunikation, dann in der Entwicklungszusammenarbeit, u.a. für „Woman Economic Empowerment“ im Sudan. Seit Frühjahr 2024 ist sie Gender-Beauftragte der GIZ. Nebenberuflich gründete sie theskyisherlimit mit dem Ziel der finanziellen Bildung von Frauen, und wirkt als Mentorin für Frauen, Finanzen, und Feminismus.
Ulrike Scheffer war 18 Jahre politische Korrespondentin beim Berliner Tagesspiegel – in der Hauptstadt, in Afghanistan, Japan, Kambodscha, Frankreich, den USA und an vielen anderen spannenden Orten. Seit 2019 arbeitet sie freiberuflich.
Erben ist mit vielen Emotionen und Unsicherheit verbunden. Doch mit dem richtigen Wissen und einer positiven Haltung hast du als Erbin die Chance, dein Leben neu auszurichten und finanziell sicherer in die Zukunft zu schauen.
Die Journalistin Ulrike Scheffer und Finanzcoachin Irene Genzmer vermitteln anschaulich und praxisnah, wie kluge Geldstrategien aussehen, wie man mit der Familie zeitig über Testamente spricht und was steuerrechtlich dabei zu beachten ist. Hier erfährst du auch, welche Vorkehrungen du für deinen eigenen Nachlass treffen solltest und was du tun kannst, wenn du Schulden erbst. Von der Inventur deiner Finanzen bis zur Frage Aktien, Immobilienkauf oder Weltreise?: Die Autorinnen geben konkrete Tipps, wie du dein Vermögen erhalten, mehren und zur Verwirklichung persönlicher Ziele nutzen kannst.
Irene Genzmer und Ulrike Scheffer
Finanziell sicher und selbstbestimmt in die Zukunft
Ullstein
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© 2025 Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin
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Foto Irene Genzmer: © Juliette Moarbes
Foto Ulrike Scheffer: © Juliette Moarbes
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ISBN: 978-3-8437-3560-5
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Titelei
Das Buch
Titelseite
Impressum
Ein Buch nur für Erbinnen? Was soll das denn?
Teil 1Erben tut weh
Ulrikes emotionale Achterbahnfahrt nach ihrer Erbschaft
Wie sage ich’s meinen Eltern – Gespräche über Geld in der Familie
Schmerzvolle Schritte – Hausstand auflösen und Erbe aufteilen
Was tun bei einem Erbstreit – Anleitung für den Ernstfall
Sonderfall Schulden – das solltest du tun, wenn du befürchtest, Schulden zu erben
Teil 2Geld macht glücklich
Irenes Rezept für eine Finanzstrategie, die im Einklang mit deinem Leben steht
Geld, nein danke? Wie unsere Gesellschaft Frauen bei der Vermögensbildung ausbremst
Negative Einstellungen zu Geld überwinden
Du bist deine beste Vermögensverwalterin – wie du dir Finanzwissen aneignen kannst
Teil 3Dein neuer Job: Vermögensverwalterin
Inventur – verschaffe dir einen Überblick über deine Finanzen
Erste Schritte – wofür du dein Geld ausgeben solltest und wofür nicht
Investieren – finde Geldanlagen, die zu deinen Bedürfnissen passen
Werte – was du wissen solltest, wenn dir Nachhaltigkeit wichtig ist
Teil 4Nach dem Erben ist vor dem Vererben
Die Vorbereitung – wie Ulrike mit ihrem eigenen Nachlass umgeht
Gesetzliche Erbfolge oder Testament – was passt zu deinem Lebensmodell?
Erbschaftssteuern und Schenkungen – nicht tricksen, aber klug agieren
Teil 5Booster für dein Geld-Selbstvertrauen
10 Take-aways für deine finanzielle Selbstbestimmung
Weiterführende Bücher und Quellen
Danke
Anhang
Anmerkungen
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Ein Buch nur für Erbinnen? Was soll das denn?
»Ich habe ein Vermögen geerbt, und jetzt kann ich nicht mehr schlafen.« Dieser Hilferuf von Ulrike an Irene war so etwas wie die Initialzündung für dieses Buch.
Irene hatte sich gerade als Mentorin für Frauen, Finanzen und Feminismus etabliert, als sie bei LinkedIn eine Nachricht von Ulrike erhielt: »Hallo, ich habe eben Ihren Post gelesen. Sie haben mein Interesse geweckt. Ich muss mich – nach Erbschaft – tatsächlich dringend mehr um meine Finanzen kümmern und brauche Unterstützung. Wie könnten wir zusammenkommen?«
Irenes Neugier war sofort geweckt. Erst recht, nachdem Ulrike im ersten Gespräch der beiden am Bildschirm von ihren schlaflosen Nächten berichtete. Normalerweise coacht Irene Frauen, die nachts wach liegen, weil sie befürchten, nicht genug fürs Alter vorzusorgen, oder sich nach einer Trennung finanziell neu aufstellen müssen.
Doch schon bald wurde klar: Ulrike ist kein Einzelfall. So paradox es klingen mag, dass ein plötzlicher Geldsegen negative Gefühle auslösen kann – viele Frauen fühlen sich überfordert, wenn sie erben. Egal, ob es um ein großes Vermögen geht, einen Anteil am Elternhaus oder das mühsam Ersparte der Eltern.
Viele Frauen fremdeln mit Geld. Sie finden es nicht wichtig, welches zu haben, und wollen sich schon gar nicht mit Geldanlagen beschäftigen. Schließlich wurde ihnen über Jahrhunderte eingeimpft, dass Geld Männersache sei und sie sich auf Kinder und Haushalt beschränken sollten. Diese Prägung wirkt bis heute nach, auch wenn Frauen seit Langem ihr eigenes Geld verdienen. Unter dem Strich haben Männer deutlich mehr Vermögen als Frauen.1 Ein Erbe empfinden Frauen nicht selten als Belastung. Sie sehen es nicht als Chance, Träume zu verwirklichen oder Dinge zu bewegen. Und allzu oft denken sie: »Das habe ich doch gar nicht verdient.« Sie lassen das Geld auf dem Konto liegen oder vertrauen ihrer Bank, wenn es um die Geldanlage geht. Beides ist keine gute Idee.
Deshalb beschlossen wir, ein Buch ausdrücklich für Erbinnen zu schreiben. Schon die Zahlen zeigen, wie wichtig das ist: Laut einer Studie, die von der Deutschen Bank in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach herausgegeben wurde, haben 52 Prozent der Deutschen eine Erbschaft gemacht oder rechnen damit, in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten zu erben.2 Dabei geht es um beeindruckende Summen: Aktuell werden in Deutschland jährlich bis zu 400 Milliarden Euro vererbt.3 Die eigentliche Erbwelle rollt aber erst noch auf uns zu, denn das Geldvermögen der Deutschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht.
Geht man davon aus, dass die Gruppe potenzieller Erb*innen etwa der Altersgruppe der Vierzig- bis Vierundsechzigjährigen entspricht, könnten in den nächsten Jahren rund 37 Prozent aller Bundesbürger*innen erben, gut die Hälfte davon sind Frauen. Höchste Zeit also, dass Frauen ihre Scheu überwinden und sich das nötige Finanzwissen aneignen, um ihr Erbe zu verwalten.
Doch eine Erbschaft bringt noch viel mehr Herausforderungen mit sich. Und sie ist eine hochemotionale Angelegenheit. In diesem Buch erfährst du, wie du deinen Gefühlen Raum geben kannst, wie Gespräche mit der Familie über die Nachlassregelung gelingen und wie du einen Erbstreit vermeidest. Es geht auch um ganz praktische Dinge, wie die Auflösung des elterlichen Hausstands, den Umgang mit einem verschuldeten Erbe, um Steuern und Testamente.
Und natürlich erklären wir dir, wie du dein Erbe sinnvoll nutzen kannst. Wie du eine Finanzstrategie entwickelst, die zu deinem Leben passt und sich an deinen Werten orientiert – und nicht an der Provision eines Bankers.
Kurz: Wir wollen dir helfen, finanziell sicher und selbstbestimmt in die Zukunft zu gehen. Damit es dir nicht ergeht wie Ulrike, sodass du auch mit Erbe gut schlafen kannst.
Wir nutzen in diesem Buch die Begriffe Frauen und Männer. Damit sind alle Personen gemeint, die sich weiblich beziehungsweise männlich identifizieren oder als Frauen beziehungsweise Männer wahrgenommen werden. Neben der Gleichberechtigung von Frauen und Männern halten wir es für ebenso wichtig, dass alle Menschen auch außerhalb des binären Systems ihre Geschlechtsidentitäten entfalten können, und schließen diese in unser Verständnis von Gleichberechtigung ein. Uns ist außerdem bewusst, dass es weit mehr Familienmodelle gibt als die heteronormative Kleinfamilie, weshalb wir auch homosexuelle oder Patchwork-Konstellationen behandeln. Dass wir uns dennoch stark auf die traditionelle Kernfamilie beziehen, ist dem Umstand geschuldet, dass heutige Erbinnen in der Mehrzahl in diesem Familienmodell groß geworden sind und sich Erbfälle bisher meist in diesem Rahmen abspielen.
Irene Genzmer und Ulrike SchefferFrankfurt und Berlin im Januar 2025
Erbe und Emotionen – wie du in einer schwierigen Situation die richtigen Entscheidungen triffst
Plötzlich war da diese Angst. Als mein Erbe auf meinem Konto auftauchte, änderte sich meine Stimmung schlagartig – und völlig unerwartet. Aber warum? Mein Vater war einige Monate zuvor nach einer langen Demenzerkrankung gestorben, meine Mutter bereits einige Jahre tot. Es war kein plötzlicher Verlust, kein überraschendes Erbe. Seit Jahrzehnten wusste ich, dass dieser Tag kommen würde. Ich fühlte mich vorbereitet und emotional stabil.
Heute weiß ich, dass dem nicht so war. Weder auf das Erbe noch auf alles, was mit dem Finanzmanagement des ererbten Vermögens zu tun hatte, war ich wirklich vorbereitet. Ich habe diese einschneidende Veränderung in meinem Leben im Gegenteil einfach auf mich zukommen lassen. Dabei plane ich ansonsten alles sehr gewissenhaft, meine Arbeit als selbstständige Journalistin, den Urlaub, die Wochenenden mit den Kindern und mit Freunden. Durch Gespräche mit Irene, die sich seit Langem mit dem Umgang von Frauen mit Geld beschäftigt, weiß ich inzwischen aber auch, warum mich meine Erbschaft überforderte und mich regelrecht die Angst packte, als ich vermögend wurde.
Mir ist klar, dass es sich in gewisser Weise um ein Luxusproblem handelt, wenn man sich schlecht fühlt, Geld, Aktien, Schmuck, ein Haus oder sogar ein Unternehmen geerbt zu haben. Andere Menschen haben ganz andere Sorgen. Auch das kann ein Grund sein, negative Gefühle zu verdrängen. Doch diese Gefühle sind nun einmal real. Deshalb sollte man sich mit ihnen auseinandersetzen.
Eine Erbschaft löst vielschichtige Emotionen aus. Zunächst ist da natürlich die Trauer. Schließlich erbt man in der Regel, weil jemand gestorben ist, der einem nahegestanden hat – Vater, Mutter, Anverwandte oder gar der Lebenspartner oder die Partnerin. Erben ist also fast immer mit Schmerz verbunden. Selbst wenn das Verhältnis zum Erblasser oder der Erblasserin nicht gut oder der Kontakt sogar abgerissen war, kommen Gefühle hoch, wenn jemand stirbt. Das gilt besonders für die eigenen Eltern. Konflikte lassen sich dann nicht mehr lösen, die Entschuldigung, auf die man vielleicht gewartet hat, wird nicht mehr ausgesprochen, eine Versöhnung nie mehr möglich sein.
Jeder Frau, die solche Emotionen durchlebt, möchte ich daher zunächst sagen: Nimm deine Gefühle ernst und gib ihnen Raum. Natürlich musst du dich als Erbin sofort um eine Reihe von Formalitäten kümmern, eine Bestattung organisieren zum Beispiel. Danach solltest du aber zunächst innehalten und deine Emotionen verarbeiten. Um die finanziellen Aspekte des Erbes kannst du dich mit etwas Abstand ohnehin viel besser kümmern. Lass dich vor allem nicht unter Druck setzen, wenn deine Geschwister, andere Verwandte oder Bankberater*innen zur Eile mahnen. Vor allem, was Geldanlagen betrifft, solltest du keine schnellen Entscheidungen treffen. Falsche Entscheidungen kommen dich wahrscheinlich teurer zu stehen als ein paar Monate ohne Zinserträge. Diese Erfahrung habe ich leider selbst gemacht, wie du später noch lesen wirst. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es wäre besser gewesen, ich hätte ein Jahr lang gar keine Investitionen oder Umschichtungen bei Aktienfonds vorgenommen und mir zunächst Finanzwissen angeeignet. Auch dazu später mehr.
Mit dem Thema Erben sind auch viele Tabus verbunden. Darf man sich überhaupt freuen, wenn man durch den Tod einer anderen Person zu Geld kommt? Ist es in Ordnung, sich schon vor dem Tod der Eltern zu überlegen, was man mit ihrem Geld anfangen wird, wenn sie einmal sterben? Solche Skrupel sind normal. Irene und ich haben in unserem jeweiligen Umfeld erlebt, dass gerade Frauen oft mit negativen Gefühlen zu kämpfen haben, wenn es ums Erben geht. Viele haben Schuldgefühle oder empfinden Scham, wenn sie Geld erben oder ein Haus beziehungsweise einen Teil davon. Die meisten Gespräche mit Freundinnen über eine Erbschaft beginnen mit dem Satz: »Es ist mir peinlich …« Frauen, die eine Firma oder Anteile daran erben, erleben zusätzlich noch Misstrauen, weil leitende Angestellte ihnen nicht zutrauen, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. In einer solchen Situation souverän zu reagieren, ist nicht einfach.
Frauen wird in unserer Gesellschaft immer noch vermittelt, dass es für sie Wichtigeres gibt als Geld. Im Patriarchat wird von ihnen erwartet, dass sie für die Familie da sind – für Haushalt, Kinder, Pflege. Klar, dass einige typische weibliche Emotionen zum Thema Geld mit genau dieser gesellschaftlichen Erwartungshaltung verknüpft sind.
Ablehnung: Nach unserer Erfahrung ist es das am weitesten verbreitete Gefühl von Frauen in Verbindung mit Geld. Den Beruf wählt frau aus Überzeugung, auch wenn er schlecht bezahlt wird; wer seinen Mann liebt und ihm vertraut, braucht keinen Ehevertrag; und wer sein Kind liebt, verzichtet auf Einkommen, um die unbezahlte Haus- und Care-Arbeit zu übernehmen.
Angst: Obwohl wir in einem der reichsten und sichersten Länder der Erde leben, ist die Angst ums Geld in Deutschland sehr ausgeprägt. In gewisser Weise logisch, denn erst wer Geld hat, kann sich sorgen, es wieder zu verlieren. Bei Frauen kommt hinzu, dass sie tendenziell weniger risikofreudig sind. Sie spekulieren seltener an der Börse, weil sie Verluste befürchten. Viele Frauen sind der Meinung, sie verstehen nichts von Geld, gleichzeitig plagen sie jedoch große Zukunftsängste – Stichwort Altersarmut. Das ist schon paradox. Offenbar lähmen Angst und Unsicherheit Frauen so sehr, dass sie lieber gar nichts tun, als das Risiko einzugehen, falsche Finanzentscheidungen zu treffen.
Scham: Es gibt viele Gründe, warum Frauen sich schämen, wenn sie über ihre Finanzen nachdenken oder darüber sprechen. Sie schämen sich, weil sie Schulden haben, da steckt das Wort Schuld ja schon drin; weil sie in ihrem Beruf viel verdienen und andere Frauen in anderen Berufen so wenig; weil sie Geld irgendwie gut finden und sich das für eine Frau doch nicht gehört; und nicht zuletzt, weil sie Geld geerbt haben – und andere nicht.
Unser Tipp: Suche dir Frauen, mit denen du über deine Gefühle sprechen kannst. Versuche, negativen Gedanken auf den Grund zu gehen, und stelle ihnen positive Argumente entgegen. In den folgenden Kapiteln gibt es viele Anregungen, wie du konkret vorgehen kannst.
Ich selbst ertappe mich ebenfalls dabei, meinem Gegenüber zunächst entschuldigend zu erklären, dass ich geerbt habe, bevor ich erzähle, dass ich mich mit Börsengeschäften oder anderen Geldanlagen befasse. Anfangs hatte ich das Gefühl, dieses Geld gar nicht verdient zu haben, weil ich es mir nicht selbst erarbeitet habe. Ich hatte schließlich immer darauf geachtet, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Wie viele andere Frauen meiner Generation wollte ich keinesfalls vom Geld meines Partners leben. Als die Kinder kamen, ging ich allerdings ganz selbstverständlich in Teilzeit, weil mein Mann meinte, eine Auszeit oder Arbeitszeitverkürzung würden ihm beruflich schaden. Inzwischen sind wir seit vielen Jahren geschieden.
Dass ich durch meine Erbschaft nun deutlich mehr Geld habe als viele meiner Freundinnen und Freunde, irritiert mich – und sie auch. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich werde von meinen Freunden als arbeitende Person nicht mehr ernst genommen. Seit ich mir eine Wohnung in Frankreich gekauft habe und dort viel Zeit verbringe, sehen viele in mir eine Art weiblichen Privatier. Offenbar gehen sie davon aus, dass ich meine Tage bei Croissants und Milchkaffee im Café oder am Strand verbringe und abends nach einer Flasche Rotwein selig wegschlummere. »Bist du in Berlin, oder machst du schon wieder Urlaub in deinem Domizil in Frankreich?«, lautet eine typische WhatsApp-Nachricht aus dem Freundeskreis. Allein das Wort Domizil ärgert mich, denn es klingt für mich nach zur Schau gestelltem Reichtum. Tatsächlich besitze ich eine kleine Altbauwohnung – was natürlich auch schon ein Luxus ist –, aber keine Villa. Wenn ich dann sage, dass ich in Frankreich Homeoffice mache und dort sogar mehr arbeite als in Berlin, weil ich in Bayonne mehr Ruhe und weniger andere Verpflichtungen habe, ernte ich meist nur ein müdes, ungläubiges Lächeln. Dabei sollte sich seit Corona herumgesprochen haben, dass Homeoffice überall auf der Welt effektiv sein kann.
Hinter den Reaktionen auf mein Lebensmodell vermute ich nicht unbedingt Missgunst. Bei einigen männlichen Bekannten habe ich eher das Gefühl, dass sie es irgendwie unpassend finden, dass ich als geschiedene Frau, deren Kinder langsam eigene Wege gehen, Zukunftspläne nur für mich schmiede und die ganz ohne männlichen Beistand auch umsetze. Dass ich einfach unabhängig bin. »Das ist ja mutig«, bekomme ich oft von Männern zu hören, oder »und das hast du ganz allein entschieden?«, meist verbunden mit der Frage, wie es denn um die Partnersuche steht. Denken sie, ich sollte meine Energie besser darauf verwenden, zunächst wieder »ordentliche Verhältnisse« herzustellen, bevor ich mich mit der Zukunft befasse? Manchmal werde ich auch gefragt, was ich machen würde, wenn ein neuer Partner andere Pläne oder vielleicht einen Zweitwohnsitz woanders hat. »Willst du die Wohnung in Frankreich dann wieder verkaufen?« Die Erwartung scheint klar: Wenn ich einen neuen Partner hätte, würde der sagen, wo es in meinem Leben künftig langgeht. Alte Rollenbilder sind offenbar hartnäckiger, als ich dachte, und sie scheinen unbewusst auch Menschen weiter zu beeinflussen, die sich für aufgeklärt und emanzipiert halten.
Grundsätzlich scheint mir das Problem aber ein anderes zu sein. Studien zeigen, dass Menschen ihr soziales Umfeld nach dem Wohlstandsniveau ausrichten. Ein Freundeskreis verfügt meist in etwa über die gleichen finanziellen Möglichkeiten, zumindest, wenn man das Familieneinkommen heranzieht. Mit anderen Worten: Wir leben in einer Einkommens-Bubble. Wer wenig verdient, ist selten mit Millionären befreundet – und umgekehrt. Das liegt zum einen daran, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Lebensstandards im Alltag weniger begegnen als Leute mit ähnlichem Einkommen. Sie wohnen in anderen Stadtteilen, gehen in andere Kneipen und machen anders Urlaub, soweit sie es sich überhaupt leisten können, zu verreisen. Die einen spielen Golf oder Tennis, gehen reiten oder regelmäßig zum Yoga-Kurs in den Fitnessclub, die anderen haben weder Geld noch Zeit für teure Hobbies und müssen sich mit dem Fitnessprogramm auf der Wii-Konsole ihrer Kinder begnügen. Und auch, wenn dies sehr pauschalisiert dargestellt ist, trifft es in der Tendenz doch zu. Man fühlt sich auch wohler in Gesellschaft von Menschen, die einem ähnlich sind, sprich: die einen ähnlichen Lebensstandard haben. Eine Freundin, die eine Haushaltshilfe und eine Kinderfrau beschäftigt, wird den täglichen Stress, Beruf und Familie zeitlich unter einen Hut zu bekommen, nur schwer nachempfinden können und kaum ein offenes Ohr für solche Probleme haben.
Mit einer Erbschaft, und das muss nicht gleich ein Millionenerbe sein, kann sich der eigene Status von einem Tag auf den anderen verändern und das soziale Gleichgewicht durcheinandergeraten. Das kann einen schon verunsichern. Deshalb ist es wichtig, die Zusammenhänge zu verstehen und die Schuld nicht bei sich zu suchen, wenn sich Beziehungen dadurch ändern.
In der Partnerschaft kann Geld übrigens ebenfalls einiges aus der Balance bringen. Auch heute noch haben viele Männer Probleme damit, wenn ihre Partnerin mehr verdient oder besitzt als sie selbst. Studien aus den USA sehen sogar einen Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Frau und der Potenz ihres Partners.4 Die lässt offenbar mit steigendem Einkommen oder Vermögen der Partnerin signifikant nach. Man, oder wohl eher frau, kann über solche Erkenntnisse lachen. Tatsächlich belegen sie aber, wie hartnäckig sich historische Stereotype von Männlichkeit und Weiblichkeit in patriarchalisch geprägten Gesellschaften halten.
Die Autorin und ehemalige Grünen-Politikerin Maria Haibach hat für ihr Buch Frauen erben anders Interviews mit zwölf reichen Erbinnen geführt.5 Alle Frauen, die zum Zeitpunkt der Erbschaft in einer Partnerschaft lebten, sagten, ihre neue Vermögenssituation habe ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Einige Beziehungen scheiterten daran. Auch bei lesbischen Paaren kam es zu Konflikten. In den meisten dieser Fälle hatten die Partnerinnen der Erbinnen nur ein geringes Einkommen, weil sie in sozialen oder künstlerischen Berufen tätig waren. Die interviewten Frauen berichten von schwierigen Klärungsprozessen. Es fiel den Paaren anfangs nicht leicht, das Vermögen zu genießen, ohne dass sich die nicht vermögende Partnerin oder der Partner »ausgehalten« fühlte oder sich das finanzielle Machtgefälle negativ auf die Beziehung auswirkte.
Schon unsere Sprache verrät, welchen Stellenwert Geld in unserer Gesellschaft hat. In Deutschland wird Geld »verdient«, man muss also etwas dafür geleistet haben. In Frankreich »gewinnt« man sein Geld, das klingt schon fast nach Glücksspiel. Die Ungarn wiederum »suchen« Geld. Bei den Amerikanern schließlich gibt es eine klare Ansage: Sie »machen« Geld. Das ist wohl die souveränste Art im Umgang mit Geld, aber vielleicht auch die respektloseste.
Wohlstand oder gar Reichtum gelten in Deutschland, anders als in den USA, generell fast als etwas Anrüchiges. Natürlich möchte niemand arm sein, doch wenn jemand reich ist, stellt er oder sie das aber auch nicht gern zur Schau. Schon in unserer Kindheit wurden den meisten von uns negative Glaubenssätze in Verbindung mit Geld quasi eingeimpft: Geld verdirbt den Charakter, Geld ist schmutzig, Geld macht nicht glücklich. Die Glücklichen sind die, die irgendwie in der Mitte mitschwimmen. Und die Guten. Deshalb erklärte wohl auch Friedrich Merz, er zähle sich zur Mittelschicht, zur »gehobenen Mittelschicht«, um genau zu sein, obwohl er Multimillionär ist und ein Privatflugzeug besitzt. Ein Stück weit mag das Taktik gewesen sein, weil er fürchtete, weniger Zustimmung zu erhalten, wenn er sich als reich bezeichnen würde – eine Sorge, die in den USA sicher keine Politikerin und keinen Politiker umtreiben würde. Aber es zeigt eben auch, dass Reichtum in Deutschland schambehaftet ist, selbst bei konservativen älteren Herren. Außerdem: Merz’ Bedenken sind vermutlich durchaus berechtigt. Findest du einen Mann mit Privatflugzeug nicht auch irgendwie suspekt?
Auch die Angst, die mich überfiel, als mein Erbe ausgezahlt wurde, kann ich mir durch den Austausch mit Irene inzwischen erklären. Schon bei unserem ersten Treffen erkannte sie, dass ich meine Erbschaft nicht als bereichernd sehen konnte. Vor dem Tod meiner Eltern hatte die Aussicht auf das Erbe noch eher beruhigend auf mich gewirkt. Im Alter, so dachte ich, würde ich gut versorgt sein. Als der Erbfall Realität wurde, bekam ich allerdings die Verantwortung für das Geld übertragen. Und der fühlte ich mich nicht gewachsen. Was, wenn ich das Vermögen, das meine Eltern in ihrem Leben erwirtschaftet hatten, durch falsche Entscheidungen verlieren würde? Was, wenn ich es nicht schaffte, es für meine Kinder zu erhalten? Wie mag es erst Frauen gehen, die ein Unternehmen erben und damit nicht nur Verantwortung für Geld, sondern auch für viele Menschen übertragen bekommen?
Eine Erbin sagte einmal zu mir, sie sei jahrelang vor ihrem Erbe weggelaufen und habe sich nicht um die Verwaltung des Vermögens gekümmert. In ihrer Beratungspraxis erlebt Irene so etwas immer wieder: Frauen neigen dazu, sich beim Thema Geldanlage wenig zuzutrauen. Die Angst, etwas falsch zu machen, lähmt sie regelrecht. Männer sind meist mutiger und risikofreudiger. Warum das so ist, werden wir später noch näher beleuchten. Ein kleiner Spoiler: Es hat weder etwas mit ihrer Kompetenz zu tun noch mit ihrem Ego. Und ob Männer immer erfolgreicher sind beim Geldanlegen, ist auch fraglich.
Erstaunlicherweise war mir die Verantwortung, die mein Erbe mit sich bringen würde, vorher nicht bewusst gewesen. Ich hatte mir nicht überlegt, wie eine gute Anlagestrategie aussehen könnte. Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, sich dieses Wissen anzueignen. Aus heutiger Sicht war es geradezu fahrlässig, das nicht zu tun.
Spätestens als meine Mutter vor einigen Jahren starb, hätte ich mich mit dem Thema Vermögensverwaltung auseinandersetzen sollen. Mein Vater lebte zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Pflegeheim, seine Demenz war schon weit fortgeschritten. Die letzten anderthalb Jahre seines Lebens hat er fast regungslos im Bett gelegen und an die Decke gestarrt. Wenn ich ihn besuchte, nahm er das kaum noch wahr. An den Aktivitäten im Pflegeheim, in dem er lebte, hatte er schon lange nicht mehr teilnehmen können. Natürlich weiß man nicht wirklich, was ein Mensch, der an Demenz erkrankt ist, von seiner Umwelt noch mitbekommt, ob er Zufriedenheit oder sogar Glück empfinden kann. Ich bin mir aber sicher, dass mein Vater dieses letzte Stadium seiner Krankheit nicht hätte erleben wollen.
Er war ein aktiver, kraftvoller Mann gewesen. Im Berufsleben als Unternehmer ein Machertyp, als Ruheständler noch immer sportlich und vielseitig interessiert. Angst vor dem Tod hatte mein Vater nicht. Nicht nur, weil er gläubig war. »Ich habe mein Leben gelebt, und wenn es vorbei ist, ist es eben vorbei«, hat er lange vor seiner Krankheit einmal zu mir gesagt. Das konnte man ihm wirklich glauben. Seine Patientenverfügung hatte er entsprechend unmissverständlich formuliert: Lebensverlängernde Maßnahmen schloss er für sich kategorisch aus. Seinen Tod empfanden wir Kinder daher als eine Erlösung für ihn.
Irgendwie war er auch schon lange nicht mehr Teil unseres Lebens gewesen, denn erkannt hatte er seine Kinder und Enkel seit Jahren nicht mehr. Seinen Tod erlebte ich als Abschied von einer schon etwas fremd gewordenen Person und als Ende eines Lebensabschnitts für mich selbst, denn nun hatte ich keine Eltern mehr.
Doch warum war ich nicht in der Lage, mich besser auf diesen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten? Meine Schwester war die amtlich bestellte Betreuerin meines Vaters und hatte volle Kontoeinsicht. Zwar darf man, solange die zu betreuende Person lebt, nicht schon über deren Geld verfügen oder es neu anlegen. Selbst wenn sicher ist, dass sich der Angehörige nicht mehr von seiner Krankheit erholen wird. Das ist auch richtig so. Und auch heute noch finde ich, es wäre moralisch fragwürdig gewesen, hätte ich schon vorab konkrete Pläne gemacht, was ich mit meinem Erbe anfangen würde. Das kann man sicher auch anders sehen, mir persönlich wäre es aber eindeutig zu weit gegangen. Ich hätte mir aber zumindest schon Finanzwissen aneignen und analysieren können, in welcher Form und wie gut das Geld bisher angelegt war, um mich der Sache später gewachsen zu fühlen.
Irene hat meine Passivität nicht überrascht. Geldangelegenheiten, so sagt sie, seien für viele Frauen noch immer ein schwieriges Thema, das sie lieber meiden. Nicht nur beim Erben. Frauen sind weniger fordernd in Gehaltsverhandlungen, arbeiten traditionell in eher schlecht bezahlten Berufen und übernehmen zusätzlich ganz ohne Entlohnung zu Hause den Großteil der Hausarbeit, der Kinderbetreuung und womöglich noch die Pflege der Eltern. Das kann zweierlei bedeuten: Geld ist uns Frauen nicht wichtig, oder wir haben das Gefühl, unsere Leistung sei weniger wert als die von Männern. Beides hängt auch mit sozialen Normen zusammen, die uns bestimmte Rollen und auch Tabus auferlegen. Solche Normen sind uns wie eingebrannt und halten sich hartnäckig. Letztlich sind sie nichts anderes als ein Machtinstrument des Patriarchats und eng mit dessen Entstehungsgeschichte verbunden. Das werden wir später noch genauer erläutern.
Über die Unsicherheit von Frauen im Umgang mit Geld habe ich mit Professor Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi gesprochen. Sie lehrt allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Corporate Governance an der Universität Mannheim. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören geschlechtsspezifische Unterschiede auf Kapitalmärkten und verhaltensorientierte Finanzmarktforschung.
Frau Professor Niessen-Ruenzi, warum fühlen sich gerade Frauen überfordert, wenn sie erben?Frauen haben nachweislich weniger Selbstvertrauen, was den Umgang mit Geld angeht. Hinzu kommt, dass Frauen Dinge immer besonders gut machen wollen. Da kann eine Erbschaft schon Ängste auslösen.
Ist es in Krisenzeiten wie diesen nicht auch eine besondere Herausforderung, Geld zu verwalten? Die Börsenkurse gehen rauf und runter, die Zukunft ist ungewiss.Wir wissen, dass Frauen in Geldfragen Risiken scheuen, insofern kann die aktuelle Lage tatsächlich zur Verunsicherung beitragen. Schwerer wiegt aber wohl, dass Frauen oftmals wenig über Finanzgeschäfte wissen.
Wie kommt das?Wir haben durch Umfragen herausgefunden, dass dies mit der finanziellen Sozialisation zusammenhängt.6 Vor allem Väter geben in Familien Finanzwissen weiter, allerdings eher an Söhne als an Töchter. Männliche Jugendliche und junge Männer tauschen sich außerdem mit Freunden über Geldfragen aus. Sie orientieren sich an Vorbildern wie Elon Musk oder Amazon-Gründer Jeff Bezos. Junge Frauen meiden das Thema Geld eher. Da es in Deutschland anders als in anderen Ländern auch keine Finanzbildung an Schulen gibt, kommen sie erst spät mit Finanzfragen in Berührung.
Woher kommt denn dieses Desinteresse bei Frauen?Dafür gibt es viele Gründe. Schon historisch wurden Frauen lange von Geldfragen ferngehalten: Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhielten sie das Recht, eigenes Geld zu verdienen und es auch selbst zu verwalten. Kein Wunder, dass Frauen denken: »Ich verstehe nichts von Geld, also beschäftige ich mich erst gar nicht damit.«
Kann so etwas denn so lange nachwirken? Wir leben im 21. Jahrhundert!Solche Prägungen überdauern Generationen. Wenn man sich die bekannte Shell-Jugendstudie ansieht, in der Zwölf- bis Fünfundzwanzigjährige zu ihren Einstellungen und Erwartungen befragt werden, dann halten sich tradierte Rollenbilder hartnäckig. Ein weiteres Beispiel: Mädchen und Jungen erhalten heute zwar in der Regel denselben Taschengeldbetrag, eine aktuelle Studie aus Großbritannien hat aber gezeigt, dass Jungen mit größeren einmaligen Geldgeschenken bedacht werden.7 So können sie mehr Erfahrung im Umgang mit Geld sammeln, und die Mädchen entwickeln Berührungsängste. Ein ewiger Teufelskreis.
Wie können Frauen ihre Angst loswerden?Ganz einfach: Sie müssen sich Finanzwissen aneignen. Dafür muss man nicht gleich ein Vermögen für ein teures Seminar ausgeben. Ein VHS-Kurs tut es für den Anfang zum Beispiel auch.
Beim Erben verhält es sich ähnlich: Statt sich über ein kleineres oder größeres Vermögen zu freuen, haben viele Frauen Schwierigkeiten, es anzunehmen. Das mag sympathisch klingen, und irgendwie sind Frauen, gerade weil Geld für sie keine Priorität hat, eine unverzichtbare Stütze unserer Gesellschaft. Die meisten Krankenhäuser und Kindertagesstätten könnten wohl dichtmachen, wären Frauen nicht bereit, den Job als Krankenschwester oder Erzieherin für wenig Geld zu übernehmen. Sollten wir nicht darauf hinarbeiten, dass soziale Berufe besser bezahlt werden, und auch darauf, mehr Männer für diese wichtigen Tätigkeiten und für Care-Arbeit zu gewinnen, statt Frauen einzureden, sie hätten den falschen Berufsweg eingeschlagen? Macht ein sinnstiftender Job am Ende nicht sogar zufriedener? Oder besser noch: Sollten wir uns nicht grundsätzlich vom kapitalistischen Immer-mehr-Denken verabschieden? Müssten nicht eher die Männer umdenken, indem sie Geld weniger Bedeutung beimessen und mehr Wert auf soziale Beziehungen legen?
Spontan würde ich sagen: Ja, das sollten wir. Auf den zweiten Blick ist diese Sichtweise jedoch recht naiv. Denn was hat es gebracht, dass Frauen mit gutem Beispiel vorangehen und die wahren Werte in der Gesellschaft hochhalten? Sie erhalten dafür weder Anerkennung noch angemessene Gehälter, obwohl das immer mal wieder gefordert wird. Haben weibliche Vorbilder Männer zur Nachahmung angeregt? Auch nicht.
Die Wahrheit lautet: Solange wir in einem kapitalistischen System leben, läuft die Welt nach kapitalistischen Spielregeln. Man könnte auch sagen: So lange regiert Geld die Welt. Wer kein Geld besitzt oder wenig verdient, wird daher nur selten glücklich. Alleinerziehende Mütter werden das bestätigen, hart arbeitende Krankenpflegerinnen auch. Sie haben zwar eine sinnvolle und im Prinzip sicher auch eine befriedigende Aufgabe. Wenn ihr Gehalt aber nur gerade so zum Leben reicht, bestimmen eher Geldsorgen, Existenzängste und auch Wut ihre Gefühlslage. Und später droht ihnen die Altersarmut, auch das ist ein Phänomen, das vor allem Frauen betrifft.
Es spricht daher viel dafür, dass Frauen ihre Einstellung zu Geld ändern sollten. Geld ist aber nicht nur eine wichtige Voraussetzung, um ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben führen zu können, es gibt uns auch die Möglichkeit, das System selbst zu verändern. Das gilt besonders für Erbinnen, egal, ob sie kleinere oder größere Vermögen zur Verfügung haben. Denn Geld ist Macht. Das ist keine leere Floskel. Wer an der Börse nur in Fonds investiert, die keine Unternehmen aus der fossilen Energiebranche aufnehmen, bewirkt etwas für die Energiewende. Wer eine Eigentumswohnung kauft und an Menschen vermietet, die es schwerer haben als andere, eine Wohnung zu finden, etwa weil ihr Name einen Migrationshintergrund vermuten lässt, weil sie alleinerziehend oder geflüchtet sind, trägt dazu bei, den Immobilienmarkt gerechter zu gestalten. Es geht natürlich auch eine Nummer kleiner: Als ich einen Artikel über syrische Geflüchtete schreiben sollte, die über Weißrussland nach Polen gelangen wollten und zwischen beiden Staaten hin- und hergetrieben wurden, hat mich das, was ich über die Situation der Menschen in Erfahrung brachte, so empört, dass ich spontan 1000 Euro an eine kleine Hilfsorganisation gespendet habe, die an der polnischen Grenze im Einsatz war.
Beim Vermögensaufbau und bei der Vermögensverwaltung sind Frauen Irenes Erfahrung nach ebenfalls zögerlich. Die Gründe werden wir später ausführlich einordnen. Vor allem aber wird Irene ihr Finanzwissen weitergeben und wichtige Tipps für den Umgang mit Erbschaften und die Vermögensverwaltung vermitteln. Dabei wird sie besonders auf die Situation und die Bedürfnisse von Frauen eingehen. Denn Frauen interessieren sich vor allem für Geldanlagen, die im Einklang mit eigenen Werten stehen. Laut einer Studie der Schweizer Lebensversicherung Swiss Life wollen mehr als die Hälfte der Frauen nachhaltig investieren.8 Sie wollen mit ihrem Geld etwas bewirken: das Klima schützen, zum Beispiel, oder soziale Projekte unterstützen. Und kann man mit Geldanlagen vielleicht sogar die Gleichberechtigung fördern? Allerdings haben nur sechs Prozent der Frauen nachhaltige Investitionen. Vermutlich, weil ihnen das entscheidende Finanzwissen fehlt.
Bevor wir uns diesen praktischen Fragen widmen, soll es zunächst um unsere negativen Gefühle in Bezug auf Geld gehen. Nur wenn wir uns bewusst machen, wie diese Gefühle wirken und woher sie kommen, können wir sie überwinden und konstruktiv mit Geld umgehen.
Schon in unserem ganz normalen Alltag löst Geld Gefühle aus. Jede Rechnung, jede Gehaltsabrechnung, jeder Einkauf kann positive oder negative Emotionen in uns wecken. Das kann Ärger sein, Freude oder eben auch Angst. Nachdem ich geerbt hatte, konnte ich mich zum Beispiel kaum ohne ein Beklemmungsgefühl in mein Online-Banking einloggen. Rechnungen sammelte ich an, weil ich bei jeder Überweisung mit den hohen Zahlen auf dem Konto und im Depot konfrontiert wurde. Die sagten mir: »Tu was, handle« – und das überforderte mich einfach.
Wer dagegen über sehr wenig Geld verfügt, macht womöglich Rechnungsschreiben gar nicht erst auf, und die später folgenden Mahnungen auch nicht. Dieses Phänomen ist sogar recht weit verbreitet, obwohl ignorieren und verdrängen natürlich alles nur schlimmer macht. Mit jeder Mahnung wird die Sache teurer. Auch ein Strafzettel, die Heizkostenabrechnung oder der Moment der Wahrheit an der Supermarktkasse können uns die Stimmung nachhaltig vermiesen und Stress auslösen.
Andererseits kann Geld auch glücklich machen, kurzfristig jedenfalls. Wer würde sich zum Beispiel nicht über den Lotto-Jackpot freuen? Langfristig haben allerdings die wenigsten Lottomillionäre Freude an ihrem Gewinn. Die Forschung zu diesem Thema ist zwar widersprüchlich, Sanjiv Chopra, Professor für Medizin an der Harvard Medical School und Ratgeberautor, ist aber davon überzeugt, dass Lottomillionäre meist nur kurz im Glückshimmel schweben. Am Ende kaufe man sich von Geld eben nur materielle Dinge, an die man sich schnell gewöhne. »Die Forschung hat gezeigt, dass Lottogewinner nach einem Jahr wieder so leben wie vorher«, zitiert ihn der Münchner Merkur.9 Dennoch löst ein Gewinn natürlich erst einmal Freude aus. Ebenso freuen wir uns, wenn wir etwas besonders günstig erwerben konnten, also ein Schnäppchen gemacht haben. Und wer freut sich nicht über eine Gehaltserhöhung?
Was sagt uns das? Ob wir wollen oder nicht: Geld spielt eine große Rolle in unserem Leben. Es kann positive wie negative Gefühle auslösen, und zwar unabhängig davon, wie viel Geld wir besitzen. Entscheidend ist daher, was wir aus unseren finanziellen Möglichkeiten machen. Denn Geld kann als Glücksfaktor zwar nicht mit Gesundheit, Liebe und Freundschaft mithalten, es schenkt uns aber die Freiheit, Dinge zu verwirklichen, die unser Leben bereichern können.